Urteil des BGH vom 15.05.2012

Jahresrechnung, Anteil, Anfechtungsklage, Überprüfung, Genehmigung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 282/11
vom
15. Mai 2012
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Mai 2012 durch den Vor-
sitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und
Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss der
25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 17. November
2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die außer-
gerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das
Landgericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht
erhoben.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
1.488,03
€.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat die Anfechtungsklage der Kläger gegen den Be-
schluss der aus den Parteien bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft
über eine Jahresabrechnung abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung
der Kläger als unzulässig verworfen, weil die Berufungssu
mme von 600 € nicht
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erreicht sei. Die Beschwer der Kläger betrage 113,59 €. Dagegen wenden sich
die Kläger mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1
Satz 4 ZPO zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen
Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den für die Entscheidung
maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben, wobei auch das mit dem Rechtsmittel
verfolgte Rechtsschutzziel deutlich werden muss. Diese Anforderungen gelten
auch für einen Beschluss, durch den die Berufung als unzulässig verworfen
wird. Nach § 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO hat das Rechtsbeschwerdegericht
grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Beschwerdegericht
festgestellt hat. Fehlen tatsächliche Feststellungen, ist es zu einer rechtlichen
Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des Beschwerdegerichts, die eine
solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im zivilprozessualen
Sinn. Wird diesen Anforderungen nicht genügt, liegt ein von Amts wegen zu
berücksichtigender Verfahrensmangel vor, der die Aufhebung der Beschwerde-
entscheidung nach sich zieht (Senat, Beschlüsse vom 7. April 2011 - V ZB
301/10, WuM 2011, 377 Rn. 3 und vom 29. September 2011 - V ZB 157/11,
NJW-RR 2012, 141, 142 Rn. 2).
2. So liegt es hier. Eine Sachdarstellung fehlt. Angaben zum Streitge-
genstand lassen sich der Entscheidung nicht entnehmen. Es ist nicht erkenn-
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bar, gegen welche Jahresabrechnung sich die Kläger wenden, was sie gegen
diese einwenden und welches Rechtsschutzziel sie mit der Berufung verfolgen.
3. Die Entscheidung über die Nichterhebung der Gerichtskosten für das
Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG.
III.
Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
1. Sollten gegen die Darstellung einzelner Positionen in der Jahresab-
rechnung Einwände erhoben werden, die nicht zu einer Verminderung der per-
sönlichen Belastung der Kläger führen, wäre Folgendes zu berücksichtigen: Die
Beschwer des Anfechtungsklägers durch die Abweisung der Anfechtungsklage
gegen einen Beschluss der Wohnungseigentümer muss nicht immer nach sei-
nen persönlichen wirtschaftlichen Interessen zu bemessen sein. Das gilt etwa
für die Anfechtung des Beschlusses über die Entlastung des Verwalters, gegen
den keine Ansprüche erhoben werden sollen (Senat, Beschluss vom 31. März
2011 - V ZB 236/10, NJW-RR 2011, 1026, 1027 Rn. 12). Auf die Anfechtung
der Jahresrechnung nach § 28 Abs. 3 WEG lässt sich diese Überlegung nicht
übertragen. Die Jahresrechnung hat Einnahmen und Ausgaben und die Höhe
gebildeter Rücklagen der Gemeinschaft auszuweisen (Senat, Urteil vom 4. De-
zember 2009 - V ZR 44/09, NJW 2010, 2127 f. Rn. 10). Sie soll die Wohnungs-
eigentümer in die Lage versetzen, die Vermögenslage der Wohnungseigentü-
mergemeinschaft zu erfassen und daraufhin zu überprüfen, was mit den einge-
zahlten Mitteln geschehen ist, insbesondere ob sie entsprechend den Vorgaben
namentlich des Wirtschaftsplans eingesetzt worden sind (Senat, Urteil vom 4
März 2011 - V ZR 156/10, NJW 2011, 1346, 1347 Rn. 6). Sie ist nicht zuletzt
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die Grundlage für die Festlegung der endgültigen Höhe der Beiträge (KG,
OLGZ 1994, 141, 145; Merle in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 28 Rn. 56 aE).
Darüber hinausgehende ideelle Zwecke hat die Jahresabrechnung nicht. Etwas
anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Abrechnung, wie die Kläger
formuliert haben, den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen
müsse. Richtig ist zwar, dass die Jahresabrechnung nicht nur inhaltlich richtig,
sondern auch für einen Wohnungseigentümer ohne Hinzuziehung fachlicher
Unterstützung verständlich, geordnet und übersichtlich sein muss (Senat, Urteil
vom 4. Dezember 2009 - V ZR 44/09, NJW 2010, 2127 f. Rn. 10). Damit soll
aber nur erreicht werden, dass die Jahresabrechnung die ihr zugedachte Kon-
trollfunktion erfüllt. Deshalb bestimmt sich die Beschwer des Anfechtungsklä-
gers durch die erfolglose Anfechtung des Beschlusses über die Genehmigung
der Jahresabrechnung allein nach seinem persönlichen wirtschaftlichen Inte-
resse.
2. Dieses persönliche wirtschaftliche Interesse entspricht auch bei einer
einschränkungslosen Anfechtung des Beschlusses über die Jahresrechnung
nicht dem Streitwert des Anfechtungsklageverfahrens, der sich gemäß § 49a
Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Gesamtinteresse beider Parteien und alle Beige-
ladenen bestimmt. Maßgeblich ist vielmehr der Anteil des Klägers an dem Ge-
samtergebnis. Geht es dem Kläger nur um einen bestimmten Aspekt der Jah-
resabrechnung, kann es sachgerecht sein, auf diesen abzustellen (Suilmann in
Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 49a GKG Rn. 16 aE für die Anfechtung eines Wirt-
schaftsplans). Das wäre etwa der Fall, wenn der Kläger geltend macht, der
Rücklage fehlten Beträge, sei es, weil sie nicht eingezogen, sei es, weil sie
falsch zugeordnet worden sind. Maßgeblich wäre auch dann nicht der Gesamt-
fehlbetrag, sondern nur der Anteil des Klägers an diesem Fehlbetrag.
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3. Sollte das Amtsgericht von einer Berufungsbeschwer von über 600
ausgegangen sein, muss das Berufungsgericht die Entscheidung über die Zu-
lassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO nachholen, wenn es diesen Wert
für nicht erreicht hält (BGH, Urteil vom 14. November 2007 - VIII ZR 340/06,
NJW 2008, 218, 219 Rn. 12; Senat, Beschluss vom 6. Oktober 2011 - V ZB
72/11, NJW-RR 2012, 82, 83 Rn. 6). Sollte die Klage als unschlüssig abgewie-
sen worden sein, käme eine Zulassung nur zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung und nur in Betracht, wenn das Amtsgericht die Anforderungen
an den Sachvortrag der Kläger überspannt oder Vortrag der Kläger übergangen
haben sollte.
Krüger
Schmidt-Räntsch
Roth
Brückner
Weinland
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 11.04.2011 - 290a C 7495/10 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 17.11.2011 - 25 S 59/11 -
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