Urteil des BGH vom 24.03.2011

Rechtliches Gehör, Verfassungsbeschwerde, Überprüfung, Unterliegen

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 135/09
vom
24. März 2011
in dem Insolvenzverfahren
- 2 -
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, den Richter Vill, die Richterin Lohmann, die Richter
Dr. Fischer und Dr. Pape
am 24. März 2011
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer
des Landgerichts München II vom 29. Mai 2009 wird auf Kosten
des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € fest-
gesetzt.
Gründe:
I.
Über das Vermögen des Schuldners ist am 5. Juli 2004 das Insolvenz-
verfahren eröffnet worden. Im Schlusstermin am 26. Juli 2005 hat der weitere
Beteiligte zu 1 die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt. Der Antrag ist
zunächst erfolglos geblieben. Mit Beschluss vom 5. Februar 2009 (IX ZB
185/08) hat der Senat die erste Beschwerdeentscheidung aufgehoben und die
Sache an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Nunmehr hat das Be-
schwerdegericht unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die
1
- 3 -
Restschuldbefreiung versagt. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Schuldner
weiterhin die Zurückweisung des Versagungsantrags erreichen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 289 Abs. 2 Satz 1, §§ 6, 7 InsO, § 574
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig. Die Rechtssache
hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts
noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entschei-
dung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
2
Die Rechtsbeschwerde beanstandet eine Verletzung des Grundrechts
des Schuldners auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Das
Beschwerdegericht habe ebenso wie der Senatsbeschluss vom 5. Februar
2009 den Sachverhalt, auf den der Gläubiger seinen Versagungsantrag gestützt
habe, als unstreitig angesehen, weil der Schuldner ihn im Schlusstermin nicht
bestritten habe. Tatsächlich sei es jedoch so gewesen, dass der Schuldner kei-
ne Gelegenheit erhalten habe, zu dem betreffenden, nur durch Bezugnahme
auf einen ihm nicht ausgehändigten Schriftsatz begründeten und nicht weiter
erörterten Sachvortrag Stellung zu nehmen. Der Schuldner habe den fraglichen
Schriftsatz des Gläubigers erst nachträglich übersandt erhalten.
3
1. Sollte es sich so verhalten haben, wie der Schuldner behauptet, der
Gläubiger aber bestreitet, wäre dem Schuldner kein rechtliches Gehör gewährt
worden. Die Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Recht-
sprechung zuzulassen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer Verlet-
zung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs beruht, so dass nicht
4
- 4 -
zweifelhaft ist, dass sie auf eine Verfassungsbeschwerde hin der Aufhebung
durch das Bundesverfassungsgericht unterliegen würde. Für die Zulassung sind
deshalb die gleichen Voraussetzungen maßgebend, die nach der Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts zum Erfolg einer Verfassungsbeschwer-
de führen (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154,
288, 296 f).
Im vorliegenden Fall hätte der gerügte Gehörsverstoß jedoch bereits im
(zweiten) Verfahren der sofortigen Beschwerde - nach der Zurückverweisung
durch den Senatsbeschluss vom 5. Februar 2009 - gerügt werden können und
müssen. Das Beschwerdegericht hätte, anders als der Senat (§ 577 Abs. 2
Satz 4, § 559 ZPO), aufklären können, ob der Schuldner im Schlusstermin aus-
reichend Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hat oder nicht (§ 571 Abs. 2
Satz 1 ZPO). Ist noch ein Rechtsmittel gegen die auf der gerügten Verletzung
beruhende Entscheidung gegeben, das auch zur Überprüfung der Verletzung
führen kann, so ist den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG hinreichend
Rechnung getragen (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010 - IX ZB 225/09, NZI
2010, 692 Rn. 7 f).
5
2. Der Schuldner beanstandet allerdings auch, er habe nach der Zurück-
verweisung der Sache durch den Senatsbeschluss vom 5. Februar 2009 keine
Gelegenheit zur Stellungnahme mehr gehabt. Dies trifft jedoch nicht zu. Der
Senatsbeschluss vom 5. Februar 2009 ist den beim Bundesgerichtshof zuge-
lassenen Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners am 24. Februar 2009
zugestellt worden; die (zweite) Beschwerdeentscheidung ist am 29. Mai 2009
ergangen. Der Schuldner hatte etwa drei Monate lang Zeit, zum Senatsbe-
schluss vom 5. Februar 2009 Stellung zu nehmen oder wenigstens eine Stel-
6
- 5 -
lungnahme innerhalb angemessener Frist anzukündigen. Beides hat er nicht
getan.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 ZPO abge-
sehen.
7
Kayser Vill
Lohmann
Fischer
Pape
Vorinstanzen:
AG Weilheim i. OB, Entscheidung vom 24.11.2005 - IN 455/03 -
LG München II, Entscheidung vom 29.05.2009 - 7 T 2482/09 -