Urteil des BGH vom 06.12.2010

Gewerkschaft, Mitgliedschaft, Kandidatur, Arbeitsgericht, Bemessungsgrundlage

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZR 99/09
vom
6. Dezember 2010
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Dezember 2010
durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bergmann und die Richterin Dr. Reichart
sowie die Richter Dr. Drescher, Born und Sunder
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Re-
vision im Urteil der Zivilkammer 53 des Landgerichts Berlin in
Berlin-Mitte vom 13. März 2009 wird auf seine Kosten als unzu-
lässig verworfen.
Der Streitwert wird auf 4.000 € festgesetzt.
Gründe:
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO
unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer
20.000 € nicht übersteigt.
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1. Der nach § 3 ZPO festzusetzende Wert der Beschwer richtet sich
nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an einer Abänderung des ihn be-
lastenden Urteils (BGH, Beschluss vom 25. Mai 1992 - II ZR 23/92, ZIP 1992,
918) und wird durch das vom ihm mit seinem Rechtsmittel verfolgte Ziel be-
stimmt. Der Kläger macht in diesem Verfahren mitgliedschaftsrechtliche An-
sprüche nichtvermögensrechtlicher Natur geltend. Das von ihm beabsichtigte
Revisionsverfahren zielt darauf ab, die Beklagte in Umsetzung der mit seiner
Stimme gefassten Beschlüsse zu verurteilen,
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1. in ihrem Namen ein Beschlussverfahren gegen die T.
GmbH als Antragsgegnerin vor dem Arbeitsgericht
München mit folgendem Antrag auf den Weg zu bringen:
"Das Arbeitsgericht bestellt einen aus drei Personen beste-
henden Wahlvorstand zur Durchführung der Betriebsrats-
wahl im Betrieb der T. GmbH in M. ."
2. die Kandidatur einer eigenen Liste der Beklagten bei den
Betriebsratswahlen bei der T. GmbH in
M. mit Stützunterschriften durch zwei ihrer Bevoll-
mächtigten gemäß den Vorschriften des Betriebsverfas-
sungsgesetzes zu ermöglichen,
hilfsweise,
ihre Mitglieder bei der T. GmbH in M.
zu einer Versammlung zur Wahl eines Betriebsgruppenvor-
standes unter Berücksichtigung der Bestimmungen ihrer
Satzung einzuladen.
2. Die sich hieraus ergebende Beschwer des mit allen Anträgen unterle-
genen Klägers entspricht seinem nach § 3 ZPO zu bemessenden Interesse an
der Bestellung eines Wahlvorstands zur Durchführung einer Betriebsratswahl
und an der Kandidatur einer Liste der Beklagten bei dieser Wahl bzw. seinem
Interesse an der Einberufung einer Mitgliederversammlung zur Wahl eines Be-
triebsgruppenvorstands. Dieses Interesse hat das Berufungsgericht bei der
Festsetzung des Streitwerts in Anwendung von § 48 Abs. 2 GKG, § 3 ZPO ins-
gesamt mit 4.000 € bewertet. Zwar ist der Senat an die Bewertung des Beru-
fungsgerichts nicht gebunden (BGH, Beschluss vom 13.
Oktober 2004
- XII ZR 110/02, MDR 2005, 228). Sie ist aber - auch mit Blick auf § 23 Abs. 3
Satz 2 RVG - unter den hier gegebenen Umständen des Falles angemessen.
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Die vom Kläger in seiner Nichtzulassungsbeschwerde herangezogenen
Bewertungsmaßstäbe sind für die Bemessung der Beschwer des Klägers nicht
geeignet. Seine Beschwer durch die Abweisung der geltend gemachten
mitgliedschaftlichen Ansprüche entspricht weder den von ihm bei fortbestehen-
der Mitgliedschaft bis zum Eintritt in das Rentenalter voraussichtlich geschulde-
ten Gewerkschaftsbeiträgen noch dem nach § 9 ZPO errechneten dreieinhalb-
fachen Betrag eines Zehntels seiner jährlichen Vergütungsansprüche. Das Be-
rufungsgericht hat zutreffend gesehen, dass sich die mit der Mitgliedschaft in
der beklagten Gewerkschaft verbundenen Vorteile für den Kläger bei weitem
nicht in den hier verfolgten Ansprüchen erschöpfen, so dass die Gewerk-
schaftsbeiträge als Bemessungsgrundlage von vornherein ausscheiden. Für die
Bemessung des Werts der Beschwer kommt es nicht darauf an, dass entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts der Rechtsgedanke des § 9 ZPO keine
Anwendung finden kann, weil die durch die Mitgliedschaft in einem nichtwirt-
schaftlichen Verein vermittelten Rechte mit wiederkehrenden Nutzungen und
Leistungen nicht vergleichbar sind.
Die Vergütungsansprüche des Klägers scheiden als Bemessungsgrund-
lage seiner Beschwer schon deshalb aus, weil ein Bezug zwischen ihnen und
dem Interesse des Klägers an der Abänderung der ihn belastenden Entschei-
dung nicht dargetan und auch nicht ersichtlich ist.
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Ebenso wenig lässt sich eine die Wertgrenze von 20.000 € übersteigen-
de Beschwer mit den Grundsätzen der arbeitsgerichtlichen Streitwertbemes-
sung bei Anfechtung einer Betriebsratswahl begründen. Diese Grundsätze las-
sen sich auf die hier vorliegende Fallgestaltung eines Rechtsstreits zwischen
Gewerkschaftsmitglied und Gewerkschaft nicht übertragen. Abgesehen davon,
dass es sich um unterschiedliche Streitgegenstände handelt, sind - bei dem
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Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer/Gewerkschaft und Arbeitgeber einer-
seits und dem innergewerkschaftlichen vereinsrechtlichen Verhältnis anderer-
seits - auch in ihrer Rechtsnatur nicht vergleichbare Rechtsverhältnisse betrof-
fen.
3. Im Übrigen wäre die Beschwerde auch unbegründet, weil keiner der
im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der
Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder
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grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisions-
gerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung. Die Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht
durchgreifend erachtet.
Bergmann Reichart
Drescher
Born
Sunder
Vorinstanzen:
AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 19.02.2008 - 14 C 225/07 -
LG Berlin, Entscheidung vom 13.03.2009 - 53 S 288/08 -