Urteil des BGH vom 30.06.2011

Leitsatzentscheidung zu Schiedsrichterliches Verfahren, Schiedsverfahren, Internationale Handelskammer, Gerichtliche Zuständigkeit, Schiedsabrede

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZB 59/10
vom
30. Juni 2011
in dem Verfahren
auf Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 1032 Abs. 2
Soweit nach § 1032 Abs. 2 ZPO beim staatlichen Gericht ein Antrag auf Fest-
stellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfah-
rens nur bis zur Bildung des Schiedsgerichts gestellt werden kann, ist entschei-
dend der Eingang des Antrags bei Gericht, nicht der Zeitpunkt der Zustellung
an die Gegenseite.
InsO § 103
Die grundsätzliche Bindung des Insolvenzverwalters an eine vom Gemein-
schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossene
Schiedsabrede gilt nicht, soweit es um Rechte des Insolvenzverwalters geht,
die sich nicht unmittelbar aus dem vom Gemeinschuldner abgeschlossenen
Vertrag ergeben, sondern auf der Insolvenzordnung beruhen; zu diesen selb-
ständigen, der Verfügungsgewalt des Gemeinschuldners entzogenen Rechten
gehört nicht nur die Insolvenzanfechtung, sondern auch das Wahlrecht des In-
solvenzverwalters aus § 103 InsO.
BGH, Beschluss vom 30. Juni 2011 - III ZB 59/10 - Kammergericht Berlin
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Juni 2011 durch den
Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter Dr. Herrmann, Wöstmann, Hucke
und Seiters
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss
des Kammergerichts vom 13. September 2010 - 20 SCHH 3/09 -
aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über
die Kosten des Beschwerderechtszugs, an das Kammergericht
zurückverwiesen.
Wert des Beschwerdegegenstands: bis 350.000
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit eines von der Antragsgegnerin
betriebenen Schiedsverfahrens.
Am 18. März 1995 schlossen die S. AG und die Antragsgegnerin
einen als "CROSS PATENT LICENSE AGREEMENT" (CPLA) bezeichneten
Vertrag, demzufolge sie sich gegenseitig Lizenzen ("non-exclusive, non-
transferable, world-wide") an ihren jeweiligen Halbleiterpatenten gewährten. Die
Vereinbarung enthielt in Art. 9 eine Schiedsklausel.
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Die Q. AG, deren Insolvenzverwalter der Antragsteller ist, ent-
stand im Jahre 2006 durch Ausgliederung des Speicherchip-Bereichs aus der
I. T. AG, die ihrerseits im Jahre 1999 durch Ausgliederung
des Halbleiter-Bereichs aus der S. AG entstanden war. Die Q. AG
hat insoweit die Rechte und Pflichten aus dem CPLA übernommen.
Nachdem der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin die Nichter-
füllung des CPLA gemäß § 103 InsO erklärt hatte, erhob die Antragsgegnerin
Schiedsklage mit dem Ziel, feststellen zu lassen, dass ihre Nutzungsrechte
fortbestünden. Im Laufe des Schiedsverfahrens stellte sie verschiedene Fest-
stellungs- und Verpflichtungsanträge, bezüglich derer auf den Schriftsatz der
Antragsgegnerin vom 21. Juli 2010 (S. 7 ff) in Verbindung mit dem "Request for
Arbitration" vom 31. März 2010 Bezug genommen wird.
Der Antragsteller hat beantragt, die Unzulässigkeit des Schiedsverfah-
rens festzustellen, hilfsweise zumindest insoweit, als die Antragsgegnerin vor
dem Schiedsgericht ihrerseits die Feststellung begehre, dass weder die Eröff-
nung des Insolvenzverfahrens noch die Wahl der Nichterfüllung gemäß § 103
InsO rechtliche Auswirkungen auf ihre Lizenzrechte habe.
Das Kammergericht hat mit Beschluss vom 13. September 2010 die An-
träge abgelehnt. Diese seien unzulässig. Ein Antrag auf Feststellung der Zuläs-
sigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens könne nach
§ 1032 Abs. 2 ZPO nur bis zur - hier im Februar 2010 erfolgten - Bildung des
Schiedsgerichts gestellt werden. Setze der Begriff der Antragstellung eine - hier
im Wege der Rechtshilfe in K. erst am 16. Juni 2010 erfolgte - Zustellung
voraus, weil erst dadurch ein Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien
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begründet wurde, seien die Anträge schon nach dem Wortlaut des § 1032
Abs. 2 ZPO verspätet. Falls dagegen als Zeitpunkt der Antragstellung der Ein-
gang bei Gericht - hier der 21. Oktober 2009 (richtig: 19. Oktober 2009) - anzu-
sehen sei, wären die ursprünglich zulässigen Anträge jedenfalls nachträglich
mit Bildung des Schiedsgerichts unzulässig geworden. Abgesehen davon hät-
ten die Anträge, ihre Zulässigkeit vorausgesetzt, auch materiell-rechtlich keinen
Erfolg. Die Schiedsklausel beziehe sich umfassend auf alle Ansprüche aus
dem streitgegenständlichen Vertrag. Ob die im Schiedsverfahren geltend ge-
machten Ansprüche bestünden, habe deshalb das Schiedsgericht zu prüfen.
Dazu gehöre auch die Frage der Wirksamkeit der Wahl der Nichterfüllung
(§ 103 InsO) durch den Antragsteller. Es bestehe kein Grund zu der Annahme,
dass die Parteien dies anders geregelt hätten; ob die Gemeinschuldnerin, wie
der Antragsteller meine, auf die Ausübung des Wahlrechts keinen Einfluss ha-
be, sei insoweit ohne Bedeutung. Die Schiedsabrede enthalte keinen Aus-
schluss für Streitigkeiten, welche die Insolvenz einer Partei beträfen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner
Rechtsbeschwerde.
II.
1.
Die von Gesetzes wegen statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m.
§ 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige
(§ 574 Abs. 2 ZPO) Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen
Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Kammergericht.
2.
Die Anträge nach § 1032 Abs. 2 ZPO sind zulässig.
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a) Nach § 1032 Abs. 2 ZPO kann bei Gericht bis zur Bildung des
Schiedsgerichts Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit
eines schiedsrichterlichen Verfahrens gestellt werden. Entscheidend ist inso-
weit der Eingang bei Gericht, nicht die Zustellung des Antrags an die Gegensei-
te (vgl. auch OLG Saarbrücken, SchiedsVZ 2008, 313, 315; MünchKomm-
ZPO/Münch, 3. Aufl., § 1032 Rn. 3, 28, 32; Musielak-Voit, ZPO, 8. Aufl., § 1032
Rn. 10; Schroeter, SchiedsVZ 2004, 288, 290). Bereits der Wortlaut - Antrag-
stellung - legt nahe, dass es auf den erstgenannten Zeitpunkt ankommt; das
Gesetz spricht insoweit nicht davon, dass der Antrag bis zur Bildung des
Schiedsgerichts auch dem Antragsgegner zugestellt worden sein muss. Dies
entspricht dem Sinn und Zweck des § 1032 ZPO, wonach die Frage der Gültig-
keit und Durchführbarkeit einer Schiedsvereinbarung "möglichst frühzeitig, d.h.
bei dem zuerst angegangenen Gericht, geklärt werden sollte" (Gesetzentwurf
der Bundesregierung zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts, BT-
Drucks. 13/5274 S. 38). Zuerst "angegangen" ist aber das Gericht, bei dem zu-
erst der Antrag eingeht. Der Gesetzgeber hat bewusst (vgl. BT-Drucks. aaO)
ein Antrags- und kein Klageverfahren geschaffen. Für das Verhältnis zwischen
der staatlichen Gerichtsbarkeit und der Schiedsgerichtsbarkeit fehlt es dement-
sprechend auch an einer auf die Rechtshängigkeit - Erhebung der Klage durch
Zustellung der Klagschrift (§ 261 Abs. 1, § 253 Abs. 1 ZPO) - abstellenden Re-
gelung wie im Klageverfahren (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Vielmehr bestimmt
§ 1032 Abs. 3 ZPO, dass ein schiedsrichterliches Verfahren auch dann einge-
leitet oder fortgesetzt werden und ein Schiedsspruch ergehen kann, wenn ein
gerichtliches Verfahren nach Absatz 2 anhängig ist. Käme es aber im Rahmen
des Absatzes 2 nicht auf den Eingang bei Gericht (Anhängigkeit), sondern auf
die Zustellung an den Antragsgegner (Rechtshängigkeit) an, wäre mithin ein
Antrag erst ab diesem Zeitpunkt von Bedeutung, bestünde kein Bedürfnis, be-
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züglich eines bis zur Rechtshängigkeit unerheblichen Antrags in Absatz 3 eine
Bestimmung über das Verhältnis zwischen staatlichem und schiedsrichterli-
chem Verfahren zu treffen. In diesem Sinne hat der Gesetzgeber im Übrigen
auch in § 1040 Abs. 3 Satz 3 ZPO, der das Verhältnis des Schiedsverfahrens
zum staatlichen Verfahren auf Überprüfung eines Zuständigkeitszwischenent-
scheids des Schiedsgerichts regelt, den Begriff der "Anhängigkeit" und nicht
den der "Rechtshängigkeit" verwendet.
b) Die Anträge sind nicht nachträglich unzulässig geworden. Vielmehr
geht das Gesetz bei einem zulässig vor Bildung des Schiedsgerichts gestellten
Antrag von einem anschließenden Nebeneinander des staatlichen und schieds-
richterlichen Verfahrens aus. Durch § 1032 Abs. 3 ZPO soll lediglich gewähr-
leistet werden, dass das Schiedsverfahren nicht durch die Einleitung eines
staatlichen Verfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO von vorneherein blockiert wird.
Dies bedeutet - entgegen der Auffassung des Kammergerichts - aber nicht,
dass das staatliche Verfahren mit Einleitung oder Fortsetzung des Schiedsver-
fahrens unzulässig wird (vgl. nur BT-Drucks. aaO). Letzteres würde im Übrigen
dazu führen, dass entgegen den gesetzgeberischen Intentionen dem Verfahren
nach § 1032 Abs. 2 ZPO in der Praxis keine Bedeutung zukäme. Auch wäre die
Regelung in Absatz 3, wonach ein vor Bildung des Schiedsgerichts beim staat-
lichen Gericht gestellter Antrag (§ 1032 Abs. 2 ZPO) das Ergehen eines
Schiedsspruchs nicht hindert, überflüssig, weil ein solcher Fall kaum je eintre-
ten könnte, da nach Bildung des Schiedsgerichts der Antrag sofort als unzuläs-
sig verworfen werden müsste, also zum Zeitpunkt des Erlasses des Schieds-
spruchs ein Antragsverfahren regelmäßig nicht mehr anhängig wäre. Vor die-
sem Hintergrund entspricht es der ganz herrschenden Meinung, dass beide
Verfahren parallel nebeneinander laufen, wobei das Schiedsgericht - wegen
des Vorrangs der staatlichen Gerichte, letztverbindlich die Zulässigkeit des
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Schiedsverfahrens zu beurteilen (vgl. nur BT-Drucks. aaO S. 26, 44; § 1040
Abs. 3 Satz 2 ZPO; § 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. V Abs. 1 Nr. 1c, Abs. 2 a
UNÜ) - zu prüfen hat, ob es sein Verfahren bis zur Entscheidung des staatli-
chen Gerichts aussetzt oder ruhen lässt (vgl. nur Baumbach/Lauterbach/
Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 1032 Rn. 10; MünchKomm-ZPO/Münch,
aaO Rn. 28, 33 f; Musielak/Voit, aaO Rn. 10, 15 f; Prütting in Prütting/Gehrlein,
ZPO, 3. Aufl., § 1032 Rn. 7; Hk-ZPO/Saenger, 4. Aufl., § 1032 Rn. 18;
Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl., § 1032 Rn. 21, 22; Thomas/Putzo/
Reichold, ZPO, 32. Aufl., § 1032 Rn. 6; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 1032
Rn. 26 f; siehe auch OLG Saarbrücken, aaO; Schroeter aaO S. 291; Spon-
heimer in Festschrift Käfer, S. 357, 361, 372).
c) Die Gegenrüge der Antragsgegnerin, es fehle am Rechtsschutzinte-
resse, denn die Schiedsrichter hätten zwischenzeitlich W. als Schiedsort be-
stimmt und in Ö. werde eine Entscheidung deutscher Gerichte über die
Zulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens (§ 1032 Abs. 2 ZPO) nicht
anerkannt, ist bereits deshalb unbegründet, weil dem Antragsteller das Rechts-
schutzinteresse zumindest insoweit nicht abgesprochen werden kann, als er
durch eine Entscheidung nach § 1032 Abs. 2 ZPO, die auch bei einem auslän-
dischen Schiedsort möglich ist (§ 1025 Abs. 2 ZPO), die Anerkennung und
Vollstreckung eines ö. Schiedsspruchs in Deutschland verhin-
dern könnte (§ 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. V UNÜ). Soweit die Antragsgegne-
rin auf den in der BR-Drucks. 833/10 enthaltenen Vorschlag zur Neufassung
der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2001 über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in
Zivil- und Handelssachen ("Brüssel I") und die dort in Art. 29 Abs. 4 enthaltene
Regelung zum Verhältnis ausländischer Schieds- und innerstaatlicher Ge-
richtsbarkeit verweist, kann dahinstehen, inwieweit diese Norm, sollte sie Ge-
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setz werden, für Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO von Bedeutung wäre; für
die derzeitige Rechtslage ist der Entwurf ohne Relevanz.
3.
Die Anträge sind nicht deshalb unbegründet, weil die Schiedsabrede in
Art. 9.1 CPLA ("Alle Streitigkeiten, Meinungsverschiedenheiten oder Differen-
zen, die zwischen den Parteien aus oder in Bezug auf oder im Zusammenhang
mit diesem Vertrag oder dessen Verletzung entstehen, ..") sämtliche im Zu-
sammenhang mit dem CPLA anfallenden Fragen und insoweit auch die streit-
gegenständliche Auseinandersetzung zwischen den Parteien erfasst.
a) Zwar ist ein Insolvenzverwalter grundsätzlich an eine von dem Ge-
meinschuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossene
Schiedsabrede gebunden (vgl. bereits zum Konkursverwalter RGZ 137, 109,
111; BGH, Urteil vom 28. Februar 1957 - VII ZR 204/56, BGHZ 24, 15, 18; zum
Insolvenzverwalter Senat, Beschlüsse vom 20. November 2003 - III ZB 24/03,
ZInsO 2004, 88, vom 17. Januar 2008 - III ZB 11/07, NJW-RR 2008, 558
Rn. 17 und vom 29. Januar 2009 - III ZB 88/07, BGHZ 179, 304 Rn. 11). Dies
gilt jedoch dann nicht, wenn es um Rechte des Insolvenzverwalters geht, die
sich nicht unmittelbar aus dem vom Gemeinschuldner abgeschlossenen Ver-
trag ergeben, sondern auf der Insolvenzordnung beruhen und daher insolvenz-
spezifisch sind, mithin der Gemeinschuldner nicht befugt ist, über sie zu verfü-
gen oder Einfluss darauf zu nehmen, wann, in welcher Weise und bei welcher
Stelle sie geltend gemacht werden (vgl. zur Konkursanfechtung BGH, Urteil
vom 17. Oktober 1956 - IV ZR 137/56, NJW 1956, 1920, 1921). Soweit die An-
tragsgegnerin unter Hinweis auf die Kommentierung von Uhlenbruck/Hirte (In-
sO, 13. Aufl., § 143 Rn. 66) die Auffassung vertritt, diese Rechtsprechung sei
durch § 1030 Abs. 1 ZPO n.F. überholt, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar
setzte § 1025 Abs. 1 ZPO a.F. für die Schiedsfähigkeit eines Anspruchs voraus,
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dass die Parteien berechtigt waren, über den Gegenstand des Streits einen
Vergleich abzuschließen. Nunmehr ist in § 1030 Abs. 1 Satz 1 ZPO diese Ein-
schränkung für vermögensrechtliche Ansprüche entfallen; sie gilt nach Satz 2
nur noch für nichtvermögensrechtliche Ansprüche. Die Änderung betrifft aber
nur die objektive Schiedsfähigkeit von Ansprüchen und besagt deshalb unmit-
telbar nichts dazu, ob und in welchem Umfang ein Dritter an eine Schiedsabre-
de gebunden ist. Dementsprechend ging es, soweit in der zitierten Entschei-
dung zur Konkursanfechtung (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1956 aaO) davon
gesprochen wurde, dass der Gemeinschuldner keinen Vergleich über den An-
fechtungsanspruch schließen könne, nicht um die Frage, ob der Anspruch aus
Konkursanfechtung im Sinne des § 1025 ZPO a.F. einem Vergleich zugänglich
ist, sondern darum, wem die Verfügungsbefugnis über den Anspruch zusteht.
§ 1030 Abs. 1 Satz 1 ZPO ändert deshalb auch nichts an dem Grundsatz, dass
der Insolvenzverwalter - ebenso wie vormals der Konkursverwalter - an eine
vom Gemeinschuldner abgeschlossene Schiedsvereinbarung nicht gebunden
ist, soweit streitgegenständlich ein selbständiges, der Verfügungsgewalt des
Schuldners entzogenes Recht des Insolvenzverwalters ist (vgl. zur Insolvenzan-
fechtung Senat, Beschlüsse vom 20. November 2003 und 17. Januar 2008,
jeweils aaO; siehe auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO § 1029
Rn. 26; MünchKomm-ZPO/Münch, aaO § 1029 Rn. 50; Musielak/Voit, aaO
§ 1029 Rn. 8; Prütting in Prütting/Gehrlein, aaO § 1025 Rn. 9; Hk-ZPO/
Saenger, aaO § 1029 Rn. 22; Stein/Jonas/Schlosser, aaO § 1029 Rn. 35; Zöl-
ler/Geimer, aaO § 1029 Rn. 65). Dieser Grundsatz gilt auch für das Wahlrecht
des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO (siehe Musielak/Voit, aaO § 1029
Rn. 8 und § 1030 Rn. 2; vgl. zu § 17 KO RGZ aaO). Denn insoweit handelt es
sich - wie nicht zuletzt § 119 InsO bestätigt, wonach Vereinbarungen unwirk-
sam sind, durch die im voraus die Anwendung des § 103 InsO ausgeschlossen
oder beschränkt wird - um keine Befugnis, die ursprünglich der Gemeinschuld-
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nerin zustand und die deshalb Gegenstand von vertraglichen Vereinbarungen
einschließlich einer entsprechenden Schiedsabrede hätte sein können, sondern
um ein gesetzlich dem Insolvenzverwalter zustehendes Recht.
b) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin steht auch nicht auf-
grund der Entscheidung des T. d. G. I. d. P. vom
21. Januar 2010 rechtskräftig fest, dass das Schiedsverfahren zulässig ist. Die-
ses Gericht hat lediglich, nachdem die in Art. 9 CPLA als Schiedsstelle vorge-
sehene Internationale Handelskammer in P. die weitere Administration
des Schiedsverfahrens abgelehnt hatte, einen Beschluss zur Bestellung von
Schiedsrichtern für das Schiedsverfahren getroffen, nicht aber die Frage ent-
schieden, ob der konkrete Gegenstand des Schiedsverfahrens und insoweit die
- im Übrigen von der Antragsgegnerin im weiteren Verlaufe des Schiedsverfah-
rens auch geänderten - Anträge Gegenstand eines zulässigen Schiedsspruchs
sein können. Deshalb kann auch dahinstehen, inwieweit anderenfalls der Be-
schluss für die deutschen Gerichte im Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO
rechtliche Bedeutung hätte.
c) Soweit daher die von der Antragsgegnerin im Schiedsverfahren gel-
tend gemachten Feststellungs- und Verpflichtungsanträge unmittelbar oder als
entscheidungserhebliche Vorfrage das Recht des Antragsstellers nach § 103
InsO betreffen, ist ein Schiedsverfahren auf der Grundlage von Art. 9 CPLA
unzulässig. Dies wird das Kammergericht zu prüfen haben. Die in diesem
Zusammenhang geäußerte Auffassung der Antragsgegnerin - es gehe im
Schiedsverfahren gar nicht um § 103 InsO, sondern darum, dass ihre Lizenzen
insolvenzfest seien, wobei sie insoweit ein Aussonderungsrecht (§ 47 InsO)
geltend mache, was zulässigerweise Gegenstand der den Insolvenzverwalter
bindenden Schiedsabrede sei - teilt der Senat allerdings nicht. Denn im Kern
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geht der Streit der Parteien darum, ob der Lizenzvertrag (CPLA) unter § 103
InsO fällt und der Antragsteller deshalb die weitere Erfüllung ablehnen kann.
Soweit das gesamte Schiedsverfahren nicht bereits im Hinblick auf § 103 InsO
unzulässig ist, wird das Kammergericht, das hierzu bisher keine Feststellungen
getroffen hat, auch den Einwand des Antragstellers zu prüfen haben, dass die
Gemeinschuldnerin im Zuge der Übernahme des CPLA nicht formwirksam in
die Schiedsabrede (Art. 9) eingetreten sei.
Schlick
Herrmann
Wöstmann
Hucke
Seiters
Vorinstanz:
KG Berlin, Entscheidung vom 13.09.2010 - 20 SCHH 3/09 -