Urteil des BGH vom 04.02.2016

Leitsatzentscheidung zu Schenkungsanfechtung, Schwestergesellschaft, Vergleich, Verwalter

ECLI:DE:BGH:2016:040216UIXZR42.14.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 42/14
Verkündet am:
4. Februar 2016
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO §§ 130, 131, 134, 144 Abs. 1
Veranlasst ein Schuldner einen Mittler zur Erbringung von Leistungen, die aus sei-
nem Vermögen stammen, an seinen Gläubiger, und fechten, nachdem sowohl der
Schuldner als auch der Mittler in die Insolvenz geraten sind, beide Insolvenzverwalter
die Leistungen an, schließt die auf die mittelbare Zuwendung gestützte Deckungs-
anfechtung durch den Insolvenzverwalter des Schuldners eine Schenkungsanfech-
tung durch den Insolvenzverwalter des Mittlers nur insoweit aus, als der Anfech-
tungsgegner das anfechtbar Erlangte tatsächlich an den Insolvenzverwalter, der die
Deckungsanfechtung geltend macht, zurückgewährt (Ergänzung zu BGHZ 174, 228).
BGH, Urteil vom 4. Februar 2016 - IX ZR 42/14 - OLG Jena
LG Mühlhausen
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Februar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin Lohmann und den Richter
Dr. Schoppmeyer
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des
Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 30. Januar 2014 auf-
gehoben.
Die Berufung gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landge-
richts Mühlhausen vom 7. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 19. Januar 2009 am
29. April 2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der W.
GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Die Beklagte war Inhabe-
rin zweier im Wege mehrfachen Forderungskaufs und mehrfacher Abtretung
erworbener Forderungen gegen die W. S. GmbH, einem
Schwesterunternehmen der Schuldnerin (nachfolgend: Schwestergesellschaft),
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über deren Vermögen ebenfalls am 29. April 2009 das Insolvenzverfahren er-
öffnet wurde.
Die Schuldnerin zahlte an die Beklagte auf die beiden Forderungen ge-
gen die Schwestergesellschaft am 12. Dezember 2008 und am 23. Dezember
2008 insgesamt 64.942,28
€. Im Zeitpunkt dieser Zahlungen war die Schwes-
tergesellschaft insolvenzreif.
Der Verwalter über das Vermögen der Schwestergesellschaft focht diese
Zahlungen als inkongruente Deckungen an. Die Parteien im dortigen Prozess
schlossen (für die Beklagte: deren Rechtsvorgängerin) einen Vergleich, wonach
die Beklagte 32.500
€ an den dortigen Kläger zahlen musste.
Wegen des Differenzbetrages von 32.442,28
€ nimmt nunmehr der Klä-
ger die Beklagte nach § 134 InsO in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage
stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten ab-
gewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen
Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
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I.
Das Berufungsgericht hat gemeint, die Schenkungsanfechtung durch den
Kläger sei vollständig ausgeschlossen, weil der Verwalter über das Vermögen
der Schwestergesellschaft dieselbe Forderung bereits im Wege der Deckungs-
anfechtung geltend gemacht habe. Für den Fall, dass beide Insolvenzverwalter
- jeder für sich mit Recht - die Erfüllungshandlung anfochten, schließe die auf
die mittelbare Zuwendung gestützte Deckungsanfechtung die Schenkungs-
anfechtung aus. Dafür sei zwar grundsätzlich maßgebend, ob die mittelbare
Zuwendung tatsächlich anfechtbar gewesen sei. Vorliegend könne dies aber
dahinstehen, weil durch den Vergleich in dem Vorprozess die gesamte geltend
gemachte Deckungsanfechtung abgegolten worden sei. Der dortige Teilverzicht
auf die Klageforderung führe nicht dazu, dass nur von einer teilweisen Gel-
tendmachung der Deckungsanfechtung ausgegangen werden könne. Da beide
Anfechtungen letztlich im Verhältnis der Schwestergesellschaft zur Beklagten
wurzelten, verdiene die Deckungsanfechtung den Vorrang. Müsste die Beklagte
einen Teil der Forderung an den Kläger zahlen, könnte sie diesen Teil wegen
des Vergleichs nicht mehr zur Insolvenztabelle in dem Verfahren über das Ver-
mögen der Schwestergesellschaft anmelden. Zur Tabelle im Insolvenzverfahren
über das Vermögen der Schuldnerin könne die Forderung ohnehin nicht ange-
meldet werden, weil gegen diese eine Forderung niemals bestanden habe.
Dann aber müsse jegliche Schenkungsanfechtung ausgeschlossen sein.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Schen-
kungsanfechtung ist begründet. Sie ist auch im Umfang der Klage durchsetzbar,
weil insoweit die Deckungsanfechtung nicht durchgesetzt worden ist.
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1. Der vom Kläger geltend gemachte Anfechtungsanspruch wegen un-
entgeltlicher Leistung ist gemäß § 134 Abs. 1 InsO begründet. Die Beklagte hat
von der Schuldnerin in gläubigerbenachteiligender Weise Zahlungen erhalten.
Diese Zahlungen waren unentgeltliche Leistungen. Sie erfolgten im Dezember
2008 und damit innerhalb von vier Jahren vor dem am 19. Januar 2009 bei Ge-
richt eingegangenen Insolvenzantrag.
Im "Zwei-Personen-Verhältnis" ist eine Verfügung als unentgeltlich anzu-
sehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegen-
übersteht, dem Verfügenden also keine Gegenleistung zufließen soll, die dem
von ihm aufgegebenen Vermögenswert entspricht. Wird eine dritte Person in
den Zuwendungsvorgang eingeschaltet, kommt es nicht entscheidend darauf
an, ob der Verfügende selbst einen Ausgleich für seine Verfügung erhalten hat;
maßgeblich ist vielmehr, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Ge-
genleistung zu erbringen hat. Bezahlt der Verfügende die gegen einen Dritten
gerichtete Forderung des Zuwendungsempfängers, liegt dessen Gegenleistung
in der Regel darin, dass er mit der Leistung, die er gemäß § 267 Abs. 2 BGB
nur bei Widerspruch seines Schuldners ablehnen kann, eine werthaltige Forde-
rung gegen diesen verliert. Ist hingegen die Forderung des Zuwendungsemp-
fängers wertlos, verliert dieser wirtschaftlich nichts, was als Gegenleistung für
die Zuwendung angesehen werden kann. In solchen Fällen ist die Tilgung einer
fremden Schuld als unentgeltliche Leistung anfechtbar. Der Zuwendungsem-
pfänger ist gegenüber den Insolvenzgläubigern des Verfügenden nicht schutz-
würdig; denn er hätte ohne dessen Leistung, auf die er keinen Anspruch hatte,
seine Forderung nicht durchsetzen können (BGH, Urteil vom 30. März 2006
- IX ZR 84/05, WM 2006, 1156, 1157; vom 16. November 2007 - IX ZR 194/04,
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BGHZ 174, 228 Rn. 8; vom 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13, WM 2013, 2182
Rn. 6; vom 29. Oktober 2015 - IX ZR 123/13, ZInsO 2016, 36 Rn. 6).
Im vorliegenden Fall waren die Forderungen der Beklagten gegen die
Schwestergesellschaft zu dem Zeitpunkt, als die Schuldnerin sie beglich, wirt-
schaftlich wertlos, weil die Schwestergesellschaft insolvenzreif war. Dabei ist
unerheblich, ob die Beklagte bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
Vermögen der Schwestergesellschaft eine auf ihre Forderung entfallende Quote
erhalten hätte (BGH, Urteil vom 22. Oktober 2009 - IX ZR 182/08, WM 2009,
2283 Rn. 9; vom 17. Oktober 2013, aaO Rn. 7).
2. Die Schenkungsanfechtung ist durch die vorherige Deckungsanfech-
tung im Umfang der Verurteilung nicht ausgeschlossen.
a) Hat die Schwestergesellschaft über die Schuldnerin als Leistungsmitt-
lerin an die Beklagte geleistet (§ 267 Abs. 1 Satz 1 BGB) und ist die Erfüllungs-
handlung - nachdem sowohl die Schuldnerin als auch die Schwestergesell-
schaft in die Insolvenz geraten sind - von beiden Insolvenzverwaltern im Inte-
resse der jeweiligen Masse angefochten worden, geht die Anfechtung durch
den Insolvenzverwalter des Leistenden der Anfechtung durch den Insolvenz-
verwalter des Leistungsmittlers vor (BGH, Urteil vom 16. November 2007
- IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rn. 23 f). Voraussetzung des Vorrangs ist al-
lerdings, dass die Voraussetzungen der Deckungsanfechtung tatsächlich vor-
liegen (BGH, aaO Rn. 49) und dass diese rechtzeitig geltend gemacht worden
ist (BGH, aaO Rn. 46). Andernfalls wäre nicht ausgeschlossen, dass die Be-
klagte den anfechtbar erhaltenen Betrag an niemanden zurückzahlt (BGH, aaO
Rn. 46).
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Da der Anfechtungsanspruch des Klägers gegeben ist, muss die Beklag-
te darlegen und beweisen, dass eine vorrangige Deckungsanfechtung erhoben
worden ist und durchgreift (BGH, aaO Rn. 49). Das ist im Umfang der Verurtei-
lung nicht geschehen.
b) Ungeklärt sind in diesem Zusammenhang bisher allerdings zwei Fra-
gen:
Zum einen hat der Senat noch nicht entschieden, ob die Deckungs-
anfechtung die Schenkungsanfechtung auch dann ausschließt, wenn sie zwar
rechtzeitig geltend gemacht worden ist, ihre Voraussetzungen aber zweifelhaft
geblieben sind und der Rechtsstreit über die Deckungsanfechtung durch Ver-
gleich beendet worden ist. Zum anderen ist offen, ob ein Vergleich über einen
Anspruch aus Deckungsanfechtung - das Vorliegen von deren Voraussetzun-
gen hier unterstellt - die Schenkungsanfechtung auch dann insgesamt aus-
schließt, wenn der diese Deckungsanfechtung geltend machende Verwalter
sich im Vergleich mit einem Teil der Forderung begnügt.
aa) Das Berufungsgericht hat dahingestellt sein lassen, ob die De-
ckungsanfechtung tatsächlich rechtlich begründet war. Es hat als ausreichend
angesehen, dass in dem Rechtsstreit über die Deckungsanfechtung durch den
Vergleich die gesamte mögliche Deckungsanfechtung abgegolten, also über die
Deckungsanfechtung von den Prozessparteien eine abschließende Regelung
getroffen worden ist.
Dies durfte mit dieser Begründung nicht offen bleiben. Die Deckungs-
anfechtung hat nur dann Vorrang, wenn sie tatsächlich begründet ist. Es reicht
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nicht aus, wenn ihre Voraussetzungen lediglich behauptet worden sind und
hierüber ein Vergleich geschlossen wird.
(1) Der Vorrang der Deckungsanfechtung beruht insbesondere auf der
Erwägung, mittelbare Zuwendungen seien anfechtungsrechtlich so zu behan-
deln, als habe der Zuwendungsempfänger die Leistung unmittelbar von seinem
Forderungsschuldner, der den Zuwendenden als Leistungsmittler angewiesen
hat, erhalten. Er folgt außerdem daraus, dass sich die Schenkungsanfechtung
auf die Wertlosigkeit der gegen den Forderungsschuldner gerichteten Forde-
rung gründet. Hätte dieser selbst geleistet, unterläge seine Zahlung infolge sei-
ner Insolvenzreife der Deckungsanfechtung. Hinter diese Deckungsanfechtung
hat die auf die Wertlosigkeit der beglichenen Forderung gestützte Schenkungs-
anfechtung zurückzutreten (BGH, Urteil vom 16. November 2007, aaO Rn. 38;
vom 22. Oktober 2009 - IX ZR 182/08, WM 2009, 2283 Rn. 12). Da die Anfech-
tung einer mittelbaren Zuwendung voraussetzt, dass der Forderungsschuldner
den Gegenwert der Leistung dem Zuwendenden zur Verfügung gestellt hat
(BGH, Urteil vom 16. November 2007, aaO Rn. 25), erscheint es auch im Blick
auf dieses Vermögensopfer und die darum schutzwürdigeren Belange der
Gläubiger des Forderungsschuldners angemessen, der Deckungsanfechtung
Priorität zu geben (BGH, aaO Rn. 42 ff). Freilich hat der Leistungsempfänger,
der sich unter Hinweis auf eine vorrangige Deckungsanfechtung gegen eine
Schenkungsanfechtung wendet, im Streitfall darzulegen und zu beweisen, dass
eine Deckungsanfechtung tatsächlich durchgreift (BGH, aaO Rn. 49; Urteil vom
22. Oktober 2009, aaO Rn. 12).
(2) Der Leistungsempfänger hat - obgleich er sich gemäß § 267 Abs. 2
BGB gegen die Leistung regelmäßig nicht zur Wehr setzen kann - bei einer
Leistung durch einen ihm gegenüber unentgeltlich handelnden Leistungsmittler
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in Fällen der mittelbaren Zuwendung stets eine Deckungs- und eine Schen-
kungsanfechtung zu gewärtigen. Die an sich vorrangige Deckungsanfechtung
kann aber aus verschiedenen Gründen scheitern, etwa weil die Fristen der
§§ 130, 131 InsO nicht eingehalten sind oder weil andere Anfechtungsvoraus-
setzungen fehlen. Sieht er sich der Situation ausgesetzt, dass ein Anspruch aus
Schenkungsanfechtung ohne weiteres gegeben wäre (sofern über das Vermö-
gen des Leistungsmittlers das Insolvenzverfahren eröffnet ist), gegen die Be-
rechtigung einer geltend gemachten Deckungsanfechtung aber Bedenken be-
stehen, handelt er, wenn wie im vorliegenden Fall beide Anfechtungsansprüche
bereits entstanden sind, auf eigenes Risiko, wenn er einen der Forderungsprä-
tendenten befriedigt. Ergibt eine spätere Prüfung, dass der befriedigte Anspruch
nicht bestand, muss er gegebenenfalls an den wahren Berechtigten erneut zah-
len. Er kann sich durch Hinterlegung des angefochtenen Betrages (§ 372 BGB)
oder dadurch schützen, dass er im anhängigen Rechtsstreit dem anderen For-
derungsprätendenten den Streit verkündet (§ 72 ZPO). Wie in hier nicht vorlie-
genden Sonderfällen zu verfahren wäre, etwa wenn über das Vermögen des
Leistungsmittlers das Insolvenzverfahren (noch) nicht eröffnet und deshalb der
Anfechtungsanspruch wegen unentgeltlicher Leistung noch nicht entstanden ist,
bedarf hier keiner Vertiefung. In der Höhe, in der sich die Beklagte zur Zahlung
an den Insolvenzverwalter der Schwestergesellschaft aufgrund der Deckungs-
anfechtung verpflichtet hat, macht der Kläger den konkurrierenden Anfech-
tungsanspruch aus Schenkungsanfechtung nicht geltend.
bb) Durch den Vergleich über den Anspruch aus Deckungsanfechtung
wird der Anspruch aus Schenkungsanfechtung in dem hier geltend gemachten
Umfang nicht ausgeschlossen. Der Vorrang der Deckungsanfechtung verdrängt
den Anspruch aus der Schenkungsanfechtung nur insoweit, als der streitige
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Betrag tatsächlich an den Verwalter mit dem Anspruch aus Deckungsanfech-
tung zurückbezahlt worden ist.
(1) Der Verwalter, der einen Anfechtungsanspruch geltend macht, ist al-
lerdings berechtigt, sich bezüglich dieses Anspruchs zu vergleichen oder den
Anfechtungsanspruch ganz oder teilweise zu erlassen (BGH, Urteil vom
17. Februar 2011 - IX ZR 91/10, ZIP 2011, 1114 Rn. 7). Ein Vergleich mag etwa
zweckmäßig sein, wenn Anfechtungsvoraussetzungen in rechtlicher oder tat-
sächlicher Hinsicht fraglich erscheinen, schwierige und kostenintensive Be-
weiserhebungen erforderlich wären, andere für die Masse vorteilhaftere Lösun-
gen wie Massekredite oder freiwillige Zahlungen durch den Anfechtungsgegner
in Frage stehen oder der Anfechtungsgegner nur in beschränktem Maße leis-
tungsfähig ist.
Die Vergleichskompetenz des Verwalters bezieht sich aber nur auf die
ihm zustehenden Ansprüche, nicht auch auf die Ansprüche anderer Personen
oder Insolvenzverwalter, insbesondere nicht auf die Anfechtungsansprüche des
Insolvenzverwalters über das Vermögen des Leistungsmittlers aus unentgeltli-
cher Zuwendung. Dies ist für die Vertragsparteien des Vergleichs über die De-
ckungsanfechtung auch offensichtlich. Beide können wirksame Vergleiche in
Form eines Vertrages zu Lasten Dritter nicht schließen. Sie müssten den Dritten
in den Vergleichsabschluss einbeziehen.
Schließen die Parteien des Anspruchs der Deckungsanfechtung, wie im
vorliegenden Fall, einen Vergleich in der Weise, dass zur Wegfertigung des ge-
samten Anspruchs (nur) ein Teilbetrag bezahlt wird, ist damit - nach näherer
Maßgabe des Vergleichs - im Verhältnis zum Anspruch stellenden Insolvenz-
verwalter die gesamte Forderung erledigt. Der darin enthaltene Erlass hinsicht-
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lich des Restbetrages ist in vollem Umfang wirksam. Er betrifft aber nur den
verglichenen Anspruch aus dem Deckungsverhältnis.
(2) Die beiden Insolvenzverwalter sind mit ihren Ansprüchen aus De-
ckungsanfechtung einerseits und Schenkungsanfechtung andererseits weder
Gesamtgläubiger noch Teilgläubiger (BGH, Urteil vom 16. November 2007
- IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rn. 30 ff). Also liegen konkurrierende Anfech-
tungsansprüche für verschiedene Insolvenzmassen vor, die sich allerdings,
auch soweit beide begründet sind, nur einmal durchsetzen lassen (BGH, aaO
Rn. 33). Die aus dem Konkurrenzverhältnis folgende Durchsetzungssperre für
die Schenkungsanfechtung greift, wenn ein begründeter Anspruch aus De-
ckungsanfechtung auch tatsächlich erfüllt wird. Andernfalls wäre nicht ausge-
schlossen, dass die Beklagte den in doppelter Weise anfechtbaren Betrag an
überhaupt niemand zurückzahlt (BGH, Urteil vom 16. November 2007, aaO
Rn. 46). Es lässt sich gegenüber den Gläubigern im Insolvenzverfahren über
das Vermögen des Leistungsmittlers nicht rechtfertigen, dass der von Rechts
wegen zugunsten dieser Masse bestehende Anfechtungsanspruch dadurch
zunichte gemacht wird, dass ein Vergleich über einen zweifelhaften Anspruch
aus Deckungsanfechtung geschlossen wird. Dann bestünde außerdem in er-
heblichem Umfang die Gefahr von Verträgen zu Lasten der Masse des Lei-
stungsmittlers, weil derartige Vergleichsabschlüsse nicht nur für den Verwalter
der Deckungsanfechtung, sondern auch für den Anfechtungsgegner von unmit-
telbarem wirtschaftlichen Vorteil wären.
(3) Da die Anfechtung einer mittelbaren Zuwendung regelmäßig voraus-
setzt, dass der Forderungsschuldner den Gegenwert der Leistung dem Zuwen-
denden zur Verfügung gestellt hat (BGH, Urteil vom 16. November 2007, aaO
Rn. 25; vom 22. Oktober 2009, aaO Rn. 12), erscheinen im Hinblick auf dieses
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Vermögensopfer die Belange der Gläubiger des Forderungsschuldners schutz-
würdiger als diejenigen der Gläubiger des Leistungsmittlers. Gleicht der Anfech-
tungsgegner diese Nachteile aber nicht aus, kann von den Gläubigern des Leis-
tungsmittlers kein weiteres Zurücktreten ihrer Interessen verlangt werden.
(4) Der Anfechtungsgegner ist in dieser Situation nicht in gleicher Weise
oder in vorzuziehender Weise schutzwürdig. Es gibt im Verhältnis zu den Gläu-
bigern des Leistungsmittlers keine Rechtfertigung dafür, dass er durch eine
Teilleistung auf die Deckungsanfechtung die gegebene Forderung aus Schen-
kungsanfechtung in ganzer Höhe soll wegfertigen können, zumal wenn in die-
sem Verhältnis für einen Vergleichsschluss kein Anlass bestünde.
(5) Dieses Ergebnis entspricht auch der Situation, in welcher der Anfech-
tungsschuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der Vor-
schriften des Anfechtungsgesetzes von einem Gläubiger in Anspruch genom-
men worden ist. Dann scheidet ein weiterer Anspruch auf Rückgewähr zur In-
solvenzmasse zwar auch hier aus, allerdings auch hier nur in dem Umfang, in
dem der Anfechtungsanspruch tatsächlich erfüllt wurde (BGH, Urteil vom
15. November 2012 - IX ZR 173/09, WM 2013, 81 Rn. 15).
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dieser Beurtei-
lung nicht entgegen, dass die Beklagte, soweit sie im vorliegenden Rechtsstreit
verurteilt wird, diesen Forderungsteil nicht mehr zur Tabelle im Insolvenzverfah-
ren über das Vermögen der Schwestergesellschaft anmelden könnte. Die An-
nahme der fehlenden Anmeldbarkeit ist falsch. Das Gegenteil ist richtig.
aa) Nach § 144 Abs. 1 InsO lebt die Forderung des Empfängers einer
anfechtbaren Leistung wieder auf, wenn er das Erlangte zurückgewährt. Das
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gilt unabhängig von dem geltend gemachten Anfechtungsgrund. Voraussetzung
für das Wiederaufleben der Forderung ist die tatsächliche Rückgewähr des
Empfangenen (BGH, Urteil vom 8. Januar 2015 - IX ZR 300/13, ZIP 2015, 485
Rn. 17). Das gilt auch im anfechtungsrechtlichen Drei-Personen-Verhältnis
(BGH, Urteil vom 22. November 2012 - IX ZR 22/12, ZInsO 2013, 73 Rn. 12;
vom 8. Januar 2015, aaO Rn. 17). Allein die Geltendmachung des Rückforde-
rungsanspruchs oder der Abschluss eines Vergleichs über den Rückforde-
rungsanspruch reichen dagegen nicht aus (BGH, Urteil vom 8. Januar 2015,
aaO). Durch den Vergleichsabschluss im Vorprozess ist die Forderung der Be-
klagten also nicht wieder aufgelebt, sondern erst durch die Auszahlung des
Vergleichsbetrages an den Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schwes-
tergesellschaft.
bb) Ebenso lebt aber die Forderung der Beklagten gegen die Schwester-
gesellschaft in dem Umfang wieder auf, in dem die Beklagte das Erlangte auf-
grund der Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits an den Kläger tatsäch-
lich wieder zurückgewährt. Die Beklagte kann dann die ursprüngliche Forde-
rung wieder in vollem Umfang zur Tabelle im Insolvenzverfahren über das Ver-
mögen der Schwestergesellschaft anmelden.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist unerheblich, ob der Ver-
walter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schwestergesell-
schaft auf eine weitergehende Forderung aus Deckungsanfechtung verzichtet
hat. Damit ist zwar diese Forderung erloschen. Zu den Folgen einer erfolgrei-
chen Schenkungsanfechtung durch den Kläger im vorliegenden Rechtsstreit
besagt dies indessen nichts. Das könnte nur dann anders sein, wenn die Be-
klagte in dem Vergleich auf die Geltendmachung von Forderungen zur Tabelle
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für den Fall der erfolgreichen Geltendmachung einer Schenkungsanfechtung
durch den Kläger verzichtet hätte. Dafür besteht keinerlei Anhaltspunkt.
III.
Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der
Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung nur wegen
Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachver-
hältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563
Abs. 3 ZPO). Auf Art. 13 EuInsVO beruft sich die Beklagte nicht. Die Berufung
der Beklagten ist deshalb zurückzuweisen.
Kayser
Gehrlein
Vill
Lohmann
Schoppmeyer
Vorinstanzen:
LG Mühlhausen, Entscheidung vom 07.06.2013 - 3 O 673/12 -
OLG Jena, Entscheidung vom 30.01.2014 - 1 U 565/13 -
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