Urteil des BGH vom 08.03.2012

Erneuerung, Rüge, Verwalter, Anfechtungsklage, Zugang

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 215/11
vom
8. März 2012
in der Wohnungseigentumssache
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. März 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den
Richter Dr. Czub und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer
des Landgerichts Aurich vom 10. August 2011 wird auf Kosten
des Klägers als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
2.430
€.
Gründe:
I.
Der Kläger ist Miteigentümer einer Eigentumswohnung. Mit seiner gegen
die weitere Miteigentümerin und die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten
Anfechtungsklage wendet er sich jetzt noch gegen drei auf einer Eigentü-
merversammlung im Oktober 2009 gefasste Beschlüsse. Sie haben die Erneu-
erung der Fensterelemente der Wohnung 92 (5/2009 zu a), die Ablehnung des
Antrags des Klägers, dem Verwalter und dem Verwaltungsbeirat eine Rüge
wegen verspäteter Erstellung der Jahresabrechnung zu erteilen (19/2009), so-
wie die Versendung von Schriftverkehr zu Gerichtsverfahren (24/2009) zum
Gegenstand.
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In erster Instanz ist die Klage ohne Erfolg geblieben. Das Landgericht
hat die Berufung des Klägers mit der Begründung als unzulässig verworfen,
seine Beschwer übersteige 600
€ nicht. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der
Kläger die Anfechtungsklage weiter. Die übrigen Wohnungseigentümer bean-
tragen die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
II.
Das Berufungsgericht meint, die Kosten für die Erneuerung der Fens-
terelemente in der Wohnung 92 betrügen allenfalls 10.000 €; hiervon entfielen
86 € auf den Miteigentumsanteil des Klägers. Die Beschwer aus der Ablehnung
des Antrags, dem Verwalter und dem Verwaltungsbeirat eine Rüge zu erteilen,
betrage nicht mehr als 300
€, da konkrete Nachteile wegen der verspätet er-
stellten Jahresabrechnung nicht erkennbar seien. Die Belastung des Klägers
durch den Beschluss 24/2009, die daraus folge, dass er die der Verwaltung
entstehenden Kosten für die gewünschte Übersendung von Gerichtsunterlagen
(mit Ausnahme von Urteilen) per Post statt per E-Mail selbst tragen müsse,
werde auf 100 € geschätzt; dabei sei zu berücksichtigen, dass es in der Ver-
gangenheit kein einziges Verfahren gegeben habe, an dem der Kläger nicht
ohnehin als klagende Partei beteiligt gewesen sei.
III.
1. Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte
Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil es an dem erforderlichen Zulassungs-
grund fehlt (§ 574 Abs. 2 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Mai 2003 - XII ZB
191/02, BGHZ 155, 21, 22). Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung
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noch liegt der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung vor.
2. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-
chung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Weder bestehen
Anhaltspunkte dafür, dass das Berufungsgericht durch die Festsetzung der Be-
schwer den Zugang zu der Berufungsinstanz unzumutbar erschwert hat, noch
zeigt die Rechtsbeschwerde auf, dass die Bemessung der Beschwer an einem
verallgemeinerungsfähigen Rechtsfehler leidet, von der Rechtsprechung ande-
rer Gerichte abweicht oder den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtli-
chen Gehörs verletzt.
a) Die Bemessung der aus dem Beschluss über die Erneuerung der
Fensterelemente folgende Beschwer des Klägers mit 86
€ erfordert nicht die
Zulassung der Rechtsbeschwerde.
aa) Hinsichtlich des von dem Kläger als nicht ausreichend berücksichtigt
gerügten Vortrags, der Austausch der Fenster in der Wohnung 92 werde
20.000
€ kosten, er müsse auch den Anteil seiner Ehefrau tragen und hafte mit
den anderen Eigentümern als Gesamtschuldner, folgt dies bereits aus dessen
mangelnder Entscheidungserheblichkeit. Sollte sich die im Beschluss 5/2009
enthaltene Kostenschätzung als fehlerhaft erweisen, weil allein der Austausch
der Fenster der Wohnung 92, wie der Kläger behauptet, einen Aufwand von
20.000
€ verursacht, führte das nicht zu einer höheren als von dem Beschwer-
degericht angenommenen Beschwer, sondern zu der Notwendigkeit einer er-
neuten Beschlussfassung der Wohnungseigentümer. Die von dem Kläger für
richtig erachtete Einbeziehung des Kostenanteils seiner
Ehefrau (86 €) hat kei-
ne 600
€ übersteigende Beschwer zur Folge. Das Beschwerdegericht musste
eine solche Beschwer auch nicht deshalb annehmen, weil der Kläger behaup-
tet, für die Verbindlichkeiten aus einem Auftrag über den Einbau neuer Fenster
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in voller Höhe als Gesamtschuldner zu haften. Der nicht näher erläuterte Vor-
trag des Klägers, zwischen ihm und den übrigen Wohnungseigentümern beste-
he Gesamtschuldnerschaft, ist angesichts der Regelung in § 10 Abs. 8 Satz 1
WEG nicht nachvollziehbar. Im Übrigen ist nicht dargelegt, dass gegebenenfalls
mit einer Inanspruchnahme auf den vollen Betrag ernsthaft zu rechnen ist.
bb) Aus den von der Rechtsbeschwerde zitierten Urteilen (BayObLG
ZWE 2000, 344; OLG Düsseldorf, WuM 2000, 567; KG WE 1995, 123), aus
denen sich ergeben soll, dass andere Gerichte in vergleichbaren Fällen zu ei-
ner höheren Beschwer gelangt seien, folgt ebenfalls kein Zulassungsgrund;
denn sie betreffen den Fall, dass die beschlossene bauliche Maßnahme zu ei-
ner nachteiligen Änderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage
führt. Anhaltspunkte dafür, dass die Erneuerung der Fenster in der Wohnung
92 eine solche Änderung zur Folge hat, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf.
b) Ein Zulassungsgrund ist auch hinsichtlich des - nicht zu beanstanden-
den (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 193/10, WuM 2011,
184 Rn. 9) - Ansatzes des Beschwerdegerichts nicht erkennbar, die aus der
Ablehnung des Antrags 19/2009 folgende Beschwer des Klägers nach dessen
Interesse an der angestrebten Belehrung des Verwalters zu bemessen.
c) Entsprechendes gilt hinsichtlich der aus dem Beschluss 24/2009 fol-
genden Beschwer des Klägers. Dass das Beschwerdegericht sich bei deren
Bemessung gemäß § 3 ZPO an der nach den konkreten Umständen des Ein-
zelfalls zu erwartenden Kostenbelastung des Klägers orientiert, lässt keinen
Ermessensfehler erkennen (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Dezember 2007
- V ZB 98/07, Rn. 8, juris).
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IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des
Gegenstandswerts beruht auf § 49a Abs. 1 GKG.
Krüger
Stresemann
Czub
Brückner
Weinland
Vorinstanzen:
AG Emden, Entscheidung vom 03.03.2011 - 5 C 631/09 -
LG Aurich, Entscheidung vom 10.08.2011 - 4 S 73/11 -
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