Urteil des BGH vom 07.07.2016

Leitsatzentscheidung zu Entschädigung, Grundstück, Verfassungskonforme Auslegung, Ablauf der Frist

ECLI:DE:BGH:2016:070716UIIIZR28.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 28/15
Verkündet am:
7. Juli 2016
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Baulandsache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BauGB § 42 Abs. 2 und 3, § 43 Abs. 3 Satz 2, § 95 Abs. 2 Nr. 7; ZPO § 717
Abs. 2 und 3
a) Der Senat hegt nach wie vor Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 42
Abs. 2 und 3 und § 43 Abs. 3 Satz 2 BauGB i.V.m. § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB
in den Fällen einer isolierten eigentumsverdrängenden Planung, kann je-
doch die für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100
Abs. 1 GG i.V.m. § 80 BVerfGG erforderliche Überzeugung von der Verfas-
sungswidrigkeit der Normen nicht gewinnen (Abgrenzung zu Senatsurteilen
vom 6. Mai 1999 - III ZR 174/98, BGHZ 141, 319; vom 11. Juli 2002 - III ZR
160/01, NJW 2003, 63; vom 19. Juli 2007 - III ZR 305/06, ZfBR 2007, 788
und vom 7. Juli 2011 - III ZR 156/10, BGHZ 190, 227).
b) § 717 Abs. 2 und 3 ZPO ist nicht entsprechend anwendbar, wenn eine nicht
mehr anfechtbare Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht auf-
gehoben wird (Fortentwicklung von RGZ 91, 195).
BGH, Urteil vom 7. Juli 2016 - III ZR 28/15 - Kammergericht
Landgericht Berlin
- 2 -
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Juli 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter
Tombrink, Dr. Remmert und Reiter sowie die Richterin Pohl
für Recht erkannt:
Die Revision der Beteiligten zu 1 bis 6 gegen das Urteil des Se-
nats für Baulandsachen des Kammergerichts vom 9. April 2010
wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Antrag des Beteiligten zu 7, die Beteiligten zu 1 bis 6 zu verur-
teilen, an ihn
139.333,96 € nebst Zinsen zu zahlen, wird abgewie-
sen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Entschädigung für den Verlust
des Eigentums an einem Grundstück in B. .
Die Beteiligten zu 1 bis 6 waren aufgrund eines Rückübertragungsbe-
scheids nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen vom 8. März
1999 Eigentümer des 567 m² großen Grundstücks S. Straße 26 in B. -
, Ortsteil P. . Die nähere Umgebung des Grundstücks
wird durch fünfgeschossige, in geschlossener Bauweise errichtete Wohnbe-
bauung geprägt. Die ursprünglich vorhandene Wohnbebauung des Grund-
1
2
- 3 -
stücks wurde im Krieg zerstört. In den fünfziger Jahren diente das Grundstück
als Holz- und Kohlenlagerplatz; anschließend wurde es als Garagenhof genutzt.
Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des förmlich festgesetzten Sa-
nierungsgebiets P. in B. (9. Verordnung über
die förmliche Festlegung von Sanierungsgebieten vom 21. September 1993,
GVBl. S. 403). In der Begründung zur 9. Verordnung über die förmliche Festle-
gung von Sanierungsgebieten ist für den hier maßgeblichen Bereich ausgeführt
(Senat von B. BauWohn IV C 2-1, Umdruck S. 53):
"Zur Sicherung der Wohnqualität sind alle Möglichkeiten auszu-
schöpfen, um die mangelhafte Grün- und Freiflächensituation
quantitativ und qualitativ zu verbessern. Dies umfasst im Einzel-
nen folgende Maßnahmen:
- Zur Sicherung der Grünflächenversorgung müssen unbebaute
Grundstücke für öffentliche Freiflächen gesichert werden, wobei
dadurch nur das Freiflächendefizit verringert werden kann
…"
Im beigefügten Rahmenplan ist das Grundstück der Beteiligten zu 1 bis 6
als "öffentliche Grünfläche/Bestand mit Aufwertungsbedarf" eingezeichnet. Ein
Bebauungsplan existiert nicht.
Die Beteiligten zu 1 bis 6 beantragten am 28. April 2004 die Erteilung
einer sanierungsrechtlichen Genehmigung zur Bebauung entsprechend den
Nutzungsmaßen der Umgebungsbebauung. Diesen Antrag wies das Stadtpla-
nungsamt des Bezirksamts P. von B. mit bestandskräftig gewordenem
Bescheid vom 26. August 2004 zurück. Zur Begründung führte das Amt aus,
dass in dem Rahmenplan zum Sanierungsgebiet P.
die Grundstücke S. Straße 26 und 27 als öffentliche Grünfläche
ausgewiesen seien. Wegen der Unterversorgung des Gebiets mit Freiflächen
3
4
5
- 4 -
kämen nur noch vorhandene Baulücken als letzte Flächenreserven in Betracht;
vergleichbare Grundstücke könnten nicht herangezogen werden, da diese
ebenfalls für den Abbau von Defiziten in der Freiflächenversorgung oder Ver-
sorgung mit Einrichtungen der sozialen Infrastruktur benötigt würden.
Mit Schreiben vom 22. November 2004 beantragten die Beteiligten zu 1
bis 6 bei der Beteiligten zu 8 (Enteignungsbehörde) die Übernahme des Grund-
stücks. Diese holte daraufhin ein Gutachten zum Wert des Grundstücks ein.
Hiernach beträgt der Verkehrswert unter dem Blickwinkel der ausgeübten Nut-
zung des Grundstücks (Garagen/Stellplätze) 105.500
€ und auf der Grundlage
der zum maßgeblichen Stichtag planungsrechtlich zulässigen Nutzung (baurei-
fes Land im allgemeinen Wohngebiet) 225.000
€.
In der Folgezeit kam zwischen den Beteiligten zu 1 bis 6 und der Beteilig-
ten zu 7 (Gemeinde) eine Teileinigung zustande, aufgrund derer auf letztere
das Eigentum und der Besitz an dem Grundstück gegen Zahlung einer Mindes-
tentschädigung von 105.500
€ überging. Das Verfahren sollte als Entschädi-
gungsfeststellungsverfahren von der Beteiligten zu 8 fortgeführt werden.
Mit Beschluss vom 7. März 2007 setzte die Beteiligte zu 8 die Entschädi-
gung für den eingetretenen Rechtsverlust auf 105.500
€ fest, wobei sie die tat-
sächliche Nutzung des Grundstücks der Wertermittlung zugrunde legte.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Antrag der Beteiligten zu 1 bis 6
auf gerichtliche Entscheidung, mit dem sie eine weitere Entschädigung von
119.500
€ begehren. Sie meinen, die Höhe der Entschädigung sei nach der
zulässigen Nutzung des Grundstücks zu bemessen, also die Baulandqualität
desselben zugrunde zu legen.
6
7
8
9
- 5 -
Das Landgericht hat dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung stattge-
geben und den Entschädigungsfeststellungsbeschluss in der von den Beteilig-
ten zu 1 bis 6 beantragten Weise abgeändert. Es hat seiner Beurteilung zu-
grunde gelegt, dass eine Entschädigung unter Berücksichtigung der zulässigen
Nutzungen geboten sei, da die Beteiligten zu 1 bis 6 von einer isolierten eigen-
tumsverdrängenden Planung betroffen seien.
Auf die Berufung der Beteiligten zu 8 ist das landgerichtliche Urteil abge-
ändert und der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen worden.
Hiergegen haben sich die Beteiligten zu 1 bis 6 mit ihrer vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision gewandt, mit der sie die Wiederherstellung des erstin-
stanzlichen Urteils begehren.
Der Senat hat das Berufungsurteil mit Urteil vom 7. Juli 2011 (III ZR
156/10, BGHZ 190, 227) aufgehoben und die Berufung der Beteiligten zu 8 zu-
rückgewiesen.
Gegen dieses Urteil hat die Beteiligte zu 8 Verfassungsbeschwerde ein-
gelegt. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 16. Dezember
2014 (BVerfGE 138, 64) das Urteil des Senats vom 7. Juli 2011 aufgehoben
und das Verfahren an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
Die Beteiligten zu 1 bis 6 verfolgen ihr Revisionsbegehren weiter.
Auf Grundlage des Senatsurteils vom 7. Juli 2011 hat der Beteiligte zu 7
den Beteiligten zu 1 bis 6 mit Wertstellung zum 30. August 2011 die nach dem
Urteil des Landgerichts bestehende Restsch
uld in Höhe von 119.500 € zuzüg-
10
11
12
13
14
15
- 6 -
lich Zinsen, m
ithin 139.333,96 €, gezahlt. Der Beteiligte zu 7 beantragt die Ver-
urteilung der Beteiligten zu 1 bis 6 zur Rückzahlung dieses Betrages nebst Zin-
sen nach § 221 BauGB i.V.m. § 717 ZPO.
Entscheidungsgründe
A.
Die zulässige Revision der Beteiligten zu 1 bis 6 hat keinen Erfolg.
I.
Das Kammergericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-
führt, die Beteiligten zu 1 bis 6 könnten nach § 145 Abs. 5 Satz 4, § 93 Abs. 4
Satz 1, § 95 Abs. 2 Nr. 7 und § 42 Abs. 3 BauGB nur eine Entschädigung nach
der ausgeübten Nutzung des Grundstücks verlangen. Wegen § 95 Abs. 2
Nr. 7 BauGB blieben bei der Festsetzung der Entschädigung Bodenwerte unbe-
rücksichtigt, die nicht zu berücksichtigen wären, wenn der Eigentümer eine Ent-
schädigung in den Fällen der §§ 40 bis 42 BauGB geltend machen würde. Nach
§ 42 Abs. 3 Satz 1 BauGB komme eine Entschädigung nur wegen der ausgeüb-
ten Nutzung des Grundstücks und nicht mehr wegen dessen zulässiger Nut-
zung in Betracht, wenn letztere nach Ablauf einer Frist von sieben Jahren auf-
gehoben oder geändert werde. Diese Siebenjahresfrist habe am 3. Oktober
1990 begonnen und sei am 3. Oktober 1997 abgelaufen.
16
17
- 7 -
Als eigentumsverdrängende Maßnahme sei die Versagung der sanie-
rungsrechtlichen Genehmigung durch Bescheid vom 26. August 2004 anzuse-
hen. Diese habe den Übernahmeanspruch der Beteiligten zu 1 bis 6 nach § 145
Abs. 5 Satz 1 und die entsprechende Anwendbarkeit von § 95 Abs. 2 Nr. 7,
§§ 40 bis 42 BauGB ausgelöst. Die eigentumsverdrängende Wirkung des Ver-
sagungsbescheids rechtfertige allerdings keine Entschädigung nach Maßgabe
der nach § 34 BauGB zulässigen Nutzung. Zwar nehme der Bundesgerichtshof
in Fällen isolierter eigentumsverdrängender Planung eine einschränkende ver-
fassungskonforme Auslegung des § 42 Abs. 3 BauGB vor mit der Folge, dass
eine Entschädigung nach derjenigen Grundstücksqualität verlangt werden kön-
ne, die das übernommene Grundstück vor der es herabzonenden Planung be-
sessen habe. Hier sei aber nicht nur das Grundstück der Beteiligten zu 1 bis 6,
sondern auch das Nachbargrundstück von dem Entzug der baurechtlich zuläs-
sigen Nutzungsmöglichkeit betroffen. Darüber hinaus seien im Rahmenplan
mindestens zehn weitere Flächen als "öffentliche Grünfläche/Bestand mit Auf-
wertungsbedarf" gekennzeichnet, bei denen es sich überwiegend ebenfalls um
Baulücken wie im Fall des Grundstücks der Beteiligten zu 1 bis 6 handele. Dass
alle vergleichbaren Grundstücke im Sanierungsgebiet zum Abbau von Defiziten
der Freiflächenversorgung verwendet würden, nehme der Belastung der Betei-
ligten zu 1 bis 6 die Qualität eines Sonderopfers, weshalb eine Übertragung der
Grundsätze zur isolierten eigentumsverdrängenden Planung auf die Versagung
einer sanierungsrechtlichen Genehmigung nicht möglich sei.
18
- 8 -
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
1.
Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass auf die
Entschädigung infolge eines Übernahmeverlangens nach § 145 Abs. 5 Satz 4
BauGB die Vorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB anwendbar ist. Diese geht
auf die Novellierung des Bundesbaugesetzes (BBauG) vom 18. August 1976
(BGBl I S. 2256, ber. S. 3617) zurück. Sie stellt eine Harmonisierung der Ent-
eignungsentschädigung mit dem durch die Novelle umfänglich geänderten Sys-
tem des Planungsschadensrechts her und bestimmt, dass bei der Festsetzung
der Entschädigung Bodenwerte unberücksichtigt bleiben, die nicht zu berück-
sichtigen wären, wenn der Eigentümer eine Entschädigung in den Fällen der
§§ 40 bis 42 BauGB geltend machen würde.
Nach weit überwiegender und auch vom Senat geteilter Ansicht wird da-
mit auch § 43 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 42 Abs. 3 BauGB in Bezug genommen,
wonach der Eigentümer eine Entschädigung nur für Eingriffe in die ausgeübte
Nutzung verlangen kann, wenn die zulässige Nutzung eines Grundstücks nach
Ablauf einer Frist von sieben Jahren ab Zulässigkeit aufgehoben oder geändert
wird (vgl. Senat, Urteile vom 6. Mai 1999 - III ZR 174/98, BGHZ 141, 319, 322
und vom 11. Juli 2002 - III ZR 160/01, NJW 2003, 63, 64; Groß in Ernst/
Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 95 Rn. 92 ff [Stand: November
2015]; Schlick in Berliner Kommentar zum BauGB, § 95 Rn. 50 [Stand: Novem-
ber 2012]; Schrödter/Breuer, BauGB, 8. Aufl., § 95 Rn. 45; a.A. mit Hinweis auf
den Wortlaut der Normen Schlichter/Stich/Tittel, BBauG, 3. Aufl., § 95 Rn. 22).
19
20
21
- 9 -
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Rechtsauffassung der Beteilig-
ten zu 1 bis 6 auch nicht daraus, dass § 145 Abs. 5 Satz 5 BauGB allein auf
§ 43 Abs. 1, 4 und 5 sowie § 44 BauGB Abs. 3 und 4 BauGB verweist. Mit der
Anfügung des Satzes 5 sollte nach der Gesetzesbegründung lediglich redaktio-
nell klargestellt werden, dass die genannten planungsschadensrechtlichen Re-
gelungen der §§ 43 und 44 BauGB in den Fällen entsprechend Anwendung
finden, in denen der Eigentümer wegen Versagung der sanierungsrechtlichen
Genehmigung eine Übernahme des Grundstücks verlangt (vgl. BT-Drucks.
13/6392 S. 66). Eine Einschränkung der in § 145 Abs. 5 Satz 4 BauGB enthal-
tenen Verweisung auf die Vorschriften des Fünften Teils des Ersten Kapitels
und die darin enthaltenen Weiterverweisungen sollte mit der Einfügung des
Satzes 5 in § 145 Abs. 5 BauGB somit nicht erfolgen.
2.
Das Berufungsgericht ist weiter zu Recht davon ausgegangen, dass die
Siebenjahresfrist des § 42 Abs. 2 und 3 BauGB auch in dem hier gegebenen
Fall der fremdnützigen Umplanung Anwendung finden kann, das heißt wenn
das Grundstück nach der neuen Planung nicht mehr den privaten Zwecken des
Eigentümers, sondern nur noch fremden, insbesondere öffentlichen Zwecken
dienen darf (KG, ZfBR 2016, 150, 152; offenlassend Senat, Urteil vom 6. Mai
1999 aaO S. 326).
Der Senat folgt nicht der Ansicht, die Frist sei nur in den in § 42 BauGB
geregelten Fällen der verbleibenden Privatnützigkeit anwendbar (so aber
Paetow in Berliner Kommentar zum BauGB, § 43 Rn. 8 [Stand: Oktober 2015];
Schmidt-Eichstädt, ZfBR 2015, 330). Dabei kann offengelassen werden, ob der
Wortlaut des § 43 Abs. 3 BauGB für eine solche einschränkende Auslegung
Anhaltspunkte enthält (Senat, Urteil vom 6. Mai 1999 aaO). Sie widerspricht
jedenfalls dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen Willen
22
23
24
- 10 -
des Gesetzgebers, welcher mit § 44b Abs. 2a Satz 2 des Entwurfs des Geset-
zes zur Änderung des Bundesbaugesetzes (jetzt: § 43 Abs. 3 Satz 2 BauGB)
eine Limitierung der Entschädigungsansprüche "in allen Fällen des Planungs-
schadensrechts" - und damit auch in den Fällen fremdnütziger Umplanung -
erreichen wollte (vgl. Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen
und Städtebau, BT-Drucks. 7/4793 S. 41). In dem vorangegangenen Regie-
rungsentwurf (BT-Drucks. 7/2496 S. 56) heißt es, "während einer angemesse-
nen Frist" solle "das Vertrauen auf die Bestandskraft eines Bebauungsplans
planungsschadensrechtlich geschützt" werden. Nach Ablauf der Frist stelle sich
"die eröffnete Möglichkeit der Nutzung im enteignungsrechtlichen Sinne nach-
träglich als eine nicht ausgenutzte Chance" dar, die "als solche nicht mehr zu
entschädigen" sei. Der vorgesehene § 95 Abs. 2 Nr. 6 BBauG (jetzt: § 95 Abs. 2
Nr. 7 BauGB) übertrage den "Rechtsgedanken des" (seinerzeitigen) "§ 44b
Abs. 3 BBauG" (jetzt: § 43 Abs. 3 BauGB) "in das Enteignungsrecht" (BT-
Drucks. 7/2496 S. 58). Mit der Regelung des heutigen § 43 Abs. 3 Satz 2
BauGB sollten mithin nicht nur "privatnützige" Festsetzungen bei einer § 42
BauGB unterfallenden Planung den Einschränkungen dieser Bestimmung un-
terworfen werden, vielmehr sollte die entschädigungsrechtliche Grundentschei-
dung des § 42 Abs. 2, 3 BauGB - Schutz nicht ausgeübter Nutzungen nur in-
nerhalb der Siebenjahresfrist - umfassend und damit auch innerhalb der §§ 40,
41 BauGB gelten (ebenso KG aaO; Schrödter/Breuer, BauGB, 8. Aufl., § 95
Rn. 45 ff; Groß in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 95 Rn. 94
[Stand: November 2015]; Wünschmann in Spannowsky/Uechtritz, BeckOK
BauGB, § 95 Rn. 38 [Stand: 15. April 2016]).
3.
Wie das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat, war die durch § 145
Abs. 5 Satz 4, § 95 Abs. 2 Nr. 7 und § 43 Abs. 3 Satz 2 BauGB zur Anwendung
kommende Siebenjahresfrist des § 42 Abs. 3 BauGB am 3. Oktober 1997 und
25
- 11 -
damit vor Erlass der eigentumsverdrängenden Maßnahme, nämlich der Versa-
gung der sanierungsrechtlichen Genehmigung, abgelaufen. Dementsprechend
können die Beteiligten zu 1 bis 6 für den infolge des Übernahmeverlangens
eingetretenen Rechtsverlust nur eine Entschädigung auf Grundlage der bisheri-
gen Nutzung geltend machen.
a) Eine Ausnahme von der Siebenjahresfrist des § 42 Abs. 3 BauGB
kann nicht auf Grundlage einer entsprechenden Anwendung des in § 42 Abs. 5
BauGB normierten besonderen Vertrauenstatbestands angenommen werden.
aa) Insbesondere kann die gesetzliche Fristverlängerung des § 42 Abs. 5
BauGB entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 1 bis 6 nicht über den dort ge-
regelten Fall einer Veränderungssperre hinaus auf die am 8. Oktober 1993 und
damit vor Ablauf der Siebenjahresfrist erfolgte Festlegung eines Sanierungsge-
bietes übertragen werden. Die eigentumsbeeinträchtigende Wirkung derselben
manifestiert sich erst mit der Versagung der Genehmigung nach § 144 BauGB,
weshalb auch erst in diesem Stadium eine der Veränderungssperre vergleich-
bare Belastung für den betroffenen Eigentümer eintritt (vgl. Schrödter/Breuer,
BauGB, 8. Aufl., § 42 Rn. 79; Paetow in Berliner Kommentar zum BauGB, § 42
Rn. 32 [Stand: Dezember 2008]).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das betroffene Grund-
stück den Beteiligten zu 1 bis 6 erst mit Bescheid vom 8. März 1999 und damit
nach Ablauf der siebenjährigen Frist nach dem Gesetz zur Regelung offener
Vermögensfragen restituiert worden war (in diesem Sinn aber wohl Berkemann,
DÖV 2015, 393, 405). Weder der Wortlaut der Norm noch deren Entstehungs-
geschichte rechtfertigen für diesen Fall eine entsprechende Anwendung des
§ 42 Abs. 5 BauGB. Der Gesetzgeber hat mit der Vorgängerregelung von § 42
26
27
28
- 12 -
Abs. 5 bis 7 BauGB einen (aus seiner Sicht verfassungsrechtlich nicht gebote-
nen) Härteausgleich für Fälle schaffen wollen, in denen die zulässige Nutzung
nicht innerhalb der Siebenjahresfrist realisiert wurde (vgl. BT-Drucks. 7/4793
S. 40). Hierbei beschränkt sich die Vorschrift ausdrücklich auf die Sicherungsin-
strumente der Bauleitplanung, ohne andere gesetzliche Hinderungsgründe
gleichzustellen, obwohl bei Einführung der Frist gesetzliche Bauverbote außer-
halb des Planungsrechts bekannt waren. Von einer planwidrigen Regelungslü-
cke ist daher nicht auszugehen (Haaß, UPR 2016, 161, 162).
bb) Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung des § 42 Abs. 5
BauGB lässt sich auch nicht unter Rückgriff auf § 42 Abs. 8 Satz 1 BauGB be-
gründen (in diesem Sinne wohl Berkemann aaO). Nach dieser Vorschrift be-
steht in den Fällen des § 42 Abs. 5 bis 7 BauGB der Anspruch auf Entschädi-
gung nicht, wenn der Eigentümer nicht bereit oder in der Lage war, das beab-
sichtigte Vorhaben zu verwirklichen. Systematisch stellt § 42 Abs. 8 Satz 1
BauGB eine Gegenausnahme zu § 42 Abs. 5 bis 7 BauGB dar und kann daher
nicht dazu herangezogen werden, seinerseits den Anwendungsbereich dieser
Härtefallregelungen zu erweitern (Haaß aaO). Die Beteiligten zu 1 bis 6 müssen
sich die unterlassene Ausnutzung der Bebauungsmöglichkeit durch die Vorei-
gentümer zurechnen lassen.
b) Auch die vom Senat in seinem Urteil vom 7. Juli 2011 (III ZR 156/10,
BGHZ 190, 227 Rn. 14 ff) in der vorliegenden Sache für geboten gehaltene ein-
schränkende verfassungskonforme Auslegung von § 43 Abs. 3 Satz 2 und § 42
Abs. 3 i.V.m. § 145 Abs. 5 Satz 4, § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB kommt nach dem
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 2014 (BVerfGE
138, 64) nicht mehr in Betracht.
29
30
- 13 -
Nach der von dem Bundesverfassungsgericht (aaO Rn. 92 ff) in diesem
Beschluss in Bezug genommenen bisherigen Rechtsprechung des Senats (Ur-
teile vom 6. Mai 1999 - III ZR 174/98, BGHZ 141, 319, 326 ff; vom 11. Juli 2002
- III ZR 160/01, NJW 2003, 63, 64 und vom 19. Juli 2007 - III ZR 305/06, ZfBR
2007, 788, 789) stehen der Schutz des Eigentums aus Art. 14 Abs. 1 und 3 GG
und der in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz der Lastengleichheit einer
Anwendung der genannten Normen entgegen, wenn einzelne Eigentümer, die
in einem Plangebiet von eigentumsverdrängenden Festsetzungen betroffen
sind, im Fall der Enteignung mit einem Sonderopfer und im Verhältnis zu den
übrigen Planbetroffenen ungleich und unzumutbar belastet werden. Bei einer
solchen "isolierten" eigentumsverdrängenden Planung kommt danach ungeach-
tet des Ablaufs der Siebenjahresfrist des § 42 Abs. 3 BauGB eine Entschädi-
gung nach derjenigen Grundstücksqualität in Betracht, die das enteignete
Grundstück vor der "herabzonenden" Ausweisung im Bebauungsplan besessen
hatte. Diese Rechtsprechung ist von weiten Teilen der Literatur befürwortet
worden (zB: Krohn, FS Schlichter 1995, 439, 455 ff; Paetow in Berliner Kom-
mentar zum BauGB, § 43 Rn. 8 [Stand: Oktober 2015] und § 42 Rn. 2 ff [Stand:
Dezember 2008]; Schlick in Berliner Kommentar zum BauGB, § 95 Rn. 50 ff
[Stand: November 2012]; i. Erg. auch Uechtritz, BauR 1983, 523, 530; kritisch
hingegen Schrödter/Breuer, BauGB, 8. Aufl., § 95 Rn. 48 f).
In seiner Entscheidung vom 7. Juli 2011 (aaO) hat der Senat die Grund-
sätze der isolierten eigentumsverdrängenden Planung auf den zu beurteilenden
Fall der Entziehung des Eigentums an einem Grundstück infolge der Ablehnung
eines Antrags auf Bebauung wegen entgegenstehender Ziele und Zwecke der
Sanierung in einem Sanierungsgebiet nach § 142 Abs. 1 Satz 1 BauGB über-
tragen. Die dadurch eintretende eigentumsbeeinträchtigende Wirkung sei mit
der einer herabzonenden Bebauungsplanung vergleichbar (aaO Rn. 16 f).
31
32
- 14 -
Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts überschreitet diese
Rechtsprechung die Grenzen der verfassungskonformen Auslegung. Die Be-
stimmung des § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB lasse keine alternative Deutungsmög-
lichkeit dahingehend zu, dass sie eine Regelung enthalte, wonach Bodenwerte,
die gemäß §§ 40 bis 42 BauGB ausgeschlossen seien, in bestimmten Konstel-
lationen doch zu berücksichtigen seien. Als generelle Verweisungsnorm ermög-
liche die Vorschrift auch nach dem Zusammenhang, in den sie gestellt sei, kei-
ne solche Einschränkung (aaO Rn. 89 ff). Das Bundesverfassungsgericht hat
dem Senat aufgegeben, seine Auffassung zur Verfassungswidrigkeit des anzu-
wendenden Gesetzes zu überprüfen und gegebenenfalls über eine Vorlage
nach Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 BVerfGG zu beschließen (aaO Rn. 101).
c) Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1
Satz 1 GG i.V.m. § 80 BVerfGG ist nicht veranlasst. Der Senat ist von der Ver-
fassungswidrigkeit der planungsschadensrechtlichen Reduktionsklausel gemäß
§ 43 Abs. 3 Satz 2 und § 42 Abs. 3 i.V.m. § 145 Abs. 5 Satz 4, § 95 Abs. 2 Nr. 7
BauGB nicht mehr überzeugt, wie es Voraussetzung für eine Vorlage an das
Bundesverfassungsgericht zur konkreten Normenkontrolle ist (BVerfGE 9, 237,
240 f; 79, 256, 263). Die insoweit verbleibenden Zweifel des Senats genügen
hierfür nicht.
aa) § 43 Abs. 3 Satz 2 und § 42 Abs. 3 i.V.m. § 145 Abs. 5 Satz 4, § 95
Abs. 2 Nr. 7 BauGB stellt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von
Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Die Regelung entzieht keine konkreten Eigen-
tumspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben, sondern regelt
die Entschädigungsfolgen einer generellen und abstrakten Beschränkung der
Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks. Die Einordnung der Norm ist von
33
34
35
- 15 -
der Intensität der den Rechtsinhaber treffenden Belastung unabhängig (vgl.
BVerfGE 83, 201, 211 ff; 100, 226, 240).
bb) Eine Beschränkung der Eigentümerrechte - hier gemäß § 43 Abs. 3
Satz 2 und § 42 Abs. 3 i.V.m. § 145 Abs. 5 Satz 4, § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB - ist
aber nur dann mit der Eigentumsgarantie vereinbar, wenn sie durch Gründe des
allgemeinen Wohls unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismä-
ßigkeit und des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG gerechtfertigt ist. Die
Gründe des öffentlichen Interesses, die für den Eingriff sprechen, müssen so
schwerwiegend sein, dass sie Vorrang haben vor dem Vertrauen des Bürgers
auf den Fortbestand seines Rechts, das durch die Bestandsgarantie des Art. 14
Abs. 1 GG gesichert wird (vgl. Senat, Urteil vom 6. Mai 1999 - III ZR 174/98,
BGHZ 141, 319, 325; BVerfGE 83, 201, 212 f). Wirkt sich ein Eingriff in das
Eigentum wie eine (Teil- oder Voll-) Enteignung aus, ist bei der Verhältnismä-
ßigkeitsprüfung auch das in Art. 14 Abs. 3 GG zum Ausdruck kommende Ge-
wicht des Eigentumsschutzes zu beachten (vgl. Senat, Urteil vom 19. Juli 2007
- III ZR 305/06, ZfBR 2007, 788, 790; BVerfGE 83 aaO; BVerfG, NVwZ 1999,
979, 980).
Auf Grundlage der nach diesen Maßstäben vorzunehmenden Abwägung
kann sich der Senat keine Überzeugung davon bilden, dass die in Rede ste-
hende gesetzliche Regelung in einer die Grenzen der verfassungsmäßigen
Ordnung überschreitenden Weise in die Eigentümerrechte der Betroffenen ein-
greift.
Maß und Umfang der dem Eigentümer von Verfassungs wegen zugemu-
teten und vom Gesetzgeber zu realisierenden Bindung hängen davon ab, ob
und in welchem Ausmaß das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und
36
37
38
- 16 -
einer sozialen Funktion steht. Jedes Grundstück ist durch seine Lage und Be-
schaffenheit sowie seine Einbettung in die Landschaft und Natur, also seine
"Situation", geprägt. Darauf muss der Eigentümer bei der Ausübung seiner Be-
fugnisse im Hinblick auf die Sozialbindung des Eigentums Rücksicht nehmen.
Daher lastet auf jedem Grundstück gleichsam eine aus seiner Situationsgebun-
denheit abzuleitende immanente Beschränkung der Rechte des Eigentümers,
aus der sich Schranken seiner Nutzungs- und Verfügungsmacht ergeben. Wie
die Grenzen im Einzelfall zu ziehen sind, ist jeweils aufgrund einer wertenden
Beurteilung der Kollision zwischen den berührten Belangen des Allgemeinwohls
und den betroffenen Eigentümerinteressen festzustellen (vgl. Senat, Urteile
vom 17. Dezember 1992 - III ZR 112/91, BGHZ 121, 73, 78; vom 7. Juli 1994
- III ZR 5/93, NJW 1994, 3283, 3285 f - insoweit in BGHZ 126, 379 nicht abge-
druckt und vom 15. Februar 1996 - III ZR 49/95, NVwZ 1996, 930, 932 f).
Der Gesetzgeber hat bei dem vorzunehmenden Interessenausgleich die
Grenzen der ihm zukommenden Einschätzungsprärogative jedenfalls nicht un-
zweifelhaft überschritten.
Mit der Novelle des Bundesbaugesetzes im Jahr 1976 wurde das Pla-
nungsschadensrecht grundlegend dahingehend geändert, dass für die zulässi-
ge städtebaulich relevante Nutzung eines Grundstücks nur noch ein einge-
schränkter Schutz gewährt wurde. Anlass hierfür war, dass nach Auffassung
des Gesetzgebers das Bundesbaugesetz dem Erfordernis nach Planänderung,
welches sich stärker als früher ergebe, nicht ausreichend Rechnung getragen
habe. Das geltende Recht schütze alle zu irgendeiner Zeit einmal gewährten
städtebaulichen Nutzbarkeiten. Ein derartig weitgehender Schutz sei aber durch
die Verfassung nicht geboten und erweise sich zunehmend als Hemmnis für die
städtebauliche Entwicklung. Deshalb solle das Vertrauen auf die Bestandskraft
39
40
- 17 -
eines Bebauungsplans nur noch während einer angemessenen, nämlich sie-
benjährigen Frist geschützt werden (Begründung des Gesetzesentwurfs der
Bundesregierung zur Änderung des Bundesbaugesetzes, BT-Drucks. 7/2496
S. 55 f).
Dem damit verfolgten Allgemeinwohlinteresse, die städtebauliche Ent-
wicklung zu erleichtern, das auch später im Beitrittsgebiet von besonderer Re-
levanz war, durfte der Gesetzgeber ein besonderes Gewicht einräumen. Insbe-
sondere wenn in einem begrenzten Plangebiet nur noch einzelne Grundstücke
zur Erfüllung im Gemeinwohl liegender Aufgaben zur Verfügung stehen, ergibt
sich eine besondere, die Sozialbindung aktivierende Situation. Dem Allgemein-
interesse kann dabei im Einzelfall gegenüber den wirtschaftlichen Interessen
Privater der Vorrang einzuräumen sein.
Zur Herstellung eines angemessenen Ausgleichs zwischen den Interes-
sen der Allgemeinheit und der betroffenen Eigentümer war der Gesetzgeber
nicht verpflichtet, generell einen finanziellen Ausgleich vorzusehen, der die
grundrechtlich relevante Einbuße vollständig kompensiert (vgl. Senat, Urteil
vom 6. Mai 1999 - III ZR 174/98, BGHZ 141, 319, 324). Eine starre Fixierung
auf den Verkehrswert würde übersehen, dass durch Inhaltsbeschränkungen
des Eigentums zum Wohle der Allgemeinheit verursachte Wertminderungen
nach dem Regelungssystem des Art. 14 GG bis zu einem gewissen Grad von
den Eigentümern als entschädigungsfreie Sozialbindung hingenommen werden
müssen (BVerfGE 24, 367, 421; BVerfG, NJW-RR 2005, 741, 742; NVwZ 2010,
512 Rn. 43 ff) und die Entschädigung nur die Nachteile auszugleichen hat, die
die von der Sozialgebundenheit gerechtfertigte Belastung des Eigentums über-
41
42
- 18 -
cc) Bislang hat sich der Senat davon überzeugt gezeigt, der Gesichts-
punkt der Gleichbehandlung beziehungsweise der Lastengleichheit verbiete in
den Fällen der - auch hier vorliegenden - eigentumsverdrängenden isolierten
Planung eine wertmäßige Benachteiligung desjenigen, der nach § 40 Abs. 1
BauGB enteignet werde, gegenüber demjenigen, der sein Grundstück nach ei-
ner Planänderung - ohne eigentumsverdrängende Festsetzungen bezüglich
seines Grundstücks - behalte. Der Senat hat unter dem Gesichtspunkt der Las-
tengleichheit keinen sachlichen Grund gesehen, den im Hinblick auf eigentums-
verdrängende Festsetzungen der Planung letztlich enteigneten Eigentümer bei
der Bewertung des ihm Genommenen in Anwendung von § 42 Abs. 3 und § 43
Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 Nr. 7 BauGB über diejenigen Minderungen des
Bodenwertes hinaus, die sich aus den in § 42 BauGB angesprochenen - sich im
Bereich der Privatnützigkeit des Eigentums haltenden - Planungsmaßnahmen
ergeben, entschädigungslos zu lassen (z.B. Urteile vom 6. Mai 1999 - III ZR
174/98, BGHZ 141, 319, 326; vom 11. Juli 2002 - III ZR 160/01, NJW 2003, 63,
64 und vom 19. Juli 2007 - III ZR 305/06, ZfBR 2007, 788, 789).
Hieran hält der Senat nach Überprüfung für die vorliegende Fallgestal-
tung nicht mehr in dieser Weise fest. Angesichts der geschilderten Situations-
gebundenheit des Grundeigentums und der von dem Gesetzgeber verfolgten
schützenswerten Gemeinwohlbelange sind die nach wie vor bestehenden Zwei-
fel an der Verfassungsmäßigkeit der gewählten Lösung letztlich nicht so ge-
wichtig, dass er sich eine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der
Normen bilden konnte.
So erscheint es nicht zwingend, aus dem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden
Grundsatz der Lastengleichheit ein Gebot umfassender Gleichstellung des von
einer eigentumsverdrängenden Planung betroffenen Eigentümers mit allen üb-
43
44
45
- 19 -
rigen Eigentümern im Plan- beziehungsweise Sanierungsgebiet herzuleiten mit
der Konsequenz, dass für die Inanspruchnahme seines Grundstücks nur eine
Entschädigung auf Grundlage der zulässigen Nutzung, also nach Baulandquali-
tät, als angemessen zu erachten wäre. Vielmehr kann es auch unter dem Ge-
sichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG in den Fällen der isolierten eigentumsverdrän-
genden Planung ein zulässiges Differenzierungskriterium sein, dass die in An-
spruch genommenen Eigentümer im Unterschied zu anderen Grundstücksei-
gentümern die ursprünglich gegebene Bebauungsbefugnis noch nicht ins Werk
gesetzt haben.
(1) Dies gilt jedenfalls, wenn von der "herabzonenden" Planung alle
Grundstücke im Plangebiet betroffen sind, die noch nicht in der zuvor zulässi-
gen Weise bebaut waren. In diesen Konstellationen wird den betroffenen Eigen-
tümern durch die "Herabzonung" nicht etwas - nämlich die Möglichkeit der Be-
bauung im bisherigen Umfang - genommen, was anderen Grundstückseigen-
tümern in vergleichbarer Situation erhalten bleibt. Eine solche Konstellation lag
im Streitfall vor. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsge-
richts sind sämtliche mit dem betroffenen Grundstück vergleichbar genutzten
Liegenschaften im Sanierungsgebiet als "öffentliche Grünfläche/Bestand mit
Aufwertungsbedarf" ausgewiesen. Ob die nicht innerhalb der Frist des § 42
Abs. 2 BauGB ausgenutzte Bauberechtigung auch dann ein sachliches Unter-
scheidungsmerkmal darstellen kann, wenn innerhalb des Planungsgebiets nicht
alle vergleichbar genutzten Flächen von der "Herabzonung" betroffen sind,
kann im vorliegen Fall auf sich beruhen.
(2) Dessen ungeachtet erscheint es in den Fällen der "isolierten" eigen-
tumsverdrängenden Planung zumindest auch vertretbar, aufgrund des Fehlens
einer privaten Investition in das Grundstück kein nach Art. 14 Abs. 1 GG
46
47
- 20 -
schutzwürdiges Äquivalent eigener Leistung für die auf staatlicher Planung be-
ruhende Wertsteigerung des Grundstücks anzuerkennen (auf das Äquivalent
eigener Leistung abstellend BVerfG, NVwZ 2010 aaO Rn. 45; vgl. auch Breuer,
DÖV 1978, 189, 191; ähnlich auch KG, ZfBR 2016, 150, 153) und damit eine
Entschädigung als ausreichend zu erachten, welche auf den Wert der ausgeüb-
ten Nutzung beschränkt ist.
B.
Der Antrag des Beteiligten zu 7 auf Rückzahlung des an die Beteiligten
zu 1 bis 6 gezahlten Betrages von 139.33
3,96 € nebst Zinsen ist abzuweisen.
Entgegen der Rechtsauffassung des Beteiligten zu 7 ergibt sich der geltend
gemachte Zahlungsanspruch nicht aus § 221 BauGB i.V.m. § 717 Abs. 2 Satz 1
und 2 ZPO, § 291 Satz 1 und 2 und § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB oder aus § 221
BauGB i.V.m. § 717 Abs. 3 Satz 2 bis 4 ZPO, § 818 Abs. 1, 2 und 4, § 291
Satz 1 und 2 und § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
§ 717 Abs. 2 und 3 ZPO regelt eine Erstattungspflicht, die Zahlungen
oder andere Leistungen aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils betrifft.
Eine unmittelbare Anwendung scheidet aufgrund des eindeutigen Wortlauts der
Norm aus. Weder stellte das von dem Bundesverfassungsgericht aufgehobene
Revisionsurteil ein für vorläufig vollstreckbares Urteil im Sinne des § 717 Abs. 2
Satz 1 ZPO dar noch ist es ein Berufungsurteil nach § 717 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
Auch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf die vorliegende
Fallkonstellation, in der eine nicht mehr anfechtbare Entscheidung durch das
Bundesverfassungsgericht aufgehoben wurde, ist nicht angezeigt (so auch OLG
Hamm, BeckRS 2009, 29476).
48
49
50
- 21 -
1.
Eine entsprechende Anwendung des grundsätzlich analogiefähigen
§ 717 Abs. 2 ZPO (BGH, Urteile vom 23. Mai 1985 - IX ZR 132/84, BGHZ 95,
10, 14 und vom 11. Mai 1999 - IX ZR 423/97, MDR 1999, 1087) setzt neben
dem (hier bereits zweifelhaften) Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke
voraus, dass der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht in einem
Maße mit dem von dem Gesetzgeber geregelten Tatbestand vergleichbar ist,
dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessen-
abwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie
beim Erlass der herangezogenen Norm, zum gleichen Abwägungsergebnis ge-
kommen (z.B. Senat, Urteil vom 4. Dezember 2014 - III ZR 61/14, VersR 2015,
1176 Rn. 9; BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 - IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101
Rn. 32; jeweils mwN). Dies ist nicht der Fall.
§ 717 Abs. 2 ZPO lässt sich auf den Grundsatz zurückführen, dass der
Gläubiger, der von einem noch nicht endgültig rechtsbeständigen Vollstre-
ckungstitel Gebrauch macht, dies auf eigene Gefahr unternimmt und die Folgen
zu tragen hat, falls der Titel letztlich keinen Bestand hat (z.B. BGH, Urteile vom
4. Dezember 1973 - VI ZR 213/71, BGHZ 62, 7, 9 und vom 3. Juli 1997 - IX ZR
122/96, BGHZ 136, 199, 205; vgl. dazu bereits Hahn/Mugdan, Die gesammel-
ten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 8, 1898, S. 135, 393 ff). Der
nach den Grundsätzen der Gefährdungshaftung begründete Erstattungsan-
spruch des § 717 Abs. 2 ZPO ist als Instrument innerprozessualer Waffen-
gleichheit anzusehen und findet seinen Grund in der Risikozuweisung an den
Gläubiger, insoweit unabhängig von der materiellen Rechtslage (BGH, Urteil
vom 3. Juli 1997 aaO; vgl. auch Urteil vom 5. Mai 2011 - IX ZR 176/10, BGHZ
189, 320, Rn. 14). Der Haftungsgrund ist ein doppelter: Einerseits ist der
Schuldner schutzbedürftig. Er kann sich gegen die Vollstreckung aus einem nur
51
52
- 22 -
vorläufig vollstreckbaren Titel nicht wehren. Deshalb kann ihm die Duldung des
Vollstreckungszugriffs aufgrund eines lediglich vorläufig vollstreckbaren Titels
nur zugemutet werden, wenn ihm der Vollstreckungsgläubiger Ersatz zu leisten
hat, falls die Rechtsgrundlage der Vollstreckung später wegfällt (BGH, Urteile
vom 26. Mai 1990 - VI ZR 199/68, BGHZ 54, 76, 81 und vom 11. Mai 1999
- IX ZR 423/97, NJW-RR 1999, 1223; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. Juli 1997
aaO mwN). Andererseits ist der Gläubiger, der von einem noch nicht formell
rechtskräftigen Vollstreckungstitel Gebrauch macht, nicht schutzwürdig, weil er
auf eigene Gefahr vollstreckt (BGH, Urteil vom 11. Mai 1999 aaO).
Die entsprechende Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO kann deshalb nur
dann in Erwägung gezogen werden, wenn die Vollstreckbarkeit des Leistungsti-
tels, aus dem der Gläubiger vorgegangen ist, in gleicher Weise wie bei §§ 708 ff
ZPO "vorläufig" ist (BGH aaO). Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn durch
eine vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Gesetzesnichtigkeit einer an-
fechtbaren Entscheidung die Grundlage entzogen wird (BGH aaO und Urteil
vom 26. Mai 1970 aaO S. 79 ff). Demgegenüber scheidet eine Analogie aus,
wenn nicht eine Bestandsunsicherheit, die sich aus der Vorläufigkeit des Titels
ergibt, sondern ein anderer Mangel in Frage steht (BGH, Urteil vom 11. Mai
1999 aaO mwN; vgl. auch Münzberg in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 717
Rn. 60). An einer die analoge Anwendung rechtfertigenden Bestandsunsicher-
heit fehlt es, wenn aufgrund eines endgültigen Titels vollstreckt oder zur Ab-
wendung der Zwangsvollstreckung geleistet wurde und der Titel dann doch
noch entfiel. Dies gilt etwa für die Fälle der Wiederaufnahme eines rechtskräftig
abgeschlossenen Verfahrens (RGZ 91, 195, 202; MüKoZPO/Götz, 4. Aufl.,
§ 717 Rn. 12) oder der Wiedereinsetzung (Götz aaO) sowie selbst dann, wenn
das von dem Gläubiger erwirkte formell rechtskräftige Urteil wegen inhaltlicher
53
- 23 -
Unbestimmtheit nicht hätte erlassen werden dürfen und nicht in materielle
Rechtskraft erwachsen kann (BGH, Urteil vom 11. Mai 1999 aaO mwN).
Auch in dem hier zu beurteilenden Fall hat der Schuldner eine Zahlung
auf Grundlage eines rechtskräftigen Titels bewirkt, auf dessen Bestand der
Gläubiger nach den obigen Grundsätzen vertrauen durfte. In der späteren Auf-
hebung des nicht mehr anfechtbaren Revisionsurteils aufgrund der von der Be-
teiligten zu 8 erhobenen Verfassungsbeschwerde hat sich ein Risiko realisiert,
welches außerhalb der Sphäre des Gläubigers liegt und ihm daher nach dem
Rechtsgedanken des § 717 Abs. 2 ZPO nicht zuzurechnen ist. Die Einlegung
der Verfassungsbeschwerde hemmt weder den Eintritt der formellen noch der
materiellen Rechtskraft (BVerfGE 93, 381, 385; 107, 395, 413), weshalb das
Revisionsurteil auch bis zur Aufhebung durch das Bundesverfassungsgericht
ungeachtet des Verfassungsbeschwerdeverfahrens zu befolgen war (BVerfGE
93 aaO).
2.
Eine entsprechende Anwendung des § 717 Abs. 3 ZPO kommt aus den
vorstehenden Gründen ebenfalls nicht in Betracht. Ebenso wie § 717 Abs. 2
ZPO setzt § 717 Abs. 3 ZPO das Vorliegen eines vorläufig vollstreckbaren Ur-
teils voraus und beruht auf der Erwägung, dass der Gläubiger, der aus einem
noch nicht endgültig rechtsbeständigen Titel vollstreckt, dies auf eigene Gefahr
tut. Wenn § 717 ZPO den Umfang der Haftung verschieden ausgestaltet, indem
er in Absatz 3 die nach Absatz 2 gegebene Haftung abschwächt, berührt dies
54
55
- 24 -
den genannten allgemeinen Rechtsgedanken nicht (BGH, Urteil vom 25. Okto-
ber 1977 - VI ZR 166/75, BGHZ 69, 373, 378).
Herrmann
Tombrink
Remmert
Reiter
Pohl
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 04.03.2008 - O 3/07 Baul -
KG, Entscheidung vom 09.04.2010 - 9 U 1/08 Baul -