Urteil des BGH vom 04.10.2011

Verfassungsbeschwerde, Entscheidungsformel, Vorabentscheidungsverfahren, Rückzahlung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 124/11
vom
4. Oktober 2011
in dem Rechtsstreit
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Grupp und die Richte-
rin Möhring
am 4. Oktober 2011
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats
in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
21. März 2011 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verwor-
fen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000
€ fest-
gesetzt.
Gründe:
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der
Insolvenzanfechtung auf Rückzahlung von vereinnahmten Sozialversiche-
rungsbeiträgen in Anspruch. Das Landgericht hat gemäß § 17a GVG den
Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für begründet erklärt. Auf die soforti-
ge Beschwerde der Beklagten hat das Oberlandesgericht den Rechtsweg zu
den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren an das
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örtlich zuständige Sozialgericht verwiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger
mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft.
1. Im Vorabentscheidungsverfahren über die Zulässigkeit des Rechts-
wegs nach § 17a GVG steht den Beteiligten die Beschwerde gegen einen Be-
schluss des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes
nur zu, wenn sie in dem Beschluss zugelassen worden ist (§ 17 Abs. 4 Satz 4
GVG). Dies war hier nicht der Fall. Das Oberlandesgericht hat in seiner Ent-
scheidungsformel die "weitere Beschwerde" ausdrücklich "nicht zugelassen".
Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung sieht das Gesetz nicht vor (vgl.
BGH, Urteil vom 18. November 1998 - VIII ZR 269/97, NJW 1999, 651, 652;
BAG, NJW 2003, 1069).
2. Entgegen der Ansicht des Klägers ist sein Rechtsmittel auch nicht als
außerordentliche Beschwerde statthaft.
a) Eine solche, früher in Fällen greifbarer Gesetzeswidrigkeit, insbeson-
dere bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten anerkannte Rechts-
schutzmöglichkeit ist seit der Neuregelung des Beschwerderechts durch das
Zivilprozessreformgesetz nicht mehr gegeben (BGH, Beschluss vom 7. März
2002 - IX ZB 11/02, BGHZ 150, 133, 135 f; vom 21. April 2004 - XII ZB 279/03,
NJW 2004, 2224, 2225 f).
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b) Die Beurteilung der Rechtswegfrage selbst verletzt den Kläger entge-
gen seiner Ansicht nicht in seinem Recht auf ein objektiv willkürfreies Verfahren
(Art. 3 Abs. 1 GG). Hierfür reicht eine nur fragwürdige oder sogar fehlerhafte
Rechtsanwendung nicht aus; selbst ein offensichtlicher Rechtsfehler genügt
nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass die fehlerhafte Rechtsanwendung unter
keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich daher der
Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht; die Rechts-
lage muss mithin in krasser Weise verkannt worden sein (BVerfGE 89, 1, 14;
BVerfG NJW 1999, 207, 208; BGH, Beschluss vom 25. November 1999 - IX ZB
95/99, NJW 2000, 590). Dies ist hier nicht der Fall. Das Beschwerdegericht hat
sich bei der Beurteilung des Rechtswegs für insolvenzrechtliche Anfechtungs-
klagen gegen Sozialversicherungsträger an der Entscheidung des Gemeinsa-
men Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. September 2010
(GmS-OGB 1/09, NJW 2011, 1211) orientiert. Dies war nicht unvertretbar, auch
wenn der erkennende Senat die Rechtswegfrage zwischenzeitlich anders ent-
schieden hat (BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - IX ZB 36/09, NJW 2011,
1365).
c) Eine willkürliche Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter
liegt allerdings möglicherweise darin, dass das Beschwerdegericht die Rechts-
beschwerde nicht zugelassen hat, obwohl die Rechtssache im Zeitpunkt seiner
Entscheidung - kurz vor dem anders lautenden Senatsbeschluss vom 24. März
2011 - von grundsätzlicher Bedeutung war. Die Prüfung dieser Frage ist dem
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Senat jedoch in Ermangelung eines zulässigen Rechtsmittels verwehrt. Sie
kann nur im Rahmen einer auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gestützten Verfas-
sungsbeschwerde erfolgen.
Kayser
Raebel
Gehrlein
Grupp
Möhring
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 11.01.2011 - 8 O 155/10 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 21.03.2011 - 13 W 15/11 -