Urteil des BGH vom 23.07.2015

Leitsatzentscheidung zu Grundstück, Erwerb, Dienstbarkeit, Grundbuchamt

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 1/14
vom
23. Juli 2015
in der Grundbuchsache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §
Der gutgläubig lastenfreie Erwerb eines Miteigentumsanteils oder einer
Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheit erstreckt sich auch auf nicht
eingetragene, jedoch eintragungsbedürftige Dienstbarkeiten am Grundstück.
Nicht gebuchte Dienstbarkeiten, welche an einzelnen Miteigentumsanteilen
nicht fortbestehen können, erlöschen dann insgesamt und damit auch im
Verhältnis zu den anderen Miteigentümern bzw. Wohnungs- oder
Teileigentümern.
BGH, Beschluss vom 23. Juli 2015 - V ZB 1/14 - OLG Brandenburg
AG Fürstenwalde
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juli 2015 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub, die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland und den Richter Dr. Kazele
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats
des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 18. November
2013 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
5.000
€.
Gründe:
I.
Der Antragsteller, ein kommunaler Zweckverband in B. ,
beantragte im Januar 2013 unter Bezugnahme auf eine Leitungs- und
Anlagenbescheinigung des Landkreises die Berichtigung des Grundbuchs
durch Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit für eine
Schmutzwasserleitung
auf
einem
nach
dem
Liegenschaftskataster
bezeichneten Flurstück (Flur 132, Flurstück 37) unter Angabe einer
Grundbuchblattnummer. Das Grundstück ist in 26 Wohnungs- und
Teileigentumseinheiten aufgeteilt. Bei einer Einheit (Wohnungsgrundbuchblatt
10276) ist ein Antrag auf Umschreibung des Eigentums im Februar 2012
gestellt und die Eintragung im gleichen Monat vorgenommen worden.
Das Grundbuchamt hat den Antrag zurückgewiesen. Das Ober-
landesgericht hat die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen und die
Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt der Antragsteller seinen
Eintragungsantrag weiter.
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II.
Das Beschwerdegericht sieht das Grundbuch nicht als unrichtig an. Zwar
sei außerhalb des Grundbuchs kraft Gesetzes eine beschränkte persönliche
Dienstbarkeit zu Gunsten des Antragstellers entstanden, diese sei aber durch
den gutgläubig lastenfreien Erwerb einer der Eigentumswohnungen erloschen.
§ 892 Abs. 1 BGB sei gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 GBBerG anzuwenden, da der
Umschreibungsantrag nach dem 31. Dezember 2010 gestellt worden sei. Dass
die beschränkte persönliche Dienstbarkeit nicht den zum veräußerten
Wohnungseigentum gehörenden Miteigentumsanteil am Grundstück, sondern
das Grundstück insgesamt belastet habe, stehe einem gutgläubig lastenfreien
Erwerb nach § 892 Abs. 1 BGB nicht entgegen. Folge des lastenfreien Erwerbs
einer Wohnungseigentumseinheit sei das Erlöschen der Belastung am Grund-
stück insgesamt.
III.
Die nach § 78 Abs. 1 GBO statthafte und auch im Übrigen gemäß § 78
Abs. 3 GBO i.V.m. § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht
begründet. Das Grundbuchamt hat den Antrag auf Eintragung einer Leitungs-
dienstbarkeit zu Recht zurückgewiesen.
1. Der Eintragungsantrag ist zutreffend dahin ausgelegt, dass er sich
nicht
lediglich
auf
das
im
Antragsvordruck
bezeichnete
Wohnungsgrundbuchblatt, sondern auf die Grundbücher aller Wohnungs- und
Teileigentumseinheiten bezieht, in die eine das Grundstück insgesamt
belastende Dienstbarkeit gemäß § 4 Abs. 1 WGV einzutragen wäre.
Eintragungsanträge
an
das
Grundbuchamt
sind
verfahrensrechtliche
Erklärungen, welche die Rechtsmittelgerichte selbst nach dem Grundsatz
auslegen können, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den
Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen
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Interessenlage entspricht (vgl. Senat, Beschluss vom 15. November 2012 - V
ZB 99/12, NJW 2013, 934 Rn. 16). Eine entsprechende Klarstellung hat der
Antragsteller zudem in der Beschwerdeschrift vorgenommen.
2. Die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Grundbuchs durch
Eintragung einer beschränkten persönlichen Leitungsdienstbarkeit liegen je-
doch nicht vor, weil die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht nachgewiesen ist.
a) Die Berichtigung des Grundbuchs erfolgt auf Grund eines Unrichtig-
keitsnachweises nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO, wenn das Versorgungsunter-
nehmen - wie hier der Antragsteller - seinen Antrag auf Berichtigung des
Grundbuchs nicht auf eine Bewilligung des Betroffenen nach § 19 GBO i.V.m.
§ 8 Abs. 1 SachenR-DV stützt, sondern eine Berichtigung gemäß dem Inhalt
einer
von
der
Aufsichtsbehörde
erstellten
Leitungs-
und
Anlagen-
rechtsbescheinigung (vgl. Senat, Beschluss vom 24. November 2005
- V ZB 94/05, BGHZ 165, 119, 122) verlangt (vgl. OLG Jena, FGPrax 2012, 55,
56; Beschluss vom 29. August 2011 - 9 W 356/11, juris Rn. 10; Böhringer,
Rpfleger 2002, 186, 188; ders., Rpfleger 2011, 409, 410).
b) Nach der Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung des Landkreises
ist für das Berichtigungsverfahren nach § 22 GBO davon auszugehen, dass an
dem Grundstück zunächst nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Abs. 5 GBBerG i.V.m. § 4
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b SachenR-DV kraft Gesetzes außerhalb des
Grundbuchs eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit des Antragstellers
entstanden ist. Für das Berichtigungsverfahren nach § 22 Abs. 1 GBO ersetzt
die Bescheinigung der Aufsichtsbehörde den sonst in der Form des § 29 GBO
zu führenden Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs (vgl. OLG Jena,
FGPrax 2012, 55, 56; Beschluss vom 29. August 2011 - 9 W 356/11, juris
Rn. 10; Böhringer, Rpfleger 2002, 186, 188; ders., Rpfleger 2011, 409, 410).
Der Bescheinigung der Behörde kommt für den Nachweis des Entstehens einer
beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zwar keine materiell-rechtliche (vgl.
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Senat, Urteil vom 9. Mai 2014 - V ZR 176/13, NJW 2014, 2959 Rn. 9 f.), aber
eine bindende Wirkung für das Berichtigungsverfahren vor dem Grundbuchamt
zu (vgl. OLG Jena, FGPrax 2012, 55, 66; Beschluss vom 30. Mai 2012
- 9 W 240/12, juris Rn. 3). Für die Eintragung der Berichtigung ist die von der
Behörde ausgestellte Bescheinigung ausreichend (BT-Drucks. 12/6228, 78).
Der Eigentümer, der der Erteilung der Bescheinigung nicht widersprochen hat,
wird auf die Klage auf Berichtigung des Grundbuchs nach § 894 BGB ver-
wiesen (§ 9 Abs. 5 Satz 4 GBBerG), wobei das Unternehmen dann allerdings
die Beweislast für die Richtigkeit des von der Behörde bescheinigten Lage-
nachweises trägt (§ 9 Abs. 5 Satz 5 GBBerG).
c) Das Grundbuch ist in Ansehung des außerhalb des Grundbuchs
entstandenen Rechts nur dann unrichtig, wenn dieses Recht im Zeitpunkt des
Eingangs des Berichtigungsantrags noch besteht. Ein Antragsteller, der eine
Berichtigung des Grundbuchs nach § 22 Abs. 1 GBO beantragt, hat - mit
Ausnahme ganz entfernt liegender, theoretischer Möglichkeiten - lückenlos
alles auszuräumen, was der begehrten berichtigenden Eintragung entgegen-
stehen könnte (BayObLGZ 1985, 225, 228, KG, KGR 2004, 544; OLG Hamm,
OLGZ 1989, 9, 10). Dazu gehört insbesondere auch die Möglichkeit eines
lastenfreien gutgläubigen Erwerbs (BayObLGZ 1985, 401, 402; 1995, 413, 416;
KG, Rpfleger 1973, 21, 23).
aa) Die außerhalb des Grundbuchs entstandenen, jedoch nicht gebuch-
ten beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten der Versorgungsunternehmen
können durch einen gutgläubig lastenfreien Erwerb des Grundstücks nach § 9
Abs. 1 Satz 2 GBBerG i.V.m. § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB erlöschen, wenn der
Antrag auf Eintragung der Umschreibung des Eigentums nach dem
31. Dezember 2010 gestellt wird. Die Anlagen- und Leitungsdienstbarkeiten
nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GBBerG sind - anders als die vor dem Inkrafttreten des
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Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehenden Grunddienstbarkeiten nach Art. 187
Abs. 1 EGBGB - nämlich nicht auf Dauer, sondern nur für eine befristete Zeit
von dem Buchungszwang zur Erhaltung ihrer Wirksamkeit gegenüber dem
öffentlichen Glauben des Grundbuchs befreit worden (vgl. BT-Drucks. 12/6228,
S. 75, 76; Böhringer, ZfIR 2011, 409; Schmidt-Räntsch, ZfIR 2011, 625, 631).
bb) Der Anlage- und Leitungsrechtsbescheinigung der Aufsichtsbehörde
kommt keine Bedeutung für die Entscheidung der Frage zu, ob die außerhalb
des Grundbuchs entstandene Dienstbarkeit (§ 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 GBBerG
i.V.m. § 1 SachenR-DV) durch einen gutgläubigen Erwerb nach § 892 Abs. 1
Satz 1 BGB wieder erloschen ist. Die Bescheinigung gibt nämlich nur über das
Entstehen, aber nicht über das mögliche Erlöschen der Dienstbarkeit Auskunft.
Der Inhalt der Bescheinigung der Behörde nach § 9 Abs. 4 GBBerG reicht nicht
über das hinaus, was nach § 7 Abs. 2 SachenR-DV Gegenstand der Prüfung
der Behörde ist. Das sind die der Behörde von dem Versorgungsunternehmen
vorzulegenden Unterlagen über den Verlauf der Leitungen, die von diesem be-
troffenen Grundstücke, die Nutzung der Anlage am 3. Oktober 1990 sowie den
Betrieb der Anlage am 25. Dezember 1993. Ob über das belastete Grundstück
zwischenzeitlich verfügt worden und ob der Antrag auf Eintragung der Rechts-
änderung nach dem für den Schutz des guten Glaubens maßgeblichen
Stichtag, dem 31. Dezember 2010, bei dem Grundbuchamt eingegangen ist,
unterliegt nicht der behördlichen Prüfung. Diese Frage kann und muss das
Grundbuchamt auf Grund der ihm vorliegenden Eintragungsunterlagen selbst
entscheiden (vgl. KG, GWF/Recht und Steuern 2012, 43; OLG Brandenburg,
NJW-RR 2015, 15; OLG Jena, FGPrax 2012, 55, 56).
cc) Ein gutgläubig lastenfreier Erwerb nach § 892 Abs. 1 BGB ist hier
möglich, weil nach den getroffenen Feststellungen im Februar 2012 - somit
nach dem Ablauf der Schutzfrist für die nicht gebuchten Rechte - ein Antrag auf
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Umschreibung des Eigentums in Vollzug eines notariellen Kaufvertrags bei dem
Grundbuchamt einging, die zwei Tage später erfolgte.
Kommt ein gutgläubig lastenfreier Erwerb gemäß § 892 Abs. 1 BGB in
Betracht, darf das Grundbuchamt das nicht gebuchte Recht im Wege der
Grundbuchberichtigung nach § 22 Abs. 1 GBO nur eintragen, wenn der
Antragsteller nachweist, dass der Erwerber die Unrichtigkeit des Grundbuchs
positiv kannte (BayObLGZ 1985, 401, 402). So etwas hat der Antragsteller
weder vorgetragen noch den Nachweis dafür in der erforderlichen Form des
§ 29 Abs. 1 GBO (BayObLGZ 1971, 336, 339; 1985, 225, 228; 1885, 401, 402)
geführt. Der Eintragungsantrag ist daher mangels Nachweises der Unrichtigkeit
des Grundbuchs wegen der Möglichkeit eines gutgläubig lastenfreien Erwerbs
zurückzuweisen.
dd) Anders wäre es nur, wenn die nicht gebuchte Leitungsdienstbarkeit
nicht nach § 892 Abs. 1 BGB erlöschen könnte, solange nicht das belastete
Grundstück insgesamt, sondern lediglich einzelne Wohnungs- und Teileigen-
tumseinheiten veräußert werden. Ob der Erwerb eines Miteigentumsanteils am
Grundstück oder einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit an diesem
- wenn der Erwerber in Ansehung der nicht gebuchten Belastung am gesamten
Grundstück im guten Glauben ist - zum Erlöschen des Rechts führt, ist streitig.
(1) Nach einer Ansicht (OLG Dresden, ZfIR 2010, 545, 547; Stau-
dinger/Gursky, BGB [2013], § 892 Rn. 224; ebenfalls dieser Auffassung zu-
neigend: OLG Rostock, FGPrax 2014, 205, 206), auf die sich die Rechts-
beschwerde stützt, geht der Schutz des guten Glaubens nach § 892 Abs. 1
BGB nicht über das erworbene Recht und die sich auf dieses beziehenden
Eintragungen im Grundbuch hinaus. Durch eine Verfügung über einen
Miteigentumsanteil oder eine Wohnungseigentumseinheit sollen nur die daran
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bestehenden Belastungen erlöschen können. Da die Dienstbarkeit an den von
dem Erwerbsgeschäft nicht betroffenen anderen Miteigentumsanteilen nicht
fortbestehen könne, beschränke sich die Wirkung des § 892 Abs. 1 BGB auf
die an dem erworbenen Miteigentumsanteil bzw. Wohnungseigentum
bestehenden Belastungen. Ein Recht, das nach seinem Inhalt - wie hier die
Leitungsdienstbarkeit - nur als Belastung des gesamten Grundstücks bestehen
könne (vgl. Senat, Urteil vom 29. November 1961 - V ZR 181/60, BGHZ 36,
187, 189), erlösche deswegen durch den Erwerb eines Miteigentumsanteils am
Grundstück oder von Wohnungs- oder Teileigentum auch dann nicht, wenn der
Erwerber in dessen Ansehung gutgläubig gewesen sei.
(2) Die gegenteilige Auffassung bestimmt den Schutz des guten
Glaubens des Erwerbers allein nach dem Inhalt des Grundbuchs (OLG
Brandenburg, NJW-RR 2015, 15; OLG Jena, FGPrax 2012, 55, 56; Beck-OK-
BGB/Eckert, 35. Edition, § 892 Rn. 26; Heggen, ZfIR 2010, 550, 552; MüKo-
BGB/Kohler, 6. Aufl., § 892 Rn. 70; NK-BGB/Otto, BGB, 3. Aufl., § 1018 Rn.
118; Staudinger/Meyer, BGB [2009], § 1018 Rn. 185). Mit Rücksicht auf den
Zweck der Gutglaubensschutzregelung, im Interesse des Rechtsverkehrs das
Vertrauen des Erwerbers auf die Richtigkeit und die Vollständigkeit des
Grundbuchs zu schützen, gelte der Inhalt des Grundbuchs auch wegen der das
gesamte Grundstück betreffenden Eintragungen als richtig, unabhängig davon,
ob das Grundstück insgesamt, ein Miteigentumsanteil oder eine Wohnungs-
oder Teileigentumseinheit erworben werde.
(3) Die Rechtsfrage ist im Sinne der letztgenannten Auffassung zu
entscheiden. Der gutgläubig lastenfreie Erwerb eines Miteigentumsanteils oder
einer Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheit erstreckt sich auch auf nicht
eingetragene, jedoch eintragungsbedürftige Dienstbarkeiten am Grundstück.
Nicht gebuchte Dienstbarkeiten, welche an einzelnen Miteigentumsanteilen
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nicht fortbestehen können, erlöschen dann insgesamt und damit auch im Ver-
hältnis zu den anderen Miteigentümern bzw. Wohnungs- oder Teileigentümern.
(a) Dafür, dass es für den Schutz des guten Glaubens nicht auf den
Inhalt des erworbenen Rechts am Grundstück, sondern auf den Inhalt des
Grundbuchs ankommt, spricht schon der Wortlaut des § 892 Abs. 1 Satz 1
BGB, nach dem zugunsten des Erwerbers der Inhalt des Grundbuchs als richtig
gilt. Die Vorschrift entscheidet den Konflikt zwischen dem Interesse der
Rechtsinhaber an der Erhaltung ihrer tatsächlich bestehenden, jedoch nicht
eingetragenen Rechte an Grundstücken und dem Interesse des Verkehrs an
der Verlässlichkeit des Inhalts des Grundbuchs zugunsten eines weitgehenden
Verkehrsschutzes. Der Schutz des rechtsgeschäftlichen Erwerbs beruht auf der
Verlässlichkeit der amtlichen Verlautbarung (vgl. Senat, Urteil vom 29. Juni
2007 - V ZR 5/07, BGHZ 173, 71 Rn. 32) und ist nach den Vorstellungen des
historischen Gesetzgebers umfassend gedacht. Der öffentliche Glaube des
Grundbuchs gilt unabhängig davon, welches Recht an dem Grundstück
erworben wird (vgl. Motive III, S. 211 = Mugdan, Materialien, Bd. 3, S. 117), und
er gilt sowohl in positiver als auch - hier von Interesse - in negativer Hinsicht.
Nicht eingetragene Rechte, welche der Eintragung bedürfen, gelten als nicht
bestehend und gelöschte Rechte als nicht mehr bestehend (Motive III, S. 215 =
Mugdan, Materialien, Bd. 3, S. 119). § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nach dem
31. Dezember 2010 auch auf die nicht eingetragenen, nach § 9 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 5, § 1 SachenR-DV kraft Gesetzes entstandenen Dienstbarkeiten
anzuwenden. Sind diese Rechte nicht (gemäß § 10 GBV in Abt. II des Grund-
buchs des Grundstücks oder - wenn dieses infolge der Bildung von Wohnungs-
eigentum gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 WEG geschlossen wurde - nach § 4 Abs. 1
WGV in den Wohnungs- und Teileigentumsgrundbüchern) gebucht, gelten sie
zugunsten
des
Erwerbers,
dessen
Eintragungsantrag
nach
dem
31. Dezember 2010 bei dem Grundbuchamt eingeht, als nicht existent.
Welches Recht an dem Grundstück erworben wird, ist für den
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Gutglaubensschutz dagegen ohne Belang. Die Vorschrift ist daher auch dann
anzuwenden, wenn ein Miteigentumsanteil an dem Grundstück oder ein auf
dem Grundstück befindliches Wohnungs- oder Teileigentum erworben wird.
(b) Richtig ist allerdings, dass eine Leitungsdienstbarkeit nach § 9 Abs. 1
Satz 1 GBBerG an den von dem Erwerbsgeschäft nicht betroffenen Mit-
eigentumsanteilen oder Wohnungs- oder Teileigentumseinheiten nicht fortbe-
stehen kann, weil das Recht nur das Grundstück in seiner Gesamtheit belasten
kann. Das rechtfertigt es jedoch nicht, den öffentlichen Glauben des
Grundbuchs in Bezug auf die Vollständigkeit der eingetragenen Rechte bei dem
Erwerb von Miteigentumsanteilen am Grundstück oder von Wohnungs- bzw.
Teileigentum einzuschränken und einen lastenfreien Erwerb trotz Gutgläubig-
keit des Erwerbers insoweit auszuschließen. Der gutgläubig lastenfreie Erwerb
führt in diesen Fällen vielmehr dazu, dass die Dienstbarkeit an dem Grundstück
insgesamt erlischt. Das hat der Senat für den Fall entschieden, dass ein
Wohnungseigentümer gegenüber dem Berechtigten einen Anspruch auf
Löschung der Dienstbarkeit hat. Wird der Anspruch durchgesetzt, erlischt die
Dienstbarkeit insgesamt, auch wenn den anderen Wohnungseigentümern ein
Anspruch auf Löschung nicht zusteht (vgl. Senat, Urteil vom 21. Juni 1974
- V ZR 164/72, NJW 1974, 1552, 1553
– insoweit in BGHZ 62, 388 ff. nicht
abgedruckt). Die Rechtslage stellt sich nach einem gutgläubig lastenfreien
Erwerb durch einen Wohnungseigentümer nicht anders dar. Da diesem
gegenüber nach § 892 Abs. 1 BGB die nicht eingetragene Dienstbarkeit nicht
besteht, könnte er von dem Berechtigten deren Löschung verlangen, falls die
Dienstbarkeit zu Unrecht im Nachhinein durch das Grundbuchamt im Wege
einer „Grundbuchberichtigung“ nach § 22 GBO eingetragen würde.
(c) Da die einzutragende Leitungsdienstbarkeit somit durch einen
gutgläubig lastenfreien Erwerb eines Wohnungseigentums erloschen sein
kann, ist die Unrichtigkeit des Grundbuchs von dem Antragsteller nicht gemäß
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§§ 22, 29 GBO nachgewiesen und der Eintragungsantrag zu Recht
zurückgewiesen worden.
IV.
Die Kostenfolge aus der Zurückweisung des Rechtsmittels ergibt sich
- ohne dass es einer Entscheidung bedarf - aus KV 14520 der Tabelle B zu
§ 34 Abs. 1 GNotKG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 61
Abs.
1
i.V.m.
§
36
Abs. 1
u. 3
GNotKG.
Der
Wert
des
Rechtsbeschwerdeverfahrens ist - mangels genügender Anhaltspunkte für eine
konkrete Schätzung des Vorteils einer Dienstbarkeit auf dem Flurstück 36 für
die Antragstellerin - nach dem Auffangwert in § 36 Abs. 3 GNotKG
festzusetzen. Die Regelung ist nach den Übergangsvorschriften in § 134 Abs. 1
Satz 2, § 136 Nr. 2 GNotKG anzuwenden. Die Überleitungsvorschriften haben
insoweit Vorrang vor der allgemeinen Vorschrift des § 61 Abs. 2 Satz 1
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GNotKG, nach der der Wert des Rechtsmittels durch den Geschäftswert des
ersten Rechtszugs begrenzt ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 16. August 2006
- 9 BV 05.1863, juris Rn. 10).
Stresemann
Czub
Brückner
Weinland
Kazele
Vorinstanzen:
AG Fürstenwalde - Grundbuchamt - , Entscheidung vom 28.01.2013 -
Fürstenwalde/Spree Blatt 9080-11 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 18.11.2013 - 5 W 68/13 -