Urteil des BGH vom 11.06.2015

Leitsatzentscheidung zu Treuhänder, Zustellung, Vergütung, Aufwand

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 50/14
vom
11. Juni 2015
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO § 63 Abs. 1 Satz 1, § 313 Abs. 1 Satz 3 aF; InsVV §§ 10, 13 Abs. 1, § 8 Abs. 1,
jeweils aF
Ist dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder das Zustellungswesen übertragen, kön-
nen die ihm dadurch entstehenden personellen Mehrkosten durch die Erstattung ei-
nes Betrags von 1,80 € je Zustellung gedeckt sein.
BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 - IX ZB 50/14 - LG Berlin
AG Berlin-Köpenick
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp
am 11. Juni 2015
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 51
des Landgerichts Berlin vom 31. Juli 2014 wird auf Kosten des
weiteren Beteiligten zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerde
verfahrens wird auf 1.913,57 €
festgesetzt.
Gründe:
I.
Der weitere Beteiligte ist Treuhänder in dem im Jahr 2006 eröffneten
Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Im Eröff-
nungsbeschluss beauftragte ihn das Insolvenzgericht mit den im Verfahren vor-
zunehmenden Zustellungen, ausgenommen denjenigen an die Schuldnerin.
Nach der Verwertung der Masse beantragte der Treuhänder seine Ver-
gütung auf in
sgesamt 5.710,99 € festzusetzen. Wegen der Übertragung des
Zustellungswesens beantragte er eine Vergütung von jeweils 20
€ für 104 Zu-
stellungen des Eröffnungsbeschlusses und von jeweils 10
€ für 25 Zustellungen
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der Anberaumung des Prüfungstermins zuzüglich von Sachauslagen in Höhe
von insgesamt 210,15
€.
Das Insolvenzgericht hat die Vergütung auf insgesamt 2.616,99
€ festge-
setzt. Für den durch die Zustellungen verursachten Personalaufwand hat es
330
€ zugebilligt, nämlich für die einen Schwellenwert von 100 übersteigenden
vier Zustellungen des Eröffnungsbeschlusses jeweils 20
€ und für die Zustel-
lungen von 25 Ladungen zum Prüfungstermin je 10
€. Die hiergegen gerichtete
sofortige Beschwerde des Treuhänders ist ohne Erfolg geblieben. Auf die
Rechtsbeschwerde des Treuhänders hat der Senat die angefochtenen Ent-
scheidungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das
Insolvenzgericht zurückverwiesen mit der Vorgabe, für die Zustellungen eine
angemessene Vergütung festzusetzen durch einen den anfallenden Sach- und
Personalaufwand deckenden Betrag für jede einzelne der ausgeführten Zustel-
lungen (BGH, Beschluss vom 21. März 2013 - IX ZB 209/10, NZI 2013, 487).
Der Treuhänder hat daraufhin seinen Vergütungsantrag geändert und
eine Vergütung von insgesamt 4.530,56
€ beantragt. Den Personalaufwand für
die Zustellungen hat er mit jeweils 16,71
€ für die 104 Zustellungen des Eröff-
nungsbeschlusses und mit jeweils 10,72
€ für die nunmehr 50 weiteren Zustel-
lungen angegeben, die Sachkosten mit insgesamt 233,35
€. Das Insolvenzge-
richt hat die Sachkosten antragsgemäß, den Personalaufwand aber nur in Höhe
von 1,80
€ je Zustellung zuzüglich Umsatzsteuer berücksichtigt. Wegen des
Verschlechterungsverbots hat es die Vergütung nicht auf den sich danach er-
rechnenden Betrag von 2.154,55
€, sondern erneut auf 2.616,99 € festgesetzt.
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Treuhänders hat keinen Er-
folg gehabt. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde
verfolgt er seinen zuletzt gestellten Vergütungsantrag weiter.
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 6, 64 Abs. 3 Satz 1, § 313 Abs. 1
Satz 3 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Sie
bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Der Treuhänder habe die gel-
tend gemachten Personalkosten zwar anhand einer Aufstellung der aufzuwen-
denden Minuten dargelegt. Der behauptete Aufwand für die Zustellung eines
Eröffnungsbeschlusses (19 Sachbearbeiterminuten und 3 Treuhänderminuten)
und für die weiteren Zustellungen (9 Sachbearbeiterminuten und 2 Treuhän-
derminuten) könne aber ebenso wenig zugrunde gelegt werden wie die vorge-
brachten Stundensätze von 37,50
€ beim Sachbearbeiter und 95 € beim Treu-
händer. Der dargelegte Aufwand sei ganz offensichtlich überhöht und unange-
messen. Er entspreche keiner wirtschaftlichen Arbeitsweise. Die Unangemes-
senheit ergebe sich auch aus einem Vergleich der Regelvergütung des Treu-
händers von vorliegend 1.000
€ mit dem für die Zustellungen geltend gemach-
ten Personalaufwand von 2.273,84
€. Angesichts der von anderen Treuhändern
in vergleichbaren Fällen geltend gemachten Kosten könne davon ausgegangen
werden, dass der Marktwert der für eine Zustellung anfallenden Personalkosten
bei 1,80
€ liege.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Der Senat hat in seinem ersten in dieser Sache ergangenen Be-
schluss vom 21. März 2013 (aaO Rn. 18, 25 f) entschieden, dass abweichend
von früherer Rechtsprechung künftig für jede vom Insolvenzverwalter oder
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Treuhänder aufgrund einer Übertragung vorgenommenen Zustellung der hierfür
erforderliche Personal- und Sachaufwand zu schätzen und bei der Vergütungs-
festsetzung festzulegen sind. Die Erstattung des Personalaufwands ist nicht
davon abhängig, dass die Zustellungen einen ins Gewicht fallenden Mehrauf-
wand verursachen. Der Aufwand ist vielmehr für alle Zustellungen zu erstatten.
Eine Umrechnung in einen Zuschlag nach § 3 InsVV ist nicht vorzunehmen.
b) Diese Grundsätze hat das Beschwerdegericht beachtet. Seine tatrich-
terliche Schätzung des Personalaufwands weist keine Rechtsfehler auf.
aa) Das Beschwerdegericht hat seine mit dem Insolvenzgericht überein-
stimmende Auffassung, dass der für die Ausführung einer Zustellung erforderli-
che personelle Mehraufwand mit einem Betrag von 1,80
€ ausreichend, aber
auch angemessen vergütet sei, in erster Linie auf eine Schätzung des notwen-
digen Zeitaufwands gestützt. Es hat dabei mit Recht eine verallgemeinernde
Betrachtung angestellt und einen wirtschaftlich optimierten Geschäftsablauf zu-
grunde gelegt; denn ein geltend gemachter Personalaufwand ist nur in dem
Umfang erforderlich, als er üblicherweise unter Ausnutzung der in einem zeit-
gemäß ausgestatteten Büro bestehenden Rationalisierungsmöglichkeiten ent-
steht (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2004 - IX ZB 96/03, BGHZ 157,
282, 293). Ein durch eine unwirtschaftliche Arbeitsweise verursachter erhöhter
Zeitaufwand kann nicht vergütet werden. Sollten im Einzelfall besondere, vom
Treuhänder nicht zu vertretende Umstände den für die Erledigung der übertra-
genen Zustellungen erforderlichen Personalaufwand deutlich über das übliche
Maß hinaus erhöht haben, muss dies vom Treuhänder dargelegt werden.
Das Beschwerdegericht hat im Wege der danach gebotenen generalisie-
renden Beurteilung die für die Ausführung der Zustellungen erforderliche Tätig-
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keit als einfach gelagerte Tätigkeit beurteilt und den Zeitaufwand je Zustellung
auf wenige Minuten geschätzt. Es hat dabei zugrunde gelegt, dass die Daten
der Gläubiger und gegebenenfalls ihrer Bevollmächtigten vom Insolvenzverwal-
ter oder Treuhänder in der Regel ohnehin bereits aufbereitet sind, und berück-
sichtigt, dass auch eine größere Anzahl von Zustellungen gemeinsam durch
gleichartige, technisch unterstützte Arbeitsgänge ausgeführt werden kann. Dies
ist rechtlich nicht zu beanstanden.
bb) Soweit das Beschwerdegericht ausführt, die Unangemessenheit der
vom Treuhänder für die Zustellungen beantragten Vergütung ergebe sich auch
aus einem Vergleich der im Streitfall vom Treuhänder zu beanspruchenden
Mindestvergütung von 1.000
€ mit dem für die 154 Zustellungen geltend ge-
machten Betrag von 2.273,84
€, handelt es sich um eine ergänzende und nicht
um die - wie die Rechtsbeschwerde meint - tragende Erwägung. Gegen eine
ergänzende Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts bestehen keine Beden-
ken. Mit der Mindestvergütung soll der durchschnittlich in massearmen Verfah-
ren anfallende Bearbeitungsaufwand im Wesentlichen auskömmlich vergütet
werden (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2004, aaO S. 291; vom 13. März
2008 - IX ZB 63/05, WM 2008, 989 Rn. 11 f). Da dieser Gesamtaufwand regel-
mäßig höher ist als der Aufwand für 154 Zustellungen, kann es gegen die An-
gemessenheit der für die Zustellungen beantragten Vergütung sprechen, wenn
diese die Mindestvergütung für das Verfahren um mehr als das Doppelte über-
steigt. Der Umstand, dass die Mindestvergütung im Regelinsolvenzverfahren
(§ 2 Abs. 2 InsVV) höher liegt als im Verbraucherinsolvenzverfahren (§ 13
Abs. 1 Satz 3 InsVV), verbietet es nicht, das Verhältnis zwischen der Vergütung
für das Verfahren und derjenigen für die Zustellungen in die Beurteilung der
Angemessenheit zurückhaltend mit einzubeziehen. Denn dieses Verhältnis wird
auch dadurch mitbestimmt, dass im Regelinsolvenzverfahren nicht nur eine hö-
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here Mindestvergütung, sondern regelmäßig auch ein höherer Arbeitsaufwand
anfällt.
cc) Ohne Rechtsfehler hat das Beschwerdegericht letztlich mitberück-
sichtigt, dass nach den Feststellungen des Insolvenzgerichts die Treuhänder im
dortigen Gerichtsbezirk für die Sach- und Personalkosten bei der Ausführung
übertragener Zustellungen Beträge zwischen 1,00
€ und 2,80 € verlangen. Zwar
erlaubt dieser Umstand nicht unmittelbar den Schluss, dass der Betrag von
1,80
€ je Zustellung die erforderlichen Personalkosten deckt. Denn was die
Treuhänder verlangen, kann auch durch die von den Gerichten zugesproche-
nen Beträge beeinflusst sein. Es kommt jedoch hinzu, dass nach den getroffe-
nen Feststellungen die Treuhänder einen Zuschlag von insgesamt - Sach- und
Personalkoten - 2,70
€ je Zustellung als auskömmlich bezeichneten. Unter die-
sen Umständen kann die festgestellte Marktüblichkeit als zusätzliches Indiz da-
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für gewertet werden, dass die personellen Mehrkosten im Bezirk des hier zu-
ständigen Insolvenzgerichts mit einem Betrag von 1,80
€ je Zustellung gedeckt
werden können.
Kayser
Gehrlein
Vill
Fischer
Grupp
Vorinstanzen:
AG Berlin-Köpenick, Entscheidung vom 31.01.2014 - 34 IK 153/06 -
LG Berlin, Entscheidung vom 31.07.2014 - 51 T 240/14 -