Urteil des BGH vom 27.01.2016

Quote, Feststellungsklage, Veröffentlichung, Fonds

ECLI:DE:BGH:2016:270116BIXZB100.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 100/15
vom
27. Januar 2016
in dem Rechtsstreit
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, den Richter Vill, die Richterin Lohmann, die Richter Dr. Pape
und Dr. Schoppmeyer
am 27. Januar 2016
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss des
13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 11. Juni
2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-
rückverwiesen.
Beschwerdewert: bis zu 1.0
00 €
Gründe:
I.
Die Kläger erwarben eine Kommanditbeteiligung an einer Fonds KG. Die
S. GmbH (fortan: Schuldnerin) ist Gründungsge-
sellschafterin und Komplementärin des Fonds. Die Kläger machten Schadens-
ersatzansprüche aus dem Erwerb der Kommanditbeteiligung gegen die Schuld-
nerin geltend. Das Amtsgericht München eröffnete mit Beschluss vom 26. April
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2013 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte
den Beklagten zum Insolvenzverwalter.
Mit Schreiben vom 12. Juni 2013 meldeten die Kläger eine Forderung
über 36.750
€ zuzüglich einer Auslagenpauschale von 20 € zur Tabelle an. Der
Beklagte lehnte die Feststellung zur Tabelle ab.
Mit ihrer Feststellungsklage beantragen die Kläger in erster Linie, eine
Insolvenzforderung von 10.500
€ Zug-um-Zug gegen Abtretung aller Rechte
aus den Kommanditbeteiligungen der Kläger festzustellen, hilfsweise festzustel-
len, dass ihnen eine Insolvenzforderung in Höhe von 35.000
€ zustehe. Der
Beklagte machte in erster Instanz unter anderem geltend, dass die liquiden Mit-
tel gerade ausreichend seien, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu tra-
gen. Eine Quote sei nicht zu erwarten. Das Landgericht hat die Klage als unzu-
lässig abgewiesen und den Streitwert auf 500
€ festgesetzt. Die von den Klä-
gern eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht als unzulässig verworfen.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Das Berufungsgericht hat gemeint, der nach § 511 Abs. 2 ZPO erfor-
derliche Beschwerdewert von über 600
€ sei nicht erreicht. Gemäß § 182 InsO
in Verbindung mit § 3 ZPO komme es auf das wirtschaftliche Interesse des
Gläubigers an der Feststellung seiner Forderung an. Maßgeblicher Zeitpunkt für
die Streitwertfestsetzung sei gemäß § 182 InsO derjenige der Klageerhebung.
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Zum diesem Zeitpunkt sei keine Quote zu erwarten gewesen. Änderungen, die
im Laufe des Rechtsstreits einträten, seien unerheblich. Dass zum Zeitpunkt
der Einlegung des Rechtsmittels möglicherweise eine andere Quote zu erwar-
ten gewesen sei, ändere nichts. § 4 ZPO besage nur, dass ein Steigen oder
Sinken des Wertes des Streitwerts im Vergleich zum Tag des Eingangs der
Klage oder des Eingangs der Rechtsmittelschrift ohne Einfluss auf die Zustän-
digkeit oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels sei.
2. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522
Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerde-
gerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Wie die Rechtsbeschwerde darlegt,
weicht das Berufungsgericht mit seiner Rechtsprechung vom allgemeinen Ver-
ständnis des § 4 ZPO ab.
a) Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, weil das Berufungsge-
richt § 4 ZPO missversteht. Ob eine Berufung die erforderliche Beschwerde-
summe erreicht, richtet sich nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Einle-
gung der Berufung. Dies gilt - wie der Senat mit Beschluss vom 14. Januar
2016 (IX ZB 57/15, zur Veröffentlichung bestimmt) näher begründet und ent-
schieden hat - auch für die Fälle, in denen sich bei unverändertem Streitgegen-
stand der Wert des Beschwerdegegenstandes gegenüber dem Zuständigkeits-
streitwert erster Instanz verändert hat.
Daher kommt es für die Frage, ob die Mindestbeschwer erreicht ist, da-
rauf an, welche Quote gemäß § 182 InsO für die Forderung zum Zeitpunkt der
Einlegung der Berufung zu erwarten war (BGH, Beschluss vom 14. Januar
2016 - IX ZB 57/15, zur Veröffentlichung bestimmt). § 182 InsO bestimmt ledig-
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lich, welche Maßstäbe für die Wertberechnung bei einer Klage auf Feststellung
einer Forderung anzulegen sind, deren Bestand vom Insolvenzverwalter oder
von einem Insolvenzgläubiger bestritten wird. Der Zeitpunkt für die Wertberech-
nung richtet sich jedoch nach den allgemeinen Regeln (§ 4 InsO in Verbindung
mit § 4 Abs. 1 ZPO).
b) Nach diesen Maßstäben ist die Berufung der Kläger zulässig. Da das
Landgericht die Feststellungsklage in vollem Umfang abgewiesen hat, ist für die
Beschwer der Kläger maßgeblich, welchen Wert die Feststellungsklage bei Ein-
legung der Berufung hatte. Dies war hier der 13. März 2015. Nach den ausführ-
lichen Angaben des Beklagten, die sich die Kläger zu eigen gemacht haben und
an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, war selbst bei ungünstigen
Annahmen am 13. März 2015 jedenfalls mit einer Quote von 1,91 v.H. zu rech-
nen. Dies ergibt gemäß § 182 InsO, § 3 ZPO jedenfalls aufgrund des Hilfsan-
trags eine Beschwerdesumme von mindestens 668,50
€, welche die Grenze
des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO übersteigt.
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3. Das Berufungsgericht wird daher in der Sache zu entscheiden haben.
Kayser
Vill
Lohmann
Pape
Schoppmeyer
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 09.02.2015 - 35 O 3610/14 -
OLG München, Entscheidung vom 11.06.2015 - 13 U 975/15 -
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