Urteil des BGH vom 04.02.2016

Leitsatzentscheidung zu Vergleich, Nebenintervenient, Nebenintervention, Kostenregelung

ECLI:DE:BGH:2016:040216BIXZB28.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 28/15
vom
4. Februar 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO §§ 101, 98
Regelt ein Vergleich, dem der Nebenintervenient ausdrücklich zugestimmt hat,
nur die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits zwischen den Parteien des
Rechtsstreits, ohne die Kosten der Nebenintervention zu erwähnen, schließt
dies regelmäßig einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch des Nebenin-
tervenienten aus.
BGH, Beschluss vom 4. Februar 2016 - IX ZB 28/15 - OLG Oldenburg
LG Oldenburg
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Schoppmeyer
am 4. Februar 2016
beschlossen:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden die Beschlüsse des 12.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 25. März 2015
und der 16. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 9. Feb-
ruar 2015 aufgehoben. Der Antrag der Streithelferin wird zurück-
gewiesen.
Die Streithelferin trägt die Kosten des Verfahrens.
Beschwerdewert: 8.867 €
Gründe:
I.
Der Kläger machte Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten gel-
tend. Die Rechtsbeschwerdegegnerin trat dem Rechtsstreit auf Seiten der Be-
klagten als Streithelferin bei. Das Gericht schlug den Parteien den Abschluss
eines Vergleichs vor, der unter anderem folgende Regelungen vorsah:
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1. Die Beklagten verpflichten sich gesamtschuldnerisch, an den Kläger
einen Betrag in Höhe von 60.000 € zu zahlen. Von diesem Betrag übernimmt
die Nebenintervenientin einen Betrag in Höhe von 57.500 € [...].
[...]
3. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs haben zu 4/5 der
Kläger und zu 1/5 die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.
Der Kläger, beide Beklagte und ihre Streithelferin stimmten diesem Ver-
gleich mit Anwaltsschriftsatz zu. Das Landgericht stellte daraufhin mit Be-
schluss vom 1. Dezember 2014 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO fest, dass die Partei-
en einen entsprechenden Vergleich geschlossen haben und der Prozess damit
beendet ist.
Die Streithelferin hat beantragt, eine Kostengrundentscheidung zu ihren
Gunsten zu erlassen. Das Landgericht hat entschieden, dass der Kläger 4/5 der
Kosten der Nebenintervenientin zu erstatten habe. Das Oberlandesgericht hat
die Beschwerde des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbe-
schwerde will der Kläger die Zurückweisung des Antrags erreichen.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, bei einem Vergleichs-
schluss seien die Kosten der Nebenintervention in dem Maße vom Gegner zu
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tragen, wie dieser auch die Kosten der von dem Nebenintervenienten unter-
stützten Hauptpartei zu tragen habe. Dies folge aus § 101 ZPO und gelte unab-
hängig davon, ob der Nebenintervenient an dem Vertragsschluss beteiligt ge-
wesen sei oder nicht. Falls von dieser Regelung abgewichen werden solle, be-
dürfe es des ausdrücklichen Einverständnisses des Nebenintervenienten.
2. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zu-
lässig. Sie ist auch begründet. Der Streithelferin der Beklagten steht kein pro-
zessualer Kostenerstattungsanspruch zu.
a) Gemäß § 101 Abs. 1 ZPO sind die Kosten der unselbständigen (nicht
streitgenössischen) Nebenintervention dem Gegner der Hauptpartei aufzuerle-
gen, soweit dieser nach den §§ 91 bis 98 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu
tragen hat. Beenden die Parteien den Rechtsstreit durch Vergleich, an dem der
Nebenintervenient nicht teilnimmt, richtet sich der Kostenerstattungsanspruch
des Nebenintervenienten daher nach der im Vergleich geregelten Kostentra-
gungspflicht zwischen den Parteien (BGH, Beschluss vom 3. April 2003 - V ZB
44/02, NJW 2003, 1948, insoweit in BGHZ 154, 351 nicht abgedruckt; vom
8. September 2011 - VII ZB 24/09, NJW 2011, 3721 Rn. 5 f; vom 19. Dezember
2013 - VII ZB 11/12, BauR 2014, 584 Rn. 11). Diese Regelung ist jedoch inso-
weit dispositiv, als der Nebenintervenient mit den Parteien im Rahmen eines
Vergleichs abweichende Regelungen treffen kann. Dies setzt voraus, dass der
Nebenintervenient sich am Vergleich beteiligt, indem er dem Abschluss des
Vergleichs zustimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 1967 - III ZR 15/64,
NJW 1967, 983, 984; vom 3. April 2003 - V ZB 44/02, NJW 2003, 1948, inso-
weit in BGHZ 154, 351 nicht abgedruckt; Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl., § 101
Rn. 7; Lackmann in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 101 Rn. 6; MünchKomm-
ZPO/Schulz, 4. Aufl., § 101 Rn. 28; Smid/Hartmann in Wieczorek/Schütze,
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ZPO, 4. Aufl., § 101 Rn. 9; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 101 Rn. 7). Ob
und inwieweit in einem mit Zustimmung des Nebenintervenienten abgeschlos-
senen Vergleich auch die Erstattungspflicht hinsichtlich der durch die Nebenin-
tervention verursachten Kosten geregelt ist, ist Auslegungsfrage.
Soweit ein solcher Vergleich eine Regelung zu den Kosten enthält, ist
anhand dieser Regelung zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem
Umfang der Nebenintervenient einen Anspruch auf Erstattung seiner Kosten
hat. Haben die Parteien mit Zustimmung des Nebenintervenienten ausdrücklich
geregelt, wer die Kosten des Nebenintervenienten zu tragen hat, hat der Ne-
benintervenient einen entsprechenden Erstattungsanspruch. Fehlt es an einer
ausdrücklichen Bestimmung über die Kosten der Nebenintervention, ist damit
eine prozessuale Kostenerstattung nicht stets ausgeschlossen. Sie scheidet
allerdings aus, wenn dem mit Zustimmung des Nebenintervenienten geschlos-
senen Vergleich keine Bestimmung zu entnehmen ist, dass eine der Parteien
die durch die Nebenintervention verursachten Kosten zu tragen hat (OLG Köln,
OLGR Köln 2009, 526, 527; OLG Koblenz, JurBüro 2011, 598, 599). Dies folgt
aus dem Rechtsgedanken des § 98 ZPO (aA Schneider in Prütting/Gehrlein,
ZPO, 7. Aufl., § 101 Rn. 13). Ein Nebenintervenient, der einem Vergleich zu-
stimmt, der keine Kostenerstattung zu seinen Gunsten regelt, muss hinnehmen,
so gestellt zu werden wie eine Partei, die einen Vergleich abschließt, ohne eine
von § 98 ZPO abweichende Vereinbarung über die Kostenerstattung zu treffen.
Angesichts der Möglichkeit für einen Nebenintervenienten, seine Zustimmung
zum Vergleich von einer Regelung der Kostenerstattung abhängig zu machen,
ist seine Lage der von § 98 ZPO geregelten Situation vergleichbar.
Eine Bestimmung, wonach dem Nebenintervenienten seine Kosten zu
erstatten sind, kann sich aber auch aus dem Kontext der Kostenregelung des
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mit seiner Zustimmung geschlossenen Vergleichs ergeben. Nennt ein solcher
Vergleich nur die Kosten des Rechtsstreits (gegebenenfalls einschließlich der
Kosten des Vergleichs), ohne die Kosten der Nebenintervention oder den Ne-
benintervenienten zu erwähnen, ist entscheidend, ob die Parteien damit nur die
Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 ZPO meinten oder diese Bezeich-
nung auch die Kosten der Nebenintervention einschließen sollte (vgl. OLG Kob-
lenz, MDR 2006, 1078). Sofern eine solche Bestimmung die Kosten des
Rechtsstreits ausdrücklich lediglich zwischen den Parteien des Rechtsstreits
verteilt, schließt sie regelmäßig zugleich einen prozessualen Kostenerstat-
tungsanspruch des Nebenintervenienten aus. Anders ist dies nur, wenn festge-
stellt werden kann, dass Parteien und Nebenintervenient mit der Verteilung der
Kosten des Rechtsstreits auch eine Kostenerstattung zugunsten des Nebenin-
tervenienten regeln wollten. Hierfür bedarf es aber konkreter Anhaltspunkte.
Dies kommt etwa in Betracht, wenn sich die unterstützte Hauptpartei mit einer
solchen Kostenregelung im Vergleich abweichend von der gesetzlichen Regel
verpflichten wollte, Kosten des Nebenintervenienten zu tragen. Gleiches gilt,
wenn Parteien und Nebenintervenient bei der nur die Kosten des Rechtsstreits
verteilenden Vergleichsbestimmung zugleich - stillschweigend - vereinbarten,
dass damit auch die Regel des § 101 ZPO Vergleichsinhalt sein sollte.
b) Nach diesen Maßstäben hält die Entscheidung des Beschwerdege-
richts rechtlicher Überprüfung nicht stand. Im Streitfall ging der Text des vom
Gericht vorgeschlagenen Vergleichs auch auf Anregungen der Parteien zurück.
Er enthielt eine Regelung, in welchem Umfang die Nebenintervenientin im In-
nenverhältnis am Zahlbetrag beteiligt war, jedoch keine Bestimmung über die
durch die Nebenintervention verursachten Kosten. Die Nebenintervenientin hat
diesem vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich ausdrücklich mit Anwalts-
schriftsatz vom 20. November 2014 zugestimmt.
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Der Vergleich regelt nur, wie die Kosten des Rechtsstreits zwischen den
Parteien zu verteilen sind, ohne die Kosten der Nebenintervention oder die Ne-
benintervenientin zu erwähnen. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die
Parteien des Vergleichs mit dieser Regelung auch vereinbart haben, Kosten der
Nebenintervenientin zu tragen. Umstände, die eine stillschweigende Vereinba-
rung nahelegen, gibt es nicht. Hierbei ist unerheblich, ob die Parteien des Ver-
gleichs dies bewusst unterlassen haben oder ob eine solche Regelung nur ver-
gessen worden ist. Entscheidend ist, dass die Nebenintervenientin am Ab-
schluss des Vergleichs beteiligt worden ist und dem vom Gericht vorgeschlage-
nen Vergleich ausdrücklich zugestimmt hat, ohne eine für sie günstige Kosten-
regelung anzustreben.
Kayser
Gehrlein
Vill
Lohmann
Schoppmeyer
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 09.02.2015 - 16 O 3101/13 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 25.03.2015 - 12 W 59/15 -
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