Urteil des BGH vom 17.12.2015

Leitsatzentscheidung zu Gesellschafter, Anmeldung der Forderung, Treu Und Glauben, Vergleich

ECLI:DE:BGH:2015:171215UIXZR143.13.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 143/13
Verkündet am:
17. Dezember 2015
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
InsO § 93; BGB § 779
Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, sich mit einem Gesellschafter über die Höhe seiner
Haftung zu vergleichen. Ein solcher Vergleich kommt den betroffenen Gesellschaftern auch
zugute, wenn das Insolvenzverfahren aufgehoben ist (Anschluss an BAGE 125, 92).
InsO §§ 93, 178 Abs. 1
Die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters umfasst sämtliche Haftungsforderungen
der Gesellschaftsgläubiger, die ihre Forderungen im Insolvenzverfahren über das Vermögen
der Gesellschaft angemeldet haben, selbst wenn die Insolvenzforderungen vom Insolvenz-
verwalter oder einem Gläubiger bestritten und die Widersprüche nicht beseitigt worden sind.
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InsO § 93; AnfG § 17 Abs. 1 analog
Der von einem Gesellschaftsgläubiger gegen die persönlich haftenden Gesellschafter einge-
leitete Rechtsstreit wird kraft Gesetzes durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über
das Vermögen der Gesellschaft unterbrochen.
InsO § 93; AnfG § 17 Abs. 1 Satz 2 analog und Satz 3, § 18 Abs. 1; ZPO § 239 Abs. 2
Wenn der Rechtsstreit zwischen Gesellschaftsgläubiger und Gesellschafter im laufenden
Insolvenzverfahren nicht durch den Insolvenzverwalter aufgenommen wird und der Gesell-
schafter kein Versäumnisurteil gegen den Insolvenzverwalter erwirkt hat, kann der Gesell-
schaftsgläubiger den Prozess nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens aufnehmen.
BGB § 204 Abs. 2 Satz 2; AnfG § 17 Abs. 1 analog
Wird der Haftungsprozess des Gesellschaftsgläubigers gegen den persönlich haftenden Ge-
sellschafter unterbrochen, weil das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft
eröffnet worden ist, liegt kein Verfahrensstillstand infolge Nichtbetreibens durch die Parteien
vor.
BGH, Urteil vom 17. Dezember 2015 - IX ZR 143/13 - OLG Koblenz
LG Bad Kreuznach
ECLI:DE:BGH:2015:171215UIXZR143.13.0
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Oktober 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den
Richter Vill, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richterin
Möhring
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird der die Berufung zurückweisen-
de Beschluss des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz
vom 6. Juni 2013 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als
die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des
Landgerichts Bad Kreuznach vom 6. Januar 2012 insoweit zu-
rückgewiesen worden ist, als die Klage gegen die Beklagten zu 1,
2, 4 und 5 abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger betreibt eine Reparaturwerkstatt für Landmaschinen und ver-
kauft Landmaschinen und Ersatzteile. Er stand in dauernder Geschäftsbezie-
hung mit der G. Gesellschaft des bürgerlichen Rechts
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(künftig: Schuldnerin). Im September 2002 erwirkte er Mahnbescheide gegen
die Gesellschafter der Schuldnerin, unter anderem gegen die Beklagten zu 1, 2,
4 und 5 (künftig auch: die Beklagten), in Höhe von 69.549,64
€ nebst Kosten
und Zinsen wegen behaupteter Forderungen gegen die Schuldnerin aus "Wa-
renlieferungen" aufgrund von Rechnungen aus der Zeit vom 19. Februar 1999
bis zum 16. August 2002. Die Beklagten legten Widerspruch ein; der Kläger
begründete seine Ansprüche im Juli 2003. Am 26. November 2003 wurde über
das Vermögen einer ähnlich firmierenden Gesellschaft das Insolvenzverfahren
eröffnet. Darauf stellte das Landgericht am 29. Januar 2004 irrtümlich in dem
Prozess des Klägers gegen die Gesellschafter der Schuldnerin analog § 240
ZPO die Unterbrechung des Verfahrens fest.
Am 23. Februar 2004 stellte eine Insolvenzgläubigerin den Antrag, das
Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zu eröffnen. Daraufhin
bestellte das Insolvenzgericht Rechtsanwalt Dr. M. zum Gutachter. Dieser
teilte dem Insolvenzgericht mit, er habe mit den Gesellschaftern am 5. März
2004 vorbehaltlich der Genehmigung durch die Gläubigerversammlung eine
Gesamtvereinbarung unter Berücksichtigung von deren Liquiditäts- und Finan-
zierungsspielräumen getroffen. Danach verpflichteten sich die Gesellschafter,
zur Abgeltung der Gläubigerforderungen, die im Insolvenzverfahren gemäß
§ 93 InsO durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht würden, näher be-
stimmte Beträge an den Insolvenzverwalter zu zahlen, insgesamt 80.998,40
€.
Am 16. März 2004 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenz-
verfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. M. zum Insolvenzverwalter bestellt.
Der Kläger meldete im Mai 2004 Forderungen gegen die Schuldnerin in
Höhe von insgesamt 67.814,99
€ wegen "Warenlieferung" nebst Zinsen und
Kosten zur Tabelle an. Der Insolvenzverwalter bestritt die Forderungen. Die
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Beklagten zahlten die vereinbarten Beträge auf das Konto des Insolvenzverwal-
ters ein. Im Schlusstermin am 3. März 2009 stimmte die Gläubigerversammlung
dem Vergleich des Insolvenzverwalters mit den Gesellschaftern zu. In der
Schlussverteilung zahlte der Insolvenzverwalter an die Insolvenzgläubiger auf
die festgestellten Forderungen eine Quote in Höhe von 44,39 v.H. aus. Am
11. März 2010 hob das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf.
Durch Schriftsatz vom 15. Juni 2011 hat der Kläger den unterbrochenen
Prozess gegen die Beklagten wieder aufgenommen. Die Beklagten halten den
Vortrag des Klägers zum Grund und zur Höhe der Forderungen für unsubstanti-
iert, erheben die Einrede der Verjährung und berufen sich auf die Vereinbarung
der Gesellschafter mit dem Insolvenzverwalter vom 5. März 2004. Das Landge-
richt hat die Klage über zuletzt 67.814,99
€ nebst Zinsen abgewiesen und das
Berufungsgericht die Berufung des Klägers durch Beschluss zurückgewiesen.
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision will der Kläger die Verurteilung
der Beklagten erreichen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des die Berufung des Klägers zurück-
weisenden Beschlusses, soweit er die vom Kläger geltend gemachten Ansprü-
che gegen die Beklagten zu 1, 2, 4 und 5 betrifft, und zur Zurückverweisung der
Sache an das Berufungsgericht.
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I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Beklagten hätten sich mit dem
Insolvenzverwalter nach § 93 InsO abschließend über ihre Verbindlichkeiten als
Gesellschafter der Schuldnerin verglichen. Durch diesen Vergleich seien sie
von einer weitergehenden persönlichen Haftung für die Verbindlichkeiten der
Schuldnerin auch gegenüber dem Kläger befreit worden. Die zentrale Frage, ob
der Insolvenzverwalter der Gesellschaft sich nach § 93 InsO mit den Gesell-
schaftern über deren persönliche Haftung gegenüber der Schuldnerin verglei-
chen dürfe, sei höchstrichterlich geklärt (BAGE 125, 92). Die Sperr- und Er-
mächtigungswirkung umfasse auch angemeldete Forderungen, die der Insol-
venzverwalter bestritten habe. Dem Anmeldenden habe es freigestanden, den
Insolvenzverwalter auf Feststellung zur Tabelle gerichtlich in Anspruch zu neh-
men. Dass der Kläger diese Möglichkeit versäumt habe, gehe zu seinen Lasten
und lasse die Reichweite der Wirkung des Teilerlassvergleichs unberührt.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Allerdings treffen die Ausführungen des Berufungsurteils im Aus-
gangspunkt zu.
a) Nach § 93 InsO kann im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer
Gesellschaft des bürgerlichen Rechts die persönliche Haftung des Gesellschaf-
ters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft während der Dauer des Insolvenz-
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verfahrens nur von dem Insolvenzverwalter der Gesellschaft geltend gemacht
werden.
aa) Von dieser Regelung gehen zwei Wirkungen aus, die Sperrwirkung
und die Ermächtigungswirkung. Die Sperrwirkung besteht darin, dass die Gläu-
biger nicht mehr gegen persönlich haftende Gesellschafter vorgehen und diese
nicht mehr befreiend an den Gläubiger der Gesellschaft leisten können. Die
Ermächtigungswirkung verleiht dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der
Gesellschaft die treuhänderisch gebundene Befugnis, die Forderungen der Ge-
sellschaftsgläubiger gegen die Gesellschafter gebündelt einzuziehen. Hierbei
handelt es sich wie bei § 171 Abs. 2 HGB nicht um einen gesetzlichen Forde-
rungsübergang. Der in Anspruch genommene Gesellschafter tilgt durch die
Zahlung an den Insolvenzverwalter der Gesellschaft konkrete Gläubigerforde-
rungen, deren Selbständigkeit durch die Verfahrenseröffnung unangetastet
bleibt. Zweck der Regelung des § 93 InsO ist es, einen Wettlauf der Gläubiger
um die Abschöpfung der Haftsummen zu verhindern, den Haftungsanspruch
der Masse zuzuführen und auf diese Weise den Grundsatz der gleichmäßigen
Befriedigung der Insolvenzgläubiger auf die Gesellschafterhaftung auszudeh-
nen. Zugleich wird ein Beitrag zur Überwindung der Massearmut geleistet
(BGH, Urteil vom 9. Oktober 2006 - II ZR 193/05, ZInsO 2007, 35 Rn. 9; vom
9. Oktober 2008 - IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171 Rn. 10 f; Beschluss vom
12. Juli 2012 - IX ZR 217/11, NZI 2012, 858 Rn. 4 ff; BAGE 125, 92 Rn. 16). Im
Gegenzug ist der Verwalter verpflichtet, im Rahmen der finanziellen Möglichkei-
ten der Gesellschafter alle bestehenden Haftungsansprüche rechtzeitig geltend
zu machen, soweit dies zur Befriedigung der Gläubiger voraussichtlich erforder-
lich ist. Denn die Vorschrift des § 93 InsO soll der gleichmäßigen Befriedigung
aller Gläubiger dienen. Keiner der Gläubiger soll sich einen Sondervorteil aus
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dem Gesellschaftervermögen verschaffen können (vgl. BT-Drucks. 12/2443,
S. 140).
Die treuhänderische Einziehung der Haftungsforderungen für die Insol-
venzgläubiger hat zur Folge, dass der Insolvenzverwalter die Gesellschafterhaf-
tung immer nur für die Gläubiger realisiert, die gegen den betroffenen Gesell-
schafter Ansprüche aus gesellschaftsrechtlicher Haftung haben. Das sind nicht
notwendig immer alle Insolvenzgläubiger (vgl. Baumbach/Hopt/Roth, HGB,
36. Aufl., § 128 Rn. 28 ff). Auch haften die Gesellschafter nicht für sämtliche
Masseverbindlichkeiten (vgl. näher BGH, Urteil vom 24. September 2009
- IX ZR 234/07, NJW 2010, 69; Jaeger/Müller, InsO, 2007, § 93 Rn. 30 ff;
MünchKomm-InsO/Brandes/Gehrlein, 3. Aufl., § 93 Rn. 7 ff, 20). Nach dem Ur-
teil des Senats vom 24. September 2009 haften die Gesellschafter nicht für die
Verfahrenskosten gemäß § 54 InsO (aaO Rn. 19). Offengelassen hat der Senat
die Frage, ob die von den Gesellschaftern aufgrund ihrer Haftung für die Insol-
venzforderungen nach § 93 InsO eingezogenen Mittel zur Deckung der Verfah-
renskosten verwendet werden dürfen (aaO Rn. 25).
Infolgedessen muss der Insolvenzverwalter jedenfalls dann Sondermas-
sen bilden, wenn die Haftungsschuldner nicht für alle Insolvenz- und Massever-
bindlichkeiten haften und die Verbindlichkeiten auch nicht aus den eingezoge-
nen Mitteln beglichen werden dürfen. Der Verwalter hat die eingezogenen Be-
träge treuhänderisch - gegebenenfalls in den jeweiligen Sondermassen für die
an diesen beteiligten Gläubiger - für die Gläubiger zu verwalten und an sie ge-
mäß §§ 187 ff InsO (quotal) auszuschütten. Denn die persönliche Haftung der
Gesellschafter soll während des Insolvenzverfahrens über das Gesellschafts-
vermögen der Gesamtheit der jeweils beteiligten Gesellschaftsgläubiger zu-
gutekommen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 2008 - IX ZB 199/05,
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NZI 2009, 108 Rn. 9; vom 20. Juni 2013 - IX ZR 221/12, NZI 2013, 747 Rn. 1
mit Anm. Cranshaw, jurisPR-HaGesR 8/2013 Anm. 5; Schmidt, InsO, 18. Aufl.,
§ 93 Rn. 28; MünchKomm-HGB/Schmidt, 3. Aufl., §§ 171, 172 Rn. 112; Jaeger/
Müller, InsO, 2007, § 93 Rn. 56; MünchKomm-InsO/Brandes/Gehrlein, 3. Aufl.,
§ 93 Rn. 22; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 14. Aufl., § 93 Rn. 3; Wittkowski/Kruth in
Nerlich/Römermann, InsO, 2012, § 93 Rn. 5; Gottwald/Haas/Mock, Insolvenz-
rechts-Handbuch, 5. Aufl., § 94 Rn. 56).
bb) Bei der gerichtlichen Geltendmachung der Gesellschafterhaftung
wird der Insolvenzverwalter als gesetzlicher Prozessstandschafter der einzel-
nen Gläubiger tätig, weil der in Anspruch genommene Gesellschafter durch
Zahlung an ihn konkrete Gläubigerforderungen zum Erlöschen bringt. Die Pro-
zessführung für die Einziehung von Forderungen gegen Gesellschafter liegt
während der gesamten Verfahrensdauer allein bei dem Insolvenzverwalter. Die
Gesellschaftsgläubiger verlieren für die Dauer des Insolvenzverfahrens die Ein-
ziehungs- und Prozessführungsbefugnis für die Geltendmachung von Haf-
tungsansprüchen gegen die Gesellschafter (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2006
- II ZR 193/05, ZInsO 2007, 35 Rn. 9; Beschluss vom 12. Juli 2012 - IX ZR
217/11, NZI 2012, 858 Rn. 9; BAGE 125, 92 Rn. 16).
Wegen des Übergangs der Prozessführungsbefugnis auf den Insolvenz-
verwalter war der Rechtsstreit gegen die beklagten Gesellschafter der Schuld-
nerin mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldne-
rin am 16. März 2004 entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG - und nicht, wie
das Landgericht angenommen hat, nach § 240 ZPO - während der Dauer des
Insolvenzverfahrens unterbrochen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. November
2002 - IX ZR 236/99, NJW 2003, 590). Die Unterbrechung des Rechtsstreits tritt
kraft Gesetzes ein, unabhängig davon, ob dies den Parteien oder dem Gericht
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bekannt oder bewusst war. Die Unterbrechung dauert bis zur Aufnahme des
Verfahrens an, die gemäß § 250 ZPO durch Zustellung eines bei Gericht einzu-
reichenden Schriftsatzes zu erfolgen hat (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember
2009 - IX ZR 29/08, NZI 2010, 196 Rn. 17; MünchKomm-AnfG/Kirchhof, § 17
Rn. 11). Einer gerichtlichen Entscheidung bedarf es zur Herbeiführung der Wir-
kungen des § 249 ZPO nicht. Ein entsprechender Beschluss über die Feststel-
lung der Unterbrechung hat nur eine feststellende Wirkung (BGH, Beschluss
vom 14. November 2002, aaO S. 591). Deswegen spielt es rechtlich keine Rol-
le, dass das Landgericht im Beschluss vom 29. Januar 2004 die Unterbrechung
unter Hinweis auf § 240 ZPO festgestellt hat, ohne dass das Insolvenzverfahren
über das Vermögen der Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt schon eröffnet war.
Mit der Eröffnung am 16. März 2004 war der Rechtsstreit des Klägers gegen die
beklagten Gesellschafter unterbrochen.
Da der Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der
Schuldnerin das Klageverfahren gegen die beklagten Gesellschafter der
Schuldnerin nicht aufgenommen hat und diese nicht nach Verzögerung der
Aufnahme durch ihn entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 3 AnfG in Verbindung mit
§ 239 Abs. 2 bis 4 ZPO verfahren sind, sie ihn also nicht zur Aufnahme und zur
Verhandlung der Hauptsache gezwungen oder im Falle seines Nichterschei-
nens gegen ihn ein die Haftungsklage abweisendes Versäumnisurteil (§ 330
ZPO) in der Sache erwirkt haben (vgl. MünchKomm-AnfG/Kirchhof, § 17
Rn. 14; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 239 Rn. 43), konnte der Kläger
nach Beendigung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin
den Rechtsstreit gegen die beklagten Gesellschafter entsprechend § 18 Abs. 1
AnfG fortsetzen (vgl. MünchKomm-AnfG/Kirchhof, § 18 Rn. 13). Er muss sich
allerdings alle dem Anspruch entgegenstehende Einreden und Einwendungen
entgegenhalten lassen (vgl. MünchKomm-AnfG/Kirchhof, § 18 Rn. 18), etwa
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auch Vereinbarungen des Insolvenzverwalters mit den Gesellschaftern über die
Haftungsforderung (vgl. MünchKomm-AnfG/Kirchhof, § 18 Rn. 20).
b) Die Sperrwirkung des § 93 InsO bezieht sich auf sämtliche Insolvenz-
forderungen, gleich ob angemeldet oder nicht und ob zur Tabelle festgestellt
oder nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 2008 - IX ZB 199/05,
NZI 2009, 108 Rn. 12). Die Ermächtigungswirkung erfasst neben den zur Tabel-
le festgestellten die angemeldeten, aber bestrittenen und deswegen nicht zur
Tabelle festgestellten Insolvenzforderungen.
aa) Allerdings umfasst die Ermächtigung zur Geltendmachung durch den
Insolvenzverwalter nur Haftungsansprüche der Gesellschaftsgläubiger, welche
die der Haftung zugrundeliegenden Forderungen im Insolvenzverfahren über
das Vermögen der Gesellschaft angemeldet haben (BAGE 125, 92 Rn. 14;
MünchKomm-InsO/Brandes/Gehrlein, 3. Aufl., § 93 Rn. 14; Jaeger/Müller, InsO,
§ 93 Rn. 51; Piekenbrock in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 93
Rn. 11; HK-InsO/Kayser, 7. Aufl., § 93 Rn. 31; HmbKomm-InsO/Pohlmann,
5. Aufl., § 93 Rn. 33; noch offen gelassen von BGH, Beschluss vom 20. No-
vember 2008 - IX ZB 199/05, NZI 2009, 108 Rn. 11). Der Insolvenzverwalter
kann bei der Durchsetzung der Haftungsansprüche nur die angemeldeten For-
derungen der Insolvenzgläubiger berücksichtigen, weil sich seine Aufgabe der
Befriedigung der Gläubiger nur auf die am Insolvenzverfahren beteiligten Gläu-
biger erstreckt (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 1958 - II ZR 83/57, NJW 1958,
1139 für die KO und für § 171 Abs. 2 HGB).
bb) Doch müssen sich die Berechtigung, an der Verteilung nach §§ 187 ff
InsO teilzunehmen, und die Einziehungsbefugnis nicht in jedem Fall entspre-
chen. Dies verdeutlicht der hier zur Entscheidung anstehende Fall, der sich
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dadurch auszeichnet, dass ein Gläubiger der Gesellschaft seine Forderung im
Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft angemeldet, der Insol-
venzverwalter der Forderung widersprochen und der von dem Widerspruch be-
troffene Gläubiger keine Feststellungsklage erhoben hat, seine Forderung mit-
hin nicht als festgestellt gilt (§§ 178, 179 InsO). Der Insolvenzverwalter ist auch
in diesem Fall ermächtigt, die Haftungsansprüche des betroffenen Insolvenz-
gläubigers gegen die Gesellschafter einzuziehen.
(1) Die Aufgabe des Insolvenzverwalters, auf eine bestmögliche und
gleichmäßige Befriedigung der Insolvenzgläubiger hinzuwirken (vgl. BGH, Urteil
vom 21. April 2005 - IX ZR 281/03, BGHZ 163, 32, 35 f; vom 10. Januar 2013
- IX ZR 172/11, NZI 2013, 347 Rn. 8), bezieht sich auf alle Gläubiger, die sich
am Verfahren beteiligen. Denn nach § 38 InsO dient die Insolvenzmasse zur
Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner
haben. Für die hier in Rede stehende Einziehungsbefugnis im Vorfeld des Ver-
teilungsverfahrens kann es nur darauf ankommen, ob der betreffende Gläubiger
zur Teilnahme am Verfahren berechtigt ist. Das ergibt sich daraus, dass die
Insolvenzordnung eine unterschiedliche Intensität der Forderungsprüfung in den
einzelnen Verfahrensabschnitten vorsieht. Die Feststellung, dass eine Forde-
rung dem Gläubiger wirklich zusteht, wird erst erheblich, wenn die Verteilungs-
quote an ihn ausgezahlt werden soll. Seine Forderung muss entweder festge-
stellt (§ 178 Abs. 1, § 183 Abs. 1 InsO) oder tituliert sein (§ 189 Abs. 1 Satz 1
InsO; MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl., § 38 Rn. 15; Jaeger/Henckel, InsO,
§ 38 Rn. 9). Deswegen ist für die Ermächtigungswirkung lediglich zu fordern,
dass die Forderung von dem Gläubiger angemeldet ist.
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(2) Für dieses Verständnis sprechen Gründe der Rechtssicherheit und
Praktikabilität. Den angemeldeten Forderungen kann noch bis zum Prüftermin
widersprochen werden (§ 178 Abs. 1 Satz 1 InsO). Auch müssen die Forderun-
gen nicht bestritten bleiben. Der zunächst erklärte Widerspruch kann zurückge-
nommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 1957 - VIII ZR 251/56,
WM 1957, 1225, 1226; MünchKomm-InsO/Schumacher, 3. Aufl., § 178 Rn. 43).
Die gerichtliche Feststellung des bestrittenen Insolvenzgläubigerrechts gegen-
über dem Bestreitenden (§ 183 Abs. 1 InsO) beseitigt den Widerspruch im Sin-
ne von § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO (MünchKomm-InsO/Schumacher, aaO, § 178
Rn. 45). Deswegen kann ein Insolvenzverwalter die Haftungsforderungen der
Insolvenzgläubiger nur wirkungsvoll gegenüber den Gesellschaftern geltend
machen, wenn er dazu mit der Anmeldung der Forderung ermächtigt ist und
ermächtigt bleibt, selbst wenn sie später bestritten wird.
Sähe man den Insolvenzverwalter erst mit der endgültigen Feststellung
der bestrittenen Forderung gegebenenfalls gegen Ende des Insolvenzverfah-
rens als ermächtigt an, könnte er die Haftungsforderung dieses Gesellschafts-
gläubigers schwerlich gegenüber den Gesellschaftern noch geltend machen.
Wenn er demgegenüber mit der Anmeldung der Forderung zunächst ermächtigt
wäre, die Haftungsforderungen geltend zu machen, die Ermächtigung aber mit
dem Widerspruch entfiele und erst wieder neu begründet würde, wenn der Wi-
derspruch zurückgenommen würde oder das Feststellungsurteil erginge, hinge
seine Ermächtigung vom jeweiligen Stand der Forderungsfeststellung ab. Ein
sinnvolles Forderungsmanagement wäre dem Insolvenzverwalter nicht möglich.
c) Die Ermächtigungswirkung des § 93 InsO umfasst die Befugnis des
Insolvenzverwalters, sich mit den Gesellschaftern über die einzelnen Forderun-
gen der Gesellschaftergläubiger zu vergleichen (BAGE 125, 92 Rn. 15 ff;
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Schmidt, InsO, 18. Aufl., § 93 Rn. 30; HK-InsO/Kayser, 7. Aufl., § 93 Rn. 32;
Jaeger/Müller, InsO, § 93 Rn. 52; MünchKomm-InsO/Brandes/Gehrlein, 3. Aufl.,
§ 93 Rn. 14; a.A. Klinck, NZI 2008, 349 f; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 14. Aufl., § 93
Rn. 6).
aa) Die Wirkungen eines Vergleichs, der typischerweise mit einem Teiler-
lass der Forderung verbunden ist, kommen den Gesellschaftern gleichermaßen
im Insolvenz- wie außerhalb des Insolvenzverfahrens zugute (BAGE 125, 92
Rn. 18; Schmidt, aaO). Durch eine betragsmäßige Reduzierung der Haftung der
Gesellschafter kann der Vergleich bei zahlungsschwachen Gesellschaftern si-
cherstellen, dass die Gesellschafter nur nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfä-
higkeit verpflichtet bleiben. Die volle gerichtliche Geltendmachung und an-
schließende Zwangsvollstreckung kann bei finanziell schlecht gestellten Haf-
tungsschuldnern dazu führen, dass insbesondere wegen der zu beachtenden
Vorschriften zum Vollstreckungsschutz (§§ 765a, 811, 850 ff ZPO) das Vorge-
hen gegen die Gesellschafter keinen wirtschaftlichen Erfolg hat und sich an das
Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft Insolvenzverfahren
über die Vermögen der Gesellschafter anschließen (vgl. BAGE 125, 92 Rn. 16).
bb) Der Insolvenzverwalter ist bei der Gestaltung des Vergleichs aller-
dings nicht völlig frei. Er ist stets der Massemehrung verpflichtet. Insolvenz-
zweckwidrige Vergleiche, die er schließt, also Vergleiche, welche dem Zweck
des Insolvenzverfahrens - der gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläu-
biger - klar und eindeutig zuwiderlaufen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2013
- IX ZR 172/11, NZI 2013, 347 Rn. 8), sind unwirksam (BAG, aaO Rn. 20; HK-
InsO/Kayser, aaO). Ist der Vergleich für die Masse nur ungünstig, aber noch
nicht insolvenzzweckwidrig, ist er wirksam. In diesem Fall ist der Gläubiger der
Gesellschafter indes nicht völlig schutzlos gestellt. Er kann, wenn die weiteren
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haftungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen, den Insolvenzverwalter nach
§ 60 InsO auf Schadensersatz in Anspruch nehmen (vgl. Lüke in Kübler/
Prütting/Bork, InsO, 2014, § 93 Rn. 53).
cc) Dass der Insolvenzverwalter sich über jede angemeldete Forderung
vergleichen kann, sei sie zur Tabelle festgestellt oder aber von ihm oder einem
Gläubiger bestritten, bedeutet nicht, dass er sich über jede Forderung verglei-
chen muss. Er kann sich auch, um etwa eine teure Beweisaufnahme oder einen
langwierigen Rechtsstreit zu vermeiden, nur über einzelne Haftungsforderungen
mit den Gesellschaftern vergleichen, wenn diese etwa die der geltend gemach-
ten Haftungsforderung zugrunde liegende Insolvenzforderung oder aber die
Haftungsfrage bestreiten oder geltend machen, der verlangte Betrag sei zur
Gläubigerbefriedigung nicht erforderlich (vgl. Jaeger/Müller, InsO, § 93
Rn. 57 ff, insbesondere Rn. 58, und MünchKomm-ZPO/Brandes/Gehrlein,
3. Aufl., § 93 Rn. 31 zu der Frage, wann der Gesellschafter nach § 129 Abs. 1
HGB das Recht verliert, Einwendungen der Gesellschaft geltend zu machen).
Um einen solchen, einzelne Forderungen betreffenden Vergleich ging es
bei der streitgegenständlichen Vereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter
und den Beklagten nicht. Vielmehr richteten sich die Beträge, die die Beklagten
an den Insolvenzverwalter nach § 93 InsO, § 128 HGB zahlen sollten, haupt-
sächlich an ihren finanziellen Möglichkeiten aus. In einem solchen Fall bietet
sich regelmäßig die Aufstellung eines Insolvenzplans an, weil nach § 227
Abs. 2 InsO, soweit im Plan nichts anderes vorgesehen ist, sich die Erlassfunk-
tion des § 227 Abs. 1 InsO auch auf die Haftung des persönlich haftenden Ge-
sellschafters für diese Verbindlichkeiten erstreckt. Dies folgt, weil es an einer
abweichenden gesetzlichen Bestimmung wie in § 254 Abs. 2 InsO fehlt, auch
ohne die Anordnung nach § 227 Abs. 2 InsO schon aus der Akzessorietät zwi-
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schen persönlicher Haftung des Gesellschafters und Gesellschaftsverbindlich-
keit, weil die Schuldnerin nach § 227 Abs. 1 InsO mit der im gestaltenden Teil
vorgesehenen Befriedigung der Insolvenzgläubiger von ihren restlichen Ver-
bindlichkeiten gegenüber den Gläubigern frei wird (MünchKomm-InsO/Breuer,
3. Aufl., § 227 Rn. 13). Mit der Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans
treten die im gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen auch gegenüber den
Insolvenzgläubigern ein, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben (§ 254
Abs. 1, § 254b InsO).
Der Insolvenzverwalter hat aber auch die Möglichkeit, sich mit den Ge-
sellschaftern über deren Haftung zu vergleichen, soweit seine Einziehungser-
mächtigung reicht und ein solcher Vergleich nicht insolvenzzweckwidrig ist. Das
hat jedoch zur Folge, dass die Gesellschafter nicht von der Haftung gegenüber
solchen Insolvenzgläubigern befreit werden, die ihre Forderungen nicht ange-
meldet haben, weil der Insolvenzverwalter insoweit nicht einzugsermächtigt ist.
Darüber hinaus wird ein Insolvenzverwalter sich regelmäßig nicht über die Haf-
tung hinsichtlich solcher Forderungen vergleichen wollen, die er bestreitet.
Denn er verhielte sich regelmäßig widersprüchlich, wenn er sich über Haftungs-
forderungen gegen die Gesellschafter vergleicht, die Forderungen der Gläubi-
ger gegen die Gesellschaft, die Grundlage des nämlichen Haftungsanspruchs
sind, aber bestreitet. In einem solchen Fall würde er nämlich die Haftungsforde-
rung in Höhe des Vergleichsbetrages zu Gunsten der beteiligten Gläubiger zur
(Sonder-)Masse ziehen, den Gläubiger an den Ausschüttungen aber nicht be-
teiligen (§ 189 InsO). Dieser müsste gleichwohl die Verfügung des Insolvenz-
verwalters über die Haftungsforderung durch Teileinziehung und Teilerlass
auch außerhalb des Insolvenzverfahrens gegen sich gelten lassen. Ein solches
Verhalten kann gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen und den In-
solvenzverwalter möglicherweise einer Haftung nach § 60 InsO aussetzen.
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Auch um solche Widersprüche zu vermeiden, sollte der Insolvenzverwal-
ter, wenn er mit den Gesellschaftern - wie hier - einen Abfindungsvergleich
schließt, die Insolvenz- und Haftungsforderungen benennen, die in den Ver-
gleich einbezogen werden sollen. Das ist schon deswegen von Bedeutung, weil
der Vergleich wegen fehlender Bestimmtheit keine Wirkungen entfaltet, wenn
sich nicht ermitteln lässt, welche Forderungen verglichen werden sollten. Es
bietet sich auch an, wenn der Insolvenzverwalter die Haftungsforderungen hin-
sichtlich sämtlicher angemeldeten, auch der bestrittenen, Forderungen verglei-
chen will, weil sonst die Gesellschafter zu freiwilligen Zahlungen nicht bereit
sind, schon um seine eigene Haftung sicher auszuschließen, dass er die Gläu-
biger bestrittener Forderungen auf den Verlust der Haftungsforderung auch au-
ßerhalb des Insolvenzverfahrens und ihre Nichtteilnahme an der Verteilung
hinweist, wenn sie nicht die Tabellenfeststellung gegen den Bestreitenden nach
§ 179 Abs. 1 InsO betreiben.
2. Mit der Reichweite des abgeschlossenen Vergleichs hat sich das Be-
rufungsgericht nicht befasst. Es hätte durch Auslegung den Inhalt der von der
Gläubigerversammlung genehmigten Vereinbarung zwischen den Gesellschaf-
tern der Schuldnerin und dem Insolvenzverwalter vom 5. März 2004 ermitteln
und das gefundene Auslegungsergebnis begründen müssen. Die gesetzlichen
Auslegungsvorschriften der §§ 133, 157 BGB verlangen nicht nur, dass der
Tatrichter alle für die Auslegung erheblichen Umstände umfassend würdigt,
sondern außerdem, dass er seine Erwägungen in den Entscheidungsgründen
nachvollziehbar darlegt und zumindest die wichtigsten für und gegen eine be-
stimmte Auslegung sprechenden Umstände in ihrer Bedeutung für das Ausle-
gungsergebnis erörtert und gegeneinander abwägt (BGH, Urteil vom 11. No-
vember 2014 - VI ZR 18/14, NJW 2015, 1246 Rn. 10 mwN).
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a) Die Beschlüsse des Berufungsgerichts entsprechen diesen Anforde-
rungen nicht; sie leiden deswegen an einem rechtlichen Mangel und binden das
Revisionsgericht im Hinblick auf die Auslegung der Vereinbarung nicht. Zwar
hat das Berufungsgericht angenommen, dass durch die Vereinbarung auch die
klägerische Forderung abgegolten werden sollte. Diese Annahme hat es jedoch
nicht begründet. Auf eine Begründung konnte schon deswegen nicht verzichtet
werden, weil dem Wortlaut der Vereinbarung, aber auch den übrigen Stellung-
nahmen im Insolvenzverfahren nicht entnommen werden kann, welche Haf-
tungsforderungen von der Vereinbarung umfasst sein sollten. Die Begleitum-
stände sprechen eher gegen die Annahme, dass die klägerische Haftungsforde-
rung, der eine später bestrittene Insolvenzforderung zugrunde lag, mitvergli-
chen werden sollte. Im Zeitpunkt, in dem die Vereinbarung aufgesetzt worden
war, war das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin noch
nicht eröffnet und die Beteiligten konnten deswegen nicht wissen, welche For-
derungen angemeldet und bestritten werden würden. Während des laufenden
Insolvenzverfahrens und auch zu dem Zeitpunkt, als die Gläubigerversammlung
der Vereinbarung zustimmte, haben die Beteiligten die Vereinbarung nicht kon-
kretisiert. Ausweislich des Protokolls zu der streitgegenständlichen Vereinba-
rung haben die Gesellschafter den Insolvenzverwalter gebeten, mit den weite-
ren nicht an der Besprechung beteiligten Gläubigern eine Regelung zu treffen,
so dass keine weitere Haftung gegenüber den Gesellschaftern mehr geltend
gemacht werde. Dass es zu einer solchen Vereinbarung gekommen ist, ist
ebenso wenig festgestellt wie der Wille der Vertragsschließenden.
b) Eine eigene Auslegung ist dem Senat nicht möglich, weil es an ausrei-
chenden Feststellungen zur Auslegung der Vereinbarung fehlt. Weiter haben
sich die Beklagten für ihren streitigen Vortrag, der Insolvenzverwalter der Ge-
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sellschaft und sie hätten gerade auch die Haftungsforderung des Klägers ver-
gleichen wollen und verglichen, auf das Zeugnis des Insolvenzverwalters beru-
fen. Dieser Beweis ist bislang noch nicht erhoben worden.
III.
1. Der angefochtene Beschluss kann folglich keinen Bestand haben. Er
ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung
reif ist, wird sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird zu prüfen
haben, ob der Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermö-
gen der Schuldnerin sich mit den Gesellschaftern dahin verglichen hat, dass
selbst von ihm bestrittene Forderungen von der streitgegenständlichen Verein-
barung umfasst sein sollten, und in welcher Höhe Zahlungsansprüche des Klä-
gers gegen die Schuldnerin bestanden und noch bestehen und ob diese An-
sprüche zwischenzeitlich verjährt sind und die Beklagten sich auf die Verjäh-
rung berufen können.
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Die Ge-
sellschafter können sich gegenüber dem Kläger entsprechend § 129 Abs. 1
HGB auf Verjährung nicht berufen, wenn die klägerischen Forderungen gegen
die Schuldnerin noch nicht verjährt sind oder aber, sollten die Ansprüche gegen
die Schuldnerin verjährt sein, die Haftungsansprüche gegenüber den Gesell-
schaftern rechtzeitig geltend gemacht worden sind.
a) Ob und welche Forderungen des Klägers gegen die Gesellschaft ver-
jährt sind, hängt unter anderem von der Frage ab, welche Forderungen er ge-
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gen die Gesellschaft am 6. Juli 2001 wirksam hat titulieren lassen (vgl. BGH,
Urteil vom 18. November 1993 - IX ZR 244/92, BGHZ 124, 164; vom 21. Okto-
ber 2008 - XI ZR 466/07, NJW 2009, 56 Rn. 17; Staudinger/Peters/Jacoby,
BGB, 2014, § 204 Rn. 55). Die Frage, ob die Verjährung der Ansprüche des
Klägers gegen die Schuldnerin durch die gerichtliche Geltendmachung der Haf-
tungsansprüche gegen die Gesellschafter gehemmt worden ist (vgl. Baumbach/
Hopt/Roth, HGB, 36. Aufl., § 129 Rn. 2), ist unerheblich. Jedenfalls dürfen sich
die Beklagten als in Anspruch genommene persönlich haftende Gesellschafter
auf die der Gesellschaft erwachsene Einrede der Verjährung nicht berufen,
wenn die Verjährung ihnen selbst gegenüber rechtzeitig gehemmt worden ist
(vgl. BGH, Urteil vom 22. März 1988 - X ZR 64/87, BGHZ 104, 76, 81 f).
b) Ein Verfahrensstillstand im Sinne von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB ist
nicht mit dem Beschluss des Landgerichts vom 29. Januar 2004 oder der Eröff-
nung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin am
16. März 2004 eingetreten, weil den Parteien nicht zum Vorwurf gemacht wer-
den kann, sie hätten die zur Förderung des Verfahrens notwendigen Handlun-
gen nicht vorgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - IX ZR
130/10, ZIP 2013, 374 Rn. 37). Wenn ein Prozess nach §§ 239 bis 245 ZPO
unterbrochen wird, etwa weil über das Vermögen einer Partei das Insolvenzver-
fahren eröffnet wird, beruht der Stillstand nicht darauf, dass die Parteien das
Verfahren nicht betrieben hätten. Diese haben vielmehr keinen Einfluss auf das
weitere Verfahren, solange das Insolvenzverfahren andauert. Deswegen fällt
die Unterbrechung, die auf einer gesetzlichen Regelung beruht, nicht unter
§ 204 Abs. 2 Satz 2 BGB (RGZ 72, 185, 187; 145, 239, 240; BGH, Urteil vom
2. Juli 1963 - VI ZR 299/62, NJW 1963, 2019). Nichts anderes gilt für die Unter-
brechung des Prozesses eines Gesellschaftsgläubigers gegen den Gesellschaf-
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ter entsprechend § 17 AnfG; denn auch in diesem Fall ist der Verfahrensstill-
stand dem Einfluss der Parteien entzogen.
Etwas Anderes gilt hier nicht ausnahmsweise deswegen, weil das Land-
gericht die Unterbrechung fehlerhaft unter Berufung auf eine nicht zutreffende
Vorschrift und auf ein nicht die richtige Gesellschaft betreffendes Insolvenzver-
fahren festgestellt hat. Durch den unzutreffenden, keine Unterbrechungswir-
kungen entfaltenden Beschluss ist das Verfahren nicht dadurch in Stillstand
geraten, weil der Kläger es nicht betrieben hätte, sondern aufgrund eines feh-
lerhaften Beschlusses des Landgerichts. Nachdem der Haftungsprozess durch
die spätere Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Schuldnerin unabhän-
gig von der Kenntnis der Beteiligten und einem feststellenden Beschluss durch
das Gericht unterbrochen worden ist, beruht auch der insoweit eintretende Ver-
fahrensstillstand nicht auf einem Verhalten des Klägers.
c) Mit dem Fortfall ihres Grundes endet die Unterbrechung ohne weite-
res. Lässt ein Kläger den Prozess auch dann noch liegen, ist nunmehr das Er-
eignis eingetreten, das der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen
Beendigung nach § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB entspricht, weil der Verfahrensstill-
stand jetzt auf seiner Untätigkeit beruht (vgl. RGZ 72, 185, 187; BGH, Urteil
vom 24. Januar 1989 - XI ZR 75/88, BGHZ 106, 295, 298; Staudinger/
Peters/Jacoby, BGB, 2014, § 204 Rn. 123). Mit Aufhebung des Insolvenzver-
fahrens über das Vermögen der Gesellschaft am 11. März 2010 konnte der
Kläger den Rechtsstreit gegen die beklagten Gesellschafter analog § 18 Abs. 1
AnfG wieder aufnehmen. Nach § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB endete deswegen die
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Hemmung der Verjährung sechs Monate nach Aufhebung des Insolvenzverfah-
rens über das Vermögen der Gesellschaft.
Kayser
Vill
Lohmann
Pape
Möhring
Vorinstanzen:
LG Bad Kreuznach, Entscheidung vom 06.01.2012 - 3 O 435/02 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 06.06.2013 - 2 U 51/12 -