Urteil des BGH vom 29.09.2011

Leitsatzentscheidung zu Einfamilienhaus, Gebäude, Freifläche, Bekanntmachung, Grundstück

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 65/11
vom
29. September 2011
in der Zwangsversteigerungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZVG § 37 Nr. 1
Die Bezeichnung der Nutzungsart eines Grundstücks in der Terminsbestimmung
als "bebaut mit einem Einfamilienhaus" genügt den Anforderungen des § 37 Nr. 1
ZVG auch dann, wenn einige Räume des Einfamilienhauses als Ingenieurbüro
genutzt werden.
BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - V ZB 65/11 - LG Verden
AG Sulingen
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. September 2011 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den
Richter Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6a. Zivilkammer
des Landgerichts Verden vom 2. März 2011 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt für
die Gerichtsgebühren 125.000
€ und für die anwaltliche Vertretung
der Beschwerdeführer 190.0000
€.
Gründe:
I.
Im Juli 2009 ordnete das Vollstreckungsgericht die Zwangsversteigerung
des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten, mit einem Einfamilienhaus be-
bauten Grundstücks der Schuldner an. In dem zur Verkehrswertfestsetzung ein-
geholten Sachverständigengutachten heißt es, in dem Haus werde von dem
Schuldner ein Ingenieurbüro zur Planung und Ausführung von Industriebauten
geführt. Nach dem beigefügten Grundriss umfasst diese Nutzung jeweils einen
Raum im Erd- und im Dachgeschoss von 18,48 bzw. 13,97 qm sowie zwei als Ar-
chiv genutzte Kellerräume (16,34 und 9,27 qm). Der Verkehrswert des Grund-
stücks wurde auf 190.000
€ festgesetzt.
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Die Terminsbestimmung auf den 1. Dezember 2010, die unter anderem am
11. Oktober 2010 im Niedersächsischen Staatsanzeiger bekannt gemacht wurde,
enthält folgende Angaben: "
… Gebäude- und Freifläche…, bebaut mit einem Ein-
familienhaus (teilunterkellert, ausgebautes Dachgeschoss, ausgebauter Spitzbo-
den, Gesamtwohnfläche 252 m²) und einem Stallgebäude (etwa 66 m² Nutzfläche)
mit angebautem Car
port…".
In dem Termin blieb der Beteiligte zu 8 Meistbietender mit einem Bargebot
von 125.000
€. Ihm wurde durch Beschluss vom 15. Dezember 2010 der Zuschlag
erteilt. Die Zuschlagsbeschwerde, die die Schuldner auf eine fehlerhafte Termins-
bestimmung stützen, ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der
Rechtsbeschwerde verfolgen sie ihren Antrag auf Versagung des Zuschlags wei-
ter.
II.
Das Beschwerdegericht hält die Vorschriften über die Bestimmung des
Zwangsversteigerungstermins für eingehalten. Die Veröffentlichung im Nieder-
sächsischen Staatsanzeiger sei rechtzeitig erfolgt und auch inhaltlich nicht zu be-
anstanden. Eines Hinweises auf die gewerbliche Nutzung des Hauses habe es
nicht bedurft. Ob die gewerbliche Teilnutzung eines Wohngebäudes in der Be-
kanntmachung anzuführen sei, richte sich nach dem Zweck der Terminsbestim-
mung, bei einem möglichst großen Kreis ein Bietinteresse zu wecken. Die gewerb-
liche Nutzung eines Wohnhauses sei für Bieter in der Regel aber nur von Interes-
se, wenn sich die gewerblich genutzten Räume in tatsächlicher Hinsicht von den
Wohnräumen unterschieden oder umfangreiche Betriebseinrichtungen enthielten.
So verhalte es sich hier nicht. Die Räume wiesen weder eine besondere bauliche
Beschaffenheit auf noch seien Maschinen- oder Betriebseinrichtungen vorhanden.
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Da sie von dem übrigen Teil des Hauses nicht durch einen separaten Zugang ab-
gegrenzt seien, wäre ein Hinweis auf die gewerbliche Nutzung sogar geeignet ge-
wesen, falsche Vorstellungen über die Beschaffenheit des Objekts zu vermitteln.
III.
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zu-
lässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Versteigerungstermin ist gemäß
§ 43 Abs. 1 ZVG ordnungsgemäß bekannt gemacht worden, so dass der Zu-
schlagsversagungsgrund des § 83 Nr. 7 ZVG nicht gegeben ist.
1. Das Beschwerdegericht geht zutreffend davon aus, dass die Vorschrift
des § 43 Abs. 1 Satz 1 ZVG, wonach die Terminsbestimmung sechs Wochen vor
dem Versteigerungstermin bekannt gemacht sein muss, verletzt ist, wenn die Be-
kanntmachung inhaltlich nicht den zwingenden Vorgaben des § 37 ZVG genügt
(Senat, Beschluss vom 30. September 2010 - V ZB 160/09, WM 2010, 2365).
Hierzu zählt auch die Bezeichnung des Grundstücks (§ 37 Nr. 1 ZVG).
2. a) Richtig ist ferner, dass sich die an die Bezeichnung des Grundstücks
nach § 37 Nr. 1 ZVG zu stellenden Anforderungen aus den beiden Zwecken der
Terminsbestimmung ergeben. Sie soll zum einen denjenigen, deren Rechte durch
die Zwangsversteigerung betroffen werden können, die Wahrnehmung ihrer Rech-
te im Verfahren ermöglichen und zum anderen Erwerbsinteressenten auf den
Termin aufmerksam machen, um durch eine Konkurrenz von Bietern eine Verstei-
gerung des Grundstücks zu einem seinem Wert möglichst entsprechenden Gebot
zu erreichen (vgl. Senat, Beschluss vom 30. September 2010 - V ZB 160/09, aaO;
Beschluss vom 22. März 2007 - V ZB 138/06, NJW 2007, 2995, 2997 Rn. 33 f.
sowie BGH, Beschluss vom 24. Oktober 1978 - VI ZR 67/77, NJW 1979, 162, 163;
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insoweit in BGHZ 72, 234 nicht abgedruckt). Diesem zweiten Zweck dient es,
wenn die Terminsbestimmung neben den Angaben zur sicheren Identifizierung
des Grundstücks auch dessen Nutzungsart erkennen lässt. Da der Kreis der an
einem Erwerb Interessierten je nach Nutzungsmöglichkeit regelmäßig ein anderer
sein wird, ist eine solche Angabe wesentlich, um möglichen Interessenten den
Anstoß zu geben, sich weitere Informationen zu dem Objekt zu beschaffen und
ggf. als Bieter an der Versteigerung teilzunehmen (vgl. OLG Hamm, Rpfleger
1991, 71, 72; 1992, 122; 2000, 172, 173).
aa) Welche Angaben in diesem Zusammenhang zu den zwingenden Anfor-
derungen im Sinne von § 37 Nr. 1 ZVG gehören, hat der Senat noch nicht ent-
schieden; die ganz überwiegende Auffassung hält eine über die im Bestandsver-
zeichnis des Grundbuchs angegebene Wirtschaftsart (z.B. Gebäude- und Freiflä-
che) hinausgehende Beschreibung der Nutzung jedenfalls bei einem gewerblich
oder gemischt genutzten Grundstück (z.B. Fabrikhalle, Reitanlage, Wohnhaus mit
Restaurant) und bei einer außergewöhnlichen Bebauung (z.B. Schloss) für erfor-
derlich (vgl. die Nachweise in Senat, Beschluss vom 22. März 2007 - V ZB 138/06,
NJW 2007, 2995, 2998 Rn. 36). Dies geht auf die Rechtsprechung des Oberlan-
desgerichts Hamm zurück, wonach die interessierte Öffentlichkeit bei der aus dem
Grundbuch zur Wirtschaftsart übernommenen Angabe "Gebäude- und Freifläche"
annehme, dass es sich um ein mit einem privaten Wohnhaus bebautes Grund-
stück handele, und deshalb einen besonderen Hinweis nur bei einem ganz oder
teilweise gewerblich genutzten Objekt erwarte (OLG Hamm, Rpfleger 1992, 122
[zu A.]; 1997, 226; 2000, 172, 173). Ob das überzeugt oder eher davon auszuge-
hen ist, dass Angaben wie „Gebäude- und Freifläche“ von Bietinteressenten all-
gemein als nichtssagend empfunden werden und deshalb stets der Ergänzung um
einen Hinweis auf die tatsächliche Nutzung des Grundstücks bedürfen (vgl.
Hintzen in Dassler/Schiffhauer u.a., ZVG, 13. Aufl., § 37 Rn. 6), kann offen blei-
ben.
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bb) Enthält die Terminsbestimmung - wie vorliegend - eine über den
Grundbuchbeschrieb hinausgehende Angabe zu der tatsächlichen Nutzung des
Grundstüc
ks (hier: „Einfamilienhaus“), kann die Vorschrift des § 37 Abs.1 ZVG nur
verletzt sein, wenn diese Angabe unrichtig oder irreführend ist. Dabei ist zu be-
rücksichtigen, dass die Bekanntmachung im Hinblick auf die Nutzungsart des
Grundstücks zwar aussagekräftig sein, aber keine ins Einzelne gehende Be-
schreibung des Versteigerungsobjekts enthalten muss; exposéartige Beschrei-
bungen sind nicht erforderlich (Senat, Beschluss vom 22. März 2007 - V ZB
138/06, NJW 2007, 2995, 2998 Rn. 37). Besonderheiten der Bebauung oder der
Nutzung, insbesondere eine teilweise gewerbliche Nutzung, gehören deshalb nur
dann zu den nach § 37 Nr. 1 ZVG unverzichtbaren Angaben, wenn sie dem Objekt
ein solches Gepräge geben, dass die schlagwortartige Bezeichnung ohne ihre
Erwähnung irreführend wäre. Das kommt beispielsweise bei einem als Mehrfamili-
enhaus bezeichneten, tatsächlich aber als Heim oder als Pension genutzten Ge-
bäude in Betracht. Umgekehrt verliert ein Mietshaus seinen Charakter als Mehr-
familienhaus aber nicht dadurch, dass einige Einheiten zu gewerblichen Zwecken,
z.B. als Laden, Arztpraxis oder Anwaltskanzlei, genutzt werden. Ebenso ist ein
Einfamilienhaus auch dann richtig bezeichnet, wenn es über eine Einliegerwoh-
nung verfügt oder wenn ein Teil der Räume als Büro oder der Keller als Kosmetik-
bzw. Fußpflegestudio genutzt wird (unzutreffend daher LG Hannover, Beschluss
vom 15. Januar 2010 - 13 T 56/09).
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde wird durch die Bezeich-
nung eines Versteigerungsobjekts als Einfamilienhaus auch nicht die Fehlvorstel-
lung erweckt, es sei lediglich eine Wohnnutzung möglich und baurechtlich zuläs-
sig. Die Bezeichnung eines Grundstücks nach § 37 Nr. 1 ZVG hat nur beschrei-
benden Charakter, trifft also keine Aussage über dessen rechtlich zulässige Nut-
zung (vgl. OLG Karlsruhe, MDR 1990, 452). Demgemäß folgt aus der Angabe
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"Einfamilienhaus" nicht die Unzulässigkeit einer (teil-)gewerblichen Nutzung des
Versteigerungsobjekts.
b) Die hier gewählte Bezeichnung als ein mit einem Einfamilienhaus bebau-
tes Grundstück genügt damit den Anforderungen des § 37 Nr. 1 ZVG. Dass die als
Ingenieurbüro genutzten Räume dem Haus den Charakter eines Einfamilienhau-
ses nehmen könnten, ist schon deshalb ausgeschlossen, weil sie nach den Fest-
stellungen des Beschwerdegerichts keine besondere bauliche Beschaffenheit
aufweisen.
IV.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Dass die Schuldner die Ge-
richtskosten des von ihnen erfolglos betriebenen Rechtsbeschwerdeverfahrens zu
tragen haben, folgt aus dem Gesetz; ein Ausspruch über die außergerichtlichen
Kosten scheidet aus, weil sich die Beteiligten bei der Zuschlagsbeschwerde
grundsätzlich, und so auch hier, nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessord-
nung gegenüberstehen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB
125/05, BGHZ 170, 378, 381 Rn. 7).
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist für die Ge-
richtsgebühren nach dem Wert des Zuschlagsbeschlusses zu bestimmen, dessen
Aufhebung die Schuldner erreichen wollen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG). Er entspricht
dem Meistgebot (§ 54 Abs. 2 Satz 1 GKG). Der Wert für die anwaltliche Vertretung
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der Beschwerdeführer richtet sich nach dem Wert des versteigerten Objekts und
beträgt daher 190.000 € (§ 26 Nr. 2 RVG).
Krüger
Stresemann
Roth
Brückner
Weinland
Vorinstanzen:
AG Sulingen, Entscheidung vom 15.12.2010 - 7 K 6/09 -
LG Verden, Entscheidung vom 02.03.2011 - 6a T 1/11 -