Urteil des BGH vom 12.09.2016

Treu Und Glauben, Versicherungsnehmer, Vollzug, Lebensversicherung

ECLI:DE:BGH:2016:120916BIVZR17.16.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IV ZR 17/16
vom
12. September 2016
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin
Mayen,
die
Richterin
Harsdorf-Gebhardt,
die
Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 12. September 2016
beschlossen:
Die Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des
Oberlandgerichts Köln vom 11. Dezember 2015 wird ge-
mäß § 552a Satz 1 ZPO auf Kosten der Klägerseite zu-
rückgewiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf
7.545,27
€ festgesetzt.
Gründe:
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerseite
(Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) war gemäß § 552a ZPO zu-
rückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorlie-
gen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat hat die
Parteien mit Beschluss vom 21. Juli 2016 auf die beabsichtigte Zurück-
weisung hingewiesen. Auf die dortigen Gründe wird ergänzend Bezug
genommen.
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Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 5. September 2016 gibt
keine Veranlassung, von der Zurückweisung der Revision abzusehen.
Entgegen dessen Auffassung greift hier der Einwand nicht, dass
schon nach Maßstäben des Europarechts das Berufungsgericht gehi n-
dert gewesen sei, Verwirkung anzunehmen. Die Maßstäbe für die B e-
rücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt (siehe
im Einzelnen Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202,
102 Rn. 41 f.; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 43 ff.). Die Annahme recht s-
missbräuchlichen Verhaltens steht hier im Einklang mit dieser Recht-
sprechung.
Die Frage, ob verbraucherschützende Widerspruchsrechte durch
nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch be schränkt werden dürfen,
berührt zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. Der Anwendung
von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsau s-
übung steht dies aber nicht entgegen, weil die Ausübung dieser Rechte
in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und die nationalen Gerichte
ein missbräuchliches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des G e-
richtshofs der Europäischen Union berücksichtigen dürfen (BVerfG aaO
Rn. 44 m.w.N.).
Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeintr äch-
tigt auch angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles die pra k-
tische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck
des Widerspruchsrechts nicht. Die Erwägungen der Zweiten und Dritten
Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Beleh rung der Versiche-
rungsnehmer über ihr Widerspruchsrecht vor Abschluss des Vertrages
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sicherzustellen, werden hier nicht berührt, denn entscheidend ist im
Streitfall, dass d. VN, der dem geltenden nationalen Recht entsprechend
ordnungsgemäß über die Möglichkeit belehrt worden ist, den Vertrag oh-
ne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen gleichwohl in
Vollzug gesetzt und ihn über mehrere Jahre durchgeführt hat.
Damit kommt es aus den Gründen des Hinweisbeschlusses auf die
Frage, ob das Policenmodell richtlinienkonform ist, hier nicht an.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 21.01.2015 - 9 O 243/14 -
OLG Köln, Entscheidung vom 11.12.2015 - 20 U 19/15 -
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