Urteil des BGH vom 21.07.2011

Leitsatzentscheidung zu Avb, Ausschluss der Haftung, Versicherungsnehmer, Eigenes Verschulden, Versicherungsschutz

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 42/10
Verkündet am:
21. Juli 2011
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AVB Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte und Patentan-
wälte (hier § 12 I Nr. 1 und III AVB-A)
Die Sozienklausel in § 12 I Nr. 1 i.V.m. § 12 III AVB-A ist wirksam und auf Scheinso-
zien anwendbar.
BGH, Urteil vom 21. Juli 2011 - IV ZR 42/10 - OLG München
LG Ingolstadt
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die
mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2011
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten wird das Urteil des
25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom
23. Februar 2010 aufgehoben. Das Urteil des Landge-
richts Ingolstadt vom 9. Juni 2009 wird geändert und die
Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Versicherungsleistungen aus
einem Berufshaftpflichtversicherungsvertrag in Anspruch.
Sie war von August 2000 bis Juli 2005 als angestellte Rechtsa n-
wältin in einer Sozietät tätig, trat nach außen auf dem Briefpapier und in
Anzeigen aber als Gesellschafterin auf. Sie wurde von einem ehemaligen
Mandanten der Sozietät auf Schadensersatz in Höhe von 111.044,11
wegen Veruntreuung von Geldern durch die beiden Sozien in Anspruch
genommen. Der Rechtsstreit endete mit einem Vergle ich, in dem sich die
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Klägerin verpflichtete, 55.000
€ Schadensersatz zu zahlen, von denen
sie bisher 4.400
€ erbracht hat.
Dem Versicherungsvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Bekla g-
ten liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Verm ö-
gensschaden-Haftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und Patentan -
wälten - AVB-A - zugrunde. Diese lauten auszugsweise:
"§ 4 Ausschlüsse
Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf Haf t-
pflichtansprüche
3. wegen Schäden durch Veruntreuung durch Personal,
Sozien oder Angehörige des Versicherungsnehmers;
5. wegen Schadenverursachung durch wissentliches A b-
weichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedin-
gung des Auftraggebers oder durch sonstige wissentliche
Pflichtverletzung. Der Versicherungsnehmer behält, wenn
dieser Ausschlussgrund nicht in seiner Person und auch
nicht in der Person eines Sozius vorliegt - unbeschadet
der Bestimmungen des § 7 IV 2 - den Anspruch auf Versi-
cherungsschutz.
§ 12 Sozien
I. 1. Als Sozien gelten Berufsangehörige, die ihren Beruf
nach außen hin gemeinschaftlich ausüben, ohne Rüc k-
sicht darauf, ob sie durch Gesellschaftsvertrag oder einen
anderen Vertrag verbunden sind.
III. Ein Ausschlussgrund nach § 4, der in der Person eines
Sozius vorliegt, geht zu Lasten aller Sozien."
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Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung von 4.400 € und Fest-
stellung von Deckungsschutz stattgegeben; das Oberlandesgericht hat
die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die
Beklagte mit der Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass der in den Versich e-
rungsbedingungen der Beklagten vorgesehene Ausschluss des Versich e-
rungsschutzes wegen Schäden aus Veruntreuungen durch Sozien nicht
eingreife. Denn die Klauseln in § 12 I Nr. 1 AVB-A, wonach auch Berufs-
angehörige, die nach außen als (Schein-)Gesellschafter auftreten, als
Sozien gelten, und in § 12 III AVB-A, der zufolge ein Ausschlussgrund
nach § 4 AVB-A in der Person eines Sozius zu Lasten aller Sozien w irke,
seien nicht Vertragsbestandteil geworden und unwirksam. § 12 I Nr. 1
AVB-A sei als überraschende Klausel (§ 305c Abs. 1 BGB) "unwirksam",
weil sie im Text geradezu versteckt sei. Hilfsweise ergebe sich die U n-
wirksamkeit von § 12 I Nr. 1 i.V.m. § 12 III AVB-A daraus, dass die Klau-
seln inhaltlich unangemessen seien, weil sie mit wesentlichen Grundg e-
danken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen werde, nicht zu
vereinbaren seien und auch wesentliche Rechte und Pflichten ei n-
schränkten, die sich aus der Natur des Vertrages ergäben. Der Vertrags-
zweck sei gefährdet, weil der Risikoausschluss durch Erstreckung auf
Scheinsozien über das nach § 51 Abs. 3 Nr. 5 BRAO zulässige Maß hin-
aus ausgeweitet werde, so dass der gesetzlich vorgeschriebene Vers i-
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cherungsschutz nicht mehr im vollen Umfang gewährleistet sei (§ 307
Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB).
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Ansicht des Berufungsgerichts, § 12 I Nr. 1 und § 12 III AVB-A
seien nach § 305c Abs. 1 BGB als überraschende Klauseln wegen der
Gleichstellung von Scheinsozien mit Sozien unter der Überschrift "S o-
zien" nicht Vertragsbestandteil geworden, hilfsweise seien sie nach
§ 307 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB unwirksam, ist rechtsfehlerhaft.
1. Die Anwendung der Klauseln scheitert entgegen der Auffassung
der Revision nicht bereits daran, dass die Klägerin und ihre Kollegen j e-
weils eigenständige Versicherungsverträge mit der Beklagten abg e-
schlossen haben.
Vielmehr setzt die Sozienklausel nach ihrem dem Versicherung s-
nehmer erkennbaren Regelungszusammenhang den Abschluss eige n-
ständiger Versicherungsverträge gerade voraus. Sie erfasst solche D e-
ckungskonzepte, bei denen mehrere Berufsträger, die ihren Beruf g e-
meinschaftlich ausüben, separat versichert sind. Hingegen hat die Sozi-
enklausel keine Bedeutung, wenn die Sozietät selbst Versicherungsne h-
merin ist. Wenn eine Sozietät für sich eine Berufshaftpflichtversicherung
abschließt, sind die in ihr tätigen Berufsträger in diese einbezogen ( vgl.
Diller, Die Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte § 12 Rn. 4).
Demgemäß werden Umstände, die aufgrund des Verhaltens eines Sozi e-
tätsmitglieds einen Haftungsausschluss begründen, der Sozietät zug e-
rechnet, ohne dass es eines Rückgriffs auf § 12 III AVB-A bedürfte.
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2. Der in § 12 I Nr. 1 i.V.m. § 12 III AVB-A festgelegte Leistungs-
ausschluss für Scheinsozien hält einer Bedingungskontrolle stand. Die
Klauseln sind Vertragsbestandteil geworden und wirksam.
a) Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung
so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei
verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung
des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann (Senatsurteil e
vom 17. Dezember 2008 - IV ZR 9/08, VersR 2009, 341 Rn. 16 m.w.N.;
vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85). Dabei kommt es
auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne
versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine I n-
teressen an, die unter anderem dahin gehen, Risikoausschlussklauseln
eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres
wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert
(vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 2008 aaO Rn. 17 m.w.N.).
b) Das bedeutet hier:
In § 1 AVB-A verspricht die Beklagte Versicherungsschutz für den
Fall, dass der Versicherungsnehmer wegen eines bei der Ausübung b e-
ruflicher Tätigkeit - von ihm selbst oder einer Person, für die er einzutre-
ten hat - begangenen Verstoßes von einem anderen aufgrund gesetzli-
cher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts für einen Verm ö-
gensschaden verantwortlich gemacht wird. Bei Durchsicht des in § 4
AVB-A enthaltenen Katalogs der "Ausschlüsse" erfährt der Versich e-
rungsnehmer jedoch, dass sich die allgemeine Leistungszusage nicht auf
die dort näher umschriebenen Haftpflichtansprüche bezieht und insb e-
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sondere Schäden durch Veruntreuung durch Personal, Sozien oder A n-
gehörige des Versicherungsnehmers ausnehmen soll. Bei weiterer
Kenntnisnahme der Klauseln wird der Versicherungsnehmer unter § 12
AVB-A ("Sozien") in I Nr. 1 feststellen, dass als Sozien die Berufsange-
hörigen gelten, die ihren Beruf nach außen hin gemeinschaftlich aus -
üben, ohne Rücksicht darauf, ob sie durch Gesellschaftsvertrag oder e i-
nen anderen Vertrag verbunden sind. Bereits dadurch ist verdeutlicht,
dass die Ausschlussgründe in § 4 AVB-A auf alle Sozien - und zwar auch
auf Scheinsozien - Anwendung finden sollen. § 12 III AVB-A hebt nur
nochmals hervor, dass ein Ausschlussgrund, der in der Pe rson eines So-
zius vorliegt, nach § 4 AVB-A zu Lasten aller Sozien, wie sie in § 12 I
Nr. 1 AVB-A bestimmt werden, geht.
3. In dieser Auslegung, die Scheinsozien in den Anwendungsb e-
reich einbezieht, handelt es sich bei § 12 I Nr. 1 i.V.m. III AVB-A nicht
um eine überraschende Klausel i.S. von § 305c Abs. 1 BGB.
a) Überraschend ist eine Klausel nur, wenn sie eine Regelung en t-
hält, die von den Erwartungen des typischerweise damit konfrontierten
Versicherungsnehmers - hier eines Rechts- oder Patentanwalts - in einer
Art und Weise deutlich abweicht, mit der er nach den Umständen ve r-
nünftigerweise nicht zu rechnen braucht (st. Rspr.; Senatsurteil vom
30. September 2009 - IV ZR 47/09, VersR 2009, 1622 Rn. 13). Es muss
sich um eine objektiv ungewöhnliche Klausel handeln, was nach den Ge-
samtumständen zu beurteilen ist. Als zweite Voraussetzung muss hinz u-
kommen, dass der andere Teil mit der Klausel "nicht zu rechnen
braucht". Dies kann auch dann der Fall sein, wenn sie im Vertragstext
falsch eingeordnet und dadurch geradezu "versteckt" wird. Dabei kommt
es allerdings nicht darauf an, an welcher Stelle sich die Klausel im Be-
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dingungswerk befindet (BGH, Urteil vom 21. Juli 2010 - XII ZR 189/08,
NJW 2010, 3152 Rn. 27).
b) Danach ist § 12 I Nr. 1 i.V.m. III AVB-A angesichts seines ge-
genüber § 4 Nr. 3 AVB-A lediglich klarstellenden Inhalts nicht überra-
schend. Von einem Rechtsanwalt ist zu erwarten, dass er die Aus -
schlusstatbestände des § 4 AVB-A zur Kenntnis nimmt und sodann den
nachfolgenden Klauseln hinreichende Beachtung schenkt. Das gilt auch
für die ausdrücklich mit "Sozien" überschriebene Klausel in § 12 AVB-A.
Für einen Rechtsanwalt, der - wie die Klägerin - im Innenverhältnis als
Angestellter tätig ist, im Außenverhältnis aber als Sozius auftritt , besteht
sogar besondere Veranlassung, auch die "Sozien" betreffenden Reglu n-
gen aufmerksam daraufhin durchzusehen, ob und in welchem Umfang
sie für ihn Geltung haben sollen.
4. Der Leistungsausschluss für Scheinsozien ist weder mit wesen t-
lichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen
wird, unvereinbar, noch schränkt er wesentliche Rechte und Pflichten
ein, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben (§ 307 Abs. 2 Nr. 1
und Nr. 2 BGB).
a) Die Klauseln weichen nicht vom gesetzlichen Leitbild des § 152
VVG a.F. ab.
aa) Nach § 149 VVG a.F. ist der Versicherer verpflichtet, dem Ve r-
sicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser aufgrund seiner
Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende
Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat. Dieser Grundsatz wird nac h-
folgend eingeschränkt, um zu verhindern, dass das Bestehen von Vers i-
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cherungsschutz die Herbeiführung von Schäden begünstigt. Nach § 152
VVG a.F., der einen subjektiven Risikoausschluss enthält, besteht bei
vorsätzlich widerrechtlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles durch
den Versicherungsnehmer keine Leistungspflicht des Versicherers. Im
Ausgangspunkt gefährdet der Versicherungsnehmer also (nur) bei eig e-
nem vorsätzlichen Handeln seinen Versicherungsschutz.
Allerdings darf der Versicherer von der Vorschrift durch Vereinb a-
rung auch zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweichen (vgl. S e-
natsurteil vom 21. April 1993 - IV ZR 33/92, VersR 1993, 830 unter I 3
b), wenn ihm dies auch nicht erlaubt, § 152 VVG a.F. schrankenlos durch
die Gestaltung seiner AVB auszudehnen (vgl. Senatsurteil vom 21. April
1993 aaO). Das ist indes durch die Sozienklausel nicht geschehen. Vie l-
mehr hat der Gesetzgeber das Leitbild des § 152 VVG a.F. insoweit er-
gänzt, als § 51 Abs. 3 Nr. 5 BRAO es ausdrücklich gestattet, dass der
Berufshaftpflichtversicherer für Rechtsanwälte die Haftung für Ersatza n-
sprüche wegen Veruntreuung durch Personal, Angehörige oder Sozien
ausschließt.
bb) Die Möglichkeit zur Risikobegrenzung ist in § 51 Abs. 3 Nr. 5
BRAO deshalb vorgesehen, um das Risiko für den Versicherer kalkulie r-
bar zu halten. Der Versicherer soll nicht für Schäden aus vorsätzlichen
Straftaten Deckung gewähren müssen, die in einer Sozietät begangen
werden, was aber der Fall wäre, wenn er für einen mithaftenden Sozius
eintreten müsste (vgl. Feuerich in Feuerich/Weyland, BRAO 7. Aufl. § 51
Rn. 22;
Zugehör/Schlee,
Handbuch
der
Anwaltshaftung
2. Aufl.
Rn. 2122). Der Gesetzgeber hat damit den Weg für eine Zurechnungsr e-
gelung eröffnet, nach der Versicherungsschutz aus der Berufshaftpflicht-
versicherung nicht gewährt werden muss, wenn der Versicherungsne h-
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mer im Außenverhältnis deshalb haftet, weil einer seiner Sozien eine
Veruntreuung begangen hat. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dem
Gesetzgeber nicht bewusst gewesen wäre, dass dabei kein eigenes Ve r-
schulden des Versicherungsnehmers gegeben ist. Er hat vielmehr durch
die Regelung in § 51 Abs. 3 Nr. 5 BRAO dem dargestellten Interesse des
Versicherers den Vorzug vor dem Interesse des Versicherungsnehmers
an lückenlosem Versicherungsschutz gegeben.
Vor diesem Hintergrund ist eine Gleichstellung der Scheinsozien
mit den Sozien nicht zu beanstanden, auch wenn sie vom Wortlaut des
§ 51 Abs. 3 Nr. 5 BRAO unmittelbar nicht erfasst werden. Das vom Ge-
setzgeber als schützenswert anerkannte Interesse besteht überall dort,
wo das Fehlverhalten eines Anwalts die Schaden sersatzpflicht eines
zweiten Anwalts nach sich zieht. Das trifft auch auf den angestellten
Rechtsanwalt zu, der nach außen wie ein Sozius ausgewiesen wird und
wie ein solcher auftritt.
cc) Sozien und Scheinsozien haften für Sozietätsverbindlichkeiten
analog § 128 HGB. Das gemeinschaftliche Auftreten nach außen ve r-
pflichtet auch bei Fehlen einer gesellschaftsrechtlichen Ver bundenheit
allegesamtschuldnerisch als Haftungsschuldner gegenüber dem Ma n-
danten. Der Mandatsvertrag kommt nach Rechtsscheingrundsätzen mit
allen Sozien und Scheinsozien zustande. Der angestellte Anwalt, der
nach außen wie ein Sozius agiert, gilt haftungsrechtlich als Sozius (vgl.
BGH, Urteile vom 3. Mai 2007 - IX ZR 218/05, BGHZ 172, 169, 174; vom
24. Januar 1991 - IX ZR 121/90, NJW 1991, 1225 unter II 1; für einzelne
Mitglieder: BGH, Urteil vom 8. Juli 1999 - IX ZR 338/97, NJW 1999, 3040
unter I 2; so auch die überwiegende Ansicht in der Literatur: Diller aaO
§ 1 Rn. 107; Terbille in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des
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Rechtsanwalts 7. Aufl. Rn. 1965; Stobbe in Henssler/Prütting, BRAO
3. Aufl. § 51 Rn. 136, 146; Grunewald, Festschrift für Peter Ulmer 2003,
141, 142 ff.; K. Schmidt, NJW 2005, 2801, 2809; Peres/Depping, DStR
2006, 2261, 2262 ff.; Lux, NJW 2008, 2309, 2311). Die Gleichstellung
beider schützt den Mandanten, der in der Regel nicht ohne weiteres e r-
kennen kann, ob ein Anwalt die Stellun g eines Sozius oder Scheinsozius
innehat. Die Haftung des Scheinsozius beruht auf dem Rechtsschein,
den er gesetzt hat und der ihm zugerechnet wird.
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gefährdet der Au s-
schluss der Haftung nicht den Vertragszweck.
aa) Eine Leistungsbegrenzung bedeutet für sich genommen noch
keine Vertragsgefährdung, sondern bleibt zunächst grundsätzlich der
freien unternehmerischen Entscheidung des Versicherers überlassen,
soweit er nicht mit der Beschreibung der Hauptleistung beim Versiche-
rungsnehmer falsche Vorstellungen weckt (Senatsurteil e vom 19. Mai
2004 - IV ZR 29/03, VersR 2004, 1035 unter II 3 b aa; vom 24. März
1999 - IV ZR 90/98, BGHZ 141, 137, 143). Eine Gefährdung liegt erst
dann vor, wenn die Einschränkung den Vertrag seinem Gegenstand nach
aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht
(Senatsurteil vom 11. Februar 2009 - IV ZR 28/08, VersR 2009, 533
Rn. 19 m.w.N.).
bb) Dies ist hier nicht anzunehmen. Der Ausschluss der Haftung
dient dem legitimen Ziel des Versicherers, ihn und damit auch die G e-
meinschaft der Versicherten vor unkalkulierbaren finanziellen Belastu n-
gen zu schützen. Dieser Gefahr hat - wie ausgeführt - der Gesetzgeber
mit § 51 Abs. 3 Nr. 5 BRAO Rechnung getragen. Die Versicherungsneh-
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mer werden dadurch nicht unangemessen benachteiligt. Die Verpflic h-
tung, eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus der
anwaltlichen Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Verm ö-
gensschäden abzuschließen und während der Dauer der Zulassung lü-
ckenlos aufrechtzuerhalten, dient vorrangig dem Schutz des rechts u-
chenden Publikums (BT-Drucks. 12/4993 S. 31 zu Nr. 22; Stobbe aaO
§ 51 Rn. 10). Die Berufshaftpflichtversicherung will zwar auch den
Rechtsanwalt vor dem Risiko schützen, im Haftungsfall eigenes Vermö-
gen einzubüßen oder bei sein Vermögen übersteigenden Schäden seine
wirtschaftliche Existenz zu verlieren. Um aber sicherzustellen, dass jeder
Rechtsanwalt im Haftungsfall erfolgreich in Anspruch genommen werden
kann, wird die Pflicht zum Abschluss und zur weiteren Aufrechterhaltung
der Berufshaftpflichtversicherung gesetzlich vorgeschrieben; der Gese t-
zesbegründung ist dazu zu entnehmen, dass zur Existenzsicherung des
Anwalts ein Versicherungsgebot, wie jetzt in § 51 Abs. 3 Nr. 5 BRAO
vorgesehen, als ausreichend angesehen wurde (BT-Drucks. 12/4993
aaO; Stobbe aaO). Angestellte Anwälte und freie Mitarbeiter können z u-
dem einem Rechtsschein vorbeugen, indem sie ihren wahren Status auf
Kanzleischildern und Formularen deutlich machen.
cc) Schließlich lässt sich eine Gefährdung des Vertragszwecks
entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht aus § 158b
Abs. 2 VVG a.F. herleiten. § 152 VVG a.F. ist - wie ausgeführt - abding-
bar. Dass § 51 BRAO eine Versicherungspflicht für den Anwalt begrün-
det und der Versicherer dem Versicherungsnehmer den Bestand dieser
Versicherung bescheinigen muss, ändert nichts daran, dass § 51 Abs. 3
BRAO Haftungsausschlüsse zulässt.
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III. Da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, kann der
Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden.
Dr. Kessal-Wulf Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Ingolstadt, Entscheidung vom 09.06.2009 - 43 O 2217/08 -
OLG München, Entscheidung vom 23.02.2010 - 25 U 3563/09 -
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