Urteil des BGH vom 18.12.2014

Leitsatzentscheidung zu Einstweilige Verfügung, Freiheitsentziehung, Hauptsache, Erlass, Rechtliche Qualifikation

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 114/13
vom
18. Dezember 2014
in der Zurückschiebungshaftsache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
FamFG § 51 Abs. 1 Satz 1, § 417 Abs. 1
Der Antrag der Behörde auf eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege einstwei-
liger Anordnung ist keine geeignete Grundlage für den Erlass einer Haftanordnung
im Hauptsacheverfahren.
FamFG § 417 Abs. 1; GG Art. 104 Abs. 1 Satz 1
Der von der Behörde im Beschwerdeverfahren gestellte Antrag, das Rechtsmittel
des Betroffenen gegen die Haftanordnung zurückzuweisen, enthält nicht zugleich
einen Haftantrag nach § 417 Abs. 1 FamFG.
BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - V ZB 114/13 - LG Saarbrücken
AG Saarbrücken
- 2 -
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2014 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und die Richter Dr. Czub, Dr. Kazele und Dr. Göbel
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss
der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom
19. Juli 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Haftan-
ordnung des Amtsgerichts Saarbrücken vom 22. Juni 2013 den
Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen
des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik
Deutschland auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
5.000 €.
Gründe:
I.
Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am
21. Juni 2013 ohne gültige Papiere in das Bundesgebiet ein und meldete sich
bei der Landespolizei in St. Ingbert. Er wurde an eine Dienststelle der beteilig-
ten Behörde (Bundespolizei) übergeben. Eine EURODAC Anfrage ergab Treffer
für Dänemark, Norwegen und Schweden.
Die beteiligte Behörde beantragte bei dem Amtsgericht Saarbrücken die
Anordnung einer vorläufigen Freiheitsentziehung gegen den Betroffenen im
Wege der einstweiligen Anordnung für die Zeit vom 22. Juni 2013 bis zum
1
2
- 3 -
26. Juli 2013 zur Sicherung seiner Zurückschiebung nach Dänemark gemäß
Art. 20 Abs. 1 Buchstabe b der VO (EG) 343/2003 (Dublin-II-Verordnung).
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 22. Juni 2013 nach § 62 i.V.m.
§ 57 Abs. 3 AufenthG die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung gemäß
§ 422 FamFG bis zum 26. Juli 2013 angeordnet und den Betroffenen dahin be-
lehrt, dass gegen den Beschluss die binnen eines Monats ab dessen Zustellung
einzulegende Beschwerde zulässig sei. Der Betroffene hat gegen den Be-
schluss Beschwerde eingelegt und nach seiner Überstellung nach Dänemark
am 17. Juli 2013 beantragt, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung fest-
zustellen. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Dage-
gen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
Das Beschwerdegericht meint, dass die Beschwerde mit dem Feststel-
lungsantrag nach § 62 FamFG unbegründet sei, weil der Haftantrag der betei-
ligten Behörde den in § 417 FamFG bestimmten Voraussetzungen entsprochen
habe und die Voraussetzungen für die Anordnung von Zurückschiebungshaft
zur Sicherung der Überstellung des Betroffenen nach Dänemark aus den in
§ 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG genannten Haftgründen vorgele-
gen hätten.
III.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil sich das Rechtsmittel des Be-
troffenen gegen eine im Hauptsacheverfahren erlassene freiheitsentziehende
Maßnahme richtet.
a) Nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG ist die Rechtsbe-
schwerde gegen die Freiheitsentziehung anordnende Beschlüsse - nach Erledi-
gung der Hauptsache auch mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG
3
4
5
6
- 4 -
(Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150
Rn. 9; Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 128/10, FGPrax 2011, 148 Rn. 4)
- ohne Zulassung statthaft. Hiervon ausgenommen sind allerdings nach § 70
Abs. 4 FamFG die im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG
ergangenen Beschlüsse über vorläufige Freiheitsentziehungen (Senat, Be-
schluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 128/10, aaO Rn. 5; Beschluss vom 12. Mai
2011 - V ZB 135/10, FGPrax 2011, 253 Rn. 5). Das gilt auch für auf § 62
FamFG gestützte Feststellungsanträge, da der Gesetzgeber mit der Regelung
in § 70 Abs. 4 FamFG klar zum Ausdruck gebracht hat, dass einstweilige An-
ordnungen keiner rechtlichen Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren un-
terworfen sein sollen (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 116/10,
FGPrax 2011, 143 Rn. 7).
b) Im Einzelfall kann allerdings zweifelhaft sein, ob eine Haftanordnung
im Wege der einstweiligen Anordnung oder im Hauptsacheverfahren ergangen
ist. Zweifel am Vorliegen einer Entscheidung in der Hauptsache können sich
insbesondere dann ergeben, wenn - wie hier von der beteiligten Behörde - eine
vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung nach
§ 427 FamFG beantragt worden ist. Maßgebend für die rechtliche Qualifikation
des freiheitsentziehenden Beschlusses ist jedoch nicht der Antrag der Behörde,
sondern der Inhalt der gerichtlichen Entscheidung. Anhaltspunkte für das Vor-
liegen einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren sind das Fehlen von Fest-
stellungen zur Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung, eine abschließen-
de, nicht nur vorläufige Feststellung der Haftgründe, die Überschreitung der für
einstweilige Haftanordnungen geltenden Höchstdauer von sechs Wochen
(§ 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG) und die Rechtsmittelbelehrung (Senat, Beschluss
vom 21. November 2013 - V ZB 96/13, FGPrax 2014, 87 Rn. 5). Da die Be-
gründung und die Rechtsmittelbelehrung für eine Entscheidung im Hauptsache-
verfahren sprechen, ist allein die Haftdauer von fünf Wochen kein tragfähiges
Indiz für eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung, weil nach
7
- 5 -
§ 62 Abs. 1 Satz 1 AufenthG jede Haftanordnung auf die kürzest mögliche
Dauer zu beschränken ist. Die Entscheidung des Amtsgerichts ist auch so von
allen Beteiligten und von dem Beschwerdegericht verstanden worden Die
Rechtsbeschwerdeerwiderung geht ebenfalls nicht von einer einstweiligen An-
ordnung nach § 427 FamFG aus.
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Betroffene ist dadurch in
seinen Rechten verletzt worden, dass die von dem Amtsgericht im Hauptsache-
verfahren angeordnete Haft ohne den nach § 417 Abs. 1 FamFG erforderlichen
Antrag der Behörde auf den Erlass einer solchen Entscheidung ergangen ist.
a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des
Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Be-
schluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 Rn. 12; Be-
schluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 138/12, FGPrax 2013, 132 Rn. 9; Be-
schluss vom 18. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 15; Beschluss
vom 9. Oktober 2014 - V ZB 127/13, juris Rn. 6 - st. Rspr.). Die ordnungsgemä-
ße Antragstellung der Behörde nach § 417 FamFG stellt eine Verfahrensgaran-
tie dar, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 GG fordert (BVerfG, NVwZ-RR 2009,
304, 305; Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO, Rn. 19;
Beschluss vom 9. Februar 2012 - V ZB 305/10, juris Rn. 10 - st. Rspr.). Das gilt
nicht nur, wenn der Haftantrag nicht den in § 417 Abs. 2 FamFG aufgestellten
Begründungserfordernissen entspricht (Senat, Beschluss vom 18. Juli 2014
- V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 19 mwN), sondern erst recht dann, wenn
es an dem für die angeordnete Freiheitsentziehung erforderlichen Haftantrag
der Behörde überhaupt fehlt (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010
- V ZB 218/09, aaO Rn. 12).
b) Das Amtsgericht hat allerdings nicht von sich aus (von Amts wegen)
die Zurückschiebungshaft angeordnet, sondern über einen Antrag der beteilig-
ten Behörde entschieden. Die erlassene Haftanordnung entsprach jedoch nicht
8
9
10
- 6 -
dem Antrag der beteiligten Behörde, die ausdrücklich um eine - auf einen Monat
beschränkte - vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anord-
nung (§ 427 FamFG) nachgesucht hatte. Der Wortlaut des Antrags, in dem zu-
dem auf die nur für die einstweiligen Anordnungen geltenden Vorschriften
(§§ 51 und 427 FamFG) Bezug genommen wird, ist in dieser Beziehung ein-
deutig und lässt eine andere Auslegung nicht zu.
c) Der Antrag der Behörde auf eine vorläufige Freiheitsentziehung im
Wege einstweiliger Anordnung ist keine geeignete Grundlage für den Erlass
einer Haftanordnung im Hauptsacheverfahren. Ein Antrag nach § 51 Abs. 1
Satz 1 FamFG steht einem Antrag nach § 417 Abs. 1 FamFG auf Erlass einer
Haftanordnung im Hauptsacheverfahren nicht gleich.
aa) Die Notwendigkeit zur Unterscheidung ergibt sich daraus, dass Ver-
fahren über einstweilige Anordnungen (§§ 49 ff. FamFG) nach § 51 Abs. 3 Satz
1 FamFG selbständige, von der Hauptsache unabhängige Verfahren sind (BT-
Drucks 16/6308, S. 200). Der Gesetzgeber des FGG-Reformgesetzes (vom
17. Dezember 2008 - BGBl. I 2586) hat sich dafür entschieden, die Haupt-
sacheabhängigkeit der Verfahren über einstweiligen Anordnungen zu beseiti-
gen und diese - wie die Verfahren über den Arrest und die einstweilige Verfü-
gung nach §§ 916 ff ZPO - von den Hauptsacheverfahren zu trennen (BT-
Drucks 16/6308, S. 199). Diesen Grundsatz hat er auch für vorläufige Freiheits-
entziehungen nach § 427 FamFG übernommen (BT-Drucks 16/6308, S. 293).
Sie setzen - im Unterschied zu den gemäß § 11 FrhEntzG ergangenen Haftan-
ordnungen - die Anhängigkeit eines Verfahrens in der Hauptsache bei dem Ge-
richt nicht mehr voraus (zur früheren Rechtslage: BVerfG, Beschluss vom
1. April 2008 - 2 BvR 1952/04, juris Rn. 18 und NVwZ-RR 2009, 304). Einer
einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG muss auch kein Hauptsachever-
fahren nachfolgen. Der Betroffene kann ein solches Verfahren mit den damit
verbundenen weitergehenden Rechtsbehelfsmöglichkeiten nur erzwingen, in-
11
12
- 7 -
dem er bei dem Gericht, das die einstweilige Anordnung erlassen hat, den An-
trag gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 FamFG stellt, der Behörde binnen einer von
dem Gericht zu bestimmenden Frist die Einleitung eines Hauptsacheverfahren
aufzugeben (vgl. BT-Drucks 16/6308, S. 199, 201), was auch nach Erlass einer
Anordnung gemäß § 427 FamFG möglich ist (Marschner/Volckart/Lesting, Frei-
heitsentziehung und Unterbringung, 3. Aufl., § 427 FamFG Rn. 1; Prütting/
Helms/Jennissen, FamFG, 3. Aufl., § 427 Rn. 15; Schulte-Bunert/Weinreich/
Dodegge, § 427 FamFG Rn. 2).
bb) Einer Ersetzung des Antrags in der Hauptsache durch den Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 51 FamFG steht zudem entgegen,
dass sich die verfahrensrechtlichen Anforderungen für einstweilige Anordnun-
gen nach § 427 FamFG von denen für freiheitsentziehende Beschlüsse in der
Hauptsache nach § 422 FamFG unterscheiden. Eine einstweilige Anordnung
kann bereits dann ergehen, wenn noch nicht alle für den Erlass einer Entschei-
dung in der Hauptsache notwendigen Ermittlungen abgeschlossen sind
(BVerfG, InfAuslR 2012, 186 Rn. 18; Keidel/Budde, FamFG, 18. Aufl., § 412
Rn. 1); sie setzt jedoch voraus, dass ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges
Tätigwerden besteht (Keidel/Budde, aaO Rn. 4). Eine Freiheitsentziehung kann
als vorläufige Anordnung nach § 427 FamFG rechtmäßig, als Beschluss in der
Hauptsache nach § 422 FamFG jedoch rechtwidrig sein (vgl. Senat, Beschluss
vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 10; Beschluss vom
16. Mai 2013 - V ZB 44/12, FGPrax 2013, 229 Rn. 11). Deswegen muss für das
Gericht und für den Betroffenen stets klar sein, in welchem Verfahren die Be-
hörde die Freiheitsentziehung beantragt.
d) Der für die ergangene Haftanordnung erforderliche Antrag ist von der
beteiligten Behörde auch nicht nachträglich im Beschwerdeverfahren gestellt
worden.
13
14
- 8 -
aa) Ein im ersten Rechtszug unterbliebener Haftantrag kann von der Be-
hörde allerdings noch in der Beschwerdeinstanz gestellt werden (BayObLG,
InfAuslR 1991, 345); hiermit wird die mit einer richterlichen Haftanordnung ohne
behördlichen Antrag einhergehende Verletzung des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG
zwar nicht rückwirkend geheilt, aber beendet (vgl. Senat, Beschluss vom
15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 8). Das wäre hier
möglich gewesen. Da das Beschwerdegericht eine Haftanordnung im Haupt-
sacheverfahren erlassen hatte, wäre der Gegenstand des Beschwerdeverfah-
rens durch die Nachholung des behördlichen Haftantrags nicht verändert wor-
den (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax
2011, 318 Rn. 9), so dass sich die Frage nicht stellt, ob ein Übergang von dem
Verfahren der einstweiligen Anordnung (nach §§ 49 ff., § 427 FamFG) in das
Hauptsacheverfahren (nach §§ 417, 422 FamFG) zulässig ist (vgl. zur Zulässig-
keit eines Übergangs von einem Verfahren über einen Arrest oder eine einst-
weilige Verfügung in den Hauptsacheprozess: OLG Hamm, OLGZ 1971, 180,
181; OLG Karlsruhe, OLGZ 1977, 484, 485 [verneinend], OLG Braunschweig,
MDR 1971, 1017, OLG Frankfurt, FamRZ 1989, 296 [bejahend]).
bb) Die beteiligte Behörde hat im Beschwerdeverfahren nicht erklärt,
dass sie (vorsorglich) einen Haftantrag für die von dem Amtsgericht erlassene
Entscheidung in der Hauptsache stellt. Sie hat im Beschwerdeverfahren allein
beantragt, die Beschwerde des Betroffenen zurückzuweisen. Der von der Be-
hörde im Beschwerdeverfahren gestellte Antrag, das Rechtsmittel des Betroffe-
nen gegen die Haftanordnung zurückzuweisen, enthält nicht zugleich einen
Haftantrag nach § 417 Abs. 1 FamFG. Ein solches Verständnis entspräche
zwar dem in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit allgemein geltenden
Grundsatz, dass Erklärungen der Beteiligten so auszulegen sind, dass das da-
mit bezweckte Ziel nach Möglichkeit erreicht wird (OLG Frankfurt, Beschluss
vom 23. November 2005 - 20 W 516/05, juris Rn. 6). In Freiheitsentziehungssa-
chen steht dem aber das Verfassungsgebot der Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ent-
15
16
- 9 -
gegen, das die Beachtung der sich aus dem Gesetz ergebenden freiheitsschüt-
zenden Formvorschriften fordert (vgl. BVerfG, NVwZ 2011, 1254, 1255;
InfAuslR 2012, 186, 187 mwN). Da § 417 FamFG vorschreibt, dass die Frei-
heitsentziehung nur auf einen (begründeten) Antrag der zuständigen Behörde
angeordnet werden darf, ist es nicht zulässig, den bloßen Antrag der Behörde
auf Zurückweisung eines Rechtsmittels im Hinblick auf das darin zum Ausdruck
kommende Interesse an dem Fortbestehen der Haft zum Nachteil des Betroffe-
nen als einen Haftantrag nach § 417 FamFG auszulegen.
cc) Unerheblich ist schließlich der Einwand der Erwiderung, dass alle
materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer Haftanordnung nach § 62
AufenthG vorgelegen hätten und auch das Vorbringen der Behörde allen Be-
gründungsanforderungen für einen Haftantrag nach § 417 Abs. 2 FamFG ge-
nügte. Der in der Inhaftierung ohne den erforderlichen Antrag liegende Verfas-
sungsverstoß entfiele auch dann nicht, wenn der Betroffene entweder - wie von
der Behörde gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG beantragt - auf Grund einer
einstweiligen Anordnung oder nach Änderung oder Nachholung des Haftan-
trags gemäß § 417 FamFG auch durch den im Hauptsacheverfahren ergange-
nen Beschluss in Haft hätte genommen werden oder verbleiben können. Um
den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG zu
genügen, muss der Eingriff in das Freiheitsgrundrecht den Voraussetzungen
der konkret gewählten Rechtsgrundlage entsprechen (BVerfG, InfAuslR 2012,
186 Rn. 29).
17
- 10 -
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430
FamFG, Art. 5 EMRK. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs. 3
GNotKG.
Stresemann
Schmidt-Räntsch
Czub
Kazele
Göbel
Vorinstanzen:
AG Saarbrücken, Entscheidung vom 22.06.2013 - 7 XIV 33/13 -
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 19.07.2013 - 5 T 270/13 -
18