Urteil des BGH vom 19.04.2012

Leitsatzentscheidung zu Vergütung, Entlassung, Treuhänder, Heilung des Verfahrensmangels, Rechtliches Gehör

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 162/10
vom
19. April 2012
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO § 64 Abs. 3 Satz 2; ZPO § 567 Abs. 2
Der für die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde maßgebliche Wert des Be-
schwerdegegenstandes bemisst sich nach dem Betrag, um den der Beschwerdefüh-
rer durch den angefochtenen Vergütungsfestsetzungsbeschluss in seinen Rechten
verkürzt zu sein behauptet und in dessen Höhe er mit seinem Beschwerdeantrag die
Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrt. Eine Erhöhung des Wertes
des Beschwerdegegenstandes durch ein erweitertes Festsetzungsbegehren in der
Beschwerdeinstanz ist nicht möglich.
BGH, Beschluss vom 19. April 2012 - IX ZB 162/10 - LG Berlin
AG Spandau
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser und die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp
am 19. April 2012
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 85
des Landgerichts Berlin vom 15. Juni 2010 wird insoweit als unzu-
lässig verworfen, als damit die sofortige Beschwerde der weiteren
Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Spandau
vom 22. Mai 2009 betreffend die Festsetzung der Vergütung als
unzulässig verworfen worden ist.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde gegen den genannten Be-
schluss der Zivilkammer 85 des Landgerichts Berlin als unbegrün-
det zurückgewiesen.
Die weitere Beteiligte zu 2 hat die Kosten des Rechtsbeschwerde-
verfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
1.232,05
€ festgesetzt.
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Gründe:
I.
Das Amtsgericht eröffnete mit Beschluss vom 5. März 2007 das Ver-
braucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des D. B.
(nachfolgend: Schuldner) und bestellte die weitere Beteiligte zu 2 zur Treuhän-
derin. Zugleich beauftragte es sie, die in dem Verfahren vorzunehmenden Zu-
stellungen durchzuführen mit Ausnahme derjenigen an den Schuldner.
1. Unter dem 17. Februar 2009 beantragte die weitere Beteiligte zu 2 ihre
Vergütung für das Insolvenzverfahren auf insgesamt 1.037,09
€ einschließlich
Umsatzsteuer festzusetzen, nämlich die Mindestvergütung gemäß § 13 InsVV
auf 600
€, für die Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an drei Gläubiger je-
weils 20
€, die Zustellung über die Anberaumung des Schlusstermins an drei
Gläubiger jeweils 10
€, pauschalen Auslagenersatz in Höhe von 172,50 € sowie
Auslagen für die Zustellungen in Höhe von zusammen 9
€, alles jeweils zuzüg-
lich 19 v.H. Umsatzsteuer.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 22. Mai 2009 die Vergütung ein-
schließlich Umsatzsteuer auf 938,91
€ festgesetzt und die beantragten Zu-
schläge in Höhe von 90
€ für die Zustellungen versagt.
Mit der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde hat die weitere
Beteiligte eine Vergütung einschließlich Umsatzsteuer von 1.170,96
€ begehrt,
nämlich nunmehr 30
€ für jede Zustellung des Eröffnungsbeschlusses (insge-
samt 90
€) und 20 € für jede Zustellung über die Anberaumung des Prüfungs-
termins (insgesamt 60
€).
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Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss das Rechtsmittel
als unzulässig verworfen.
2. Mit weiterem Beschluss vom 22. Mai 2009 hat das Amtsgericht dem
Schuldner Restschuldbefreiung angekündigt und die weitere Beteiligte zu 1 als
Treuhänderin für die Wohlverhaltensperiode bestellt. Die hiergegen gerichtete
sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 hat das Landgericht als un-
begründet zurückgewiesen. Beide Entscheidungen hat das Landgericht in ei-
nem Beschluss zusammengefasst.
Mit der Rechtsbeschwerde begehrt die weitere Beteiligte zu 2 die mit der
sofortigen Beschwerde beantragte Vergütung und die Aufhebung ihrer Entlas-
sung als Treuhänderin für die Wohlverhaltensperiode.
II.
Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Festsetzung der Vergü-
tung richtet, ist sie statthaft (§§ 7, 6, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO iVm Art. 103f
EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), aber unzulässig, weil sie keinen Zu-
lässigkeitsgrund aufzeigt (§ 574 Abs. 2 ZPO). Der geltend gemachte Einheit-
lichkeitssicherungsbedarf wegen Verstoßes gegen das Verfahrensgrundrecht
auf effektiven Rechtsschutz liegt nicht vor.
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Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde zutreffend als unzulässig
verworfen, weil der gemäß § 64 Abs. 3 Satz 2 InsO, § 567 Abs. 2 ZPO erforder-
liche Wert des Beschwerdegegenstandes von mehr als 200
€ nicht erreicht war.
Dieser bestimmt sich nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem in der ange-
fochtenen Entscheidung zugebilligten und dem in der Beschwerdeinstanz bean-
tragten Betrag (MünchKomm-ZPO/Lipp, 3. Aufl., § 567 Rn. 33; MünchKomm-
InsO/Nowak, 2. Aufl., § 64 Rn. 14). Dies bedeutet allerdings entgegen der Auf-
fassung der Rechtsbeschwerde nicht, dass dabei ein in der Beschwerdeinstanz
erweitertes Festsetzungsbegehren zu berücksichtigen wäre. Wäre das richtig,
könnte die erforderliche Höhe des Wertes des Beschwerdegegenstands jeder-
zeit nach Belieben des Beschwerdeführers erreicht werden. Wie bei der Beru-
fung beurteilt sich der für die Zulässigkeit maßgebliche Wert des Beschwerde-
gegenstandes nach dem Betrag, um den der Beschwerdeführer durch den
Festsetzungsbeschluss in seinem Recht verkürzt zu sein behauptet und in des-
sen Höhe er mit seinem Beschwerdeantrag die Abänderung der erstinstanzli-
chen Entscheidung begehrt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2011 - VI ZB
61/10, NJW-RR 2011, 1430 Rn. 4; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 511 Rn. 13).
Der Antrag in der Beschwerde kann deshalb zwar den Wert des Beschwerde-
gegenstands im Verhältnis zur Beschwer verringern, wenn nur die Beseitigung
eines Teils der erlittenen Beschwer verlangt wird (BGH, Beschluss vom
19. März 2009 - IX ZB 152/08, NJW-RR 2009, 853 Rn. 5 ff; Zöller/Heßler, aaO).
Eine Erhöhung des Wertes des Beschwerdegegenstands über die Beschwer
hinaus ist dagegen nicht möglich. Deshalb ist auch eine Antragserweiterung in
der ersten Instanz, die nicht mehr Gegenstand der Ausgangsentscheidung wer-
den konnte, bei der Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstands au-
ßer Betracht zu lassen (BGH, Beschluss vom 9. Juli 1997 - IV ZB 11/97,
NJW-RR 1997, 1486; vom 19. März 2009, aaO Rn. 9).
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Der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands von mehr als 200
wurde nicht erreicht, weil die weitere Beteiligte zu 2 eine Vergütung von
1.037,09
€ beantragt und von 938,91 € erhalten hatte, die Beschwer und der
Wert des Beschwerdegegenstands damit lediglich 98,18
€ betrug.
Die Beschwer durch den Beschluss des Insolvenzgerichts über die Ent-
lassung der weiteren Beteiligten zu 2 kann entgegen der Auffassung der
Rechtsbeschwerde nicht hinzugerechnet werden, weil es sich insoweit um eine
gesonderte Entscheidung des Eingangsgerichts handelt, die zudem nicht die
Vergütung betrifft.
2. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Bestellung der weiteren
Beteiligten zu 1 zur Treuhänderin in der Wohlverhaltensperiode wendet, ist sie
statthaft (§§ 7, 6, 313 Abs. 1 Satz 3, § 59 Abs. 2 Satz 1 InsO iVm Art. 103f
EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 574
Abs. 2, § 575 ZPO). Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
a) Das Beschwerdegericht hat insoweit gemeint, die durch die Bestellung
einer neuen Treuhänderin konkludent ausgesprochene Entlassung der weiteren
Beteiligten zu 2 sei rechtmäßig. Grundsätzlich müsse das Gericht für die Wohl-
verhaltensperiode nicht den zuvor bestellten Treuhänder einsetzen. Folglich
habe die weitere Beteiligte zu 2 auch vor der Entscheidung nicht angehört wer-
den müssen. Ihre unterbliebene erneute Bestellung sei nicht ermessensfehler-
haft, weil sie ihr Amt nicht immer höchstpersönlich ausgeübt habe. Eine Ermes-
sensfehlerhaftigkeit könne auch im Hinblick auf aufgetretene Unstimmigkeiten
bei der Ausschüttung von einem Treuhandkonto nicht angenommen werden.
Gegen eine erneute Bestellung spreche die gerichtsbekannte ständige Ausei-
nandersetzung zwischen der Sozietät der weiteren Beteiligten zu 2 und den
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Insolvenzgerichten betreffend die zusätzliche Vergütung für das Bewirken von
Zustellungen durch den Treuhänder. Die jeweiligen Treuhänder aus dieser So-
zietät hätten sich geweigert, im Falle der Versagung einer zusätzlichen Vergü-
tung für das Bewirken von Zustellungen diese in Zukunft noch vorzunehmen.
Die - allerdings im vorliegenden Verfahren nicht erfolgte - Ankündigung der
Nichtzustellung sei eine erhebliche Pflichtverletzung, die die Entlassung des
Treuhänders rechtfertige.
b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.
aa) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht für seine
Entscheidung Gesichtspunkte herangezogen hat, auf die das Insolvenzgericht
seinen Beschluss noch nicht gestützt hatte. Das Beschwerdegericht ist nicht auf
die rechtliche Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung beschränkt, son-
dern kann als vollwertige zweite Tatsacheninstanz eine eigene Ermessensent-
scheidung treffen (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2008 - IX ZB 60/07, juris
Rn. 2; vom 17. September 2009 - IX ZB 62/08, NZI 2009, 864 Rn. 3; vom
19. Januar 2012 - IX ZB 21/11, ZIP 2012, 583 Rn. 5; MünchKomm-InsO/Ganter,
2. Aufl., § 6 Rn. 53a; HK-InsO/Kirchhof, 6. Aufl., § 6 Rn. 33).
bb) Das Beschwerdegericht ist allerdings unzutreffend davon ausgegan-
gen, dass die Bestellung eines anderen Treuhänders für die Wohlverhaltenspe-
riode ohne weiteres möglich und lediglich auf fehlerhafte Ermessensausübung
zu überprüfen sei.
Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats umfasst die Bestellung
zum Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren auch das Restschuldbe-
freiungsverfahren, sofern die Bestellung im Eröffnungsbeschluss - wie hier -
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keine Einschränkung enthält (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2003 - IX ZB
458/02, ZInsO 2003, 750; vom 17. Juni 2004 - IX ZB 92/03, ZVI 2004, 544; vom
15. November 2007 - IX ZB 237/06, WM 2008, 35 Rn. 8; vom 15. November
2007 - IX ZB 8/07, juris Rn. 2; vom 19. Januar 2012, aaO Rn. 6). Dies folgt aus
der gesetzlichen Regelung in § 313 Abs. 1 InsO, wonach im vereinfachten In-
solvenzverfahren der Treuhänder (§ 292 InsO) auch die Aufgaben des Insol-
venzverwalters wahrnimmt und deshalb abweichend von § 291 Abs. 2 InsO be-
reits bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestimmt wird. Es entspricht
auch der Vorstellung des Gesetzgebers, der mit der Regelung in § 313 Abs. 1
InsO erreichen wollte, dass bei Kleininsolvenzen nur eine Person für die Wahr-
nehmung der Verwalter- und Treuhänderaufgaben bestellt wird, weil dies zu
einer Vereinfachung des Verfahrens und damit auch dazu führe, dass kosten-
günstiger abgewickelt werden könne (BT-Drucks. 12/7302, S. 193 zu § 357j
RegE-InsO).
Bestellt das Insolvenzgericht für die Wohlverhaltensperiode einen neuen
Treuhänder, liegt darin zugleich die schlüssige Entlassung des ursprünglich
bestellten Treuhänders; denn es können für die Wohlverhaltensperiode nicht
nebeneinander zwei Treuhänder bestellt sein, die unabhängig voneinander die-
selben Aufgaben wahrzunehmen haben (BGH, Beschluss vom 15. November
2007 - IX ZB 237/06, aaO Rn. 5; vom 15. November 2007 - IX ZB 8/07, aaO;
vom 19. Januar 2012 - IX ZB 21/11, aaO Rn. 7).
cc) Die Entlassung des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfah-
ren setzt wie die Entlassung eines Insolvenzverwalters einen wichtigen, die Ent-
lassung rechtfertigenden Grund voraus (§ 313 Abs. 1 Satz 3, § 59 Abs. 1 Satz 1
InsO). Ein solcher Grund liegt hier vor.
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(1) Ein die Entlassung rechtfertigender wichtiger Grund ist gegeben,
wenn eine Pflichtverletzung des Verwalters feststeht und es in Anbetracht der
Erheblichkeit der Pflichtverletzung, insbesondere ihrer Auswirkungen auf den
Verfahrensablauf und die berechtigten Belange der Beteiligten, sachlich nicht
mehr vertretbar erscheint, den Verwalter oder Treuhänder in seinem Amt zu
belassen. Die Beurteilung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist unter Be-
rücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vom Tatrichter zu treffen (BGH,
Beschluss vom 8. Dezember 2005 - IX ZB 308/04, WM 2006, 440, 441; vom
9. Juli 2009 - IX ZB 35/09, WM 2009, 1662 Rn. 9; vom 17. März 2011 - IX ZB
192/10, WM 2011, 663 Rn. 18; vom 19. Januar 2012 - IX ZB 21/11, aaO Rn. 9).
(2) Ob der Umstand, dass die Rechtsbeschwerdeführerin ihre Tätigkeit
als Treuhänderin in erheblichem Umfang nicht persönlich wahrgenommen hat,
sondern die Aufgaben von einem Vertreter wahrnehmen ließ, eine Entlassung
rechtfertigen könnte, kann dahinstehen. Das Beschwerdegericht hat eine Ent-
lassung hierauf nicht gestützt, sondern insoweit lediglich geprüft, ob eine nicht
erneut vorgenommene Bestellung ermessensfehlerhaft sei. Dasselbe gilt für die
angeblichen Unstimmigkeiten bei der Ausschüttung von einem Treuhandkonto.
Insoweit sind die für eine Entlassung erforderlichen näheren Feststellungen
hinsichtlich einer Pflichtverletzung nicht getroffen.
(3) Die Entlassung der weiteren Beteiligten zu 2 ist jedoch allein dadurch
gerechtfertigt, dass ein schwerwiegendes pflichtwidriges Verhalten vorlag. Das
Beschwerdegericht hat insoweit festgestellt, dass die weitere Beteiligte zu 2 als
Partnerin der Kanzlei S. in zahlreichen Insolvenzverfahren
- wenn auch nicht im vorliegenden Verfahren - erklärt hat, sie werde die ihr
nach § 8 Abs. 3 InsO übertragenen Zustellungen an die Verfahrensbeteiligten
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künftig nur noch ausführen, wenn ihr für die Vornahme dieser Zustellungen eine
zusätzliche Vergütung gewährt werde.
Mit diesem Verhalten hat sie selbst, nicht etwa ein Dritter, die ihr oblie-
genden Pflichten grob verletzt. Die Vergütung des Treuhänders im vereinfach-
ten Insolvenzverfahren ist in § 13 InsVV geregelt. Nach dessen Absatz 2 findet
die Regelung des § 3 InsVV über Zuschläge zur Vergütung im vereinfachten
Insolvenzverfahren keine Anwendung. In besonders gelagerten Ausnahmefäl-
len kann die Vergütung des Treuhänders gleichwohl erhöht werden, wenn die
tatsächliche Tätigkeit von dem Tätigkeitsbild, wie es typischerweise bei einem
Treuhänder gegeben ist und dem Verordnungsgeber vorschwebte, erheblich
abweicht (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2005 - IX ZB 6/03, WM 2005, 1663,
1664). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat das Insolvenzgericht im Ver-
fahren über den Vergütungsantrag des Treuhänders zu entscheiden (zu mögli-
chen Zuschlägen beim Insolvenzverwalter vgl. nunmehr BGH, Beschluss vom
8. März 2012 - IX ZB 162/11, WM 2012, 666 Rn. 20 ff). Lehnt es eine zusätzli-
che Vergütung ab, ist der Treuhänder darauf verwiesen, die gesetzlich vorge-
sehenen Rechtsbehelfe zu ergreifen. Bleiben sie ohne Erfolg, berührt dies nicht
seine Pflicht, die ihm nach dem Gesetz obliegenden oder vom Insolvenzgericht
auf gesetzlicher Grundlage übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Diese Pflicht
entfällt nur, wenn das Insolvenzgericht ihn entweder von einzelnen Aufgaben
entbindet oder ihn aus seinem Amt als Treuhänder ganz entlässt. Macht der
Treuhänder die Erledigung einer ihm übertragenen Aufgabe von der Gewäh-
rung einer erhöhten Vergütung abhängig, missachtet er bewusst diese gesetzli-
che Regelung.
(4) Die in einem solchen Verhalten liegende Pflichtverletzung ist objektiv
geeignet, das Vertrauensverhältnis zum Insolvenzgericht schwer und nachhaltig
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zu stören, weil sie den Versuch beinhaltet, die Entscheidung des Insolvenzge-
richts über die Vergütung des Treuhänders in unzulässiger Weise zu beeinflus-
sen, und dazu führt, dass sich das Insolvenzgericht auf eine von der Vergü-
tungsentscheidung unabhängige Aufgabenerfüllung nicht mehr verlassen kann.
Eine ordnungsgemäße Verfahrensführung wäre in höchstem Maße gefährdet,
wenn der Insolvenzverwalter ihm obliegende Mitwirkungshandlungen von der
Gewährung dem Gesetz fremder Sondervorteile abhängig machen dürfte. Dies
gilt auch dann, wenn der Treuhänder - wie hier - derartige Pflichtverletzungen
nicht gerade im vorliegenden Verfahren, aber in zahlreichen anderen Verfahren
begangen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2011, aaO Rn. 20).
(5) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts unterliegt auch nicht des-
halb der Aufhebung, weil das Insolvenzgericht das rechtliche Gehör der weite-
ren Beteiligten zu 2 verletzt hat. Entgegen der Auffassung des Beschwerdege-
richts hätte diese vor ihrer Entlassung gemäß § 59 Abs. 1 Satz 3 InsO gehört
werden müssen (BGH, Beschluss vom 17. März 2011, aaO Rn. 8). Wird die
gebotene Anhörung der Treuhänderin vom Erstgericht versäumt, scheidet aller-
dings ein durchgreifender Verfahrensfehler aus, wenn ihr - wie hier geschehen -
im Beschwerdeverfahren das rechtliche Gehör gewährt wurde.
Lediglich vereinzelt war - wie von der Rechtsbeschwerde - die Auffas-
sung vertreten worden, dass die Entscheidung über die Entlassung des Verwal-
ters im Falle einer unterbliebenen Anhörung ohne die Möglichkeit der Heilung
des Verfahrensmangels aufzuheben sei. Dem ist der Senat jedoch nicht gefolgt.
Er hat entsprechend der allgemeinen Auffassung zwischenzeitlich entschieden,
dass ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör im Rechtsmittelverfahren geheilt
werden kann (BGH, Beschluss vom 17. März 2011, aaO Rn. 10). Das Landge-
richt war hier als Beschwerdeinstanz nicht nur zur Prüfung von Verfahrensmän-
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geln der ersten Instanz, sondern auch zur Nachholung des rechtlichen Gehörs
und zur Sachentscheidung berufen. Mithin beruht, weil dem Beschwerdeführer
nachträglich rechtliches Gehör eröffnet wurde, die hier angegriffene Beschwer-
deentscheidung nicht auf der Versagung rechtlichen Gehörs (BVerfGE 5, 9, 10;
5, 22, 24; 22, 282, 286 f; 62, 392, 397; 76, 363, 394). Dieses Verständnis ent-
spricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (BGH, Beschluss vom 9. Juli
2009, aaO Rn. 11; vom 17. März 2011, aaO Rn. 10).
Kayser
Gehrlein
Vill
Fischer
Grupp
Vorinstanzen:
AG Spandau, Entscheidung vom 22.05.2009 - 38 IK 64/07 -
LG Berlin, Entscheidung vom 15.06.2010 - 85 T 100/09 -