Urteil des BGH vom 17.11.2016

Treu Und Glauben, Versicherungsnehmer, Vollzug, Lebensversicherung

ECLI:DE:BGH:2016:171116BIVZR125.16.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IV ZR 125/16
vom
17. November 2016
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Lehmann,
die Richterinnen Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann
am 17. November 2016
beschlossen:
Die Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Köln vom 8. April 2016 wird gemäß
§ 552a Satz 1 ZPO auf Kosten der Klägerseite zurück-
gewiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf
16.695,39
€ festgesetzt.
Gründe:
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerseite
(Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) war gemäß § 552a ZPO zu-
rückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung ni cht vorlie-
gen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat hat d ie
Parteien mit Beschluss vom 27. September 2016 auf die beabsichtigte
Zurückweisung hingewiesen. Auf die dortigen Gründe wird ergänzend
Bezug genommen.
Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 7. November 2016 gibt
keine Veranlassung, von der Zurückweisung der Revision abzusehen.
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Soweit dort darauf hingewiesen wird, die Revision sei auf die Eu-
roparechtswidrigkeit des Policenmodells insgesamt gestützt, begründet
dies im Streitfall keine Pflicht zu einer Vorlage an den Gerichtshof der
Europäischen Union, da es auf diese Frage hier nicht entscheidungse r-
heblich ankommt. Wie der Senat in seinem Hinweisbeschluss näher au s-
geführt hat, wäre es dem Kläger, der trotz Belehrung darüber, dass er
die Verträge nicht zustande kommen lassen musste, diese bis zum Wi-
derspruch über mehrere Jahre durchgeführt hat, wegen widersprüchli-
chen Verhaltens verwehrt, sich bei unterstellter Gemeinschaftsrechtswi d-
rigkeit des Policenmodells auf eine Unwirksamkeit der Verträge zu beru-
fen. Die Frage einer möglichen Vorlage an den Gerichtshof der Europä i-
schen Union in einem Fall, in dem kein widersprüchliches Verhalten des
Versicherungsnehmers festgestellt werden kann, stellt sich im Streitfall
nicht.
Entgegen der Ansicht der Revision sind die Maßstäbe für die B e-
rücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben auch in der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäisch en Union geklärt (siehe
im Einzelnen Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202,
102 Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 4. März 2015
- 1 BvR 3280/14, juris Rn. 31 ff. m.w.N.) und die Annahme rechtsmiss-
bräuchlichen Verhaltens steht in Fällen wie dem vorliegenden in Einklang
mit dieser Rechtsprechung (vgl. Senatsurteil aaO; vgl. auch BVerfG
aaO).
Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeinträc h-
tigen auch angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles die
praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und
Zweck des Widerspruchsrechts nicht. Die Erwägungen der Zweiten und
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Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung der Vers i-
cherungsnehmer über ihr Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages s i-
cherzustellen, werden auch hier nicht berührt, denn entscheidend ist im
Streitfall, dass d. VN, der dem geltenden nationalen Recht entsprechend
ordnungsgemäß über die Möglichkeit belehrt worden ist, die Verträge
ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diese gleichwohl in
Vollzug gesetzt und sie über mehrere Jahre durchgeführt hat (vgl. ergän-
zend Senatsurteil vom 10. Juni 2015 - IV ZR 105/13, VersR 2015, 876
Rn. 13 f.).
Mayen Harsdorf -Gebhardt Lehmann
Dr. Brockmöller Dr. Bußmann
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 05.10.2015 - 26 O 491/14 -
OLG Köln, Entscheidung vom 08.04.2016 - 20 U 198/15 -