Urteil des BGH vom 09.10.2014

Leitsatzentscheidung zu Treu Und Glauben, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Agb, Nummer, Abrechnung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 33/14
Verkündet am:
9. Oktober 2014
B o t t
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 Bm, Cb
Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen über vorausbezahlte Mo-
bilfunkleistungen ("prepaid"-Vertrag), in der geregelt ist, dass bei Roaming-
verbindungen, bei Verbindungen zu Premiumdiensten sowie bei über das
Sprach- oder Datennetz in Anspruch genommenen Mehrwertdiensten die für
die Abrechnung erforderlichen Daten verzögert vom Netzbetreiber übermittelt
werden können, so dass aufgrund von verzögerten Abbuchungen ein Negativ-
saldo auf dem Guthabenkonto des Kunden entstehen kann, den dieser aus-
zugleichen hat, ist wirksam, sofern diese Rechtslage klar und unmissverständ-
lich verdeutlicht wird.
BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - III ZR 33/14 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
- 2 -
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Oktober 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Reiter
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des 1. Zivil-
senats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. Januar
2014 aufgehoben und das Urteil der 24. Zivilkammer des Land-
gerichts Frankfurt am Main vom 21. März 2013 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger, ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen des Bundesamts
für Justiz gemäß § 4 Abs. 1 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverein,
verlangt von dem beklagten Telekommunikationsunternehmen, die Verwendung
zweier Klauseln seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu unterlassen. Die
Beklagte bietet Mobilfunkleistungen an. Sie betreibt kein eigenes Netz, sondern
nutzt dasjenige eines anderen Unternehmens zur Erbringung ihrer Dienstleis-
tungen. Die Kunden der Beklagten können zwischen zwei Arten von Verträgen
1
- 3 -
wählen. In der einen Variante erfolgt die Abrechnung der in Anspruch genom-
menen Telekommunikationsleistungen monatlich im Nachhinein. In der anderen
erwirbt der Kunde zuvor ein Guthaben, von dem die Kosten für die Nutzung des
Mobilfunks abgezogen werden. Für diese Vertragsvariante verwendet die Be-
klagte ihre "Allgemeinen Geschäftsbedingungen der D. Telecom GmbH
für Dienstleistungen im Bereich Mobilfunk für das Produkt 's. ' (Komfort-
Aufladung)". Zuvor waren ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen für diese
Produktvariante - unter Verwendung des Namens der Rechtsvorgängerin der
Beklagten - als "Allgemeine Geschäftsbedingungen der S. Communication
GmbH für Dienstleistungen im Bereich Mobilfunk (Prepaid)" bezeichnet worden.
Die Geschäftsbedingungen enthalten folgende Klauseln:
V. Zahlungsbedingungen/Vorleistungspflicht/Guthaben/Einwendungen
1. Die nutzungsabhängigen und nutzungsunabhängigen Entgelte sind
vom Kunden grundsätzlich im Voraus zu zahlen (Vorleistungspflicht).
2. Die Vorauszahlungspflicht erfüllt der Kunde durch Aufladung eines
Geldbetrages als G
uthaben auf sein Guthabenkonto. …
3. Die Leistungspflicht des Diensteanbieters hängt davon ab, dass das
Guthabenkonto des Kunden im Zeitpunkt der Inanspruchnahme über
eine ausreichende Deckung verfügt. Dies gilt auch für etwaig gewählte
Zusatzoptionen, wie z.B. Flatrates, Datenpakete etc.
VI. Entgeltpflichtige Leistungen/Nationale und Internationale Verbindun-
gen/Roaming/Premiumdienste
2. …
c) Der Diensteanbieter weist ausdrücklich darauf hin, dass bei Roaming-
verbindungen, [in der früheren Version außerdem: anderen Internatio-
2
- 4 -
nalen Diensten,] Verbindungen zu Premiumdiensten sowie über das
Sprach- oder Datennetz in Anspruch genommene Mehrwertdienste die
für die Abrechnung erforderlichen Daten verzögert vom Netzbetreiber
übermittelt werden können. Insbesondere kann aufgrund von verzö-
gerten Abbuchungen ein Negativsaldo auf dem Guthabenkonto des
Kunden entstehen. In diesem Fall hat der Kunde die Differenz unver-
züglich auszugleichen. Dies betrifft auch Kunden, die eine Zusatzopti-
on mit einem Mindestverbrauch oder Freiminuten bzw. Frei-SMS ge-
wählt haben.
VIII. Sperre
6. …
[Abs. 2:] Trotz einer Sperre bleibt der Kunde verpflichtet, die nutzungs-
unabhängigen Entgelte, insbesondere die monatlichen Optionspreise
(Flatrate-Preise, etc.), zu zahlen.
Die Vertragsbestimmung in Nummer VI 2 Buchstabe c Satz 1 bis 4 der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (fortan: AGB) beruht darauf,
dass sie bei den auf Guthabenbasis geführten Verträgen das sogenannte off-
line-billing-Verfahren praktiziert. Der Abzug des Telekommunikationsentgelts
von dem Guthaben erfolgt hierbei nicht notwendig zeitgleich mit der Inan-
spruchnahme der Mobilfunkleistungen, sondern in den in der Klausel aufgeführ-
ten Fällen mit einer technisch bedingten Zeitverzögerung. Dies kann dazu füh-
ren, dass ein Negativsaldo zulasten des Kunden entsteht, wenn er die Leistun-
gen weiter in Anspruch nimmt, obgleich der von ihm vorab geleistete Betrag
bereits verbraucht ist, dies aber infolge der Zeitverzögerung noch nicht verbucht
ist.
3
- 5 -
Der Kläger meint, die Klauseln in Nummer VI 2 Buchstabe c Satz 2 bis 4
und Nummer VIII 6 Abs. 2 AGB seien wegen Verstoßes gegen das Recht der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam und verlangt von der Beklag-
ten, die Verwendung dieser Bestimmungen (und inhaltsgleicher) zu unterlassen
und sich bei bestehenden Verträgen nicht auf sie zu berufen. Ferner bean-
sprucht sie die Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten. Die Beklagte ist vom
Landgericht verurteilt worden, es zu unterlassen, die genannten Bestimmungen
oder inhaltsgleiche in "Prepaid-Mobilfunkverträge" mit Verbrauchern einzube-
ziehen und sich auf sie bei der Abwicklung "derartiger Verträge" zu berufen.
Weiterhin ist dem Kläger der Erstattungsanspruch zuerkannt worden. Das
Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurück-
gewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die
Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt (Urteil vom 9. Januar 2014 - 1 U
98/13, juris), die angegriffenen Klauseln unterfielen gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1
BGB der Inhaltskontrolle. Es handele sich nicht um Abreden, die Art und Um-
fang der vertraglichen Hauptleistung und den dafür zu zahlenden Preis unmit-
telbar regelten. Vielmehr seien sie die Leistungsabrede lediglich modifizierende
und damit der Inhaltskontrolle unterliegende Regelungen.
4
5
6
- 6 -
Die beanstandeten Bestimmungen benachteiligten die Vertragspartner
der Beklagten unangemessen, weil sie gegen das Transparenzgebot des § 307
Abs. 1 Satz 2 BGB verstießen. Nummer VI 2 Buchstabe c Satz 2 bis 4 AGB
widerspreche den Erwartungen von Kunden eines Prepaid-Vertrags. Solche
Verträge würden in der Annahme geschlossen, mit dem Erwerb des Guthabens
sämtliche infrage kommenden Kosten bereits vorab entrichtet zu haben und
nicht mehr nachträglich mit Beträgen in nicht vorhersehbarer Höhe belastet zu
werden. Dies aber lasse die Klausel zu. Die Höhe der hiernach möglichen
Nachzahlungen sei nicht begrenzt. Das Risiko hoher, unkontrollierbarer Kosten
werde aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für den
durchschnittlichen Kunden eines Prepaid-Vertrags nicht hinreichend klar und
deutlich. Die Beklagte könne auch nicht einwenden, dass ein Kunde auf ihrer
Internetseite schon vor der Anbahnung des Vertrags darüber informiert werde,
dass sie hinsichtlich des Produkts "Komfort-Aufladung (Prepaid)" keinen klassi-
schen Prepaid-Vertrag anbiete. Eine Zusatzinformation, die die Intransparenz
einer Klausel vermeide, sei nur zu beachten, wenn sich diese aus anderen
Bestimmungen der mit der beanstandeten Klausel in einem Formular zusam-
mengefassten Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergebe. Daran fehle es bei
den lediglich über das Internet an anderer Stelle abrufbaren Informationen.
Diese Ausführungen gälten für die Bestimmung in Nummer VIII 6 Abs. 2
AGB entsprechend, wonach der Vertragspartner der Beklagten auch bei einer
Sperre zur Fortentrichtung der nutzungsunabhängigen Entgelte verpflichtet sei.
Ein Kunde müsse nicht damit rechnen, dass Gebühren anfielen, zu deren Be-
gleichung er verpflichtet sei, auch wenn sein Guthaben erschöpft sei.
7
8
- 7 -
Aus der vorstehenden Bewertung folge zugleich, dass die angegriffenen
Klauseln weiter gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam seien. Die nach
dieser Bestimmung vorzunehmende Interessenabwägung führe im vorliegen-
den Fall zum Ergebnis, dass ein angemessener Ausgleich nicht erfolgt sei. So-
weit die Beklagte auf ein legitimes eigenes Interesse an der Verwendung der
Klausel Nummer VI 2 Buchstabe c Satz 2 bis 4 AGB verweise, weil sie selbst
gegenüber dem Mobilfunknetzbetreiber für die verursachten Kosten einzu-
stehen habe, könne sie sich hierauf gegenüber ihren Vertragspartnern nicht
berufen. Diese hätten angesichts der übrigen Bestimmungen den Vertrag in der
Erwartung abgeschlossen, bei Verbrauch des Guthabens keine weiteren Kos-
ten mehr zu verursachen.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts benachteiligen die vom
Kläger beanstandeten Klauseln der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Beklagten deren Vertragspartner nicht entgegen Treu und Glauben unange-
messen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).
a) Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind solche Bestimmungen von der
Inhaltskontrolle ausgenommen, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleis-
tungspflicht und die hierfür zu zahlende Vergütung unmittelbar regeln (Leis-
tungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen); nach dem im bürgerlichen
Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie ist es den Vertragsparteien im
Allgemeinen freigestellt, Leistung und Gegenleistung zu bestimmen, und man-
gels gesetzlicher Vorgaben fehlt es insoweit regelmäßig auch an einem Kon-
9
10
11
12
- 8 -
trollmaßstab (st. Rechtsprechung, siehe z.B. Senatsurteil vom 13. Januar 2011
- III ZR 78/10, WM 2011, 1241 Rn. 15 m.umfangr.w.N.). Demgegenüber unter-
liegen gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle nach §§ 307 bis
309 BGB solche (Preisneben-)Abreden, die sich zwar mittelbar auf Preis und
Leistung auswirken, diese aber nicht ausschließlich festlegen, und bestehende
Rechtsvorschriften, insbesondere Regelungen des dispositiven Gesetzesrechts,
ergänzen oder von diesen abweichen. Unter Rechtsvorschriften im Sinne von
§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB fallen nicht nur Gesetzesvorschriften, sondern auch
allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze sowie die Gesamtheit der wesentli-
chen Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben (arg.
§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB, Senat aaO Rn. 16 mwN).
Die beanstandeten Klauseln regeln nicht die für die Mobilfunkleistungen
zu zahlenden Preise selbst. Sie bestimmen auch die Zahlungsverpflichtung
nicht dem Grunde nach. Vielmehr ist Gegenstand der Klausel in Nummer VI 2
Buchstabe c Satz 2 bis 4 AGB - ausgehend von dem allerdings unscharfen,
durch Rechtsvorschriften nicht eindeutig definierten "Leitbild" eines Prepaid-
Vertrags (siehe dazu nachfolgend) - lediglich die Modifizierung der vertraglich
vereinbarten grundsätzlichen Vorleistungspflicht der Kunden und der Abrede,
dass die Beklagte ihre Leistungen nur erbringt, soweit das Guthabenkonto des
Kunden Deckung aufweist (Nummer V 1 und 3 AGB). Diese Modifikation kommt
überdies lediglich im Sonderfall der Inanspruchnahme bestimmter Leistungen
(Roamingverbindungen, Verbindung zu Premium- und Mehrwertdiensten) zum
Tragen, wenn aufgrund der technischen Gegebenheiten nur eine verzögerte
Abrechnung möglich ist. Danach dürfte es sich vorliegend - wie auch das Beru-
fungsgericht angenommen hat - um eine das Preis-Leistungsgefüge nur mittel-
bar regelnde, kontrollfähige Bestimmung handeln.
13
- 9 -
Für die Bestimmung in Nummer VIII 6 Abs. 2 AGB gilt Entsprechendes.
Auch diese Klausel regelt nicht unmittelbar die wechselseitigen Leistungs- und
Entgeltpflichten. Vielmehr bestimmt sie lediglich für eine besondere, außerhalb
des ungestörten Ablaufs des Vertragsverhältnisses liegende Fallgestaltung den
teilweisen Fortbestand der aufgrund der "Kernabrede" bestehenden Entgeltver-
pflichtung des Kunden trotz Wegfalls der Leistungsverpflichtung der Beklagten.
Damit kommt der Bestimmung ebenfalls nur eine modifizierende Wirkung zu.
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgericht hält die Nummer VI 2
Buchstabe c Satz 2 bis 4 AGB in der vorliegenden Fassung der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen - ihre Kontrollfähigkeit unterstellt - einer Kontrolle nach
Maßgabe der §§ 307 ff BGB stand; sie benachteiligt die Kunden der Beklagten
nicht unangemessen.
aa) Mit diesen Regelungen setzt die Beklagte nicht einseitig und miss-
bräuchlich ihre Interessen auf Kosten ihrer Kunden durch. Wie auch der Kläger
einräumt, ist es im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden, dass die Beklagte von
ihren Kunden ein Entgelt für Leistungen verlangt, die infolge von technischen
Verzögerungen bei der Erfassung in Anspruch genommen werden, obgleich
das auf der SIM-Karte gespeicherte Guthaben bereits verbraucht ist. Die Be-
klagte kann ein durchgehendes "online-billing" nicht gewährleisten, weil ihr
Netzbetreiber sie bei Roaming-, Premium- und Mehrwertdienstverbindungen
nicht verzögerungsfrei mit den entsprechenden Daten beliefert und auch nicht
bereit ist, ihr die Installation der dafür erforderlichen technischen Einrichtungen
zu gestatten. Die Beklagte muss in den Fällen, in denen ihre Kunden infolge-
dessen den Mobilfunk über das Kartenguthaben hinaus nutzen, gegenüber ih-
rem Netzbetreiber für das Entgeltaufkommen, das durch die Inanspruchnahme
der Leistungen durch ihre Vertragspartner verursacht wird, einstehen. Sie hat
14
15
16
- 10 -
keinen Einfluss auf das Entstehen der Forderung ihres Netzbetreibers, während
der Kunde die betreffenden Kosten durch die Nutzung der Leistung verursacht
und die hieraus entstehenden Vorteile erhält. Deshalb hat die Beklagte ein be-
rechtigtes Interesse, einen infolge der verzögerten Abbuchung der entspre-
chenden Kosten entstehenden Negativsaldo von ihren Kunden ausgeglichen zu
erhalten. Die Interessenabwägung ergibt in diesem Fall keine unangemessene
Benachteiligung der Kunden der Beklagten, sofern ihnen die Rechtslage klar
und unmissverständlich verdeutlicht wird.
bb) Dies gewährleistet die streitige Bestimmung.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handelt es sich nicht um
eine unklare Klausel (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Nach dem aus dieser Bestim-
mung folgenden Transparenzgebot sind Verwender Allgemeiner Geschäftsbe-
dingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet,
Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar
darzustellen (z.B. BGH, Urteile vom 21. Juli 2010 - XII ZR 189/08, NJW 2010,
3152 Rn. 29; vom 24. Februar 2010 - XII ZR 69/08, NJW-RR 2010, 739 Rn. 8
und vom 20. Juli 2005 - VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11, 16). Dazu gehört auch,
dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belas-
tungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert wer-
den kann (BGH, Urteile vom 21. Juli 2010 und 24. Februar 2010 aaO). Bei der
Bewertung der Transparenz ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkei-
ten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses abzustellen (BGH aaO jew. mwN). Dabei sind Allgemeine
Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheit-
lich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern
unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstan-
17
18
- 11 -
den werden (BGH, Urteile vom 21. Juli 2010 aaO und vom 8. Oktober 2008
- XII ZR 84/06, BGHZ 178, 158 Rn. 14).
Nach diesen Maßstäben ist die streitige Klausel nicht zu beanstanden.
Sie ist als solche sprachlich und inhaltlich unmissverständlich und be-
schreibt zutreffend das Risiko des Entstehens eines Negativsaldos bei Ver-
brauch des Kartenguthabens, falls Roaming-, Premium- oder Mehrwertdienste
in Anspruch genommen werden.
Sie widerspricht auch nicht den Erwartungen der Kunden eines soge-
nannten Prepaidvertrags. Der englische Begriff "prepaid" hat - wie andere, ins-
besondere in der Telekommunikationsbranche auch im Übrigen vielfach ver-
wendete, eher hülsenhafte fremdsprachige Produktbezeichnungen - keinen fest
umrissenen Bedeutungsinhalt. Es handelt sich um eine eher schlagwortartige
Bezeichnung, der sich zwar der Grundcharakter des Vertrags entnehmen las-
sen mag, die jedoch keinen Rückschluss auf Einzelheiten der vertraglichen Re-
gelungen zulässt.
Die durch den Begriff "prepaid" dem Grunde nach erweckte Erwartung
der Kunden, ihr Kostenrisiko sei durch den jeweils aufgeladenen Betrag be-
schränkt, trifft bei üblichem Gebrauch des Mobilfunkgeräts zu. Eine Überschrei-
tung des gutgebuchten Betrags kann nur bei Nutzung der besonderen Funktio-
nen des Roamings und des Zugangs zu Premium- und Mehrwertdiensten ein-
treten. Dass auch solche Nutzungen nur im Rahmen des Kartenguthabens kos-
tenmäßig anfallen, kann der verständige Durchschnittskunde allein dem
Schlagwort "prepaid" nicht entnehmen. Vielmehr kann von ihm erwartet werden,
dass er, wenn er solche "Zusatzleistungen" (die nach VI 2 Buchst. a AGB re-
19
20
21
22
- 12 -
gelmäßig erst vier Wochen nach Vertragsschluss freigeschaltet werden und
deren Sperre der Kunde jederzeit verlangen kann) in Anspruch nimmt, sich in-
soweit gesondert kundig macht und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Beklagten zu Rate zieht. In diesen sind die betreffenden Regelungen inhaltlich
zutreffend und verständlich enthalten.
Eine zu beanstandende Intransparenz einer Klausel kann sich allerdings
nicht nur aus ihrer inhaltlichen Unklarheit, mangelnden Verständlichkeit oder
unzureichenden Erkennbarkeit ihrer Konsequenzen ergeben, sondern auch aus
der Gesamtregelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. So kann ins-
besondere die Aufteilung eines an sich einheitlichen Regelungsgegenstands
auf verschiedene Klauseln, die sich an unterschiedlichen Stellen finden, oder
die Unterbringung einer Klausel an versteckter Stelle zur Intransparenz führen
(Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., § 307 BGB Rn. 335a;
so auch zu § 305c BGB: BGH, Urteile vom 21. Juli 2010 aaO Rn. 27 und vom 9.
Dezember 2009 - XII ZR 109/08, NJW 2010, 671 Rn. 16 f). Eine solche Fallge-
staltung besteht hier aber nicht.
Nummer V 1 und 3 AGB entnimmt der durchschnittlich verständige Ver-
tragspartner der Beklagten - ebenso wie dem Begriff "prepaid" - zwar zunächst,
dass er deren Mobilfunkleistungen grundsätzlich nur im kostenmäßigen Umfang
des durch die Vorauszahlung erworbenen Guthabens in Anspruch nehmen
kann. Nummer V 1 AGB erweckt den Eindruck, dass die Entgelte im Voraus zu
zahlen sind, es mithin zu Nachforderungen nicht kommen kann. Dem ent-
spricht, dass nach Nummer V 3 AGB die Leistungspflicht der Beklagten nur be-
steht, wenn und insoweit das Guthaben des Kunden im Zeitpunkt der Inan-
spruchnahme der Leistung eine Deckung aufweist. Beide Klauseln erwecken im
Ausgangspunkt die Erwartung der Kunden der Beklagten, ihre wirtschaftliche
23
24
- 13 -
Belastung und ihr Kostenrisiko beschränkten sich bei Nutzung der Mobilfunk-
leistungen auf den vorab gezahlten Betrag.
Dieser - bei üblicher Nutzung des Mobilfunks zutreffende - Eindruck wird
durch die streitige, als solche ohne weiteres verständliche Klausel für die be-
sonderen Nutzungsformen des Roamings und der Inanspruchnahme von Pre-
mium- beziehungsweise Mehrwertdiensten jedoch hinreichend deutlich korri-
giert. Die betreffenden Regelungen befinden sich systemkonform in dem mit
"Entgeltliche Leistungen / Nationale und Internationale Verbindungen/Roaming/
Premiumdienste" überschriebenen Kapitel, das heißt in dem Abschnitt, der
eben jene Nutzungen regelt, bei denen es zur technisch bedingten Entstehung
eines Negativsaldos kommen kann.
c) Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auch die Klausel in Num-
mer VIII 6 Abs. 2 AGB nicht zu beanstanden. Da es zu Ansprüchen der Beklag-
ten gegenüber ihren Kunden kommen kann, die das aufgeladene Guthaben
übersteigen, können die Voraussetzungen für eine Sperre (§ 45k TKG) entste-
hen, bei der der Kunde zur Zahlung der nutzungsunabhängigen Entgelte ver-
pflichtet bleibt (Senatsurteil vom 12. Februar 2009 - III ZR179/08, NJW 2009,
1334 Rn. 18 mwN).
3.
Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass die Klageabweisung nur Klau-
seln in Verträgen über vorausbezahlte Mobilfunkleistungen ("prepaid") betrifft,
bei denen das sogenannte "offline-billing" stattfindet. Zwar differenziert der Kla-
geantrag, dessen Wortlaut sich uneingeschränkt auf "Prepaid-Mobilfunkver-
träge" bezieht, nicht zwischen solchen, denen allein das "online-billing" zugrun-
de liegt, und solchen, in denen die Abrechnung (auch) "offline" erfolgt. Aus der
zur Auslegung des Antrags heranzuziehenden Begründung des geltend ge-
25
26
27
- 14 -
machten Anspruchs ergibt sich jedoch, dass lediglich Klauseln in "prepaid"-Ver-
trägen Streitgegenstand sind, bei denen die Erfassung der in Anspruch ge-
nommenen Leistungen wenigstens teilweise im "offline-billing"-Verfahren statt-
findet.
4.
Die vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist
gegenstandslos, da das Berufungsgericht die Revision unbeschränkt zugelas-
sen hat (vgl. z.B. BGH, Beschlüsse vom 1. März 2010 - II ZR 249/08, WM 2010,
1367 Rn. 1 und vom 24. Juli 2008 - VII ZR 205/07, juris).
Schlick
Herrmann
Wöstmann
Seiters
Reiter
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 21.03.2013 - 2-24 O 231/12 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 09.01.2014 - 1 U 98/13 -
28