Urteil des BGH vom 14.07.2016

Leitsatzentscheidung zu Beweislast, Vergleich, Baustelle, Pauschal

ECLI:DE:BGH:2016:140716UIXZR291.14.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 291/14
Verkündet am:
14. Juli 2016
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 280 Abs. 1
Zu den Belehrungspflichten eines Rechtsanwalts bei Abschluss eines gerichtlichen
Vergleichs über die Vergütung geleisteter Dienste (Sanierung eines Wohnhauses).
BGH, Urteil vom 14. Juli 2016 - IX ZR 291/14 - KG Berlin
LG Berlin
- 2 -
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Mai 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter
Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 27. Zivilsenats
des Kammergerichts in Berlin vom 13. November 2014 in der Fas-
sung des Berichtigungsbeschlusses vom 20. November 2014 auf-
gehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 22. Zivilkammer
des Landgerichts Berlin vom 25. September 2013 wird zurückge-
wiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ließ durch Leiharbeitnehmer, die ihm von einem Arbeitsver-
mittlungsunternehmen zur Verfügung gestellt wurden, Renovierungsarbeiten an
seiner denkmalgeschützten Villa in Berlin ausführen. Nach Unstimmigkeiten
über die Anzahl der von den Arbeitnehmern geleisteten Stunden und Kündi-
gung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages nahm ihn das Vermittlungsun-
1
- 3 -
ternehmen gerichtlich auf Restzahlung von 60.226,09
€ in Anspruch. In diesem
Prozess vertrat der beklagte Rechtsanwalt den hiesigen Kläger und dortigen
Beklagten (nachfolgend nur Kläger) im ersten Rechtszug. In der mündlichen
Verhandlung vor dem Landgericht am 13. September 2010 wies der Einzelrich-
ter auf die Darlegungs- und Beweislast des Klägers für den Abschluss einer
Sondervereinbarung hin, nach der ein zeitliches Limit für den Arbeitseinsatz
bestehen sollte. Sodann schlug er den Parteien den Abschluss eines Vergleichs
auf einen Betrag von 30.000
€ vor, welchen das klagende Arbeitsvermittlungs-
unternehmen angenommen hätte. Nach Beratung mit dem Beklagten lehnte der
Kläger einen Vergleichsschluss ab. In der sich anschließenden Beweisaufnah-
me konnte er seine Behauptung einer vertraglich vereinbarten zeitlichen Be-
schränkung der abzurechnenden Stunden nicht beweisen. Seine Berufung ge-
gen die Verurteilung zur Zahlung eines Betrages von 59.238,03
€ blieb erfolg-
los.
Der Kläger behauptet, der Beklagte habe ihm pflichtwidrig nicht zum Ab-
schluss des Vergleichs geraten. Er sei deshalb verpflichtet, ihm Schadenser-
satz in Höhe der Differenz zwischen dem vom Landgericht vorgeschlagenen
Vergleichsbetrag und dem Betrag seiner Verurteilung im Vorprozess zu leisten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat
das Oberlandesgericht den Beklagten zur Zahlung von 29.238,03
€ verurteilt.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageab-
weisungsbegehren weiter.
2
- 4 -
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des landge-
richtlichen Urteils.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Beklagte sei zum Schadenser-
satz verpflichtet, weil er dem Kläger zu dem Abschluss des gerichtlich angereg-
ten Vergleichs hätte raten müssen. Nach den Ausführungen des Klägers, der
ein pflichtwidriges Verhalten des Rechtsanwalts darzulegen und zu beweisen
habe, auch wenn es um Negativtatsachen gehe, habe der Beklagte ihm einen
entsprechenden Rat nicht gegeben. Der Beklagte hätte sich nicht damit begnü-
gen dürfen, die ihm zur Last gelegte Pflichtverletzung zu bestreiten. Vielmehr
hätte er den Gang der Besprechung im Einzelnen schildern und konkret ange-
ben müssen, wie er beraten habe. Dem Mandanten obliege dann der Beweis,
dass diese Darstellung nicht zutreffe. Diesen Anforderungen habe der Beklagte,
der bei seiner persönlichen Anhörung nur pauschal ausgeführt habe, dem Klä-
ger aufgrund seiner Erfahrungen zum Abschluss des Vergleichs geraten zu ha-
ben, nicht genügt. Zu einzelnen Umständen, etwa dem Risiko einer durchzufüh-
renden Beweisaufnahme, fehlenden Informationen zu den Einzelheiten der
Baustelle oder den Gefahren des Festhaltens an der werkvertraglichen Argu-
mentation fehle trotz Hinweises des Prozessbevollmächtigten des Klägers in
der mündlichen Verhandlung jeglicher Vortrag. Bei dieser Sachlage habe offen-
bleiben können, ob die Prozessführung des Beklagten in dem vorausgehenden
Verfahren vor dem Landgericht Berlin auf einer fehlerhaften rechtlichen Ein-
schätzung beruht habe, in deren Folge er die Verteidigung nicht wenigstens
3
4
- 5 -
hilfsweise auf die fehlerhafte Auswahl der von dem Leiharbeitsunternehmen
entsandten Arbeitnehmer und die nicht korrekt abgerechneten Stunden gestützt
habe.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Von ei-
ner Verletzung anwaltlicher Pflichten kann auf der Grundlage der Feststellun-
gen des Berufungsgerichts nicht ausgegangen werden. Der Kläger hat keinen
Anspruch gegen den Beklagten auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB.
1. Noch zutreffend ist das Berufungsgericht für die Schadensersatzklage
gegen einen Rechtsanwalt von der Beweislast desjenigen - hier des Klägers -
ausgegangen, der eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behaup-
tet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werden die mit
dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten dadurch
ausgeglichen, dass die andere Partei die behauptete Fehlberatung substantiiert
bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelnen beraten oder aufgeklärt worden
sein soll. Dem Anspruchsteller obliegt dann der Nachweis, dass diese Darstel-
lung nicht zutrifft (BGH, Urteil vom 9. Juni 1994 - IX ZR 125/93, BGHZ 126, 217,
225; vom 11. Oktober 2007 - IX ZR 105/06, WM 2007, 2351 Rn. 12; jeweils
mwN; vom 24. Januar 2006 - XI ZR 320/04, BGHZ 166, 56 Rn. 15 für den Fall
der Anlageberatung). Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast gilt
auch, wenn der Mandant den Rechtsanwalt wegen fehlerhafter Beratung im
Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Ablehnung eines Vergleichs in
Anspruch nimmt.
5
6
- 6 -
2. Soweit das Berufungsgericht von der Haftung des Beklagten ausge-
gangen ist, weil er die behauptete Fehlberatung nicht substantiiert bestritten
und den Gang der Beratung des Klägers in Bezug auf den gerichtlichen Ver-
gleichsvorschlag vom 13. September 2010 nicht hinreichend dargetan habe, hat
das Berufungsgericht unter Außerachtlassung wesentlicher Teile des Vorbrin-
gens des Beklagten die Anforderungen an ein substantiiertes Vorbringen über-
spannt. Nach dem schriftsätzlichen Vortrag des Beklagten und seiner Einlas-
sung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am
18. September 2014 hat der Beklagte seinen anwaltlichen Beratungspflichten
genügt.
a) Im Rahmen von Verhandlungen zum Abschluss eines gerichtlichen
Vergleichs ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Interessen des Mandanten um-
fassend und nach allen Richtungen wahrzunehmen und ihn vor vermeidbaren
Nachteilen zu bewahren. Um dem Mandanten eine eigenständige Entscheidung
über den Abschluss des Vergleichs zu ermöglichen, muss er ihm dessen Vor-
und Nachteile darlegen. Auch ein ausdrücklicher gerichtlicher Vergleichsvor-
schlag vermag den Rechtsanwalt nicht von seiner Verantwortung bei der Bera-
tung der Partei zu entbinden (BGH, Urteil vom 11. März 2010 - IX ZR 104/08,
WM 2010, 815 Rn. 8 mwN). Der Anwalt hat von einem Vergleich abzuraten,
wenn er für die von ihm vertretene Partei eine unangemessene Benachteiligung
darstellt und insbesondere begründete Aussicht besteht, im Falle einer streiti-
gen Entscheidung ein wesentlich günstigeres Ergebnis zu erzielen (BGH, Urteil
vom 14. Januar 1993 - IX ZR 76/92, NJW 1993, 1325, 1328; vom 7. Dezember
1995 - IX ZR 238/94, NJW-RR 1996, 567, 568; vom 11. März 2010, aaO; Vill in:
G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl.,
§ 2 Rn. 282). In diesem Fall greift die Vermutung ein, dass der Mandant dem
Vorschlag des Anwalts, von einem Vergleichsschluss abzusehen, gefolgt wäre
7
8
- 7 -
(BGH, Urteil vom 14. Januar 1993, aaO S. 1329). Nimmt der Mandant auf Anra-
ten seines Rechtsanwalts eine günstige Vergleichsmöglichkeit nicht wahr,
kommt es für einen Pflichtverstoß darauf an, ob im Zeitpunkt der Vergleichsver-
handlung objektive Anhaltspunkte dafür vorhanden waren, die den Vergleich
günstiger erscheinen ließen als dessen Ablehnung (vgl. Borgmann/Jungk/
Schwaiger, Anwaltshaftung, 5. Aufl., Kap. IV Rn. 115).
b) Nach dem von ihm dargestellten Verlauf und Inhalt der Beratung des
Klägers im Vorprozess hat der Beklagte diesen Anforderungen entgegen der
Entscheidung des Berufungsgerichts genügt. Schon in der Klageerwiderung,
deren Inhalt das Berufungsgericht in seinem Urteil unbeachtet gelassen hat, hat
der Beklagte ausgeführt, dem Kläger im Vorprozess schon in der ersten münd-
lichen Verhandlung am 31. Mai 2010 zum Abschluss des von dem damals am-
tierenden Richter vorgeschlagenen Vergleichs auf hälftiger Basis geraten zu
haben, ohne dass der Kläger vergleichsbereit gewesen sei. Die Sachlage habe
sich zu diesem Zeitpunkt für den Kläger noch offener dargestellt, weil der Rich-
ter noch nicht zu erkennen gegeben habe, ob er die Rahmenvereinbarung der
Parteien über die Begrenzung der von den Leiharbeitnehmern zu leistenden
Stunden für wirksam oder für unwirksam halte. Diese Ausgangslage habe sich
bis zu dem zweiten Termin am 13. September 2010, in dem der nun mit der
Sache befasste neue Richter vor Durchführung der Beweisaufnahme erneut
einen Vergleich auf hälftiger Basis vorgeschlagen habe, für den Kläger ver-
schlechtert gehabt. Entsprechend dem Terminsprotokoll habe der Richter nun
darauf hingewiesen, dass er die Darlegungs- und Beweislast für eine Sonder-
vereinbarung, nach der ein zeitliches Limit des Arbeitseinsatzes bestehen soll-
te, beim Kläger sehe. Nach Unterbrechung der Verhandlung habe der Beklagte
den Kläger in der Pause darauf hingewiesen, dass er ihm dazu rate, den Ver-
gleich abzuschließen, weil Gewährleistungsansprüche oder ähnliches durch ihn
9
- 8 -
nicht geltend gemacht werden könnten und die im Ablehnungsfall folgende Be-
weisaufnahme Unsicherheiten aufweise. Der Kläger sei demgegenüber jedoch
der Ansicht gewesen, den nach Mitteilung des Richters von ihm zu führenden
Beweis mit den von ihm benannten Zeugen erbringen zu können. Den Ab-
schluss eines Vergleichs habe er abgelehnt, er habe eigentlich gar keine Dis-
kussion darüber führen wollen. Sinngemäß habe er erklärt, pokern zu wollen
und auf das Ganze zu gehen.
Diese schriftsätzliche Darstellung hat der Beklagte bei seiner Anhörung
durch das Berufungsgericht im Termin am 18. September 2014 bestätigt und
ergänzend ausgeführt, dass er auch im zweiten Termin für den Abschluss eines
Vergleichs gewesen sei, weil er nicht habe einschätzen können, wie der Zeuge
S. aussagen würde und er immer noch keine ausreichenden Informationen zu
den Einzelheiten der Baustelle gehabt habe, so dass er gehindert gewesen sei,
mehr vorzutragen. Der Kläger sei aber siegessicher gewesen und habe es wei-
terhin abgelehnt, einen Vergleich zu schließen.
c) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe lediglich pau-
schal ausgeführt, aufgrund seiner Erfahrungen zum Abschluss eines Vergleichs
geraten zu haben, ist nach dessen Vortrag zum Gang und Inhalt der Belehrung
des Klägers nicht haltbar.
aa) Unter Einbeziehung des Vorbringens des Beklagten in der Klage-
erwiderung hat der Beklagte hinreichend dargelegt, warum er dem Kläger
schon im ersten Verhandlungstermin am 31. Mai 2010 und erst recht im zweiten
Termin am 13. September 2010 zum Abschluss des vom Gericht vorgeschla-
genen Vergleichs auf hälftiger Basis geraten habe. Die Darlegungs- und Be-
weislast für den Abschluss der Sondervereinbarung, aus welcher der Kläger für
10
11
12
- 9 -
sich das Recht herleiten wollte, nur einen Teil der abgerechneten Stunden zu
bezahlen, war auschlaggebend für den Ausgang des Rechtsstreits. Die Beweis-
last hierfür trug der Kläger, wie ihm der Richter schon vor der Unterbrechung
der Sitzung zur Erörterung des Vergleichsvorschlags mit dem Beklagten mitge-
teilt hatte. Damit musste dem Kläger klar sein, dass er den Rechtsstreit verlie-
ren würde, wenn er auf das Ganze ging und die Beweisaufnahme zu seinem
Nachteil ausfiel. Einer zusätzlichen Belehrung durch den Beklagten bedurfte er
insoweit entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mehr. Dieser
konnte ihm allenfalls noch einmal die Risiken der durchzuführenden Beweisauf-
nahme vor Augen führen, wie er es nach seiner Darstellung auch getan hat.
Eine besonders eindringliche Belehrung, wie sie das Berufungsgericht für erfor-
derlich zu halten scheint, schuldete der Beklagte dem Kläger nicht (vgl. BGH,
Urteil vom 9. Juni 1994 - IX ZR 125/93, BGHZ 126, 217, 220). Es reichte aus,
dass der Beklagte den Kläger auf die Risiken der anstehenden Beweisaufnah-
me hinwies und die weiteren Unsicherheiten im Fall der streitigen Durchführung
des Verfahrens deutlich machte.
bb) Der Vortrag des Beklagten zum Inhalt seiner Belehrung ist wider-
spruchsfrei. Der Beklagte hatte keinen nachvollziehbaren Grund, dem Kläger
von dem Abschluss des Vergleichs abzuraten. Dass er die Aussage des Zeu-
gen S. nicht einschätzen konnte und deshalb schon im Hinblick auf diese Un-
sicherheit zu einer vergleichsweisen Erledigung des Rechtsstreits riet, ist im
Gegenteil durchaus plausibel. Nachvollziehbar ist auch der Vortrag des Beklag-
ten zum Verhalten des Klägers, der von einem Vergleich nichts wissen wollte,
weil er auf einen für ihn günstigen Ausgang der Beweisaufnahme vertraute.
Dies ist der Darstellung des Beklagten zu beiden Terminen, in denen die Mög-
lichkeit eines Vergleichsabschlusses erörtert wurde, zu entnehmen. Nach den
unmissverständlichen Ausführungen des Beklagten war es der Kläger und nicht
13
- 10 -
der Beklagte, der es auf eine streitige Entscheidung ankommen lassen wollte.
Mehr brauchte der Beklagte zum Inhalt seiner Beratung nicht vorzutragen.
Vielmehr war es nunmehr Sache des Klägers, den Nachweis zu führen, dass
der Beklagte ihn von dem Vergleichsschluss abgehalten und trotz der beste-
henden Risiken zu einer streitigen Entscheidung geraten habe.
cc) Soweit das Berufungsgericht Vortrag des Beklagten zur Untauglich-
keit der überlassenen Arbeitskräfte vermisst, kommt es hierauf für den Ab-
schluss des Vergleichs nicht an. Abgesehen von der Angabe des Beklagten, er
habe dem Kläger auch wegen seiner immer noch nicht ausreichenden Informa-
tionen über die Einzelheiten der Baustelle zum Vergleichsschluss geraten, die
darauf hindeutet, dass auch dieser Gesichtspunkt Gegenstand der Belehrung
war, war die Erörterung dieser Fragen für das Für und Wider des abzuschlie-
ßenden Vergleichs nicht erheblich. Entscheidend waren die Fragen der Be-
weisbarkeit und Beweislast für die Vereinbarung einer Begrenzung der abre-
chenbaren Stunden. Insoweit waren dem Kläger die Risiken der streitigen Fort-
setzung des Verfahrens bewusst.
d) Der Beklagte ist der ihn treffenden sekundären Darlegungslast für den
Inhalt seiner Beratung somit gerecht geworden. Allein wegen des fehlenden
substantiierten Bestreitens der vom Kläger behaupteten Fehlberatung und
mangelnder Darlegung der Einzelheiten des Inhalts seiner Beratung und Aufklä-
rung durfte das Berufungsgericht ihn nicht verurteilen. Der Kläger hat die Dar-
stellung des Beklagten nicht widerlegt und damit den ihm obliegenden Nach-
weis einer Falschberatung durch den Beklagten bei der Entscheidung über die
Annahme des vom Gericht vorgeschlagenen Vergleichs nicht geführt.
14
15
- 11 -
3. Soweit das Berufungsgericht offengelassen hat, ob dem Beklagten
eine Verletzung anwaltlicher Pflichten im Hinblick auf eine fehlerhafte Prozess-
führung im Vorprozess vor dem Landgericht Berlin vorzuwerfen ist, kommt ein
Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB ebenfalls nicht in Betracht. Der
Kläger hat im Haftungsprozess nicht vorgetragen, dass seine Rechtsverteidi-
gung gegen die Klage des Vermittlungsunternehmens erfolgreich gewesen wä-
re, wenn der Beklagte im Ausgangsrechtsstreit vorgetragen hätte, die von dem
Unternehmen gestellten Arbeitnehmer seien für den nach den Überlassungs-
verträgen vereinbarten Zweck nicht tauglich und geeignet gewesen.
a) Bei einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag handelt es sich um einen
Unterfall des Dienstverschaffungsvertrages, der keinem der im Besonderen
Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelten Vertragstypen zuzuord-
nen ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 21. Mai 2015 - 19 U 21/15, juris Rn. 8;
Wank in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 12 AÜG Rn. 5).
Anders als bei einem Werkvertrag haftet der Verleiher nicht für einen Erfolg,
sondern nur für die sorgfältige Auswahl und Bereitstellung von Arbeitskräften
(BGH, Urteil vom 9. März 1971 - VI ZR 138/69, NJW 1971, 1129; vom 13. Mai
1975 - IV ZR 247/73, NJW 1975, 1695; OLG Köln, aaO; Wank in Erfurter Kom-
mentar zum Arbeitsrecht, aaO, § 1 AÜG Rn. 12; Staudinger/Caspers, BGB,
2014, § 278 Rn. 72). Der verleihende Unternehmer hat bei einem Arbeitneh-
merüberlassungsvertrag nicht dafür einzustehen, dass die überlassenen Arbeit-
nehmer die ihnen von dem entleihenden Unternehmer übertragenen Arbeiten
ordnungsgemäß verrichten. Er haftet vielmehr nur dafür, dass die von ihm ge-
stellten Arbeitnehmer für den nach dem Vertrag verfolgten Zweck tauglich und
geeignet sind.
16
17
- 12 -
b) Der Kläger hat im Haftungsprozess die Voraussetzungen für einen
Schadensersatzanspruch wegen der Auswahl und Entsendung ungeeigneter
Leiharbeitnehmer und die fehlerhafte Abrechnung geleisteter Stunden nicht hin-
reichend dargelegt. Er hat lediglich pauschal vorgetragen, die entsandten Ar-
beitnehmer hätten sich zum Teil als fachlich ungeeignet erwiesen, zum Teil sei-
en Arbeitnehmer erschienen, für die es keine Überlassungsverträge gegeben
habe, und Arbeitszeiten seien unzutreffend dargestellt worden. Ferner seien
Zeit- und Kostengrenzen aus der Tabelle nicht eingehalten worden, woraufhin
der Architekt S die Tätigkeitsberichte des Überlassungsunternehmens bean-
standet habe. Schließlich sei der Vertrag fristlos gekündigt worden und der Klä-
ger habe die Rechnungen nur in der aus seiner Sicht gerechtfertigten Höhe be-
glichen.
aa) Welchen Leistungsanforderungen die von dem Leiharbeitsunterneh-
men gestellten Arbeitnehmer genügen sollten und aus welchen Gründen we-
nigstens ein Teil der auf die Baustelle entsandten Arbeitnehmer diesen Anfor-
derungen nicht entsprach, ist dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen.
Konkrete Umstände, die dafür sprechen könnten, dass die überlassenen Ar-
beitnehmer nicht sorgfältig ausgesucht und für den nach dem Vertrag verfolgten
Zweck nicht geeignet waren (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1971, aaO), sind
dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen. Der Kläger hat lediglich ein
Konvolut von Stundenzetteln vorgelegt, ohne im Einzelnen vorzutragen, welche
davon nicht in Ordnung sind, inwiefern Zeit- und Obergrenzen aus einer Tabelle
(welcher?) überschritten wurden und welche Folgen sich daraus für die Abrech-
nung der Leistungen des Verleihunternehmens ergeben. Zur Höhe der angeb-
lich fehlerhaft in Rechnung gestellten Beträge wird nichts ausgeführt.
18
19
- 13 -
Zwar hat der Kläger sich zum Beweis für seinen Vortrag auf das Zeugnis
des Architekten S. berufen. Eine Beweisaufnahme durch Vernehmung dieses
Zeugen kam jedoch mangels konkreten Vortrags zu den Pflichtverstößen des
Verleihunternehmens nicht in Betracht. Eine Beweisaufnahme wäre auf eine
Ausforschung des Zeugen S. hinausgelaufen. Soweit der Kläger zur weiteren
Konkretisierung auf die Beiziehung der Akte des Verfahrens LG Berlin, 14 O
87/10, Bezug genommen hat, in dem der Beklagte Vortrag zu den Pflichtverlet-
zungen des klagenden Verleihunternehmens schuldig geblieben sein soll, liegt
eine unzulässige Bezugnahme vor. Der Kläger durfte seinen schriftsätzlichen
Vortrag nicht ohne eigene Sachdarstellung durch die nicht weiter konkretisierte
Bezugnahme auf eine beizuziehende Akte, ohne nähere Angabe der Schriftstü-
cke, auf die er sich bezieht, ersetzen. Die Bezugnahme auf bestimmte Teile der
beigezogenen Akten hätte allenfalls zur Erläuterung seines Vortrags dienen
können, konnte diesen aber nicht ersetzen (vgl. für die Bezugnahme auf Anla-
gen, BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, NJW 2008, 69 Rn. 25; Mu-
sielak/Voit, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 130 Rn. 10; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl.,
§ 130 Rn. 2).
bb) Weitergehender Hinweise auf die fehlende Substanz des Vorbrin-
gens des Klägers zu den vermeintlichen Pflichtverstößen des Arbeitnehmer-
überlassungsunternehmens bedurfte es nicht. Der Beklagte hat schon in der
Klageerwiderung auf die fehlende Einlassungsfähigkeit der Ausführungen des
Klägers zu den Pflichtverstößen des Überlassungsunternehmens hingewiesen.
Die weiterhin unterbliebene substantiierte Darstellung in der Berufungsbegrün-
dung hat der Beklagte in der Berufungserwiderung gerügt. Damit kann dahinge-
stellt bleiben, ob der Beklagte seine Pflicht verletzt haben könnte, sich die für
die Rechtsverteidigung des Klägers im Vorprozess erforderlichen Informationen
20
21
- 14 -
geben zu lassen, oder ob der vom Kläger beauftragte Architekt S. bei Ertei-
lung von Auskünften über die vermeintlichen Pflichtverletzungen des Überlas-
sungsunternehmen nicht mitgewirkt hat.
III.
Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist auf-
zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Weiterer Feststellungen bedarf es nicht. Der Se-
nat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und das Urteil
des Landgerichts wiederherstellen.
Kayser
Gehrlein
Pape
Grupp
Möhring
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 25.09.2013 - 22 O 260/13 -
KG Berlin, Entscheidung vom 13.11.2014 - 27 U 167/13 -
22