Urteil des BGH vom 03.12.2014

Leitsatzentscheidung zu Grundsatz der Öffentlichkeit, Ausschluss der Öffentlichkeit, Unabhängigkeit, Anweisung, Verfügung

BUNDESGERICHTSHOF
Urteil
R i Z ( R ) 2 / 1 4
Verkündet am:
3. Dezember 2014
Brigaldino
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Prüfungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
DRiG § 26 Abs. 2 und 3
Zu Weisungen im Bereich richterlicher Tätigkeit ist der Dienstherr nicht befugt
(vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1967 - RiZ(R) 2/66, BGHZ 47, 275, 285; Urteil
vom 6. November 1986 - RiZ(R) 4/86, NJW 1987, 1197, 1198; Urteil vom
30. März 1987 - RiZ(R) 7/86, BGHZ 100, 271, 276; Urteil vom 4. Juni 2009
- RiZ(R) 5/08, BGHZ 181, 268 Rn. 26).
BGH, Urteil vom 3. Dezember 2014 - RiZ(R) 2/14 -
Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Hamm
Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht Düsseldorf
wegen Feststellung und Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht
- 2 -
Der Bundesgerichtshof - Dienstgericht des Bundes - hat auf die mündliche
Verhandlung vom 3. Dezember 2014 durch den Vorsitzenden Richter am
Bundesgerichtshof Prof. Dr. Bergmann, den Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Drescher, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Menges, den Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Koch und den Richter am Bundesgerichtshof Gericke
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Antragsteller wird das Urteil des Dienst-
gerichtshofs für Richter bei dem Oberlandesgericht Hamm
vom 5. Dezember 2013 aufgehoben.
Auf die Berufung der Antragsteller wird das Urteil des Dienst-
gerichts für Richter bei dem Landgericht Düsseldorf vom
24. Mai 2012 im Kostenpunkt aufgehoben, soweit zu ihrem
Nachteil erkannt ist, und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Anweisung des Präsidenten des
Amtsgerichts D. vom 20. Mai 2009 unzulässig ist.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens, soweit
der Kostenausspruch in dem vorbezeichneten Urteil des
Dienstgerichts der Aufhebung unterliegt. Außerdem trägt er
die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
- 3 -
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsteller angewiesen werden
können, Anhörungen im Zuge ihrer Tätigkeit als Ermittlungsrichter in einer
"Nebenstelle des Amtsgerichts" im Polizeipräsidium durchzuführen.
Die Antragsteller sind als Richter am Amtsgericht D. (künftig:
Amtsgericht) mit ermittlungsrichterlichen Tätigkeiten befasst, die durch Richter
des Amtsgerichts seit Jahrzehnten in Räumen des Polizeipräsidiums D.
ausgeübt werden. Wegen Bedenken gegen diese Praxis kündigten die Antrag-
steller gegenüber dem Präsidenten des Amtsgerichts D. (künftig: Präsi-
dent des Amtsgerichts) mit Schreiben vom 6. März 2009 an, ab Juni 2009 nur
noch im Dienstgebäude des Amtsgerichts tätig werden zu wollen. Daraufhin
schrieb der Präsident des Amtsgerichts die Antragsteller am 20. Mai 2009 wie
folgt an:
"
Sehr geehrter Herr […]
in Ihrem Schreiben vom 06.03.2009 haben Sie mir mitgeteilt, dass Sie ab
dem Monat Juni 2009 die Vorführungen im Rahmen Ihrer Tätigkeit als
Ermittlungsrichter nicht mehr in den [im Polizeipräsidium D. bele-
genen] bisherigen Räumlichkeiten durchführen, sondern die Anhörungen
in den Vernehmungszimmern des Amtsgerichts anberaumen werden.
Am 15.05.2009 habe ich Sie in einem Gespräch informiert, dass für die
Tätigkeit im Polizeipräsidium ein neuer Raum zur Verfügung steht und
Ihnen die neue räumliche Situation dargestellt. Am 18.05.2009 haben Sie
mir mitgeteilt, dass Sie gleichwohl an Ihrer im Schreiben vom 06.03.2009
geschilderten Absicht festhalten.
Der neue Raum - A 108 - befindet sich in der ersten Etage des Polizei-
präsidiums in demselben Seitenflügel, in dem sich auch der Polizeige-
wahrsam befindet, allerdings außerhalb des Gewahrsamsbereichs. Der
Zugang erfolgt über einen eigenen Außenzugang. Die Außentür können
die Protokollführer/innen und Sie mit einer Magnetkarte öffnen. Zu dem
Raum führt ein Treppenaufgang vom Untergeschoss zwei Etagen hoch
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in die erste Etage des Gebäudes. Links von der Treppe geht es durch ei-
ne Glastür in einen Flur, in dem dann links der Raum A 108 liegt. Die Tür
ist mit einem Schlüssel zu öffnen. Das Schloss gehört nicht zum Schließ-
system des Polizeipräsidiums, sondern wurde vom Amtsgericht gestellt.
Der Zugang zu dem Raum wird nicht von der Polizei kontrolliert oder er-
möglicht, ist also jederzeit unabhängig von der Polizei möglich.
Der Raum ist ca. 27 qm groß, verfügt über drei gesicherte Fenster und ist
wie ein ‚kleiner Sitzungsaal‘ möbliert. Er ist mit einem Telefon mit einer
eigenen Amtsleitung - außerhalb des Polizeinetzes -, einem zugehörigen
Faxgerät und einem Kopierer ausgestattet. Ein weiteres Telefon steht in-
nerhalb des Polizeinetzes zur Verfügung. Am Richtertisch befindet sich
ein Alarmknopf. Übergangsweise sind zwei PC des Polizeipräsidiums in-
stalliert, die aber nicht an das Netz des Präsidiums angeschlossen sind.
Möglichst kurzfristig wird der Raum mit eigenen Computern des Amtsge-
richts ausgestattet (einschließlich zwei zugehörigen TFT-Bildschirmen
und Druckern). Die Computer werden über CD-Laufwerke verfügen bzw.
bieten die Möglichkeit, USB-Sticks anzuschließen. Die Möglichkeit,
JUDICA auch dort zu nutzen, wird z.Zt. noch auf ihre Realisierbarkeit ge-
prüft. Der Raum wird allein vom Amtsgericht genutzt, das dort auch über
das alleinige Hausrecht verfügt. Die Vorführungen erfolgen über ein in-
nen liegendes Treppenhaus des Gewahrsams, von dem aus über eine
eigene Tür eine Zugangsmöglichkeit zu dem Raum besteht, also nicht
über den Flur vor dem Raum.
Zur Kenntlichmachung der Räumlichkeiten als Nebenstelle des Amtsge-
richts befindet sich am Außeneingang ein Hinweisschild, ebenso auch an
der Außenseite der Tür des Raumes zum Flur und zum Treppenhaus
des Gewahrsams. Auch im Raum selbst erfolgt ein deutlicher Hinweis,
dass es sich um einen Raum des Amtsgerichts D. handelt.
Von der M. straße auf den Parkplatz in Richtung des Hauptein-
ganges des Präsidiums fahrend befinden sich rechts mehrere Parkbuch-
ten mit jeweils mehreren Parkplätzen. In der zweiten Parkbucht rechts
befinden sich zwei reservierte und gekennzeichnete Parkplätze des
Amtsgerichts für Richter(innen) und Protokollführer(innen). Am Ende der
Parkbucht befindet sich eine Zugangstür.
Nachdem Sie mir mitgeteilt haben, trotz der genannten Veränderungen
an Ihrer mit Schreiben vom 06.03.2009 geäußerten Absicht festhalten zu
wollen, bedaure ich, Sie nunmehr anweisen zu müssen, die Anhörungen
im Rahmen Ihrer Ermittlungsrichtertätigkeit (Gs- ebenso wie Bereit-
schaftsdienst) auch nach dem 31.05.2009 in der Nebenstelle des Amts-
gerichts im Polizeipräsidium, Raum A 108, durchzuführen.
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Gleichzeitig bitte ich um Verständnis für den Hinweis, dass es sich um
eine dienstliche Anweisung handelt, die im Falle der Nichtbefolgung
dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen nach sich ziehen würde".
Im Juli 2009 wies der Präsident des Amtsgerichts "klarstellend" darauf
hin, "dass der jeweils für den Eildienst eingeteilte Wachtmeister auch für die
während der regelmäßigen Arbeitszeit anfallenden Vorführungen im Polizeiprä-
sidium D. zuständig" sei. Außerdem ergänzte er die Regelung dahin, für
den Eildienst im Polizeipräsidium stehe jeweils ein Mitarbeiter des Justizwacht-
meisterdienstes zur Verfügung, der im Bedarfsfall telefonisch angefordert wer-
den könne. Er nehme die "Aufgaben des Ordnungsdienstes im Rahmen der
Vorführungen wahr".
Auf den Widerspruch der Antragsteller ordnete der Präsident des Amts-
gerichts im Oktober 2009 die sofortige Vollziehung seiner "Weisung" vom
20. Mai 2009 an. Ein Antrag der Antragsteller auf Wiederherstellung der auf-
schiebenden Wirkung war durch zwei Instanzen erfolglos.
In einem weiteren Schreiben an die Antragsteller vom 16. Januar 2013
führte der Präsident des Amtsgerichts aus:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
bekanntermaßen werden die Gs-Richtertätigkeit sowie der Eildienst für
das AG D. in einer Nebenstelle des Gerichts im Polizeipräsidium
D. ausgeführt. Zugrunde liegt eine dienstliche Weisung meines
Amtsvorgängers vom 20.5.2009, die nach wie vor Geltung hat. Zur Un-
terrichtung der neu hinzugekommenen Kolleginnen und Kollegen füge
ich eine Ablichtung dieser Anweisung vom 20.5.2009 anbei.
Voraussichtlich ab dem 1.2.2013 wird wegen eines neu angebauten Ge-
bäudeteils des Polizeipräsidiums D. unsere Nebenstelle verlegt.
Sie befindet sich zukünftig im Raum AM E 005. Der Gebäudeteil wird den
Namen
‚A. weg‘ tragen. Die Zufahrt gestaltet sich wie folgt:
‚von H. Straße links abbiegen in die M. straße, sodann rechts
abbiegen in den A. weg,
auf das zweite Rolltor zufahren‘
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Die Anmeldung erfolgt zunächst über die am Rolltor vorzufindende Ste-
le/Gegensprechanlage. Ob und ggf. wann ein erleichterter Zugang durch
Aushändigung von Identitätskarten in Betracht kommt, ist noch Gegen-
stand weiterer Erörterungen.
Ich verstehe die o.a. Weisung meines Amtsvorgängers dahingehend,
dass Kern der Weisung die Durchführung der Gs-Richtertätigkeit sowie
des Eildienstes im Polizeipräsidium war. Der seinerzeit zugewiesene und
daher benannte - und bis heute noch genutzte - Raum A 108 war ledig-
lich von untergeordneter Bedeutung. Die Weisung als solche hat sich
durch die bloße Zuweisung eines anderen Raums innerhalb des Polizei-
präsidiums nicht erledigt, so dass ich auch künftig um Beachtung bitte.
Falls im Hinblick auf das laufende Verfahren vor dem Dienstgerichtshof
eine förmliche Weisung unter Hinweis auf dienstrechtliche Folgen ge-
wünscht wird, bitte ich um einen entsprechenden Hinweis".
Nach Maßgabe dieses Schreibens wird bei dem Amtsgericht verfahren.
Während der regulären Dienstzeiten besteht bei einer im Einzelfall vorausseh-
bar angespannten Sicherheitslage die Möglichkeit, weitere Wachtmeister des
Amtsgerichts anzufordern.
Die Antragsteller und ein weiterer Richter (künftig: früherer Antragsteller
zu 2) haben bei dem Dienstgericht für Richter (künftig: Dienstgericht) beantragt,
festzustellen, dass die Anweisungen des Präsidenten des Amtsgerichts
D. vom 20. Mai 2009 (Az.: 3204 aE / 15 Bd. 36) an sie einen Ein-
griff in die richterliche Unabhängigkeit darstellen und damit unzulässig
sind,
hilfsweise,
festzustellen, dass die Nichtzurverfügungstellung von mehr als einem
Wachtmeister, der angewiesen ist, lediglich Hilfe zu holen oder beruhi-
gend einzuwirken bzw. den Ordnungsdienst zu versehen, einen Eingriff
in die richterliche Unabhängigkeit der Antragsteller darstellt und damit
unzulässig ist,
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festzustellen, dass die Verweigerung der Organisation eines regelmäßi-
gen Aktentransportes vom Amtsgericht D. zum Polizeipräsidium
D. einen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit der Antragstel-
ler darstellt und damit unzulässig ist.
Zur Begründung haben sie im Wesentlichen ausgeführt, die Vorführun-
gen im Polizeipräsidium verletzten den Grundsatz der Gewaltenteilung. Der zu-
gewiesene Raum erfülle nicht die Anforderungen an eine "Nebenstelle des
Amtsgerichts". Den von ihnen anzuwendenden verfahrensrechtlichen Regelun-
gen lasse sich der Grundsatz entnehmen, dass Vorzuführende vor den Richter
gebracht würden und nicht umgekehrt. Nach der Anweisung müsse der Richter,
was nicht seine Aufgabe sei, selbst die Unverzüglichkeit der Vorführung ge-
währleisten. Die Bereitstellung nur eines Wachtmeisters in Rufbereitschaft zur
Wahrnehmung des Ordnungsdienstes beschränke die Antragsteller in der ihnen
obliegenden Sitzungspolizei. Der Aktentransport vom Amtsgericht zum Polizei-
präsidium sei nicht organisiert. Sachzwänge für das Versehen der richterlichen
Tätigkeit außerhalb des Dienstsitzes des Amtsgerichts seien nicht vorhanden.
Das Dienstgericht hat die Anträge zurückgewiesen.
Die dagegen von den Antragstellern eingelegte Berufung, mit der sie ihre
erstinstanzlichen Anträge mit der Maßgabe weiterverfolgt haben, der erste
Hilfsantrag laute dahin festzustellen, dass die Nichtzurverfügungstellung von
mehr als einem Wachtmeister einen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit
der Antragsteller darstelle und damit unzulässig sei, hat der Dienstgerichtshof
für Richter (künftig: Dienstgerichtshof) zurückgewiesen. Zur Begründung hat der
Dienstgerichtshof im Wesentlichen ausgeführt: Der zulässige Hauptantrag sei
unbegründet, da die Anweisung vom 20. Mai 2009 zwar eine Maßnahme der
Dienstaufsicht darstelle, aber nicht in die richterliche Unabhängigkeit der An-
tragsteller eingreife. Die Maßnahme betreffe nicht den Kernbereich der richterli-
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chen Tätigkeit, sondern den Bereich der äußeren Ordnung. Anderes gelte nur,
wenn dem Richter vermittels der Regelung über die äußere Ordnung die für
seine richterliche Tätigkeit erforderlichen Mittel nicht zur Verfügung gestellt
würden. Hier verfügten die Antragsteller über einen ausreichend geeigneten
Raum mit der notwendigen Ausstattung. Ihre Sicherheit sei gewährleistet. Die
enge räumliche Verbindung zur Polizei tangiere den Grundsatz der Gewalten-
teilung nicht, so dass auch unter diesem Aspekt die richterliche Unabhängigkeit
nicht berührt sei. Der erste Hilfsantrag sei unbegründet, weil inzwischen unstrei-
tig sei, dass im Bedarfsfalle mehr als ein Wachtmeister zur Verfügung stehe.
Der zweite Hilfsantrag sei unabhängig davon, ob ein Widerspruchsverfahren
durchgeführt worden oder entbehrlich sei, jedenfalls deshalb unbegründet, weil
Protokollkräfte zum Transport der Akten zur Verfügung stünden.
Gegen diese Entscheidung haben die Antragsteller Revision eingelegt.
Sie beantragen, das Urteil des Dienstgerichtshofs aufzuheben und gemäß ihren
Anträgen in der Berufungsinstanz zu erkennen. Der Antragsgegner beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision (§ 79 Abs. 2, § 80 Abs. 2 DRiG) ist begründet.
I. Allerdings haben die Verfahrensrügen der Antragsteller keinen Erfolg.
1. Das Urteil des Dienstgerichtshofs ist entgegen der Rüge der Antrag-
steller nicht auf eine mündliche Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften
über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt wurden (§ 138 Nr. 5 VwGO i.V.m.
§ 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG).
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a) Der Rüge liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Dienstgerichtshof führte am 19. September 2013 einen Erörterungs-
termin im Polizeipräsidium D. durch, anlässlich dessen er im Beisein der
Beteiligten die Örtlichkeiten in Augenschein nahm. Am 5. Dezember 2013 ver-
handelte er an seinem Dienstsitz öffentlich. Nach Stellung der Anträge und
ausweislich des Sitzungsprotokolls nach Erörterung der Sach- und Rechtslage
erging am Schluss der Sitzung das angegriffene Urteil. Die Antragsteller bean-
standen, der Dienstgerichtshof habe das Ergebnis des Augenscheins am
5. Dezember 2013 nicht öffentlich gemacht, aber gleichwohl die von ihm ge-
troffenen Feststellungen in seiner Entscheidung verwertet.
b) Dieser Sachverhalt ergibt den absoluten Revisionsgrund des § 138
Nr. 5 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG nicht, wobei dahinstehen kann, ob
die Antragsteller die Verfahrensrüge in Übereinstimmung mit § 139 Abs. 3
Satz 4 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG ausgeführt haben.
aa) Mündliche Verhandlung im Sinne des § 138 Nr. 5 VwGO i.V.m. § 80
Abs. 1 Satz 1 DRiG ist nur die der Urteilsfällung vorausgegangene (letzte)
mündliche Verhandlung (Eichberger in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 138
Rn. 122 [Stand: September 2003]; Winkelmüller/van Schewick in Gärditz,
VwGO, 2013, § 138 Rn. 35; Suerbaum in Posser/Wolff, VwGO, 2. Aufl., § 138
Rn. 73; Eyermann/Kraft, VwGO, 14. Aufl., § 138 Rn. 52). Nur für diese (letzte)
mündliche Verhandlung gilt, dass eine Heilung eines Verstoßes gegen § 55
VwGO, § 169 GVG i.V.m. § 83 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 1, § 62 Nr. 4 Buchst. e
DRiG, § 56 Satz 1, § 37 Nr. 4 Buchst. e LRiG NRW eine Wiederholung des we-
sentlichen Teils der unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführten Ver-
handlung voraussetzt (vgl. BVerwGE 104, 170, 174 f.). Dass in der mündlichen
Verhandlung vom 5. Dezember 2013 die Öffentlichkeit nicht durchgängig her-
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gestellt gewesen sei, tragen die Antragsteller nicht vor. Schon deshalb bleibt
ihrer Rüge der Erfolg versagt.
bb) Davon abgesehen hat der Dienstgerichtshof, indem er den Erörte-
rungstermin am 19. September 2013 lediglich beteiligtenöffentlich durchgeführt
hat, nicht gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit gemäß § 55 VwGO, § 169
GVG i.V.m. § 83 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 1, § 62 Nr. 4 Buchst. e DRiG, § 56
Satz 1, § 37 Nr. 4 Buchst. e LRiG NRW verstoßen. Ein Erörterungstermin ge-
mäß § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 83 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 1,
§ 62 Nr. 4 Buchst. e DRiG, § 56 Satz 1, § 37 Nr. 4 Buchst. e LRiG NRW sowie
eine Beweisaufnahme in einer vorbereitenden Verhandlung sind nicht öffentlich,
sondern lediglich beteiligtenöffentlich (vgl. BVerwG, Buchholz 310 § 133 VwGO
Nr. 82; Buchholz 310 § 87 VwGO Nr. 8; Eichberger in Schoch/Schneider/Bier,
VwGO, § 138 Rn. 122 [Stand: September 2003]; Winkelmüller/van Schewick in
Gärditz, VwGO, 2013, § 138 Rn. 35; Suerbaum in Posser/Wolff, VwGO, 2. Aufl.,
§ 138 Rn. 73). Das gilt auch dann, wenn sie nicht nur vom Vorsitzenden oder
Berichterstatter, sondern vom gesamten Spruchkörper durchgeführt werden
(BVerwG, Urteil vom 21. September 2000 - 2 C 5/99, juris Rn. 37 f.).
2. Die Verfahrensrüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungs-
pflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 1, § 62 Nr. 4
Buchst. e DRiG, § 56 Satz 1, § 37 Nr. 4 Buchst. e LRiG NRW) ist unzureichend
begründet. Mit einer Aufklärungsrüge muss substantiiert dargelegt werden,
dass und hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände aufgrund der maßge-
benden materiell-rechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts Aufklärungsbe-
darf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklä-
rungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellun-
gen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussicht-
lich getroffen worden wären und inwiefern das angefochtene Urteil auf der un-
terbliebenen Sachaufklärung beruhen kann. Weiterhin muss dargelegt werden,
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dass im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen
Verhandlung, auf die Vornahme der nunmehr vermissten Sachverhaltsaufklä-
rung hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht von seiner materiellen
Rechtsauffassung aus die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches
Hinwirken hätten aufdrängen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2001
- RiZ(R) 5/00, juris Rn. 26). Hierzu führt die Revision Hinreichendes nicht aus.
II. Zum Hauptantrag
Die Auffassung des Dienstgerichtshofs, der als Hauptantrag gestellte
Prüfungsantrag sei zulässig, aber in der Sache unbegründet, hält revisions-
rechtlicher Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Der Dienstgerichtshof ist allerdings zutreffend davon ausgegangen,
dass der Prüfungsantrag zulässig ist. Er hat insbesondere richtig angenommen,
dass, was Zulässigkeitsvoraussetzung ist, der Prüfungsantrag eine Maßnahme
der Dienstaufsicht im Sinne des § 26 Abs. 3 DRiG betrifft und die Antragsteller
nachvollziehbar dargelegt haben, dass diese Maßnahme die richterliche Unab-
hängigkeit beeinträchtigt (BGH, Urteil vom 14. Februar 2013 - RiZ 3/12, NJW-
RR 2013, 1215 Rn. 16; Urteil vom 13. Februar 2014 - RiZ(R) 5/13, NJW-
RR 2014, 702 Rn. 19 mwN). Dass der Anordnung des Präsidenten des Amtsge-
richts eine Organisationsentscheidung zugrunde liegt, von der nicht nur die An-
tragsteller, sondern auch andere Richter betroffen sind, ist für die Einordnung
des Schreibens vom 20. Mai 2009 als einer Maßnahme der Dienstaufsicht ent-
gegen der Auffassung der Revisionserwiderung ohne Bedeutung (vgl. BGH,
Urteil vom 16. November 1990 - RiZ 2/90, BGHZ 113, 36, 39). Der Begriff der
Maßnahme der Dienstaufsicht ist entsprechend dem auf einen umfassenden
Rechtsschutz der richterlichen Unabhängigkeit gerichteten Zweck des § 26
Abs. 3 DRiG weit auszulegen. Erforderlich, zugleich aber ausreichend ist, dass
sich das Verhalten einer dienstaufsichtführenden Stelle bei objektiver Betrach-
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tung gegen einen bestimmten Richter oder eine bestimmte Gruppe von Rich-
tern wendet, es also zu einem konkreten Konfliktfall zwischen der Justizverwal-
tung und dem Richter oder bestimmten Richtern gekommen ist bzw. ein konkre-
ter Bezug zur Tätigkeit eines Richters besteht. Eine Maßnahme der Dienstauf-
sicht muss sich in irgendeiner Weise kritisch mit dem dienstlichen Verhalten
eines oder mehrerer Richter befassen oder geeignet sein, sich auf das künftige
Verhalten dieser Richter in bestimmter Richtung auszuwirken (st. Rspr.; vgl.
zuletzt BGH, Urteil vom 14. Februar 2013 - RiZ 3/12, NJW-RR 2013, 1215
Rn. 17; Urteil vom 13. Februar 2014 - RiZ(R) 5/13, NJW-RR 2014, 702 Rn. 20
mwN). Diese Voraussetzungen sind entgegen der Revisionserwiderung ohne
weiteres erfüllt. Im Übrigen besteht das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller
im Prüfungsverfahren auch nach der Anpassung mit Schreiben des Präsidenten
des Amtsgerichts vom 16. Januar 2013 an die im Polizeipräsidium durchgeführ-
ten Umbaumaßnahmen fort (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1976
- RiZ(R) 3/75, juris Rn. 19, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 67, 184 ff.; Urteil
vom 12. Mai 2011 - RiZ(R) 4/09 juris Rn. 22; Urteil vom 6. Oktober 2011
- RiZ(R) 3/10, NJW 2012, 939 Rn. 12).
2. Der Prüfungsantrag ist aber entgegen der Auffassung des Dienstge-
richtshofs begründet.
a) Der Dienstgerichtshof hat im Ergebnis richtig gesehen, dass sich die
Prüfungskompetenz der Richterdienstgerichte in Verfahren nach § 26 Abs. 3
DRiG darauf beschränkt zu untersuchen, ob die angegriffene Maßnahme der
Dienstaufsicht die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt. Die Vereinbarkeit
der Maßnahme mit dem verfassungsrechtlichen Gebot organisatorischer Selb-
ständigkeit der Gerichte (Art. 20 Abs. 2 Satz 2, Art. 92, 97 GG; dazu etwa
BVerfGE 54, 159, 166; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl., Art. 20 Rn. 27) ist entge-
gen der Auffassung der Revision nicht Gegenstand des Prüfungsverfahrens
(vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2011 - RiZ(R) 7/10, JR 2012, 378 Rn. 25; zu-
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stimmend Kamphausen JR 2012, 381, 383). Das gilt auch dann, wenn sich der
Richter darauf beruft, er habe gesetzliche Bestimmungen anzuwenden, die eine
dem verfassungsrechtlichen Gebot entsprechende Trennung der Gewalten
voraussetzen (zur Vorführung im "Machtbereich des Richters" vgl. LR-StPO/
Hilger, 26. Aufl., § 115 Rn. 5 f.; KK-StPO/Graf, 7. Aufl., § 115 Rn. 2; HK-StPO/
Posthoff, 5. Aufl., § 115 Rn. 7; Graf/Krauß, StPO, 2. Aufl., § 115 Rn. 3). Ebenso
nicht Prüfungsgegenstand im Verfahren nach § 26 Abs. 3 DRiG ist entgegen
der Revision, ob Anordnungen des Dienstherrn in Einklang mit seinen Schutz-
pflichten nach § 71 DRiG i.V.m. § 45 Satz 2 BeamtStG stehen. Dies zu ent-
scheiden obliegt allein den Verwaltungsgerichten.
b) Der Dienstgerichtshof hat im Ergebnis weiter richtig erkannt, dass die
schlichte Bereitstellung eines im Polizeipräsidium D. gelegenen Raumes
im Sinne einer bloßen Organisationsentscheidung nicht als Maßnahme der
Dienstaufsicht in die richterliche Unabhängigkeit der Antragsteller eingreift.
c) Der Dienstgerichtshof hat indessen übersehen, dass sich die Anord-
nung des Präsidenten des Amtsgerichts vom 20. Mai 2009 nicht auf die Bereit-
stellung eines Raumes beschränkt, sondern die ausdrückliche Weisung enthält,
diesen Raum für Vorführungen zu nutzen. Damit ist sie, was im Prüfungsverfah-
ren zu berücksichtigen ist, unzulässig, weil § 26 Abs. 2 DRiG eine Weisung als
Mittel der Dienstaufsicht ausschließt.
aa) Nach § 26 Abs. 2 DRiG bilden im Bereich der richterlichen Tätigkeit
Vorhalt und Ermahnung die obere Grenze zulässiger Dienstaufsichtsmaßnah-
men, jenseits derer dem Dienstherrn nur die Einleitung eines Disziplinarverfah-
rens bleibt. Zu Weisungen im Bereich richterlicher Tätigkeit ist der Dienstherr
unter keinen Umständen befugt (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1967
- RiZ(R) 2/66, BGHZ 47, 275, 285 unter Verweis auf BT-Drucks. 3/2785, S. 13;
außerdem BGH, Urteil vom 6. November 1986 - RiZ(R) 4/86, NJW 1987, 1197,
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1198; Urteil vom 30. März 1987 - RiZ(R) 7/86, BGHZ 100, 271, 276; Urteil vom
4. Juni 2009 - RiZ(R) 5/08, BGHZ 181, 268 Rn. 26; Schmidt-Räntsch, DRiG,
6. Aufl., § 26 Rn. 35). Das gilt auch, soweit bei der Ausübung richterlicher Tä-
tigkeit lediglich der Bereich der äußeren Ordnung tangiert ist.
bb) Der in der Erteilung einer unzulässigen Weisung liegende Verstoß
gegen § 26 Abs. 2 DRiG ist im Prüfungsverfahren beachtlich. Zwar obliegt nach
der neueren Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes die Beurteilung
der Frage, ob die angegriffene Maßnahme der Dienstaufsicht unter den im Ein-
zelfall gegebenen Umständen die angemessene und rechtmäßige Reaktion auf
das beanstandete Verhalten des Richters darstellt oder es sich um eine den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzende überzogene Maßnahme han-
delt, nicht den Dienstgerichten, sondern den Verwaltungsgerichten (vgl. BGH,
Urteil vom 22. Februar 2006 - RiZ(R) 3/05, NJW 2006, 1674 Rn. 29; Urteil vom
8. November 2006 - RiZ(R) 2/05, DRiZ 2007, 143, 144). Davon unberührt bleibt
aber der Grundsatz, dass Maßnahmen, die der Dienstaufsichtsbehörde nach
§ 26 Abs. 2 DRiG überhaupt verschlossen sind, aufgrund ihrer Qualität als sol-
cher im Prüfungsverfahren durch die Dienstgerichte beanstandet werden kön-
nen (vgl. zuletzt etwa BGH, Urteil vom 4. Juni 2009 - RiZ(R) 5/08, BGHZ 181,
268 Rn. 26). Darin liegt, da sich die Prüfung der Dienstgerichte auf die Überein-
stimmung der Form der Maßnahme mit § 26 Abs. 2 DRiG beschränkt, keine
allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle der Maßnahme, mit der die Dienstgerichte
nach § 26 Abs. 3 DRiG nicht betraut sind (vgl. grundlegend BGH, Urteil vom
31. Januar 1984 - RiZ(R) 3/83, BGHZ 90, 41, 48 ff.).
cc) Die Anordnung vom 20. Mai 2009 beinhaltet eine Weisung, die als
solche unzulässig ist. Die Vorinstanzen haben sie als Weisung bzw. Anweisung
ausgelegt. Diese Auslegung begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken.
Die Anordnung ist in ihrem vorletzten und letzten Absatz eindeutig als dienstli-
che Anweisung gekennzeichnet und von den Dienstaufsichtsbehörden selbst so
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verstanden worden. Als "Weisung" bezeichnen sie das Schreiben des Präsiden-
ten des Amtsgerichts vom 16. Januar 2013 und der Antragsgegner vor dem
Dienstgerichtshof. Dass sie "mit Bedauern" ausgesprochen ist und als Folge
ihrer Nichtbeachtung "dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen" ankündigt, erlaubt
nicht die Interpretation, sie enthalte lediglich die Ermahnung, sich an die Orga-
nisationsentscheidung des Präsidenten des Amtsgerichts zu halten.
dd) Der Verstoß gegen § 26 Abs. 2 DRiG führt zu der Feststellung, dass
die Anordnung vom 20. Mai 2009 insgesamt unzulässig ist. Eine Beschränkung
des Feststellungsausspruchs dahin, sie sei insoweit unzulässig, als sie über
eine bloße Organisationsentscheidung hinausgehe, kommt nicht in Betracht.
"Kern" der Anordnung vom 20. Mai 2009 ist, wie dem Schreiben des Präsiden-
ten des Amtsgerichts vom 16. Januar 2013 zu entnehmen ist und der Antrags-
gegner vor dem Dienstgerichtshof ausdrücklich erklärt hat, die "
Weisung […],
die Gs-Richtertätigkeit im Polizeipräsidium auszuüben". Der eigentlichen Orga-
nisationsentscheidung im Sinne der "Zuweisung des konkreten, bis dahin schon
genutzten Raumes" hat der Antragsgegner selbst "le
diglich untergeordnete[…]
Bedeutung" beigemessen.
III. Zu den Hilfsanträgen
Über die Hilfsanträge ist, da der Hauptantrag Erfolg hat, nicht mehr zu
entscheiden.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 154
Abs. 1 VwGO. Dabei war zu berücksichtigen, dass der frühere Antragsteller
zu 2 nach Abschluss der ersten Instanz aus dem gerichtlichen Verfahren aus-
geschieden ist und es daher bei der zu seinen Lasten getroffenen Kostenent-
scheidung zu verbleiben hat.
Bergmann
Drescher
Menges
Koch
Gericke
Vorinstanzen:
Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht Düsseldorf, Entscheidung vom
24.05.2012 - DG 2/10 -
Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Hamm, Entscheidung
vom 05.12.2013 - 1 DGH 2/12 -
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