Urteil des BGH vom 01.06.2016

Leitsatzentscheidung zu Versicherungsnehmer, Lebensversicherung, Mitgliedstaat, Nicht Zwingendes Recht

ECLI:DE:BGH:2016:010616UIVZR80.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 80/15
Verkündet am:
1. Juni 2016
Heinekamp
Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
EGVVG Art. 9 Abs. 4 vom 28. Juni 1990
Der im Inland niedergelassene Versicherungsmakler ist in der Regel Mi t-
telsperson im Sinne des Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F.
BGH, Urteil vom 1. Juni 2016 - IV ZR 80/15 - OLG München in Augsburg
LG Memmingen
- 2 -
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin
Mayen,
die
Richterin
Harsdorf -Gebhardt,
die
Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die
mündliche Verhandlung vom 1. Juni 2016
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Ober-
landesgerichts München - 14. Zivilsenat - vom 8. Januar
2015 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der im Inland lebende Kläger begehrt die Rückabwicklung eines
Lebensversicherungsvertrages nach Widerspruch gemäß § 5a Abs. 1
Satz 1 VVG a.F.
Er schloss bei der Beklagten, einem Versicherer mit Sitz in L.
, mit Versicherungsbeginn zum 1. April 2006 eine fondsgebunde-
ne Lebensversicherung ab. Hierzu reichte er über einen in Deutschland
ansässigen Versicherungsmakler einen schriftlichen Formularantrag bei
der Beklagten ein, die ihm hierauf ein als "Versicherungs-Police" be-
zeichnetes Schriftstück (im Folgenden: Police) übersandte.
1
2
- 3 -
Der Versicherung lagen "Allgemeine Versicherungsbedingungen
für fondsgebundene Kapitalisationsversicherungen " (im Folgenden:
"AVB") der Beklagten zugrunde, welche auszugsweise wie folgt lauten:
"14.1. Grundlagen des Versicherungsvertrags bilden
Ihr Versicherungsantrag
die vorliegenden Allgemeinen Versicherungsbedin-
gungen.
Im übrigen sind die materiellen Bestimmungen des l.
Versicherungsvertragsgesetzes anwendbar,
soweit nicht zwingendes Recht im Wohnsitzland des Versi-
cherungsnehmers eine für ihn günstigere Lösung vorsieht.
[…]
14.4. […] Gerichtsstand ist V. L.
."
Sowohl die Police als auch die AVB enthielten Belehrungen über
Rücktrittsrechte des Versicherungsnehmers.
In der Folgezeit erbrachte der Kläger Beitragszahlungen in Höhe
von 13.000 €. Mit Schreiben vom 21. April 2011 erklärte er "den Wider-
spruch nach § 5a VVG a.F. bzw. den Rücktritt nach § 8 VVG a.F., hilf s-
weise die Kündigung". Die Beklagte wies den Widerspruch zurück und
zahlte den Rückkaufswert von 6.529,90 € aus.
Mit der Klage verlangt der Kläger Rückzahlung aller von ihm ent-
richteten Versicherungsbeiträge sowie die Herausgabe der von der Be-
klagten hieraus gezogenen Nutzungen abzüglich des bereits erstatteten
Rückkaufswerts
, insgesamt 10.473,31 €. Die Beklagte hat geltend ge-
macht, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte sei nicht ge-
3
4
5
6
- 4 -
geben. Des Weiteren sieht sie den Widerspruch des Klägers nach § 5a
VVG a.F. u.a. deshalb als unwirksam an, weil die Parteien für den Versi-
cherungsvertrag des Klägers verbindlich die Geltung l .
Rechts vereinbart hätten.
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im
Übrigen zur Zahlung von 6.470,10 € verurteilt. Das Oberlandesgericht
hat auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil teilweise
abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 6.080,10 € verurteilt. Mit
der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung
der Klage.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in VersR 2015,
1153 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, dass sich die internationale Zu-
ständigkeit deutscher Gerichte aus § 215 Abs. 1 VVG i.V.m. A rt. 1 Abs. 1
EGVVG ergebe. Die vorrangigen Regelungen der Verordnung (EG)
Nr. 44/2001 (EuGVVO 2001) oder des Luganer Übereinkommens vom
30. Oktober 2007 (LugÜ 2007) seien nicht einschlägig. Die Gerichts-
standsklausel in Ziff. 14.4. der AVB sei gemäß § 215 Abs. 3 VVG unbe-
achtlich und auch nicht nach Art. 23 EuGVVO 2001 zulässig.
Auf den Versicherungsvertrag des Klägers sei nach Art. 7 Abs. 2
Nr. 4, Art. 8 EGVVG in der bis zum 16. Dezember 2009 gültigen Fassung
zwingend deutsches Sachrecht anzuwenden. Art. 9 Abs. 4 EGVVG eröff-
7
8
9
10
- 5 -
ne die Möglichkeit zur Rechtswahl nur dann, wenn ein Versicherer im I n-
land überhaupt nicht in Erscheinung trete. Letzteres sei schon dann der
Fall, wenn Maklern Vermittlungsprovisionen versprochen und die für die
Vertragsanbahnung erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt
werden. Die Beklagte habe dem eingeschalteten Makler zudem die Ide n-
titätsprüfung des Antragstellers übertragen und ihm eine eigene Partner-
Nummer zugewiesen. Dem im Inland angeworbenen Versicherungsneh-
mer solle der vom deutschen Versicherungsvertragsrecht gewährte Mi n-
destschutz erhalten bleiben. Dem stünden weder Vorschriften noch Prin-
zipien des Europarechts entgegen.
Mangels Vertragsschlusses im Antragsmodell sei d er Kläger ge-
mäß § 5a VVG a.F. zum Widerspruch berechtigt gewesen. Seine Wider-
spruchserklärung sei nicht verfristet, da die schriftlich erteilten Belehru n-
gen den Anforderungen des § 5a VVG a.F. nicht genügten. Auf den d a-
nach gegebenen Prämienrückzahlungsanspruch des Klägers sei lediglich
der Wert des von ihm genossenen Versicherungsschutzes anzurechnen.
II. Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.
1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch in
Anbetracht von § 545 Abs. 2 ZPO im Revisionsverfahren von Amts w e-
gen zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - I ZR 49/04, BGHZ
173, 57 Rn. 21), ergibt sich - wie das Berufungsgericht richtig erkannt
hat - aus § 215 Abs. 1 VVG in der derzeit geltenden Fassung. Hiergegen
wendet sich die Beklagte im Revisionsverfahren zu Re cht nicht mehr.
a) Die nationalen Zuständigkeitsvorschriften werden hier nicht
durch die Regelungen der EuGVVO 2001 oder des LugÜ 2007 verdrängt,
11
12
13
14
- 6 -
welche jeweils nach Maßgabe ihres Art. 4 Abs. 1 nicht anwendbar sind.
Die Beklagte hat weder im Sinne von Art. 4, 60 Abs. 1 EuGVVO 2001 ih-
ren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates noch gemäß den
Art. 4, 60 Abs. 1 LugÜ 2007 im Hoheitsgebiet eines durch das Überei n-
kommen, dem das F. nicht beigetreten ist (BGH,
Urteil vom 28. Juni 2007 - I ZR 49/04, aaO Rn. 22 m.w.N.), gebundenen
Staates. Ebenso ist für die Klage keine vom Wohnsitz unabhängige Zu-
ständigkeit nach den vorrangigen Art. 22, 23 EuGVVO 2001 und LugÜ
2007 begründet, deren Voraussetzungen hier nicht vorliegen.
b) Die internationale Zuständigkeit für die Klage ergibt sich danach
mittelbar aus den nationalen Vorschriften für die örtliche Zuständigkeit
(vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 aaO Rn. 23 m.w.N.), hier aus § 215
Abs. 1 VVG.
Den damit gegebenen deutschen Gerichtsstand konnten die Par-
teien nicht in den AVB wirksam derogieren. Die tatbestandlichen Vorau s-
setzungen einer zulässigen Vereinbarung nach § 215 Abs. 3 VVG liegen
nicht vor. Eine darüber hinausgehende Wahl des zuständigen Gerichts
sieht das Gesetz nicht vor (vgl. Gesetzesbegründung zu § 215 Abs. 3
VVG, BT-Drucks. 16/3945 S. 117; OLG Dresden, Urteil vom 23. Mai 2013
- 4 U 1965/12, nicht veröffentlicht S. 7).
2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass
der Streitfall nach deutschem Sachrecht zu beurteilen ist.
a) Das anwendbare Recht bestimmt sich hier nach den Art. 7 ff.
EGVVG in der bei Abschluss der streitgegenständlichen Versicherung
geltenden Fassung.
15
16
17
18
- 7 -
aa) Gemäß Art. 7 Abs. 1 EGVVG a.F. sind diese Vorschrifte n auf
Versicherungsverträge mit Ausnahme der Rückversicherung anzuwe n-
den, wenn sie in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft
oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europä i-
schen Wirtschaftsraum belegene Risiken decken. Dabei i st Mitglied- oder
Vertragsstaat, in dem das Risiko belegen ist, nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4
Buchst. a EGVVG a.F. in allen Fällen, in denen - wie hier - die Voraus-
setzungen des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1-3 EGVVG a.F. nicht vorliegen und der
Versicherungsnehmer eine natürliche Person ist, der Mitglied- oder Ver-
tragsstaat, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Au f-
enthalt hat. Diese Voraussetzungen sind gegeben, da der Kläger bei Ver-
tragsschluss in Deutschland lebte.
bb) Die Art. 7 ff. EGVVG a.F. sind auch in zeitlicher Hinsicht ein-
schlägig. Sie werden insbesondere nicht von der Verordnung (EG)
Nr. 593/2008 (Rom I-VO) verdrängt, die nach ihrem Art. 28 nur auf Ver-
träge Anwendung findet, welche ab dem 17. Dezember 2009 geschlos-
sen wurden. Ihre Anwendung ist aber auch nicht insofern ausgeschlos-
sen, als sie durch Art. 2 Abs. 4 Nr. 2 des Gesetzes zur Anpassung der
Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EG)
Nr. 593/2008 vom 25. Juni 2009 (BGBl. I S. 1574) mit Wirkung zum
17. Dezember 2009 aufgehoben wurden, da dies nur zeitlich nachfolgen-
de Verträge betrifft, während "Altfälle", d.h. Versicherungsverträge, die
vor dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden, nach dem bis dahin
geltenden Kollisionsrecht zu beurteilen sind (vgl. Gesetzesbegründung
BT-Drucks. 16/12104 S. 11; OLG Brandenburg NJW -RR 2013, 870, 871;
Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. Anh. Rom I -VO Rn. 1; Roth in
Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl.
19
20
- 8 -
§ 4 Rn. 18; Kreuzer/Wagner/Reder in Dauses, EU-Wirtschaftsrecht R
Rn. 240 (Stand: September 2015)).
cc) Das in Anwendung der Art. 7 ff. EGVVG a.F. ermittelte Versi-
cherungsvertragsstatut umfasst die vom Kläger geltend gemachten A n-
sprüche. Seine Reichweite ergibt sich aus Art. 15 EGVVG i.V.m. den
Art. 31, 32 EGBGB jeweils in der bei Vertragsschluss geltenden Fa s-
sung. Danach bestimmt es über sämtliche Rechtsfragen, welche die Ent-
stehung, materielle Wirksamkeit, Auslegung, Abwicklung und Beendi-
gung von Verträgen über Versicherungsleistungen und die d araus ent-
springenden Ansprüche, ferner etwaige gesetzliche Vermutungen und
die Beweislast betreffen (Dörner in Bruck/Möller, 9. Aufl. 1. Abschnitt:
Einführung Rn. 26). Es erstreckt sich gemäß Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB
a.F. insbesondere auch auf die Rückabwicklung eines Vertrages infolge
seiner fehlenden Wirksamkeit.
b) Das Versicherungsvertragsstatut richtet sich im Streitfall nach
der Regelanknüpfung des Art. 8 EGVVG a.F. Danach ist das Recht des
Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft anzuwende n, in dem der
Versicherungsnehmer bei Schließung des Vertrages seinen gewöhnl i-
chen Aufenthalt oder seine Hauptverwaltung hat und zugleich das vers i-
cherte Risiko belegen ist. Dabei gilt als Mitgliedstaat der Risikobelege n-
heit nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a EGVVG a.F. hier - wie bereits un-
ter a aa ausgeführt - der Mitgliedstaat, in dem der Kläger seinen ge-
wöhnlichen Aufenthalt hat. Dies führt zur Anwendbarkeit deutschen
Sachrechts.
c) Dem steht die in Ziff. 14.1. Satz 2 der AVB vorgesehene An-
wendbarkeit des l. Versicherungsvertragsgesetzes
nicht entgegen. Das deutsche Kollisionsrecht eröffnete den Parteien
21
22
23
- 9 -
schon keine Möglichkeit zur entsprechenden Rechtswahl. Entgegen der
Auffassung der Revision folgt aus Art. 9 Abs. 4 EGVV G a.F. nichts ande-
res. Nach dessen Maßgabe kann als Versicherungsvertragsstatut jedes
beliebige Recht gewählt werden, wenn ein Versicherungsnehmer mit ge-
wöhnlichem Aufenthalt oder Hauptverwaltung im Geltungsbereich des
EGVVG einen Versicherungsvertrag mit einem Versicherungsunterneh-
men schließt, welches das Versicherungsgeschäft im Geltungsbereich
des EGVVG weder selbst noch durch Mittelspersonen betreibt. Diese Vo-
raussetzungen sind hier nicht gegeben.
aa) Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass der den Ver-
tragsabschluss hier vermittelnde Versicherungsmakler Mittelsperson im
Sinne des Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. ist.
(1) Der Begriff der Mittelsperson ist im Gesetz nicht näher erläu-
tert. Er wurde durch das Zweite Durchführungsgesetz/EWG zum VAG
vom 28. Juni 1990 (BGBl. I S. 1249) zugleich mit dem Inkrafttreten von
Art. 9 EGVVG a.F. auch in das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) ein-
geführt. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte er zur Straffung des
Textes im seinerzeit neugefassten § 105 Abs. 1 VAG a.F. die zuvor be-
stehende Aufzählung von verschiedenen "Vermittlern" ersetzen und zu-
gleich klarstellen, dass damit nicht nur der Außendienst der Versicherer
gemeint sei. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, sollte er - wie
in der Begründung zum Gesetzesentwurf ausdrücklich betont wird - ins-
besondere auch die Versicherungsmakler erfassen (BT-Drucks. 11/6341
S. 24). Durch die Verwendung des Begriffes in Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F.
beabsichtigte der Gesetzgeber eine Beschränkung des Anwendungsbe-
reichs der Norm auf die so genannte Korrespondenzversicherung, die
der Versicherungsnehmer im Korrespondenzweg, durch andere Komm u-
nikationsmittel oder anlässlich eines Auslandsaufenthaltes bei einem
24
25
- 10 -
ausländischen
Versicherungsunternehmen
abschließt
(BT -Drucks.
11/6341 S. 24, 38).
Auf dieser Grundlage sieht das Schrifttum nahezu einhellig auch
den Versicherungsmakler als Mittelsperson im Sinne des Art. 9 Abs. 4
EGVVG a.F. an (so: Dörner in BK-VVG, Art. 9 EGVVG Rn. 42; Schäfer in
Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. Internationales Versicherungsver-
tragsrecht
Rn. 255;
Armbrüster
in
Prölss/Martin
aaO
Rn. 30;
MünchKomm-BGB/Martiny, 4. Aufl. Art. 37 EGBGB Rn. 106; Staudinger/
Armbrüster (2011), Anhang zu Art. 7 Rom I-VO Rn. 34; Geiger, Der
Schutz der Versicherten im Europäischen Binnenmarkt, 1992 S. 128;
Gruber, Internationales Versicherungsvertragsrecht, 1999 S. 93 f.; Kra-
mer, Internationales Versicherungsvertragsrecht, 1995 S. 204 f.; Liauh,
Internationales Versicherungsvertragsrecht, 2000 S. 53; Uebel, Die deut-
schen Kollisionsnormen für (Erst-)Versicherungsverträge mit Ausnahme
der Lebensversicherung über in der Europäischen Wirtschaftsgemei n-
schaft belegene Risiken, 1994 S. 129; von Oertzen, Asset Protection im
deutschen Recht, 2007 Rn. 163; Hübner in Europäisches Gemeinschaft-
recht und Internationales Privatrecht, S. 111, 119; Basedow/Drasch,
NJW 1991, 785, 791 f.; Imbusch, VersR 1993, 1059, 1063; Worgulla/
Thonemann, ErbStB 2008, 171, 173; a.A. für den "autonom auftretenden
Makler": Roth in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-
Handbuch 2. Aufl. § 4 Rn. 112; für den "unabhängigen Makler": Winter,
VersR 2001, 1461, 1467).
(2) Daran ist zutreffend, dass der im Inland niedergelassene Versi-
cherungsmakler in der Regel Mittelsperson im Sinne des Art. 9 Abs. 4
EGVVG a.F. ist (hierzu (a)). Ob er stets als Mittelsperson qualifiziert
werden muss, bedarf keiner Entscheidung, weil er jedenfalls im Streitfall
als solche anzusehen ist (hierzu (b)).
26
27
- 11 -
(a) Hinter der begrenzten Eröffnung der allgemeinen Rechtswahl in
den Fällen des Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. stand die Erwägung, dass ein
Versicherungsnehmer mit Sitz im Inland dann keines Schutzes gegen
das Aufdrängen eines fremden Versicherungsvertragsrechts bedarf,
wenn er - anders als der typische Verbraucher - aus eigener Initiative
den Geltungsbereich der deutschen Gesetze ver lässt, indem er sich ins
Ausland begibt (Dörner in Bruck/Möller aaO Rn. 28; ders. in BK-VVG
aaO Rn. 39; Schäfer in Looschelders/Pohlmann aaO; Roth in Beck-
mann/Matusche-Beckmann, 2. Aufl. aaO; Basedow/Drasch aaO 792;
Mankowski, VersR 1993, 154, 162; ders., VersR 1999, 923, 930; Worgul-
la/Thonemann aaO 172 f.; ähnlich: OLG Dresden, Urteil vom 23. Mai
2013 - 4 U 1965/12, nicht veröffentlicht, S. 9; Staudinger/Armbrüster aaO
Rn. 33; Geiger aaO S. 128; zur Verwendung in § 105 VAG: Laars, VAG
3. Aufl. § 105 Rn. 2; Pohlmann in Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG
5. Aufl. § 105 Rn. 39; Prölss, VAG 12. Aufl. § 105 Rn. 8). Dem steht es
nicht gleich, wenn sich ein Versicherungsnehmer auf der Suche nach
geeignetem Versicherungsschutz an einen Versicherungsmakler im In-
land wendet, der ihm in der Folge Versicherungsschutz im Ausland ve r-
mittelt, weil sich der Versicherungsnehmer in solchen Fällen nicht auf e i-
gene Veranlassung hin aus dem Geltungsbereich des deuts chen Versi-
cherungsvertragsrechts hinaus begibt.
Daran ändert der von der Revision hervorgehobene Umstand
nichts, dass der Versicherungsmakler im Bereich des Versicherungsve r-
hältnisses als treuhänderischer Sachwalter des von ihm betreuten Vers i-
cherungsnehmers in dessen Lager steht und dessen Interessen wahrz u-
nehmen hat (vgl. Senatsurteil vom 26. März 2014 - IV ZR 422/12, VersR
2014, 625 Rn. 25; BGH, Urteile vom 12. Dezember 2013 - III ZR 124/13,
BGHZ 199, 216 Rn. 13; vom 20. Januar 2005 - III ZR 251/04, BGHZ 162,
28
29
- 12 -
67, 78; jeweils m.w.N.). Damit mag der Versicherungsnehmer zwar nicht
in gleicher Weise schutzbedürftig erscheinen, wie in Fällen, in denen er
bei Vertragsschluss über keinen entsprechenden Berater verfügte. Auch
eine entsprechende Beratung lässt das durch die gesetzliche Regelung
anerkannte Schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers aber nicht zur
Gänze entfallen. Dies wird schon aus der Einordnung des Versiche-
rungsmaklers in den Gesetzgebungsmaterialien deutlich. Diese ist ent-
gegen der Auffassung der Revision nicht etwa deshalb als überholt an-
zusehen, weil sich die Schutzbedürftigkeit des Versicherungsnehmers
seither verändert hätte. Vielmehr war schon vor Einführung des Art. 9
Abs. 4 EGVVG a.F. anerkannt, dass der Versicherungsmakler als tre u-
händerischer Sachwalter des Versicherungsnehmers anzusehen ist, den
umfassende Pflichten gegenüber jenem treffen (Senatsurteil vom 22. Mai
1985 - IVa ZR 190/83, BGHZ 94, 356, 359).
Entgegen der Ansicht der Revision ist auch nicht erkennbar, inwie-
fern schon sprachlich ein Betreiben des Versicherungsgeschäfts durch
Mittelspersonen ausscheidet, wenn Versicherungsverträge über Versi-
cherungsmakler zustande kommen. Trotz seiner Nähe zum Versiche-
rungsnehmer steht der Versicherungsmakler in einem Doppelrechtsve r-
hältnis zum Versicherungsnehmer einerseits und zum Versicherer and e-
rerseits (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Oktober 1994 - IV ZR 39/94, juris;
MünchKomm-VVG/Reiff, 2. Aufl. § 59 VVG Rn. 43; Pohlmann in Fahr/
Kaulbach/Bähr/Pohlmann aaO Rn. 46; Reiff, VersR 2012, 645), was sei-
ne grundsätzliche Einordnung als Mittelsperson nicht in Frage stellt,
sondern unterstreicht.
(b) Nach dieser Maßgabe ist im Streitfall der Versicherungsmakler
des Klägers als Mittelsperson der Beklagten im Sinne von Art. 9 Abs. 4
EGVVG a.F. anzusehen.
30
31
- 13 -
Dabei ist weder entscheidend, ob die Beklagte, wie sie vorgetr a-
gen hat, im Inland nicht selbst aktiv geworden ist, noch ist von Belang,
wie die Identitätsprüfung des Klägers erfolgte. Vielmehr ist ausschlagge-
bend, dass dem Kläger Versicherungsschutz seitens der im Ausland an-
sässigen Beklagten durch einen Dritten, der als Versicherungsmakler
auch in Rechtsbeziehung zur Beklagten stand, im Inland offeriert wurde.
Ob ausnahmsweise eine abweichende Einordnung des Versiche-
rungsmaklers geboten wäre, wenn sich dieser im Auftrag des Versiche-
rungsnehmers eigens außerhalb Deutschlands auf die Suche begibt, um
dort geeignet erscheinenden Versicherungsschutz zu beschaffen, kann
insofern offen bleiben. Dieser Sonderfall liegt hier nach den getroffenen
Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor.
bb) Auch die übrigen Voraussetzungen, die eine Beschränkung der
in Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. eröffneten Rechtswahl begründen, sind hier
unabhängig davon, welche Anforderungen insofern an die Mitwirkung
des Versicherungsmaklers zu stellen sind , gegeben.
Nach einer am Wortlaut der Vorschrift orientierten Ansicht genügt
es, wenn der ausländische Versicherer über einen Mittelsmann in
Deutschland tätig ist, ohne dass dieser etwas mit dem Vertragsschluss
im konkreten Fall zu tun haben muss (MünchKomm-BGB/Martiny aaO;
Staudinger/Armbrüster aaO Rn. 34; Armbrüster in Prölss/Martin aaO;
Schäfer in Looschelders/Pohlmann aaO; Gruber aaO S. 92, 95; Kramer
aaO S. 208 f.; von Oertzen aaO). Nach der mehr auf den Gesetzeszweck
abstellenden Gegenauffassung ist die Rechtswahl gemäß Art. 9 Abs. 4
EGVVG a.F. hingegen nur dann ausgeschlossen, wenn der konkrete Ver-
trag durch Vermittlung einer inländischen Mittelsperson des Versicherers
32
33
34
35
- 14 -
zustande gekommen ist (Dörner, Internationales Versicherungsvertrags-
recht, 1997 Art. 9 EGVVG Rn. 42; ders. in BK-VVG, Art. 9 EGVVG
Rn. 42; Geiger aaO S. 128 f.; Basedow/Drasch aaO; Worgulla/Thone-
mann aaO 171, 174; differenzierend: Pohlmann in Fahr/Kaulbach/Bähr/
Pohlmann aaO Rn. 43 f.)
Der Meinungsstreit kann hier offenbleiben. Da der streitgegen-
ständliche Versicherungsvertrag im Inland durch einen Versicherungs-
makler als Mittelsperson der Beklagten vermittelt worden war, war nach
allen genannten Ansichten die Rechtswahl nach Art. 9 Abs. 4 EGVVG
a.F. nicht eröffnet.
cc) Eine teleologische Erweiterung des Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F.
im Sinne einer Ausdehnung der Rechtswahlmöglichkeit nach den
Grundsätzen der richtlinienkonformen Auslegung ist nicht geboten. Der
Senat ist entgegen der Anregung der Revision nicht gemäß Art. 267
Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Eur o-
päischen Union (AEUV) gehalten, zunächst eine Vorabentscheidung des
Gerichtshofs der Europäischen Union über die Frage einzuholen, ob die
Vorgaben der Richtlinie 2002/83/EG vom 5. November 2002 (im Folgen-
den: Vierte Richtlinie Lebensversicherung) einer Qualifikation des Versi-
cherungsmaklers als Mittelsperson nach Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. ent-
gegenstehen. Dabei kann offenbleiben, ob eine solche Rechtssicht an-
gesichts der eindeutigen Entscheidung des deutschen Gesetzgebers
(BT-Drucks. 11/6341 S. 24) im Wege der richtlinienkonformen Auslegung
überhaupt umgesetzt werden könnte (vgl. BVerfGE 119, 247, 274;
BVerfG, NJW 2012, 669 Rn. 45-47, jeweils m.w.N.). Einer entsprechen-
den Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es schon
deshalb nicht, weil die richtige Auslegung der Vierten Richtlinie Lebens-
versicherung bezogen auf die Eröffnung der Rechtswahl durch Art. 9
36
37
- 15 -
Abs. 4 EGVVG a.F. hier keinen Zweifeln unterliegt (vgl. BVerfG r+s 2015,
332 Rn. 28).
(1) Die Vierte Richtlinie Lebensversicherung verpflichtet die Mit-
gliedstaaten entgegen der Auffassung der Revision nicht, eine Rechts-
wahl für Versicherungsverträge zwischen einem Versicherung snehmer
mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat und dem in einem
anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Versicherer zu ermöglichen,
soweit der Vertragsschluss über einen Versicherungsmakler erfolgte , der
in dem Mitgliedstaat niedergelassen ist, in dem der Versicherungsneh-
mer seinen gewöhnlichen Wohnsitz hat.
Art. 32 Abs. 2 der Richtlinie gewährleistet den Parteien des Vers i-
cherungsvertrages eine (beschränkte) Rechtswahl dann, wenn der Vers i-
cherungsnehmer eine natürliche Person ist, die ihren gewöhnlichen Auf-
enthaltsort in einem anderen Mitgliedstaat hat als dem, dessen Staat s-
angehörigkeit sie besitzt. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Im Übrigen sieht die Richtlinie in Art. 32 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1
Buchst. g die Möglichkeit der Rechtswahl ausschließlich vor, sofern dies
nach dem Recht des Mitgliedstaates zulässig ist, in dem der Versich e-
rungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder sich - im Falle der
juristischen Person - seine Niederlassung befindet, auf die sich der Ve r-
trag bezieht. Diese Regelung, die ihren Ursprung in Art. 7 Abs. 1 Satz 1
Buchst. a und d der Richtlinie 88/357/EWG vom 22. Juni 1988 (im Fol-
genden: Zweite Richtlinie Schadensversicherung) hat, gibt den Mitglied-
staaten - als Kompromiss zur Eröffnung der Parteiautonomie - nationale
Spielräume, über die zwingenden Vorgaben der Richtlinie hinaus
Rechtswahlfreiheit in Fällen einzuräumen, in denen kraft objektiver A n-
knüpfung nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 ihr Recht Vertragsstatut wäre (vgl.
38
39
40
- 16 -
Roth in BK-VVG, Europ. VersR Rn. 132, 137; Dörner in Bruck/Möller aaO
Rn. 29; MünchKomm-VVG/Looschelders, Internationales Versicherungs-
vertragsrecht Rn. 72; Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Eur o-
päische Gemeinschaft, 1999 S. 231 f.; Schnyder, Europäisches Banken-
und Versicherungsrecht, 2005 S. 207; Stehl, Die Überwindung der Inko-
härenz des Internationalen Privatrechts der Bank- und Versicherungsver-
träge, 2008 S. 149; Uebel aaO S. 41; Perner, IPRax 2009, 218, 221).
Diese Befugnis hat der deutsche Gesetzgeber in Art. 9 Abs. 4 EGVVG
a.F. genutzt, wobei er sich von seiner Einschätzung der Schutzbedürfti g-
keit des Versicherungsnehmers hat leiten lassen (Mankowski, VersR
1993, 154, 162).
(2) Das widerspricht - anders als die Revision meint - nicht den
Vorgaben des Art. 33 der Vierten Richtlinie Lebensversicherung. Danach
darf der Mitgliedstaat der Verpflichtung den Versicherungsnehmer nicht
daran hindern, einen Vertrag mit einem gemäß Art. 4 der Richtlinie zug e-
lassenen Versicherungsunternehmen zu schließen, solange der Vertr ag
nicht im Widerspruch zu den in dem Mitgliedstaat der Verpflichtung ge l-
tenden Rechtsvorschriften des Allgemeininteresses steht . Diese Bestim-
mung, die Art. 28 der Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992 (im
Folgenden: Dritte Richtlinie Lebensversicherung) entspricht, ist darauf
gerichtet, das nationale Aufsichts-, Eingriffs- und zwingende Privatrecht
einer Kontrolle nach den Maßstäben der primärrechtlich gewährle isteten
Dienstleistungsfreiheit zu unterziehen (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urteil vom
25. November 2005 - E-1/05 Rn. 34, abrufbar unter www.eftacourt.int;
Pearson in International Insurance Contract Law in the EC, 1993 S. 1, 9;
Roth in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch
3. Aufl. § 4 Rn. 14). Dabei kann dahinstehen, ob die Vorschrift insofern
(auch) als Norm des internationalen Privatrechts anzusehen ist (befü r-
41
- 17 -
wortend: Mewes, Internationales Versicherungsvertragsrecht unter b e-
sonderer Berücksichtigung der europäischen Dienstleistungsfreiheit im
Gemeinsamen Markt, 1995 S. 193-195, 225; Stehl aaO S. 154; Smul-
ders/Glazener, CML Rev. 1992, 775, 796; ablehnend: Geiger aaO
S. 325; Fahr, VersR 1992, 1033, 1036; alle zu Art. 28 der Dritten Richtl i-
nie Lebensversicherung). Jedenfalls gewährleistet sie entgegen der Auf-
fassung der Revision nicht die dispositive Anknüpfung des Vertragssta-
tuts an das Recht des Herkunftsstaats des Versicherers, von der ein Mit-
gliedstaat nur unter Berufung auf das Allgemeininteress e abrücken dürfte
(vgl. Roth in BK-VVG aaO Rn. 105; Drasch, Das Herkunftslandprinzip im
internationalen Privatrecht, 1997 S. 217, 221; zum Begriff des Allgemein-
interesses: EuGH, Slg. 1986, 3793 = NJW 1987, 572 Rn. 27).
Dies ergibt sich bereits aus ihrer systematischen Stellung im An-
schluss an Art. 32 der Vierten Richtlinie Lebensversicherung, der eine
ausdifferenzierte kollisionsrechtliche Regelung zu den Rechtswahlmö g-
lichkeiten der Vertragsparteien enthält, die im Falle der Auslegung des
Art. 33 im Sinne der Revision weitgehend ihren Sinn verlöre und über-
flüssig würde (vgl. Drasch aaO S. 216 zu Art. 28 der Dritten Richtlinie
Lebens- und Schadensversicherung; Mankowski, VersR 1993, 154, 159
zum vergleichbaren Problem des Verweises in der Zweiten Richtlinie
Schadensversicherung auf das EVÜ).
Die grundsätzliche Anknüpfung der Lebensversicherungsverträge
an den gewöhnlichen Aufenthalt des Versicherungsnehmers wurde aus
Gründen des kollisionsrechtlichen Verbrauchersch utzes vorgesehen (vgl.
Franzen aaO S. 234). Diesem Sinn und Zweck liefe es zuwider, wenn
Art. 33 der Vierten Richtlinie Lebensversicherung ohne weiteres eine
Rechtswahl zugunsten des Rechts des Versicherers eröffnete, die selbst
die spätere Rom I-VO nicht vorsieht (vgl. deren Art. 7 Abs. 3). Zwar dient
42
43
- 18 -
die Richtlinie ausweislich ihres 46. Erwägungsgrundes , den die Revision
zu Recht zitiert, der Produktauswahlfreiheit zugunsten des Versich e-
rungsnehmers. Demgegenüber betont der 44. Erwägungsgrund aber zu-
gleich die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, die Anwendung ihres eigenen
Rechts bei Versicherungsverträgen vorzuschreiben, bei denen Versiche-
rer Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet eingehen (vgl. Drasch aaO
S. 217).
Nicht zuletzt spricht die Entstehungsgeschichte der Vorschrift of-
fenkundig gegen die Deutung von Art. 33 der Vierten Richtlinie Leben s-
versicherung im Sinne der Verbürgung einer dispositiven Anknüpfung
des Vertragsstatuts an das Recht des Mitgliedstaates, in dem sich die
Niederlassung des Versicherers befindet. Art. 25 des Vorschlags der
Kommission vom 27. Juli 1990 (ABl. EG 1990 Nr. C 244/28) und Art. 24
des Vorschlags der Kommission vom 25. Februar 1991 (ABl. EG 1991
Nr. C 99/2) für eine Dritte Richtlinie Lebensversicherung sahen vor, dass
der Mitgliedstaat der Verpflichtung den Versicherungsnehmer grundsät z-
lich nicht daran hindern dürfe, einen Vertrag "gemäß der Regelung des
Herkunftsmitgliedstaats“ zu unterzeichnen. Nachdem im Schrifttum
Stimmen laut geworden waren, die darin eine Kollisionsregel erblickten
(vgl. Lorenz, ZVersWiss 1991, 121, 139; Reichert-Facilides in Internatio-
nal Insurance Contract Law in the EC, 1993 S. 11, 14 f.), wies die Kom-
mission darauf hin, dass ein derartiger Regelungsgehalt nicht beabsic h-
tigt sei (Geiger aaO S. 325; Stehl aaO S. 153; Fahr, VersR 1992, 1033,
1036). Letztlich wurde Art. 28 der erlassenen Richtlinie dahin gefasst,
dass der Mitgliedstaat der Verpflichtung den Versicherungsnehmer
grundsätzlich nicht daran hindern dürfe, einen Vertrag zu unterzeichnen,
der "
mit einem gemäß […] zugelassenen Versicherungsunternehmen"
abgeschlossen wurde. Ungeachtet der Frage, ob die Entwurfsfassung im
44
- 19 -
Sinne der Revision auszulegen gewesen wäre, spricht die Endfassung
der Vorschrift, deren Wortlaut von Art. 33 der Vierten Richtlinie Leben s-
versicherung insoweit nicht abweicht, eindeutig für eine Verbürgung nur
der freien Wahl des Versicherers, nicht aber des Rechts seines Her-
kunftsstaates.
(3) Auch die Grundsätze der so genannten passiven Dienstleis-
tungsfreiheit veranlassen keine abweichende Auslegung des Begriffs der
Mittelsperson in Art. 9 Abs. 4 EGVVG a.F. Anders als die Revision meint,
gebieten sie insbesondere nicht, dass bei Zustandekommen eines Le-
bensversicherungsvertrages über einen Versicherungsmakler, der in dem
Mitgliedsstaat niedergelassen ist, in dem der Versicherungsnehmer sei-
nen gewöhnlichen Aufenthalt hat, dieselben Rechtswahlm öglichkeiten
bestehen müssten wie beim Abschluss im Korrespondenzwege.
Das Konzept der passiven Dienstleistungsfreiheit wurde durch die
Richtlinie 90/619/EWG vom 8. November 1990 (im Folgenden: Zweite
Richtlinie Lebensversicherung) zur Begrenzung der Reichweite der Auf-
sichtsbefugnisse im Bestimmungsstaat der Dienstleistung eingeführt und
bereits nach Maßgabe der Dritten Richtlinie Lebensversicherung von der
umfassenden Dienstleistungsfreiheit wieder abgelöst (vgl. Geiger aaO S.
285; Schnyder aaO S. 42; Stehl aaO S. 152). Dabei erfolgte die Unter-
scheidung zwischen gewährleisteter passiver und (noch) nicht eröffneter
aktiver Dienstleistungsfreiheit auf Grundlage des Initiativmodells gemäß
Art. 13 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung (vgl. Schnyder aa O;
Stehl aaO). Danach galt das Herkunftslandprinzip, wenn sich der Vers i-
cherungsnehmer auf eigene Initiative u.U. auch über einen Versich e-
rungsmakler an einen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen
Versicherer wandte (Geiger aaO S. 285; vgl. auch: Becker, VW 1990,
682, 684 f.).
45
46
- 20 -
Während das Initiativmodell für das Versicherungsaufsichtsrecht
vorübergehend Geltung erlangte, findet sich in der Zweiten Richtlinie L e-
bensversicherung für den Bereich des Kollisionsrechts keine entspr e-
chende Differenzierung (Schnyder in Aspekte des internationalen Vers i-
cherungsvertragsrechts im Europäischen Wirtschaftsraum, 1994 S. 49,
62; Stehl aaO S. 152). Zwar sah Art. 4 Abs. 3 des Vorschlags der Kom-
mission für eine Zweite Richtlinie Lebensversicherung vom 23. Deze m-
ber 1988 (ABl. EG 1989 Nr. C 38/7) für den Fall, dass sich der Versich e-
rungsnehmer auf eigene Initiative an den Versicherer wendet, vor, dass
der Staat, dessen Recht auf den Vertrag Anwendung findet, dem Vers i-
cherungsnehmer nicht verbieten kann, eine Verpflichtung einzugehen,
die nach dem Recht des Herkunftslandes, welches das Land bezeichnet,
in dem sich der Sitz des Versicherers befindet (Kollhosser in Prölss aaO
Vor § 110a Rn. 2), zulässig ist. Unabhängig davon, ob diese Bestimmung
im Sinne der Revision auszulegen gewesen wäre, wurde sie aber nicht
Teil der erlassenen Richtlinie. Vielmehr stellen deren kollisionsrechtli-
chen Vorgaben nicht auf die Umstände des Vertragsschlusses ab (Stehl
aaO 151 f.), so dass der deutsche Gesetzgeber nicht daran gehindert
war, bei der begrenzten Eröffnung der Rechtswahl in Art. 9 Abs. 4
EGVVG a.F. entsprechend seiner Einschätzung des Schutzbedürfnisses
des Versicherungsnehmers zu differenzieren.
3. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem
Kläger gegen die Beklagte der zuerkannte Bereicherungsanspruch zu-
steht.
a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag
schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlungen, da er infolge des
Widerspruchs des Klägers nicht wirksam zustande gekommen ist. Der
Kläger war gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. zum Widerspruch b e-
47
48
49
- 21 -
rechtigt und übte dieses Recht - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a
Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig aus.
aa) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen
des Berufungsgerichts ist der Versicherungsvertrag im sogenannten Po-
licenmodell des § 5a VVG a.F. zustande gekommen. Weiterhin hat das
Berufungsgericht festgestellt, dass die Beklagte den Kläger nicht or d-
nungsgemäß im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das ihm
zustehende Widerspruchsrecht belehrte. Dagegen erhebt die Revision
keine Rügen.
bb) Für einen solchen Fall der nicht ordnungsgemäßen Wider-
spruchsbelehrung bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass
das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.
Es bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt
der Widerspruchserklärung fort.
Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2
Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Ge-
richtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR
2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11,
BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die
Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert
werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten
Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon er-
fasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen
zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht,
wenn der Versicherungsnehmer - wie hier - nicht ordnungsgemäß über
das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbra u-
cherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten ha t.
50
51
52
- 22 -
b) Das Berufungsgericht ist danach zutreffend davon ausgegan-
gen, dass der Kläger von der Beklagten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1
Alt. 1 BGB die Rückzahlung der von ihm entrichteten Versicherungsbe i-
träge verlangen kann, wobei zu Lasten des Klägers der Wert des von
ihm bis zu seinem Widerspruch genossenen Versicherungsschutzes an-
zurechnen ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Memmingen, Entscheidung vom 09.04.2014 - 32 O 651/13 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 08.01.2015 - 14 U 2110/14 -
53