Urteil des BGH vom 20.04.2010

Datenbank, Abtretung, Pflege, Bereicherung, Name

BUNDESGERICHTSHOF
Im Namen des Volkes
Urteil
KZR 25/07
Verkündet
am
20. April 2010
Bürk
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
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Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20.
April 2010 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Tolksdorf und die Richter Dr. Raum, Dr. Bergmann, Dr. Strohn und
Dr. Kirchhoff
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Kartellsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. Mai 2007 in der Fas-
sung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. Juni 2007 im Kosten-
punkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten
entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfah-
rens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die beklagte Deutsche Telekom AG (DTAG) ist der in Deutschland füh-
rende Anbieter von öffentlich zugänglichen Telefondiensten. Sie schloss mit der
Buhl Data Service GmbH (im Folgenden: Buhl) am 8. September 2000 einen
Vertrag, aufgrund dessen DTAG für die Zeit bis 2003 verpflichtet war, die in ih-
rer Datenbank "DaRed" (Datenredaktion) gespeicherten Teilnehmerdaten an
Buhl herauszugeben, damit Buhl Telefondienst-Teilnehmerverzeichnisse auf
CD-ROM herstellen konnte. Nach dem Vertrag hatte Buhl ein Entgelt zu entrich-
ten, dessen Höhe sich einerseits nach dem Umfang der Nutzung, andererseits
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nach den Kosten der Datenbank DaRed und der Pflege der darin gespeicherten
Daten sowie der Datenübermittlung richtete.
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DTAG speichert die Daten ihrer Kunden einschließlich vertrags- und ab-
rechnungstechnischer Informationen in einer Datenbank "Andi" (Anmelde-
dienst). Von dort werden diejenigen Daten, die in Auskunftsdienste oder Teil-
nehmerverzeichnisse aufgenommen werden sollen, in die Datenbank DaRed
übertragen und entsprechend aufbereitet. In diese Datenbank werden auch
Teilnehmerdaten übernommen, die DTAG von Wettbewerbern zum Zwecke der
Bereitstellung eines Telefonauskunftsdienstes und von Teilnehmerverzeichnis-
sen überlassen werden (sog. Carrierdaten).
Buhl berühmt sich eines Rückzahlungsanspruchs gegen DTAG, weil
DTAG zu hohe Entgelte verlangt habe. Bezüglich eines Teils dieses Anspruchs
schloss Buhl, die den anderen Teil des Anspruchs in dem Parallelverfahren
KZR 52/07 geltend macht, mit der klickTel AG im Oktober 2004 folgende Ver-
einbarung:
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Hiermit tritt Buhl an klickTel sämtliche Ansprüche ab, die Buhl gegen die
DTAG wegen unterlassener Weitergabe von Preissenkungen betreffend die
Mindestentgelte für Datennutzungen besitzt. Es handelt sich dabei um Preis-
senkungen, die zwischen der DTAG, dem Bundeskartellamt und der Regulie-
rungsbehörde für Telekommunikation und Post im Jahre 2003 (rückwirkend)
für die Zeit ab dem 1. Januar 2003 vereinbart wurden.
klickTel nimmt die Abtretung an.
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Aufgrund dieser Abtretung verlangt klickTel von DTAG - soweit für das
Revisionsverfahren von Bedeutung - Zahlung von 111.688,62 € nebst Zinsen.
Das Berufungsgericht hat der Klage insoweit stattgegeben. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt DTAG ihren Klageabwei-
sungsantrag weiter. klickTel hat eine ebenfalls eingelegte Revision zurückge-
nommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Revision der Beklagten hat Erfolg und führt, soweit zum Nachteil der
Beklagten entschieden worden ist, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils
zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
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DTAG habe von Buhl für das Vertragsjahr 2002/2003 gemäß Rechnung
vom 25. September 2002 eine Vergütung in Höhe von 375.513,48 € zuzüglich
16% Mehrwertsteuer erhalten. Diese Zahlung sei in Höhe von 96.283,30 € zu-
züglich Mehrwertsteuer, zusammen also 111.688,62 €, ohne Rechtsgrund er-
folgt. Die Vergütungsvereinbarung in dem Datenüberlassungsvertrag vom 8.
September 2000 verstoße jedenfalls insoweit gegen § 12 TKG vom 25. Juli
1996 (im Folgenden: TKG 1996) und sei daher nach § 134 BGB nichtig. Bei
einer Auslegung, die sich an der Richtlinie 98/10/EG des Europäischen Parla-
ments und des Rates vom 26. Februar 1998 über die Anwendung des offenen
Netzzugangs (ONP) beim Sprachtelefondienst und den Universaldienst im Te-
lekommunikationsbereich in einem wettbewerbsorientierten Umfeld (ONP II-RL)
orientiere, dürfe DTAG für die nach § 12 TKG 1996 zu überlassenden Teilneh-
merdaten nur ein Entgelt in Höhe der Kosten der effizienten Bereitstellung ver-
langen. Das gelte unabhängig davon, ob Buhl ein Lizenznehmer i.S. des § 12
Abs. 1 TKG 1996 sei, der Sprachkommunikationsdienstleistungen für die Öf-
fentlichkeit anbiete, oder ein Dritter i.S. des § 12 Abs. 2 TKG 1996. Unter Kos-
ten der effizienten Bereitstellung seien bei einer richtlinienkonformen Auslegung
des § 12 TKG 1996 die Kosten der Datenübermittlung zu verstehen. Tatsächlich
habe DTAG jedoch neben diesen Kosten auch die Kosten für den Aufbau und
die Unterhaltung ihrer Datenbank DaRed anteilig ersetzt verlangt. Ob von § 12
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TKG 1996 nur die Basisdaten der eigenen Kunden von DTAG erfasst seien
oder auch deren Zusatzdaten und die Teilnehmerdaten, die DTAG von anderen
Telefondienstanbietern überlassen worden seien, könne offenbleiben. Denn
jedenfalls seien auch eigene Basisdaten überlassen worden. Der Preisregulie-
rung durch § 12 TKG 1996 könne sich DTAG aber nicht dadurch entziehen,
dass sie neben den davon erfassten Teilnehmerdaten auch andere, nicht der
Preisgrenze unterfallende Leistungen anbiete.
Für den Anspruch aus § 812 BGB sei klickTel auch aktivlegitimiert. Die
Abtretungsvereinbarung zwischen ihr und Buhl erfasse nicht nur vertragliche,
sondern auch gesetzliche Ansprüche.
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II. Das hält revisionsgerichtlicher Kontrolle nicht in allen Punkten stand.
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1. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht allerdings angenommen,
dass die Abtretungsvereinbarung zwischen klickTel und Buhl vom 14./18. Okto-
ber 2004 nicht nur vertragliche, sondern auch gesetzliche und insbesondere
Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung umfasst, und zwar bezogen auf
die Zeit ab dem 1. Januar 2003.
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Die Auslegung eines Individualvertrags ist grundsätzlich Sache des Tat-
richters. Das Revisionsgericht prüft nur nach, ob gesetzliche oder allgemein
anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind
oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde (st. Rspr., vgl.
BGH, Urt. v. 8.11.2004 - II ZR 300/02, ZIP 2005, 82, 83). Das ist hier nicht der
Fall. Die Auslegung ist im Gegenteil sogar nahe liegend.
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Danach ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen,
dass die Abtretungsvereinbarung nicht nur Rückzahlungsansprüche bezüglich
solcher Zahlungen erfasst, die nach dem 31. Dezember 2002 für einen am
1. Januar 2003 oder später beginnenden Vertragszeitraum von Buhl geleistet
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worden sind. Vielmehr sind auch Rückzahlungsansprüche bezüglich der Zah-
lungen abgetreten worden, die aufgrund einer vor dem 1. Januar 2003 erteilten
Rechnung geleistet worden sind, soweit sie sich auf einen Vertragszeitraum
nach dem 31. Dezember 2002 bezogen.
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2. Weiter ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass
DTAG gemäß § 12 TKG 1996 von Buhl für die Überlassung der Teilnehmerda-
ten nur ein begrenztes Entgelt verlangen durfte, dass die Entgeltvereinbarung in
dem Datenüberlassungsvertrag vom 8. September 2000, soweit sie ein höheres
Entgelt zulässt, nach § 134 BGB nichtig ist (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.2009 - KZR
34/06 Tz. 10 ff. - Teilnehmerdaten I und KZR 41/07 Tz. 63 f. - Teilnehmerdaten
II, juris) und dass DTAG damit zuviel erhobene Beträge für den Zeitraum ab
1. Januar 2003 nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zurückzuzahlen hat.
Im Ergebnis richtig ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, das
nach § 12 TKG 1996 geschuldete Entgelt sei geringer als der Betrag, der sich
aus der Zusage von DTAG in dem Preismissbrauchsverfahren ergebe. Dieses
Verfahren war mit Verfügung vom 18. September 2003 eingestellt worden,
nachdem sich DTAG bereit erklärt hatte, bei der Berechnung der Entgelte für
die Überlassung von Teilnehmerdaten ab dem 1. Januar 2003 nur noch Kosten
in Höhe von nicht mehr als 49 Mio. € zugrunde zu legen. Dabei waren das Bun-
deskartellamt und DTAG davon ausgegangen, dass nach § 12 TKG 1996 nicht
nur die Kosten der Datenüberlassung, sondern auch die Kosten der zur Spei-
cherung der Teilnehmerdaten vorgehaltenen Datenbank DaRed und der Pflege
des Datenbestandes umlagefähig seien. Das ist bezüglich der sogenannten
Basisdaten (Name, Anschrift, Rufnummer) der eigenen Kunden von DTAG nicht
der Fall, wie der Senat in seinen Urteilen "Teilnehmerdaten I" und "Teilnehmer-
daten II" (aaO, Tz. 14 ff. bzw. 16 ff.) näher ausgeführt hat.
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3. Auf die Frage, ob die Summe der gesetzlich zulässigen Entgelte ge-
ringer ist als die von DTAG in dem Preismissbrauchsverfahren als Höchstbetrag
anerkannten 49 Mio. € und in welcher Höhe DTAG insgesamt zur Rückzahlung
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nach § 812 BGB - und möglicherweise zum Schadensersatz nach §§ 33, 19
GWB - verpflichtet ist, kommt es nicht an. Denn der abgetretene Rückgewähr-
anspruch ist der Höhe nach auf den Betrag begrenzt, der sich aus der Differenz
zwischen dem gezahlten Entgelt und dem Entgelt ergibt, das sich auf der
Grundlage der Unterwerfungserklärung von DTAG in dem Preismissbrauchsver-
fahren errechnet. Nur dieser (Teil-)Anspruch ist von dem klaren Wortlaut der
Abtretungserklärung erfasst. Ein darüber hinausgehender Rückzahlungsan-
spruch ist dagegen nicht abgetreten worden.
Das Berufungsgericht hat - wie die Revision zu Recht rügt - nicht darge-
legt, wie sich dieser abgetretene Teilanspruch berechnet. Dazu heißt es in dem
Berufungsurteil lediglich: Da die Entgeltvereinbarung teilweise nichtig sei, habe
Buhl einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung in Höhe von
111.688,62 € gehabt. Dabei könne offenbleiben, welches Entgelt Buhl für die
Überlassung der Daten im Vertragsjahr 2002/2003 habe zahlen müssen. DTAG
sei bereits dann um 111.688,62 € rechtsgrundlos bereichert, wenn sie ihr Ent-
gelt - so wie gegenüber dem Bundeskartellamt zugesagt - auf der Grundlage
der Gesamtkosten in Höhe von 49 Mio. € pro Jahr berechnet hätte. Da das Bun-
deskartellamt die Kosten der Datenbank DaRed aber insgesamt für umlagefähig
gehalten habe, sei DTAG erst Recht in der genannten Höhe ungerechtfertigt
bereichert.
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Das reicht als Begründung für die Höhe der zugesprochenen Forderung
nicht aus. Es fehlen Feststellungen dazu, ob sich das vorläufige Mindestentgelt
in Höhe von 375.513,48 € zuzüglich Mehrwertsteuer, das Buhl auf die Rech-
nung vom 25. September 2002 gezahlt hat, entgegen der Auffassung des Land-
gerichts - teilweise - auf einen Abrechnungszeitraum im Jahr 2003 bezieht, wie
hoch dieser Anteil gegebenenfalls ist und in welchem Umfang DTAG insoweit
die gegenüber dem Bundeskartellamt zugesagte Preissenkung - unter Berück-
sichtigung der nach dem zugrunde liegenden Datenüberlassungsvertrag nach-
träglich abzurechnenden Endpreise - nicht an Buhl weitergegeben hat.
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III. Damit ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Beru-
fungsgericht zurückzuverweisen, damit die noch fehlenden Feststellungen ge-
troffen werden können.
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Tolksdorf Raum Bergmann
Strohn Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 28.06.2006 - 28 O (Kart) 292/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 02.05.2007 - VI-U (Kart) 31/06 -