Urteil des BGH vom 24.09.2015

Gütliche Einigung, Immobilienfonds, Anlageberater, Reiter

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZR 363/14
vom
24. September 2015
in dem Rechtsstreit
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. September 2015 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Wöstmann, Seiters und
Reiter sowie die Richterin Dr. Liebert
beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil
des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 27. Ok-
tober 2014 gemäß § 552a ZPO durch einstimmigen Beschluss zu-
rückzuweisen.
Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen eines
Monats nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe:
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte unter dem Vorwurf einer fehlerhaften Ka-
pitalanlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch.
Auf Empfehlung des für die Beklagte tätigen Zeugen C. O. zeich-
nete der Kläger gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau am 3. Dezember
1996 eine Beteiligung als Kommanditist an der J. H. A. F.
Fonds 31 KG, einem geschlossenen Immobilienfonds, mit einer Einlage in Höhe
von 50.000 DM zuzüglich 5 % Agio. Ebenfalls auf Empfehlung des Zeugen
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C. O. zeichnete der Kläger weiter am 10. September 1998 eine Beteili-
gung an dem geschlossenen Immobilienfonds M. GbR mit einer Einlage in
Höhe von 30.000 DM zuzüglich 5 % Agio. Zur Finanzierung der Beteiligungen
nahm der Kläger Darlehen auf.
Der Kläger behauptet Beratungs- und Prospektfehler und macht gegen
die Beklagte Schadensersatzansprüche geltend. Die Beklagte ist dem entge-
gengetreten und hat sich zudem auf die Einrede der Verjährung berufen.
Am 22. Dezember 2011 reichte der Kläger über seine vorinstanzlichen
Prozessbevollmächtigten bei der staatlich anerkannten Gütestelle des Rechts-
anwalts und Mediators F. X. R. in F. einen Güteantrag
ein mit folgendem Wortlaut:
"Die Antragstellerpartei macht Ansprüche auf Schadensersatz aus feh-
lerhafter Anlageberatung geltend. Hintergrund sind die Beteiligungen der
Antragstellerpartei am F. F. Nr. 31, J. H. A. KG
und Immobilienfonds M. GbR. Die Antragstellerpartei erwarb Antei-
le an diesen geschlossenen Immobilienfonds. Die Antragstellerpartei hat
Anspruch dahin, so gestellt zu werden, als habe sie die Beteiligungen nie
getätigt. Die Antragsgegnerin war bei diesen Beteiligungen als Anlage-
vermittler und
–berater tätig. Die Beratung der Antragstellerpartei wurde
von einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin vorgenommen.
Der Antragstellerpartei wurden die oben genannten Immobilienfonds vor-
gestellt und ihr suggeriert, es handele sich um sichere und gewinnbrin-
gende Anlagen. Nicht erläutert wurden die Risiken und Nachteile einer
Beteiligung an diesen Immobilienfonds. Auch die Verwendung der Pros-
pekte im Beratungsgespräch führt nicht zu einer umfassenden Aufklä-
rung der Antragstellerpartei, da die Prospekte selbst keine ausreichen-
den Risikohinweise hatten.
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Die Emissionsprospekte zu den gegenständlichen Fondsbeteiligungen
sind in mehreren Punkten fehlerhaft und es fehlt die Aufklärung über die
Risiken der Fondskonzeption. Die Antragsgegnerin haftet auch für die
Prospektfehler auf Schadensersatz, da sie ihre vertraglichen Verpflich-
tungen nicht erfüllt hat.
Aus diesen Beratungsfehlern resultieren die Pflichtverletzungen der An-
tragsgegnerin aus dem mit der Antragstellerpartei geschlossenen Anla-
geberatungsvertrag.
Darüber hinaus wurde die Antragstellerpartei von der Antragsgegnerin
auch nicht darüber aufgeklärt, ob und in welcher Höhe diese oder der
Berater Provisionen erhalten hat. Auch in den Prospekten findet sich
hierzu keine klare Angabe. Ein Anlageberater, der Fondsanteile emp-
fiehlt, muss seinen Kunden darauf hinweisen, dass und in welcher Höhe
er Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und Verwaltungskosten
von der Fondsgesellschaft erhält. Das ist vorliegend nicht passiert.
Danach war die Antragsgegnerin auf Grund der mit der Antragstellerpar-
tei geschlossenen Beratungsverträge verpflichtet, über die Rückvergü-
tungen aufzuklären und so den hieraus resultierenden Interessenkonflikt
offen zu legen. Auch dies stellt eine Pflichtverletzung der mit der Antrag-
stellerpartei geschlossenen Beraterverträge dar.
Die Antragstellerpartei strebt eine gütliche Einigung mit der Antragsgeg-
nerin an. Es wird deshalb gebeten und beantragt, die beigefügte Mehrfer-
tigung des Güteantrages der Antragsgegnerin mit der Aufforderung zu-
zustellen, dem Güteverfahren beizutreten."
Die Beklagte ließ sich auf das Güteverfahren nicht ein. Die Gütestelle
stellte mit Schreiben vom 20. Juli 2012 das Scheitern des Güteverfahrens fest.
Mit Eingang vom 14. Januar 2013, der Beklagten zugestellt am 23. Januar
2013, hat der Kläger bei dem Landgericht Würzburg Klage eingereicht, mit der
er die Verurteilung der Beklagten hinsichtlich des F. F. 31 zur Zahlung
von 30.
364,35 € Zug-um-Zug gegen Abtretung von Ansprüchen aus dem Treu-
handvertrag und hinsichtlich des M. Fonds zur Zahlung von 10.100,50
sowie Freistellung von Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 15.000 € Zug-
um-Zug gegen Übertragung der Gesellschaftsanteile begehrt hat.
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Die Klage ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Beru-
fungsgericht hat die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Klä-
ger das Klagebegehren weiter.
II.
Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Voraussetzungen für
die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision auch in der Sache
selbst keine Aussicht auf Erfolg hat.
1.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fort-
bildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Maßgeblich ist
insoweit der Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts (s. etwa Se-
natsbeschlüsse vom 13. August 2015 - III ZR 380/14, BeckRS 2015, 15051,
Rn. 7 und vom 18. Dezember 2013 - III ZR 169/13, BeckRS 2014, 01034 Rn. 2;
BGH, Beschluss vom 20. Januar 2005 - I ZR 255/02, NJW-RR 2005, 650 f
mwN).
Die Grundsatzfrage, welche Anforderungen an die Individualisierung des
geltend gemachten Anspruchs in einem Güteantrag in Kapitalanlagefällen zu
stellen sind, ist zwischenzeitlich höchstrichterlich - zum Nachteil des Klägers -
geklärt (Senatsurteile vom 18. Juni 2015 - III ZR 198/14, NJW 2015, 2407
Rn. 16 ff, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen, sowie III ZR 189/14,
191/14 und 227/14).
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2.
Hiernach hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass etwaige
Schadensersatzansprüche des Klägers kenntnisunabhängig (§ 199 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 BGB) mit Ablauf des 2. Januar 2012 (Montag) und damit vor Erhe-
bung der Klage im Januar 2013 verjährt sind, so dass die Revision keine Aus-
sicht auf Erfolg hat.
Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Güte-
antrag nicht den Anforderungen an die Individualisierung des geltend gemach-
ten Anspruchs entspricht und somit nicht geeignet war, die Verjährung zu
hemmen.
a) Der Güteantrag hat in Anlageberatungsfällen regelmäßig die konkrete
Kapitalanlage zu bezeichnen, die Zeichnungssumme sowie den (ungefähren)
Beratungszeitraum anzugeben und den Hergang der Beratung mindestens im
Groben zu umreißen; ferner ist das angestrebte Verfahrensziel zumindest so-
weit zu umschreiben, dass dem Gegner (und der Gütestelle) ein Rückschluss
auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist; eine genaue Beziffe-
rung der Forderung muss der Güteantrag seiner Funktion gemäß demgegen-
über grundsätzlich nicht enthalten (Senatsurteil vom 18. Juni 2015 - III ZR
198/14 aaO Rn. 25 mwN).
b) Diesen Erfordernissen genügt der Güteantrag des Klägers nicht. Er
weist keinen Bezug zum konkreten Beratungshergang in dem der Gütestelle
vorgelegten Einzelfall auf. Er enthält als individuelle Angaben lediglich den Na-
men des Klägers (als Antragstellerpartei) sowie die Bezeichnung der beiden
Anlagefonds und nennt weder die Zeichnungssumme noch den (ungefähren)
Beratungszeitraum noch den tätig gewordenen Anlageberater oder andere die
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getätigte Anlage individualisierende Tatsachen. Auch das angestrebte Verfah-
rensziel wird in dem Güteantrag nicht ausreichend beschrieben. Zwar ist von
"Schadensersatz aus fehlerhafter Anlageberatung" sowie davon die Rede, dass
ein Anspruch geltend gemacht werde, "so gestellt zu werden, als habe sie die
Beteiligungen nie getätigt". Damit bleibt jedoch offen, ob der vollständige Zeich-
nungsschaden (und zwar: gegebenenfalls mit oder ohne Darlehenskosten?)
oder nur ein Differenzschaden (etwa nach zwischenzeitlicher Veräußerung der
Beteiligung oder unter Geltendmachung einer günstigeren Alternativbeteiligung)
begehrt wird. Zudem ist dem Güteantrag nicht zu entnehmen, ob das einge-
brachte Beteiligungskapital fremdfinanziert war, so dass ein etwaiger Schaden
auch oder gar in erster Linie in den aufgebrachten Zins- und Tilgungsleistungen
bestand, wie es hier der Fall war. Aus dem Güteantrag ergeben sich auch keine
Hinweise auf Freistellungsansprüche, wie sie der Kläger bezüglich seiner Dar-
lehensverbindlichkeiten gegenüber der F. C. Bank C. -
C. AG geltend gemacht hat (vgl. Senatsurteil vom 20. August 2015 - III ZR
373/14, WM 2015, 1807 Rn. 22). Die Art und die Größenordnung des geltend
gemachten Anspruchs waren für die Beklagte (als Antragsgegnerin und
Schuldnerin) nicht im Ansatz zu erkennen gewesen. Unter diesen Umständen
war es auch für die Gütestelle nicht möglich, im Wege eines Schlichtungsver-
suchs einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten.
c) Mithin war der Güteantrag nicht geeignet, die Verjährung zu hemmen.
Demzufolge erweist sich die Verjährungseinrede der Beklagten als gerechtfer-
tigt und die Klageforderung insgesamt als unbegründet. Mangels wirksamer
vorheriger Hemmung ist die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist
nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB, die gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1
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EGBGB am 1. Januar 2002 begonnen hat, am Ende des 2. Januar 2012
(Montag) und somit vor Erhebung der Klage im Januar 2013 abgelaufen.
Herrmann
Wöstmann
Seiters
Reiter
Liebert
Vorinstanzen:
LG Würzburg, Entscheidung vom 28.11.2013 - 14 O 66/13 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 27.10.2014 - 4 U 191/13 -