Urteil des BGH vom 16.03.2015

Leitsatzentscheidung zu Faires Verfahren, Disziplinarverfahren, Vollzug, Zwischenprüfung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
NotSt(Brfg) 8/14
vom
16. März 2015
in der Disziplinarsache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
VwGO § 124a Abs. 4 Satz 4
Zur Verwertung angeblich rechtswidrig gewonnener Erkenntnisse im Disziplinarver-
fahren.
BGH, Beschluss vom 16. März 2015 - NotSt(Brfg) 8/14 - OLG Celle
wegen Disziplinarverfügung
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Der Senat für Notarsachen des Bundesgerichtshofs hat am 16. März 2015
durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Dr. Herrmann und die Rich-
terin von Pentz sowie die Notare Dr. Strzyz und Dr. Brose-Preuß
beschlossen:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Se-
nats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Celle vom 23. Juni
2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.000
€ fest-
gesetzt.
Gründe:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Ein Zulas-
sungsgrund im Sinne des § 105 BNotO, § 64 Abs. 2 Satz 2 BDG i.V.m. § 124
Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben. Entgegen der Auffassung des Klägers beste-
hen insbesondere weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochte-
nen Urteils noch beruht dieses auf einem Verfahrensmangel.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils beste-
hen nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tra-
genden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit
schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (vgl. BVerfGE, 125, 104,
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140; Beschluss vom 16. Juli 2013 - 1 BvR 3057/11, juris Rn. 36; Senatsbe-
schluss vom 25. November 2013 - NotZ (Brfg) 13/13, BGHZ 199, 148 Rn. 8).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Das Oberlandesgericht hat
zutreffend angenommen, dass der Kläger schuldhaft die ihm obliegenden
Amtspflichten verletzt hat. Wie er selbst eingeräumt hat und mit dem Zulas-
sungsantrag nicht in Frage stellt, hat er einen fahrlässigen Treuhandverstoß im
Sinne der § 23 BNotO, § 54a BeurkG begangen, weil er einen Teil des auf sei-
nem Anderkonto verwahrten Kaufpreises zu Gunsten des Landkreises D.
ausgekehrt hat, obwohl die vertraglich vereinbarten Auszahlungsbedingungen
noch nicht vorlagen. Er hat darüber hinaus bedingt vorsätzlich gegen die von
ihm in § 16 des Kaufvertrags übernommene Pflicht verstoßen, für einen ord-
nungsgemäßen und zügigen Vollzug der Urkundsangelegenheit gemäß § 24
BNotO, § 53 BeurkG Sorge zu tragen. Er hat im Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis
jedenfalls 28. Februar 2013 nichts veranlasst, um der Angelegenheit Fortgang
zu geben. Wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, hat er es ins-
besondere unterlassen, sich über den Stand des Nachlassverwaltungsverfah-
rens zu erkundigen, nach der erfolgten Aufhebung des Verfahrens den Verwal-
ter zur Bewirkung der Löschung aufzufordern und zeitnah den - auch für die
Bearbeitung der Löschungsanträge erforderlichen - Antrag auf Eigentumsum-
schreibung zu stellen. Diese zutreffenden Ausführungen des Oberlandesge-
richts werden durch das Vorbringen des Klägers im Zulassungsantrag nicht in
Frage gestellt. Soweit er geltend macht, er habe in der Zeit vom 1. Juni 2012
bis 28. Februar 2013 den Grundbuchstand überwacht, mit den Beteiligten
kommuniziert und das Schreiben des Amtsgerichts vom 18. Februar 2013 an
den Betreuer beantwortet, genügte dies ersichtlich nicht, um den Vollzug der
Kaufvertragsurkunde zu bewirken. Entgegen der Auffassung des Klägers hat er
den Landkreis D. auch deutlich zu spät zur Übersendung des Grund-
schuldbriefs aufgefordert. Selbst wenn er unter den von ihm im Schreiben an
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den Landkreis vom 31. Mai 2012 genannten "Löschungsunterlagen" auch den
Grundschuldbrief verstanden haben mag, hätte er spätestens nach Erhalt des
Schreibens des Landkreises vom 6. Juli 2012, dem der Grundschuldbrief gera-
de nicht beigefügt war, ausdrücklich um dessen Übersendung bitten müssen.
2. Der Kläger macht auch ohne Erfolg geltend, sämtliche vom Beklagten
im Disziplinarverfahren gewonnenen Erkenntnisse dürften nicht zu seinen Las-
ten verwertet werden, weil der Beklagte Kenntnis von diesen Umständen durch
ein rechtswidriges Verhalten der mit Grundbuchsachen befassten Rechtspflege-
rin beim Amtsgericht Sulingen erlangt habe. Dabei kann offen bleiben, ob der
Vortrag des Klägers zutrifft, wonach die Rechtspflegerin die Verkäuferin H.
aufgefordert hat, sich beim Vizepräsidenten des Landgerichts über den Kläger
zu beschweren, und das entsprechende Beschwerdeschreiben vorformuliert
hat. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob ein solches Verhalten der Rechts-
pflegerin rechtswidrig wäre. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, ergäbe sich
hieraus jedenfalls nicht das Verbot, die im Disziplinarverfahren ermittelten und
der Disziplinarverfügung zugrunde gelegten Tatsachen zu Lasten des Klägers
zu verwerten. Das nach der Auffassung des Klägers in rechtswidriger Weise
hergestellte Schreiben der Frau H. vom 18. Februar 2013 wurde im Diszip-
linarverfahren nicht als Beweismittel verwertet. Es veranlasste den Vizepräsi-
denten des Landgerichts Verden lediglich dazu, den Kläger mit Schreiben vom
20. Februar 2013 um Stellungnahme zur Abwicklung des Kaufvertrages und um
Vorlage der Akten zu bitten. Erst die Reaktion des Klägers, insbesondere der
Erlass seines Zwischenbescheids vom 28. Februar 2013, und die Durchsicht
der Akten, aus denen sich sämtliche in der Disziplinarverfügung zugrunde ge-
legten Umstände ergeben, führten zur Einleitung des Disziplinarverfahrens. Die
sich aus den Akten ergebenden Erkenntnisse hätte der Beklagte aber jederzeit
durch eine - im Rahmen der Dienstaufsicht gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 BNotO
ohne weiteres zulässige - Zwischenprüfung oder Stichprobe beim Kläger ge-
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winnen können. Durch das vom Kläger behauptete Verhalten der Rechtspflege-
rin wurde auch sein Recht auf ein faires Verfahren in keiner Weise beeinträch-
tigt. Seine Möglichkeiten, Einfluss auf den Gang und das Ergebnis des Diszipli-
narverfahrens zu nehmen, wurden in keiner Weise eingeschränkt (vgl. zu den
Anforderungen an ein Beweisverwertungsverbot: BVerfGE 130, 1, juris
Rn. 116 ff.; BVerfG, NVwZ 2005, 1175).
3. Der Kläger beruft sich auch ohne Erfolg auf die Zulassungsgründe der
besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeit der Rechtssache, der
grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz. Insoweit genügt sein Vortrag
nicht dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO i.V.m. § 105
BNotO, § 64 Abs. 2 Satz 2 BDG. Nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind die
Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Dem Darlegungs-
erfordernis ist nur dann Genüge getan, wenn der Antragsteller eindeutig einen
oder mehrere der in § 124 Abs. 2 VwGO aufgeführten Zulassungsgründe gel-
tend macht sowie fallbezogen und aus sich heraus verständlich in rechtlicher
und tatsächlicher Hinsicht näher erläutert, aus welchen Gründen er jeweils wel-
chen der geltend gemachten Zulassungsgründe für gegeben erachtet (vgl. VGH
Kassel, NVwZ 1998, 755; Beschluss vom 10. Juni 2013 - 7 A 418/12.Z, Beck
RS 2013, 52718; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2009, 360; BeckOK/Roth, VwGO,
§ 124a Rn. 64 [Stand 1.10.2014]; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 124a
Rn. 49). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers nicht. Er be-
schränkt sich auf die pauschale Behauptung der Zulassungsgründe.
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 109 BNotO, § 77 BDG
i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 111g Abs. 1
Satz 1 BNotO i.V.m. § 52 GKG.
Galke
Herrmann
von Pentz
Strzyz
Brose-Preuß
Vorinstanz:
OLG Celle, Entscheidung vom 23.06.2014 - Not 1/14 -
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