Urteil des BGH vom 12.12.2013

Faires Verfahren, Rechtliches Gehör, Nichterfüllung, Arbeitsstelle, Zustellung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 107/12
vom
12. Dezember 2013
in dem Insolvenzverfahren
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, die Richter Dr. Fischer und Dr. Pape
und die Richterin Möhring
am 12. Dezember 2013
beschlossen:
Der (erneute) Antrag des Schuldners auf Prozesskostenhilfe für
das Verfahren der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der
2. Zivilkammer des Landgerichts Mühlhausen vom 8. Oktober
2012 wird abgelehnt.
Gründe:
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine hinreichende Aussicht auf
Erfolg (§ 4 InsO, § 114 Satz 1 ZPO).
1. Die vom Beschwerdegericht aufgeworfene Frage nach der Versagung
der Restschuldbefreiung im schriftlichen Verfahren, insbesondere im Hinblick
auf den Ausschluss neuen Vorbringens, lässt sich auf der Grundlage der bishe-
rigen Senatsrechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2011
- IX ZB 237/09, WM 2011, 839 Rn. 7 ff; vom 22. September 2011 - IX ZB
133/10, NZI 2011, 861 Rn. 7) ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten. Hat
ein Schlusstermin stattgefunden, kann nachgereichtes Vorbringen des Schuld-
ners nur zurückgewiesen werden, wenn dieser rechtzeitig und deutlich auf die
Folgen unzureichender Erklärungen hingewiesen worden ist. Im schriftlichen
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Verfahren muss dem Schuldner eine Erklärungsfrist zum Versagungsantrag des
Gläubigers gesetzt werden (vgl. Vallender, VIA 2009, 1, 3). Im Hinblick auf das
Grundrecht des Schuldners auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren
(Art. 103 Abs. 1 GG) muss er zugleich hinreichend deutlich auf die Folgen einer
Fristversäumung hingewiesen werden. Das Insolvenzgericht hat dem Schuldner
hier nur eine Frist zur Stellungnahme gesetzt, ihn aber nicht über die Folgen
einer Versäumung der Frist oder einer unzureichenden Stellungnahme belehrt.
Das Beschwerdevorbringen hätte daher verwertet werden müssen. Die-
ser Fehler hat sich jedoch nicht ausgewirkt. Das neue Vorbringen hätte der Be-
schwerde im Ergebnis nicht zum Erfolg verholfen (§ 114 ZPO). Das gilt insbe-
sondere hinsichtlich des vagen, in sich widersprüchlichen und mit früheren Er-
klärungen des Schuldners selbst nicht in Einklang zu bringenden Vortrags dazu,
ein als Zeuge benannter Bekannter des Schuldners sei beauftragt worden, dem
Verwalter die neue Anschrift des Schuldners mitzuteilen. Der Schuldner hat
überdies nicht vorgetragen, die Erledigung des behaupteten Auftrags kontrolliert
zu haben (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2013 - IX ZB 208/11, ZVI 2013,
278 Rn. 8).
2. Die vom Beschwerdegericht weiter aufgeworfene Frage, innerhalb
welcher Frist ein Wohnungswechsel mitzuteilen ist und wie sich die Frist unter
dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit darzustellen habe, bedarf ebenfalls
keiner grundsätzlichen Klärung. Die Mitteilung eines Wohnsitzwechsels und die
Angabe der aktuellen Einkünfte gehören zu den Auskunfts- und Mitwirkungs-
pflichten des Schuldners (§ 97 InsO), bei deren vorsätzlicher oder grob fahrläs-
siger Nichterfüllung dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt werden
kann (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO; vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2007
- IX ZB 159/06, nv Rn. 10; vom 3. Juli 2008 - IX ZB 181/07, ZInsO 2008, 975
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Rn. 8; vom 14. Januar 2010 - IX ZB 21/07, nv Rn. 3; vom 26. April 2012 - IX ZB
274/11, nv Rn. 2). Die fehlende Mitwirkung muss sich über einen längeren Zeit-
raum erstreckt und nennenswerte Auswirkungen auf das Verfahren gehabt ha-
ben (BGH, Beschluss vom 3. Juli 2008, aaO Rn. 9). Diese Voraussetzungen
sind hier ohne weiteres erfüllt. Der Schuldner, der zu einem nicht näher mitge-
teilten Zeitpunkt zu Beginn des Jahres 2011 umgezogen ist, hat sich erst im
Dezember 2011 beim Insolvenzgericht gemeldet, nachdem der weitere Beteilig-
te zu 2 über einen Arbeitskollegen Kontakt zu ihm aufgenommen hatte. In der
Zwischenzeit hatte nicht nur der weitere Beteiligte zu 2 vergeblich Nachfor-
schungen am früheren Wohnsitz und an der Arbeitsstelle des Schuldners ange-
stellt. Auch mehrere Beschlüsse des Insolvenzgerichts konnten nicht zugestellt
werden. Eine Anfrage des Insolvenzgerichts beim Einwohnermeldeamt war
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erfolglos geblieben, so dass schließlich die öffentliche Zustellung der Beschlüs-
se angeordnet werden musste. Eine Versagung der Restschuldbefreiung ist
unter diesen Umständen nicht unverhältnismäßig.
Kayser
Lohmann
Fischer
Pape
Möhring
Vorinstanzen:
AG Mühlhausen, Entscheidung vom 05.07.2012 - 8 IN 41/07 -
LG Mühlhausen, Entscheidung vom 08.10.2012 - 2 T 178/12 -