Urteil des BGH vom 17.11.2011

Leitsatzentscheidung zu Öffentliche Ausschreibung, Rückforderung, Zusage, Auflage, Nummer

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 234/10
Verkündet am:
17. November 2011
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 133 B, 157 C; Verwaltungsrecht/Allgemeine Grundsätze
Zum Recht auf Rückforderung eines auf privatrechtlicher Grundlage gewährten
Investitionszuschusses wegen Verstoßes gegen Vergabevorschriften bei der
Verwirklichung des geförderten Projekts.
BGH, Urteil vom 17. November 2011 - III ZR 234/10 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. November 2011 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dörr, Wöstmann, Seiters und Tombrink
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 23. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Oktober 2010 aufge-
hoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungs-
gericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung der für die Einrichtung
einer Software-Factory und des e-port-d. gewährten Investitionszu-
schüsse in Anspruch.
Die Klägerin, die frühere Landesbank N. -W. , ist aus einer
Abspaltung (unter anderem) des Geschäftsbereichs Investitionsbank N. -
W. aus dem Vermögen der W. L. Girozentrale
entstanden. Sie ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Die Investitionsbank
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hat im Rahmen der Zuschussgewährung nach dem regionalen Wirtschaftsför-
derungsprogramm (RWP) auf der Grundlage eines Rahmenvertrags mit dem
Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes
Nordrhein-Westfalen die Aufgabe, RWP-Mittel zuzusagen und entsprechend
den Weisungen des Ministeriums auszuzahlen. Die Beklagte, hier das Sonder-
vermögen "Verpachtung Technologiezentrum D. ", empfing Investitions-
zuschüsse für zwei ihrer Vorhaben.
I.
Die Beklagte beantragte am 28. Februar 2002 bei dem Ministerium für
Wirtschaft, Mittelstand, Technologie und Verkehr einen Investitionszuschuss
aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirt-
schaftsstruktur" zum Umbau des ehemaligen Betriebsgeländes des M. -
P. -I. zur Software-Factory. In dem vorformulierten Antrag bestätigte
die Beklagte, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge für die beantragten
Investitionen unter Einhaltung der Verdingungsordnung für Bauleistungen
(VOB/A) und der Verdingungsordnung für Leistungen - ausgenommen Bauleis-
tungen - (VOL/A) sowie des Gemeinschaftsrechts und vor allem der gemein-
schaftlichen Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Bau- und Lieferaufträge
und der Art. 30, 52 und 59 des EWG-Vertrags erfolge. Der Baubeginn war in
dem Antrag für den 1. Januar 2002 und das Ende des Bauvorhabens mit dem
31. Dezember 2003 angegeben. Unter dem 3. November 2003 bewilligte die
Klägerin Zuschüsse in Höhe von 859.608,54
€ und 797.468,15 €. Das Bewilli-
gungsschreiben enthielt unter Nummer 4 der "Auflagen/Hinweise" folgende
Klausel:
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"Die Vorgaben der Europäischen Kommission zur öffentlichen Auf-
tragsvergabe sowie die nationalen Regelungen der VOB, VOL und
VOF in Verbindung mit dem Erlass des Finanzministers NRW vom
16. 12. 1997 - I D 1 - 044 - 3/8 - sind zu beachten."
Dem Schreiben waren außerdem Allgemeine Bedingungen für Investiti-
onszuschüsse bei Infrastrukturmaßnahmen aus dem regionalen Wirtschaftsför-
derungsprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen beigefügt. In diesen Allge-
meinen Bedingungen war unter Nummer 9.2. festgelegt, dass die Investitions-
bank NRW aus wichtigem Grund ganz oder teilweise die sofortige Rückzahlung
des Zuschusses fordern könne, insbesondere wenn der Zuschussempfänger
die in der Zusage festgelegten Bedingungen und Auflagen nicht erfülle. Nach
Nummer 11 dieser Bedingungen unterlag das Rechtsverhältnis zwischen der
Investitionsbank NRW und dem Zuschussempfänger dem privaten Recht.
In dem in Nummer 4 der "Auflagen/Hinweise" in Bezug genommenen
Erlass des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. De-
zember 1997 betreffend die "Rückforderung von Zuwendungen wegen Nichtbe-
achtung der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB/A) und der Verdin-
gungsordnung für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen - (VOL/A)" war
ausgeführt, dass die Zuschussempfänger die VOB und die VOL zu beachten
hatten. Verstoße der Zuwendungsempfänger gegen diese Grundsätze, wenn z.
B. bei der Auftragsvergabe die sich aus der VOB/VOL ergebenden besonderen
Wirtschaftlichkeitsüberlegungen nicht beachtet würden, könne die Bewilligungs-
behörde den Zuwendungsbescheid ganz oder teilweise mit Wirkung auch für
die Vergangenheit widerrufen und Zuwendungen zurückfordern (§ 49 Abs. 3,
§ 49a VwVfG NRW). Liege ein schwerer Verstoß gegen die VOB/VOL vor, sei
grundsätzlich ein Widerruf des Zuwendungsbescheids sowie eine Neufestset-
zung (Kürzung) der Zuwendung angezeigt. Dabei sei davon auszugehen, dass
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im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung das öffentliche Interes-
se an einer Rückforderung überwiege. Im Interesse eines möglichst einheitli-
chen Verwaltungsvollzugs und zur gebotenen Gleichbehandlung der Zuwen-
dungsempfänger seien bei schweren Verstößen gegen die VOB/VOL im Regel-
fall förderrechtliche Konsequenzen dergestalt zu ziehen, dass die Kosten für die
jeweilige Auftragseinheit, bei der der Verstoß ermittelt worden sei, von der För-
derung ausgeschlossen werden. Würde die Anwendung dieses Grundsatzes zu
einem völligen oder sehr weitgehenden Förderungsausschluss für die Gesamt-
maßnahme und damit zu einer erheblichen Härte für den/die Zuwendungsemp-
fänger führen, könne der Kürzungsbetrag auf 20 bis 25 % der Gesamtzuwen-
dung zuzüglich des Zuwendungsanteils der durch den Verstoß bedingten Ver-
teuerung beschränkt werden. Als schwere Verstöße gegen die VOB/VOL kä-
men insbesondere solche gegen die Vergabeart ohne die im Regelungswerk
zugelassenen Sachgründe in Betracht.
Die Zuschüsse wurden aufgrund eines Mittelabrufs der Beklagten am
16. Dezember 2003 und am 27. Oktober 2004 in voller Höhe ausgezahlt. Dem
Mittelabruf vom 5. Dezember 2003 war eine Prüfungsdokumentation eines
Wirtschaftsprüfers beigefügt, in der darauf hingewiesen wurde, dass grundsätz-
lich beschränkte Ausschreibungen nach VOB/A § 3.1. Abs. 2 durchgeführt wor-
den seien. Die Durchführung beschränkter Ausschreibungen begründe sich
nach der VOB/A § 3.3. Abs. 1c. Hintergrund sei die Dringlichkeit der Maßnah-
me. Wie dem Land Nordrhein-Westfalen bekannt gewesen sei, hätten die IT-
Center dringend geeignete Räume gebraucht.
2006 überprüfte die Bezirksregierung A. die Verwendung der Mit-
tel. In dem Prüfbericht vom 2. Oktober 2006 verwiesen die Prüfer unter Ziffer 21
darauf, dass nach der VOB/A die zu dem Projekt gehörigen Vergaben im "offe-
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nen Verfahren" mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger, Ibau, Tageszeitung
usw. hätten ausgeschrieben werden müssen. Dringlichkeit im Sinne der VOB
habe nicht vorgelegen. Es liege mit der Wahl der falschen Vergabeart ein
Vergabeverstoß vor. Die Bezirksregierung ermittelte für die Verstöße gegen die
Vergabegrundsätze ein Auftragsvolumen in Höhe von 1.540.604
€. Zudem stell-
ten die Prüfer eine Überzahlung in Höhe von 14.847,56
€ fest. Unter dem
19. Dezember 2007 forderte die Klägerin neben der überzahlten Summe den
gesamten Zuschussbetrag in Höhe von 1.232.483, 51
€ von der Beklagten zu-
rück.
II.
Mit Antrag vom 15. April 2003 beantragte die Beklagte Investitionszu-
schüsse für das Projekt e-port-d. . Mit Schreiben vom 19. November
2003 sagte die Klägerin der Beklagten einen zweckgebundenen Investitionszu-
schuss in Höhe von 1.661.896
€ zu. Eine weitere Zusage erfolgte unter dem
20. November 2003 über 997.137
€. Der Antrag der Beklagten und die Schrei-
ben der Klägerin enthielten die gleichen Zusagen, Auflagen und Hinweise wie
beim Projekt Sofware-Factory. Dem Mittelabruf durch die Beklagte war eben-
falls eine Prüfungsdokumentation beigefügt. Auch hierin war darauf hingewie-
sen worden, dass grundsätzlich beschränkte Ausschreibungen durchgeführt
worden seien. Hintergrund sei die Dringlichkeit der Maßnahme gewesen, da der
Verkäufer der Immobilie nicht frist-/vertragsgerecht ausgezogen sei und noch
erhebliche nicht vorhersehbare Brandschutzmaßnahmen durchzuführen gewe-
sen seien. Die Beklagte legte die Verwendungsnachweise vor und auch in die-
sem Fall kam die Bezirksregierung A. in dem Prüfbericht vom 2. Oktober
2006 zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine beschränkte Verga-
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be nicht vorgelegen hätten. Die Verstöße betrafen nach den Ausführungen der
Prüfer ein Gesamtvolumen von 615.096,22
€. Auch hier forderte die Klägerin
mit Schreiben vom 19. Dezember 2007 und 17. Juni 2008 den Zuschussbetrag
in Höhe von 492.076,
98 € zurück.
III.
Das Landgericht hat die Beklagte in Höhe von 14.847,56
€ zur Rückzah-
lung wegen einer anteiligen Kürzung der Investitionszuschüsse verurteilt, weil
die veranschlagten Kosten nicht erreicht wurden. Im Übrigen - und für das Re-
visionsverfahren allein von Bedeutung - hat es die Klage abgewiesen.
Mit der Berufung hat die Klägerin ihren Klageantrag und die Beklagte mit
ihrer Anschlussberufung den Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Beru-
fung und die Anschlussberufung hatten keinen Erfolg.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Kläge-
rin ihren Zahlungsantrag in Höhe von 1.725.560,49
€ nebst Zinsen weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Beru-
fungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Ent-
scheidung an das Berufungsgericht.
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I.
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch auf Rückzahlung der Investiti-
onszuschüsse wegen Verstoßes gegen die Vergabevorschriften verneint. Die
Bestimmung in den Zusagen, dass die Vorgaben der Europäischen Kommissi-
on zur öffentlichen Auftragsvergabe sowie die nationalen Regelungen der VOB,
VOL und VOF in Verbindung mit dem Erlass des Finanzministers des Landes
NRW zu beachten seien, sei als Auflage zu den jeweiligen Bewilligungen der
Fördermittel zu bewerten. Es handele sich nicht um rechtsgeschäftliche Verein-
barungen von Vertragspartnern. Gegen diese Auflage habe die Beklagte nicht
verstoßen. Eine Auflage entfalte erst Außenwirkung mit der Bekanntgabe des
Bescheids. Solle die Auflage rückwirkende Kraft haben, müsse dies in dem Be-
scheid ausdrücklich geregelt sein. Hieran fehle es. Die Formulierung der Aufla-
ge, wonach die Regelung der VOB zu beachten sei, verdeutliche, dass die Auf-
lage sich auf ein zukünftiges Tun richte. Es sei bei der Vergabe öffentlicher
Förderungsmittel bei Bauvorhaben regelmäßig so, dass die Bewilligungsbe-
scheide zu einem Zeitpunkt ergingen, zu dem das zu fördernde Bauvorhaben
weitgehend abgeschlossen sei. Derjenige Zuwendungsempfänger, dem För-
dermittel während der Ausführung des Bauvorhabens zugesagt würden, dürfe
regelmäßig darauf vertrauen, dass die bisher durchgeführte Projektrealisierung
förderunschädlich sei. Dies Vertrauen bestehe insbesondere insoweit, als be-
reits durchgeführte Maßnahmen nicht mehr änderbar seien. Aus der Zusage
der Beklagten im Förderantrag folge keine andere Betrachtungsweise. Mit ihrer
Bestätigung in ihrem Antrag, wonach die Vergabe öffentlicher Aufträge unter
Einhaltung der Verdingungsordnung für Bauleistungen erfolge, habe die Be-
klagte keine Verpflichtung zur Rückerstattung der Zuschüsse für den Fall eines
Verstoßes gegen die Ausschreibungsregeln der VOB übernommen. Die Beklag-
te habe im Zeitpunkt ihres Antrags nicht gewusst, dass der Zuschussgeber den
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Bewilligungsbescheid mit einer Auflage versehen werde, die an einen Verstoß
gegen die VOB/A die Rückzahlungsvoraussetzung knüpfe. Der Zuschussgeber
sei dadurch nicht rechtlos gestellt. Er habe die Möglichkeit, in den Antragsfor-
mularen beziehungsweise bei Genehmigung des Beginns der Projektrealisie-
rung vor Erlass eines Bewilligungsbescheids dem Zuwendungsempfänger mit-
zuteilen, dass die noch zu bewilligenden Fördermittel davon abhängig seien,
dass für das gesamte Verfahren, einschließlich begonnener Realisierungen, die
VOB zu beachten sei und die beantragte Bewilligung in Verbindung mit einer
entsprechenden Auflage unter Anordnung einer Zahlungsverpflichtung ergehen
werde.
Im Übrigen stehe dem Rückforderungsanspruch entgegen, dass die Klä-
gerin ihr Ermessen nicht ausgeübt habe. Dies könne sie auch nicht im gerichtli-
chen Verfahren nachholen. Es sei auch ein schwerwiegender Verstoß der Be-
klagten gegen die Auflagen der Klägerin zu verneinen. Die Auflagen unter
Nummer 4 der Bewilligungsbescheide nähmen hinsichtlich eines Verstoßes ge-
gen die VOB jeweils Bezug auf den Erlass des Finanzministers NRW vom
16. Dezember 1997. Hier habe die Beklagte gute Gründe dargelegt, die die be-
schränkte Ausschreibung der Bauleistung rechtfertigten. Es möge dahinstehen,
ob diese Umstände in ihrer Gesamtheit objektiv die Annahme rechtfertigten,
dass die öffentliche Ausschreibung unzweckmäßig gewesen sei. Jedenfalls sei-
en die Erwägungen, die die Beklagte zur Durchführung der beschränkten Aus-
schreibung veranlassten, nicht so fern liegend, dass im Rahmen der zu treffen-
den Ermessensentscheidung eine Rückforderung der Zuschüsse gerechtfertigt
sei.
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II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Berufungsurteil hält einer
rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen
Begründung kann ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin nicht verneint wer-
den.
1.
Bei beiden geförderten Vorhaben kann sich ein Rückzahlungsanspruch
der Klägerin aus einem Verstoß der Beklagten gegen Nummer 4 der der Zusa-
ge zugrunde gelegten Bedingungen in Verbindung mit den Allgemeinen Bedin-
gungen für Investitionszuschüsse bei Infrastrukturmaßnahmen ergeben.
a) Die Beklagte hat nach dem Vortrag der Klägerin gegen die Vergabe-
vorschriften verstoßen, weil die Voraussetzungen für eine beschränkte Auf-
tragsvergabe nicht vorlagen. Dies ist revisionsrechtlich zugrunde zu legen, da
das Berufungsgericht keine abweichenden Feststellungen getroffen hat.
b) Rechtsfehlerhaft ist die Auffassung des Berufungsgerichts, bei der
Verpflichtung der Beklagten, die Vorgaben des Vergaberechts zu beachten,
handele es sich um eine Auflage im Sinne von § 36 VwVfG NW mit der Folge,
dass diese Regelung mangels ausdrücklicher Anordnung keine rückwirkende
Kraft habe und deshalb nur nach Erlass des "Bewilligungsbescheids" begange-
ne Verstöße erfassen könne. Die zwischen der Klägerin und der Beklagten ge-
schlossene Vereinbarung über die Zuwendung eines zweckgebundenen Inves-
titionszuschusses ist ihrer Natur nach ein privatrechtlicher Vertrag. Diese Ein-
ordnung als privatrechtlicher Vertrag ist auch in Nummer 11 der Allgemeinen
Bedingungen für Investitionszuschüsse bei Infrastrukturmaßnahmen niederge-
legt. Die Klägerin hat auch nicht in Abweichung davon für die Bewilligung der
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Investitionszuschüsse die Form eines Verwaltungsakts gewählt. An der Einord-
nung des Rechtsverhältnisses der Parteien als zivilrechtlich ändert auch der
Umstand nichts, dass es sich bei der Klägerin um eine Anstalt des öffentlichen
Rechts handelt (§ 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhält-
nisse der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute in Nordrhein-Westfalen vom 2. Juli
2002, GV. NRW. S. 284). Die Klägerin hat in der Hingabe der Zuwendung nicht
von einem Sonderrecht Gebrauch gemacht, das ihr als Träger hoheitlicher Be-
fugnisse zugestanden hätte. Vielmehr hat sie die Zuschussgewährung auf der
Grundlage der Regeln des allgemeinen bürgerlichen Rechts durchgeführt (vgl.
BVerwG NJW 2006, 2568).
Daraus folgt, dass die von der Klägerin verwendeten Nebenbestimmun-
gen sich als Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen, die nach zivilrechtli-
chen Maßstäben auszulegen sind. An die Auslegung der ausgesprochenen Zu-
sagen der Klägerin und der dort aufgeführten Nebenbestimmung durch das Be-
rufungsgericht ist der Senat nicht gebunden, da die Bedingungen der Klägerin
im gesamten Land Nordrhein-Westfalen Verwendung finden (vgl. BGH, Urteil
vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, BGHZ 163, 321, 323).
c) Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven
Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen
und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normaler-
weise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden (BGH, Versäumnisurteil
vom 21. Oktober 2009 - VIII ZR 244/08, NJW 2010, 293 Rn. 11). Zwar mag
nach diesen Grundsätzen die Auslegung der Nummer 4 der Zusage aufgrund
ihrer Formulierung im Präsens noch dahingehend gerechtfertigt sein, dass le-
diglich in der Zukunft liegende Verstöße gegen die Vergabevorschriften erfasst
sein sollten. Jedenfalls aber unter Berücksichtigung der im Antrag durch die
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Beklagte selbst abgegebenen Erklärung, dass die Vergabevorschriften einge-
halten würden, hält die rechtliche Bewertung der allgemeinen Bestimmung in
der Zusage der Klägerin durch das Berufungsgericht einer Prüfung nicht stand.
Es mag zwar mit der Bestätigung dieser Ziffer noch nicht die Übernahme einer
Verpflichtung zur Rückerstattung der Zuschüsse für den Fall eines Verstoßes
gegen die Ausschreibungsregeln der VOB übernommen worden sein. Mit dieser
Erklärung wusste die Beklagte jedoch, dass die Einhaltung der Vergabevor-
schriften für die Zusage der Investitionszuschüsse von Bedeutung sein würde.
Da die Zusage in der Nummer 4 der Nebenbestimmungen die Voraussetzung
der Einhaltung der Vergabevorschriften, wie in dem Zuschussantrag ausdrück-
lich erklärt, wieder aufgreift, ist auch für den durchschnittlichen Empfänger die-
ser Investitionszuschüsse klar und deutlich zu erkennen, dass eine Förderung
nur erfolgt, wenn die Vergabevorschriften eingehalten werden - beziehungs-
weise, wenn die Förderzusage den Auftragsvergaben nachfolgt - eingehalten
wurden. Ein Vertrauen darauf, ohne Bindung an die Vergabevoraussetzung vor
der Zusage der Investitionsmittel unter Missachtung der zu erwartenden Bedin-
gungen hierfür eine Projektverwirklichung bis zum Abschluss vorantreiben zu
dürfen, ohne dabei den Verlust des Subventionsanspruchs befürchten zu müs-
sen, konnte die Beklagte nicht haben. Die abgegebene Erklärung im Antrag, die
Vergabevorschriften einzuhalten, würde bei dieser Auslegung der Bedingungen
der Zusage leerlaufen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt bei der Vertragsauslegung
BGH, Urteil vom 7. März 2005 - II ZR 194/03, NJW 2005, 2618, 2819). Die An-
nahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe zum Zeitpunkt ihres Antrags
nicht gewusst, dass die Klägerin die Bewilligung des Zuschusses mit einer Auf-
lage versehen werde, die an den Verstoß gegen die VOB/Teil A die Rückzah-
lungsverpflichtung der Subvention knüpfe, ist angesichts der Erklärung im eige-
nen Antrag nicht tragfähig.
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d) Die Rückforderung der Zuschüsse ist auch nicht deshalb ausge-
schlossen, weil die Zuschüsse in Kenntnis des Umstands ausgezahlt wurden,
dass beschränkte Vergabeverfahren gewählt worden waren. In dem Mittelabruf
der Beklagten hat diese vielmehr ausdrücklich bestätigt, die Bedingungen aus
der Zusage erfüllt zu haben. Sie hat darauf hingewiesen, dass die Vorausset-
zungen nach der VOB für die Durchführung beschränkter Vergabeverfahren
vorgelegen hätten. Beide Parteien hatten damit nicht den Willen, die Vorausset-
zungen für die Zuschussgewährung mit der Einhaltung der Vergabevorschriften
abzuändern. Die Beklagte hat durch die Begründung ihres Mittelabrufs vielmehr
zum Ausdruck gebracht, dass sie die Gültigkeit der Bedingung der Einhaltung
der Vergabevorschriften grundsätzlich anerkennt. Die Auszahlung der Zuschüs-
se auf diese Erklärung hin lässt nicht den Schluss zu, die Klägerin habe von
dieser Bedingung Abstand nehmen wollen.
2.
Einem Rückforderungsanspruch lässt sich entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts auch nicht entgegenhalten, die Klägerin habe bei dem Ent-
schluss, die Zuschüsse zurückzuverlangen, das ihr obliegende Ermessen nicht
ausgeübt; dieses Versäumnis könne sie im gerichtlichen Verfahren nicht mehr
nachholen.
a) Richtig ist insoweit zunächst der Ausgangspunkt des Berufungsge-
richts, dass eine Ermessensentscheidung durch die Klägerin erforderlich ist. Bei
dem Rechtsverhältnis der Parteien handelt es sich um ein solches, auf das die
Grundsätze des Verwaltungsprivatrechts anwendbar sind. Die Klägerin erfüllt
öffentliche Aufgaben in privatrechtlicher Handlungsform (vgl. BGH, Urteil vom
17. Juni 2003 - XI ZR 195/02, BGHZ 155, 166, 173 mwN). Im Anwendungsbe-
reich des Verwaltungsprivatrechts werden die Normen des Privatrechts durch
Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert und modifiziert
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(BGH aaO S. 175). Es besteht daher nicht nur eine Bindung an die Grundrech-
te, insbesondere den Gleichheitssatz und das daraus folgende Willkürverbot,
sondern auch an das Übermaßverbot. Ob aus dem im Verwaltungsprivatrecht
anzuwendenden Übermaßverbot abzuleiten ist, es müsse eine Ermessensent-
scheidung getroffen werden, ob überhaupt ein Anspruch geltend gemacht wer-
den soll (dafür BGH, Urteil vom 29. Oktober 2010 - V ZR 48/10, NJW 2011, 515
Rn. 16 mwN; a.A. BGH, Urteile vom 13. Juli 2004 - XI ZR 12/03, NJW-RR 2005,
276, 278 und vom 17. Juni 2003 - XI ZR 195/02 aaO S. 175 ff), kann hier da-
hinstehen. Im vorliegenden Fall ergibt sich die Notwendigkeit einer Ermessens-
entscheidung bereits aus der Verwaltungsanweisung vom 16. Dezember 1997
betreffend die Rückforderung von Zuwendungen wegen Nichtbeachtung der
VOB/A und der VOL/A. Danach ist eine Ermessensentscheidung über die Rück-
forderung der Zuwendung vorgesehen. Da dieser Erlass mit in die Zusage ein-
bezogen worden ist, ist er auch für die auf privatrechtlicher Grundlage tätige
Klägerin bindend. Diese war deshalb verpflichtet, vor Geltendmachung der
Rückforderungsansprüche eine Ermessensentscheidung zu treffen.
b) Rechtsfehlerhaft jedoch hat das Berufungsgericht, wie die Revision zu
Recht rügt, eine Ermessensausübung durch die Klägerin verneint. Hierbei hat
es maßgeblich darauf abgestellt, der "Rückforderungsbescheid" lasse schon
nicht erkennen, dass sich die Klägerin ihres Ermessens überhaupt bewusst ge-
wesen sei. Dagegen spricht schon die Formulierung, dass diese die Rückforde-
rung als "angezeigt" angesehen hat. Zudem hat die Klägerin auf den Erlass des
Finanzministers des Landes NRW bezüglich der Rückforderung von Zuschüs-
sen wegen Verstoßes gegen Vergabevorschriften Bezug genommen. Insoweit
handelt es sich um eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift, die als ge-
nerelle Ermessensentscheidung anzusehen ist (vgl. Bonk/Schmitz in Stel-
kens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 1 Rn. 215). Die Klägerin hat sich hier ins-
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besondere darauf bezogen, dass ein schwerer Verstoß gegen die Vergabevor-
schriften im Sinne der Verwaltungsvorschrift vorliege und daher die Rückforde-
rung gerechtfertigt sei.
c) Im Übrigen vermag der erkennende Senat auch nicht die Auffassung
des Berufungsgerichts zu teilen, auch im Bereich des Verwaltungsprivatrechts
gelte der Grundsatz, dass dem Erfordernis einer Ermessensausübung - wie im
Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen Anfechtungs- oder Verpflichtungskla-
ge - nicht erstmals im Prozess genügt werden könne (vgl. BVerwG, NVwZ
2007, 470, 471 mwN). Gegenstand des zivilprozessualen Rechtsstreits ist näm-
lich das Bestehen des Anspruchs und nicht etwa die Überprüfung eines zuvor
in einem Verwaltungsverfahren ergangenen Verwaltungsakts beziehungsweise
Widerspruchsbescheids.
3.
Auch die weitere Hilfserwägung des Berufungsgerichts, ein - unterstell-
ter - Verstoß gegen die Vergabevorschriften sei jedenfalls kein schwerwiegen-
der, so dass eine Rückforderung nicht gerechtfertigt sei, trägt die Abweisung
der Klage nicht.
Zu Recht rügt die Revision, dass sich das Berufungsgericht bei seiner
Würdigung, die Beklagte habe gute Gründe dargelegt, die eine beschränkte
Ausschreibung gerechtfertigt hätten, nicht mit dem Vorbringen der Klägerin
auseinandergesetzt hat, in jedem Einzelfall wäre genügend Zeit für eine öffent-
liche Ausschreibung verblieben.
Darüber hinaus ist entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ein
schwerer Verstoß gegen die "Auflage" nicht Voraussetzung dafür, dass gewähr-
te Zuschüsse überhaupt zurückverlangt werden können. Nach der Verwal-
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tungsvorschrift kommt grundsätzlich bei jedwedem Verstoß gegen Vergabe-
grundsätze eine (teilweise) Rücknahme des Zuwendungsbescheids bezie-
hungsweise - wie hier - eine (teilweise) Rückforderung der Zuschüsse in Be-
tracht. Die Besonderheit eines schweren Verstoßes besteht lediglich darin, dass
hier eine Rückforderung die Regel ist. Dessen ungeachtet besteht auch bei
minderschweren Verstößen die Möglichkeit, die Zuschussbeträge (teilweise)
zurückzuverlangen.
Dafür, dass bei fehlerfreier Ermessensausübung nur der Verzicht auf die
Rückforderung in Betracht gekommen wäre (Ermessensreduzierung auf Null),
besteht nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand kein hinreichender Anhalt.
Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte sich auf keinen
Vertrauensschutz berufen kann. Dies gilt zum einen im Hinblick darauf, dass sie
in ihren Anträgen auf Bewilligung der Zuschüsse die Einhaltung der Vergabe-
vorschriften zugesichert hat und deshalb nicht darauf vertrauen konnte, dass
deren Verletzung für die Zuschussgewährung unbeachtlich sein würde. Zum
anderen hat die Beklagte auch nicht im Hinblick auf die Auszahlung der Zu-
schüsse konkret im Vertrauen hierauf vermögensrechtliche Dispositionen ge-
troffen. Wie das Berufungsgericht selbst festgestellt hat, waren zum Zeitpunkt
der Bewilligung und der Auszahlung der Zuschüsse die Objekte nahezu fertig
gestellt.
3.
Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen
(§ 563 Abs. 1 ZPO). Sollte sich bestätigen, dass der Beklagten kein schwerer
Verstoß gegen die Vergabevorschriften anzulasten ist, wird zu prüfen sein, ob
gleichwohl eine (gegebenenfalls teilweise) Rückforderung gerechtfertigt ist.
Sollte insoweit die von der Klägerin bisher angestellte Interessenabwägung un-
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zureichend sein, ist es ihr nicht verwehrt, weitere Ermessenserwägungen
"nachzuschieben".
Schlick
Dörr
Wöstmann
Seiters
Tombrink
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.06.2009 - 7 O 440/08 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 05.10.2010 - I-23 U 173/09 -