Urteil des BGH vom 14.07.2016

Persönliche Daten, Nummer, Form, Verbraucher

ECLI:DE:BGH:2016:140716UIIIZR387.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 387/15
Verkündet am:
14. Juli 2016
P e l l o w s k i
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Juli 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann und die
Richter Hucke, Seiters, Tombrink und Dr. Remmert
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hanseatischen
Oberlandesgerichts - 10. Zivilsenat - vom 26. Oktober 2015 auf-
gehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Hamburg - Zivilkammer 12 - vom 30. April 2013 wird zurückgewie-
sen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungs- und des Revisions-
rechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist bundesweit als Dachverband aller 16 Verbraucherzentra-
len der Bundesländer tätig; er ist ein nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 4 UKlaG
qualifizierter Verbraucherschutzverband. Die Beklagte betreibt verschiedene
Telemediendienste, darunter eine Partnervermittlung über die Internetseite
.
Für verschiedene Klauseln, die in den hierfür zugrunde
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gelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sind, verlangt der Klä-
ger die Unterlassung der Verwendung. Nach übereinstimmenden Erledigungs-
erklärungen der Parteien bezüglich eines Teils des Rechtsstreits richtet sich der
vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch noch gegen die Verwen-
dung der Klausel unter Nummer 7 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingun-
gen. Dort heißt es:
"Die Kündigung der VIP- und/oder Premium-Mitgliedschaft bedarf zu ih-
rer Wirksamkeit der Schriftform (eigenhändige Unterschrift) und ist z.B.
per Fax oder per Post an E. GmbH (Adresse siehe Impres-
sum) zu richten; die elektronische Form ist ausgeschlossen."
Der Kläger hält diese Regelung nach § 309 Nr. 13 BGB für unwirksam,
weil sie die Möglichkeiten zur Wahrung der Schriftform bei der Kündigung durch
den Kunden unzulässig einschränke und die Vertragsauflösung ersichtlich er-
schwere. Darin liege auch eine unangemessene Benachteiligung des Kunden,
zumal die Beklagte ihrerseits eine fristlose Kündigung per E-Mail aussprechen
könne und sowohl das Zustandekommen als auch die gesamte Durchführung
des Vertragsverhältnisses auf rein elektronischem Weg erfolge.
Das Landgericht hat den noch im Streit befindlichen Unterlassungsan-
spruch bezüglich Nummer 7 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen als
begründet angesehen und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die hier-
gegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Ur-
teil abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen. Mit der vom Berufungsge-
richt zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Zurückwei-
sung der Berufung der Beklagten weiter.
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Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist zulässig und führt in der Sache zur Aufhe-
bung des Berufungsurteils sowie zur Zurückweisung der gegen die erstinstanz-
liche Entscheidung gerichteten Berufung der Beklagten.
I.
Das Berufungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, dem Kläger
stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu, weil ein Verstoß
gegen § 309 Nr. 13 BGB nicht vorliege. Eine Schriftformklausel müsse nicht
stets die elektronische Form gewähren, § 126 Abs. 3 BGB gelte grundsätzlich
nur für gesetzliche Schriftformklauseln und sei im Rahmen gewillkürter Former-
fordernisse nur anwendbar, wenn die Parteien keine anderweitige Regelung
getroffen haben. Vorliegend sei aber ausdrücklich bestimmt, dass die Kündi-
gung der Mitgliedschaft in elektronischer Form ausgeschlossen sein solle. Dies
stelle auch unter Berücksichtigung der Auslegungsregel in § 127 Abs. 2 BGB
eine im Rahmen der Vertragsfreiheit zulässige Schriftformgestaltung dar, so
dass sich die Vereinbarung, wonach nur ein Fax, jedoch keine andere elektro-
nische Übermittlung der Kündigung möglich sein solle, im Rahmen der zulässi-
gen Gestaltung der Anforderungen an die rechtsgeschäftlich vereinbarte Form
halte. Auch eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 BGB
liege im Ergebnis nicht vor. Ein Widerspruch zum Grundgedanken des § 127
Abs. 2 BGB bestehe nicht, weil sich daraus keine Einschränkung der vertragli-
chen Gestaltungsfreiheit dahin ergebe, dass nur bei Vorliegen eines wichtigen
Grundes von der telekommunikativen Übermittlungsform abgesehen werden
könne. Die Klausel sei zudem ausreichend transparent. Sie sei nicht in sich wi-
dersprüchlich oder unklar und biete keinen zu Missverständnissen führenden
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Auslegungsspielraum. Auch wenn das Vertragsverhältnis im Übrigen elektro-
nisch ausgestaltet sei, führe dies nicht zu einer unangemessenen Benachteili-
gung der Verbraucher. Den Kunden sei es zumutbar, für die Kündigung andere
Voraussetzungen zu beachten als für das Zustandekommen des Vertrags. Dar-
über hinaus sei der Beklagten ein berechtigtes Interesse daran zuzubilligen,
durch die Wahl des Schriftformerfordernisses der vorliegenden Art sicherzustel-
len, dass eine derart wesentliche Willenserklärung dem Kunden eindeutig zu-
geordnet werden könne.
II.
Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revi-
sion nicht stand.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch gemäß
§ 1 UKlaG bezüglich der von der Beklagten in ihren Allgemeinen Geschäftsbe-
dingungen verwendeten Klausel in Nummer 7 Absatz 2 zu. Denn diese benach-
teiligt die Kunden der Beklagten (VIP-und/oder Premiummitglieder) unange-
messen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB.
1.
Bei dieser Beurteilung braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die
fragliche Klausel, wie die Revision meint, bereits gegen das Klauselverbot des
§ 309 Nr. 13 BGB in der noch bis zum 30. September 2016 geltenden Fassung
verstößt. (Nach der ab dem 1. Oktober 2016 für von diesem Zeitpunkt an ge-
schlossene Verträge geltenden Fassung [vgl. Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur
Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden
Vorschriften des Datenschutzrechts vom 17. Februar 2016 - BGBl. I, S. 233]
kann für Erklärungen von Verbrauchern, die, wie die Kündigung, gegenüber
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dem Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Dritten abzuge-
ben sind, allenfalls noch die Textform, nicht aber die Schriftform wirksam vor-
gegeben werden [vgl. auch BT-Drucks. 18/4631, S. 17 f].) Zwar kann davon
ausgegangen werden, dass eine Klausel, die den Anforderungen des § 309 Nr.
13 BGB entspricht, im Regelfall auch mit § 307 BGB vereinbar ist (vgl. Münch-
KommBGB/Wurmnest, BGB 7. Aufl. § 309 Nr. 13 Rn. 4; Dammann in Wolf/
Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl, § 309 Nr. 13 Rn. 20, 21; vgl. auch BGH,
Urteil vom 18. Januar 1989 - VIII ZR 142/88, NJW-RR 1989, 625, 626). Dies gilt
jedoch nicht ausnahmslos. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des
dem Streitfall zugrunde liegenden Vertrags führt die Inhaltskontrolle nach § 307
Abs. 1 Satz 1 BGB unbeschadet des Vorliegens der Voraussetzungen des
§ 309 Nr. 13 BGB zur Unwirksamkeit der beanstandeten Klausel.
2.
a) Unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Be-
nachteiligung, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung miss-
bräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzuset-
zen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu be-
rücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Es be-
darf dabei einer umfassenden Würdigung der wechselseitigen Interessen, wo-
bei die Abweichung vom dispositiven Recht Nachteile von einigem Gewicht be-
gründen muss und Gegenstand, Zweck und Eigenart des Vertrags mit zu be-
rücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2002 - X ZR 220/01,
NJW 2003, 886, 887 mwN und vom 19. Dezember 2007 - XII ZR 61/05,
NJW-RR 2008, 818 Rn. 17).
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b) Gemessen daran trägt die Beklagte mit Nummer 7 Absatz 2 ihrer All-
gemeinen Geschäftsbedingungen den Interessen ihrer Kunden nicht ausrei-
chend Rechnung; die Klausel benachteiligt gerade im Hinblick auf die besonde-
re Art des Zustandekommens und der gesamten Abwicklung des Vertrags die
Vertragspartner unangemessen.
Die Beklagte bietet eine reine Online-Partnervermittlung an, bei der eine
ausschließlich digitale Kommunikation geführt wird und die ohne sonstige Erklä-
rungen in Schriftform, also auch ohne Unterschrift oder eingeschränkte elektro-
nische Übermittlung zur Begründung des Vertragsverhältnisses, auskommt.
Auch die Leistungen der Beklagten werden ausschließlich elektronisch abgeru-
fen. Bei einer derart umfassenden und bis auf die Kündigung durch den Kunden
ausnahmslos digitalen Ausgestaltung der Vertragsbeziehung ist es allein sach-
gerecht, für die Beendigungsmöglichkeit dieselben elektronischen Möglichkei-
ten und Formen zuzulassen wie für die Begründung des Vertrags und seine
gesamte Durchführung. Deshalb widerspricht es den schutzwürdigen Interes-
sen des Kunden, der mit der Beklagten ausschließlich eine digitale Kommunika-
tion führt, gerade und nur für seine Kündigung die über die Textform hinausge-
hende Schriftform (mit eigenhändiger Unterschrift) zu verlangen. Denn der
Kunde kann nach der besonderen Ausgestaltung des Vertrags generell davon
ausgehen, alle Erklärungen, also auch eine Kündigung, digital, insbesondere
auch per E-Mail, abgeben zu können. Dies gilt umso mehr, als sich die Beklagte
selbst vorbehalten hat, ihr Recht zur fristlosen Kündigung des Vertrags durch
Erklärung per E-Mail wahrzunehmen (Nummer 8); auch das Widerrufsrecht des
Kunden nach Nummer 11 Buchstabe a der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
kann in "Textform (Brief, Fax, E-Mail)" ausgeübt werden. Dieses Recht gehört
aber ebenso wie die Möglichkeit der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses
zu den wesentlichen Elementen der Dispositionsfreiheit eines Vertragspartners.
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Es ist deshalb kein berechtigtes Interesse der Beklagten dafür zu erkennen,
speziell für die Kündigungserklärung durch den Kunden die Schriftform vorzu-
schreiben, während sie für jedwede andere Vertragserklärung die Textform als
ausreichend ansieht.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch kein sachlicher Grund
dafür ersichtlich, dass die Beendigung des Vertragsverhältnisses durch den
Kunden, mit der alle Rechte und Pflichten erlöschen, weitergehende Vorkeh-
rungen erforderlich macht als die Begründung des Vertrags auf dem Weg der
elektronischen Übermittlung nur weniger persönlicher Daten. Auf etwaige Identi-
tätsprobleme und einen möglichen Missbrauch digitaler Möglichkeiten kann sich
die Beklagte dabei nicht mit Erfolg berufen; auch das von ihr hervorgehobene
Interesse, wegen etwa noch offener Forderungen weitere persönliche Daten zu
benötigen, oder aber wegen der Ernsthaftigkeit der Kündigungserklärung gesi-
cherte Erkenntnisse zu erlangen, können die geforderte Schriftform hierfür
sachlich nicht rechtfertigen. Die Beklagte verfügt bereits zuvor über die für sie
maßgeblichen und für ein Zahlungsbegehren relevanten Daten des kündigen-
den Mitglieds; sie vertraut dabei von Beginn an darauf, dass die sich als Nutzer
anmeldenden Personen nur ihre eigenen persönlichen Daten eingeben, nicht
aber etwa frei erfundene Daten oder solche dritter Personen. Eine weitere Prü-
fung der Identität und eine Sicherung gegen Missbrauch erfolgen ersichtlich
nicht. Im Übrigen ergibt sich aus Nummer 2 Buchstabe b Abs. 3 der Allgemei-
nen Geschäftsbedingungen der Beklagten, dass der Kunde seine "Zahlungsda-
ten" im Zusammenhang mit kostenpflichtigen Dienstleistungen zu übermitteln
hat, so dass die Beklagte über diejenigen Informationen verfügt, die ihr die Ein-
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forderung der Gegenleistung ermöglicht. Weitere Daten kann sie mit der für das
Kündigungsschreiben vorausgesetzten Schriftform ohnehin nicht erhalten. Dass
etwa andere Personen, wie die Beklagte befürchtet, im Schutze der Anonymität
des Internets gegen den Willen einer Vertragspartei das Vertragsverhältnis be-
enden, ist zudem fernliegend. Zwar muss die Beklagte eine Kündigungserklä-
rung eindeutig zuordnen können. Hierfür besteht aber beispielsweise auch die
Möglichkeit einer Abklärung durch eine entsprechende Bestätigung. Bei Zwei-
feln an der Authentizität der Kündigungserklärung bleibt ihr zudem die Möglich-
keit gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 BGB, nachträglich eine den Erfordernissen des
§ 126 BGB entsprechende Beurkundung zu verlangen.
c) Durch die Verwendung der streitigen Klausel werden deshalb die Inte-
ressen der Verbraucher einseitig und spürbar beeinträchtigt. Insbesondere be-
gründet die darin enthaltene Forderung nach Abgabe der Kündigungserklärung
des Kunden ausschließlich in Schriftform die Gefahr, Verbraucher ungewollt in
langfristigen Vertragsbeziehungen mit negativen Kostenfolgen zu halten, weil
ihnen die ordnungsgemäße und fristgerechte Kündigung erschwert wird.
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Ob die fragliche Klausel auch deswegen unwirksam ist, weil sie zusätz-
lich gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt, bedarf
bei dieser Sachlage ebenfalls keiner Entscheidung.
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III.
Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben und ist auf-
zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind,
kann der Senat in der Sache entscheiden und die Berufung der Beklagten ge-
gen das erstinstanzliche Urteil zurückweisen.
Herrmann
Hucke
Seiters
Tombrink
Remmert
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 30.04.2013 - 312 O 412/12 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 26.10.2015 - 10 U 12/13 -
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