Urteil des BGH vom 13.03.2012

Leitsatzentscheidung zu Geschäftsführer, Vorweggenommene Beweiswürdigung, Unterzeichnung, Entlastung, Garantievertrag

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 50/09
Verkündet am:
13. März 2012
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 286 E
Ein Gericht darf die Beweisaufnahme zu einem bestrittenen erheblichen Vorbringen
einer Partei nicht deshalb ablehnen, weil es zu ihrem früheren Vortrag in Wider-
spruch stehe. Eine etwaige Widersprüchlichkeit des Parteivortrags ist vielmehr im
Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 13. März 2012 - II ZR 50/09 - OLG Köln
LG Köln
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. März 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und
den Richter Dr. Strohn, die Richterinnen Caliebe und Dr. Reichart und den
Richter Born
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des
18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 22. Januar
2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum
Nachteil des Beklagten entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revi-
sionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist eine im Stahlhandel und in der Stahlverarbeitung tätige
GmbH & Co. KG, der Beklagte war bis Anfang Januar 2004 zusammen mit
B. W. gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer ihrer Komple-
mentär-GmbH. Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadensersatz wegen
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ihrer Inanspruchnahme aus einer Garantievereinbarung in Höhe von
3.575.924,77 €.
Die Klägerin bezog Stahl von der Streithelferin, der S.
GmbH. In die Vertragsbeziehung war die E. Ltd. (im
Folgenden: E. ) mit Sitz in Hongkong, China zwischengeschaltet. Zwischen
der Streithelferin und der E. einerseits sowie der E. und der Klägerin ande-
rerseits bestanden im Wesentlichen gleichlautende Lieferverträge: Die E.
kaufte Stahl von der Streithelferin und verkaufte ihn an die Klägerin. Die Liefe-
rungen selbst erfolgten von der Streithelferin unmittelbar an die Klägerin.
Mit schriftlicher Erklärung vom 29. März 2001 übernahm die Klägerin ge-
genüber der Streithelferin eine Garantie für die Erfüllung der Zahlungsverpflich-
tungen der E. gegenüber der Streithelferin aus den in den Jahren 2001 und
2002 geschlossenen Verträgen. Am 9. Juli 2002 gaben der Beklagte und sein
Mitgeschäftsführer für die Klägerin eine weitere Garantieerklärung gegenüber
der Streithelferin ab, mit der sich die Klägerin unwiderruflich verpflichtete, an die
Streithelferin Zahlung zu leisten, sofern die E. ihren Verpflichtungen aus den
mit der Streithelferin in den Jahren 2002 und 2003 geschlossenen Verträgen
nicht fristgerecht nachkäme (im Folgenden: Garantie 2002). Am 17. Dezember
2003 unterzeichneten der Beklagte und auf seine Veranlassung auch sein Mit-
geschäftsführer W. eine entsprechende Garantieerklärung gegenüber der
Streithelferin, in der sich die Klägerin verpflichtete, für die Erfüllung der Zah-
lungsverpflichtungen der E. gegenüber der Streithelferin aus den in den Jah-
ren 2003 und 2004 geschlossenen Verträgen einzustehen (im Folgenden: Ga-
rantie 2003). In der Garantieerklärung heißt es, dass Ansprüche aus der Garan-
tie vom Begünstigten schriftlich unter Darlegung des Nichterfüllungsfalles ge-
genüber dem Garanten geltend gemacht werden müssen. Die nach den Best-
immungen des Gesellschaftsvertrags der Klägerin, ihrer Geschäftsordnung für
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die Geschäftsführung und des Anstellungsvertrags des Beklagten für die Über-
nahme einer solchen Garantie erforderliche Zustimmung des Beirats der Kläge-
rin lag bei Abgabe der Garantieerklärung im Dezember 2003 nicht vor.
Die Gesellschafterversammlung der Klägerin erteilte beiden Geschäfts-
führern für die Jahre 2001 und 2002 Entlastung. Für das Jahr 2003 entlastete
sie den Geschäftsführer W. , während sie dem Beklagten die Entlastung
verweigerte.
Im Februar 2004 beendete die Streithelferin die Zusammenarbeit mit der
E. Mit Schreiben vom 22. April 2004 forderte sie, gestützt auf die Garantie
2003, von der Klägerin Zahlung von 3.575.924,77
€ einschließlich Zinsen, weil
die E. ihren Zahlungsverpflichtungen aus dem Vertrag vom 7. März 2003 für
die von ihr bestellten Stahllieferungen nicht nachgekommen sei. Am 6. Mai
2004 schloss die Klägerin mit der Streithelferin eine sogenannte Erfüllungsver-
einbarung, in der sie sich zur Zahlung des geforderten Betrages verpflichtete,
den sie vereinbarungsgemäß an die Streithelferin zahlte. Die Klägerin ist der
Ansicht, der Beklagte schulde ihr Ersatz des dadurch entstandenen Schadens,
weil er die Zustimmung des Beirats zur Abgabe der Garantieerklärung 2003
nicht eingeholt habe.
Das Landgericht hat ihre auf Erstattung der Garantiezahlung an die
Streithelferin gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat
das Berufungsgericht unter Klageabweisung im Übrigen der Klage in Höhe von
3.256.275,15
€ stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Se-
nat zugelassene Revision des Beklagten, mit der er seinen Antrag auf vollstän-
dige Abweisung der Klage weiter verfolgt.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision des Beklagten hat Erfolg und führt, soweit zum Nachteil des
Beklagten entschieden worden ist, zur Aufhebung der angefochtenen Entschei-
dung und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im We-
sentlichen ausgeführt:
Die Klägerin könne vom Beklagten Schadensersatz in Höhe von
3.256.275,15
€ nach § 43 Abs. 2 GmbHG wegen ihrer Inanspruchnahme aus
der Garantie 2003 verlangen. Die Übernahme dieser Garantie sei pflichtwidrig
gewesen, weil die Zustimmung des Beirats nicht eingeholt worden sei. Es be-
stünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beirat seine Zustimmung
erteilt hätte. Hierzu sei er auch nicht verpflichtet gewesen. Der Beklagte habe
auch deshalb pflichtwidrig gehandelt, weil er im Zusammenhang mit der Über-
nahme der Garantie flankierende Maßnahmen versäumt habe, durch die eine
doppelte Inanspruchnahme der Klägerin durch die E. und die Streithelferin
verhindert worden wäre. Seiner Haftung stehe nicht entgegen, dass die Gesell-
schafterversammlung ihn für das Jahr 2002 und seinen Mitgeschäftsführer auch
für das Jahr 2003 entlastet habe, da seine Entlastung für 2003 ausdrücklich
verweigert worden sei. Der Klägerin sei durch die Pflichtverletzung des Beklag-
ten ein Schaden in Höhe des eingeklagten Betrages entstanden, weil sie die
zugrunde liegenden Lieferungen bereits an die E. bezahlt habe. Die Erfül-
lungsvereinbarung schließe die Haftung des Beklagten nicht aus, da sie ohne
die vom Beklagten zu Lasten der Klägerin übernommene Garantie 2003 nicht
geschlossen worden wäre und ausdrücklich auf diese Garantie Bezug nehme.
Die Garantie 2003 sei wirksam vereinbart worden. Die von den Ge-
schäftsführern der Klägerin unterzeichnete Garantieerklärung 2003 sei der
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Streithelferin zeitnah per Fax zugegangen und von deren Geschäftsführern
H. und Dr. He. unterschrieben worden. Auf den Zeitpunkt der Un-
terzeichnung komme es nicht an, da sie das Angebot der Klägerin jedenfalls
konkludent angenommen hätten. Der Abschluss eines Garantievertrags sei
formfrei möglich. Eine qualifizierte Schriftformvereinbarung des Inhalts, dass die
Garantie zu ihrer Wirksamkeit im Original von den vier Geschäftsführern der
Klägerin und der Streithelferin unterzeichnet werden müsse, hätten die Ver-
tragsparteien nicht getroffen. Da der Beklagte in der Berufungsverhandlung
vom 16. Oktober 2008 eine solche Vereinbarung auf Nachfrage des Gerichts
ausdrücklich verneint habe, sei sein gegenteiliger Vortrag in dem folgenden
Schriftsatz, es sei eine entsprechende mündliche Absprache getroffen worden,
prozessual unbeachtlich. Zudem habe der Beklagte keinen konkreten Lebens-
sachverhalt vorgetragen, sondern nur pauschal eine mündliche Absprache be-
hauptet. Dass die Annahmeerklärung der Klägerin möglicherweise nicht zuge-
gangen sei, sei wegen § 151 BGB unschädlich.
Die Kausalität entfalle auch nicht deshalb, weil die Klägerin die gleiche
Zahlung schon aus der Garantie 2002 hätte leisten müssen. Abgesehen davon,
dass die Streithelferin die Klägerin ausdrücklich aus der späteren Garantie in
Anspruch genommen habe, sei die Garantie 2003 nach den hier anwendbaren
Grundsätzen der Doppelkausalität auch dann für den eingetretenen Schaden
ursächlich, wenn man diesen bereits in der Haftung für die Verbindlichkeiten der
E. gegenüber der Streithelferin sehe. In den Fällen der Doppelkausalität bei
mehreren Schädigern sei davon auszugehen, dass beide Ursachen im haf-
tungsrechtlichen Sinne ursächlich seien, da andernfalls jeder Schädiger sich auf
den Ursachenbeitrag des anderen stützen könnte. Diese Grundsätze würden
auch in der vorliegenden Fallkonstellation greifen, in der zwar beide Ursachen
vom selben Verursacher gesetzt worden seien, dieser aber - aufgrund der ihm
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für das Geschäftsjahr 2002 erteilten Entlastung - wegen der früheren Garantie
nicht mehr in Anspruch genommen werden könne.
Lediglich in Höhe von 319.649,62 € sei ein Anspruch der Klägerin gemäß
§ 254 BGB ausgeschlossen, weil sie diesen Betrag noch nach ihrer Inan-
spruchnahme aus der Garantie und nach Abschluss der Erfüllungsvereinbarung
an die E. gezahlt habe.
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung in ent-
scheidenden Punkten nicht stand.
1. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, dass der
Garantievertrag 2003, in dessen Abschluss es eine Pflichtverletzung des Be-
klagten als Geschäftsführer der Klägerin gesehen hat, wirksam zustande ge-
kommen ist, und es hat infolgedessen auf der Grundlage der getroffenen Fest-
stellungen einen haftungsrechtlichen Zusammenhang zwischen der Unter-
zeichnung der Garantieerklärung 2003 durch die Geschäftsführer der Klägerin
und den von der Klägerin aufgrund der Erfüllungsvereinbarung geleisteten Zah-
lungen zu Unrecht bejaht.
a) Das Berufungsgericht ist verfahrensfehlerhaft zu der Auffassung ge-
langt, die Streithelferin habe das schriftliche Angebot der Klägerin auf Ab-
schluss einer Garantievereinbarung formlos angenommen. Der Beklagte hat
vorgetragen, die Klägerin und die Streithelferin, vertreten durch ihre damaligen
Geschäftsführer, hätten für den Abschluss des Garantievertrags ausdrücklich
mündlich konstitutive Schriftform vereinbart, und hat für diesen Vortrag Beweis
durch Vernehmung der damaligen Geschäftsführer der Streithelferin
Dr. He. und H. angeboten. Das Berufungsgericht hat den Beklag-
ten zu Recht für diesen Vortrag als beweisbelastet angesehen (vgl. BGH, Urteil
vom 27. Januar 1997 - II ZR 213/95, NJW-RR 1997, 669, 670; Erman/A. Arnold,
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BGB, 13. Aufl., § 127 Rn. 11; Laumen in Baumgärtel/Laumen/Prütting, Hand-
buch der Beweislast, BGB AT, 3. Aufl., § 125 Rn. 11 f.). Es durfte deshalb nicht
zu dem Ergebnis kommen, die Streithelferin habe das Vertragsangebot der
Klägerin wirksam konkludent angenommen, ohne die vom Beklagten angebote-
nen Zeugen zu vernehmen.
aa) Wie die Revision mit Recht rügt, war das Berufungsgericht von der
Beweisaufnahme nicht deshalb entbunden, weil der Prozessbevollmächtigte
des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2008 eine aus-
drückliche Schriftformabrede auf Nachfrage des Berufungsgerichts verneint hat.
Diesen Vortrag hat der Beklagte im nachgelassenen Schriftsatz vom
19. November 2008 dahingehend klargestellt, dass sich die Aussage seines
Prozessbevollmächtigten nur darauf bezogen habe, dass eine ausdrückliche,
schriftlich festgehaltene Schriftformabrede nicht bestanden habe, wohl aber
- wie mehrfach vorgetragen - eine ausdrückliche mündliche Schriftformverein-
barung. Er hat dabei auf sein Vorbringen in den Schriftsätzen vom 10. Januar
2007 und vom 12. Dezember 2005 verwiesen. Der Umstand, dass der Vortrag
des Prozessbevollmächtigten des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zu
dem Vortrag in den genannten Schriftsätzen in Widerspruch stehen mag, recht-
fertigt es nicht, von der Erhebung der angebotenen Beweise abzusehen. Darin
liegt eine vorweggenommene Beweiswürdigung, die im Prozessrecht keine
Stütze findet. Eine etwaige Widersprüchlichkeit des Parteivortrags kann nur im
Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom
21. Juli 2011 - IV ZR 216/09, VersR 2011, 1384 Rn. 6; Urteil vom 1. Juli 1999
- VII ZR 202/98, NJW-RR 2000, 208; Urteil vom 5. Juli 1995 - KZR 15/94, NJW-
RR 1995, 1340, 1341 - Sesamstraße-Aufnäher).
bb) Ebenso wenig durfte das Berufungsgericht von einer Beweisaufnah-
me absehen, weil der Beklagte die mündliche Absprache über die Formbedürf-
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tigkeit der Garantievereinbarung behauptete, ohne nähere Einzelheiten darzu-
legen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt eine
Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit
einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen;
unerheblich ist, ob die Darstellung der Partei wahrscheinlich ist (vgl. nur BGH,
Beschluss vom 21. Juli 2011 - IV ZR 216/09, VersR 2011, 1384 Rn. 6; Urteil
vom 2. April 2007 - II ZR 325/05, ZIP 2007, 1056 Rn. 23; Urteil vom 25. Juli
2005 - II ZR 199/03, WM 2005, 1847, 1848; Beschluss vom 1. Juni 2005
- XII ZR 275/02, NJW 2005, 2710, 2711). Genügt das Parteivorbringen diesen
Anforderungen, kann der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht gefordert werden.
Vielmehr muss der Tatrichter in die Beweisaufnahme eintreten; dabei muss er
gegebenenfalls durch entsprechende Nachfrage nähere Einzelheiten klären,
soweit er ihnen für die Wahrscheinlichkeit der Behauptung Bedeutung zumisst.
Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht unter Verstoß gegen §§ 284,
286 ZPO verkannt. Der Vortrag des Beklagten, die Parteien des Garantiever-
trags hätten konstitutive Schriftform vereinbart, erfüllt die Anforderungen an ei-
nen schlüssigen Tatsachenvortrag, so dass das Berufungsgericht die von ihm
angebotenen Zeugen hätte vernehmen müssen.
b) Das Urteil beruht auf diesen Verfahrensfehlern. War eine konstitutive
Schriftform des Garantievertrags vereinbart, konnte die Streithelferin das Ange-
bot der Klägerin zum Abschluss des Garantievertrags vom 17. Dezember 2003
nur schriftlich innerhalb der Annahmefrist des § 147 Abs. 2 BGB annehmen. Die
Klägerin hat hierzu vorgetragen, die Geschäftsführer der Streithelferin hätten
das Fax noch im Dezember 2003 unterzeichnet. Der Beklagte hat diesen Vor-
trag bestritten. Das Berufungsgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen.
Revisionsrechtlich ist deshalb entsprechend dem Beklagtenvortrag davon aus-
zugehen, dass der von der Klägerin im Dezember 2003 angebotene Garantie-
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vertrag nicht zustande gekommen ist, weil er von den vertretungsberechtigten
Organen der Streithelferin nicht innerhalb der Frist des § 147 Abs. 2 BGB un-
terzeichnet wurde.
War aber die Klägerin aufgrund der von ihren Geschäftsführern im De-
zember 2003 unterzeichneten Garantieerklärung nicht zu Garantiezahlungen
verpflichtet, steht der haftungsrechtliche Zusammenhang zwischen der vom
Berufungsgericht angenommenen Pflichtverletzung des Beklagten und den
durch die Erfüllungsvereinbarung begründeten Zahlungsverbindlichkeiten nicht
mehr fest. Denn dem Schädiger ist es nicht als adäquate Folge seines Tuns
zuzurechnen, wenn der Geschädigte in ungewöhnlicher und unsachgemäßer
Weise in den Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die
den Schaden erst endgültig herbeiführt. Der Kausalzusammenhang wird nur
dann nicht unterbrochen, wenn für die Zweithandlung ein rechtfertigender An-
lass bestand oder diese durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefor-
dert wurde und eine nicht ungewöhnliche oder gänzlich unangemessene Reak-
tion auf dieses darstellt (BGH, Urteil vom 10. Mai 1990 - IX ZR 113/89,
NJW 1990, 2882, 2883; Urteil vom 3. Dezember 1992 - IX ZR 61/92,
NJW 1993, 1139, 1141; Urteil vom 7. Januar 1993 - IX ZR 199/91, NJW 1993,
1587, 1589; Urteil vom 4. Juli 1994 - II ZR 126/93, NJW 1995, 126, 127).
Diese Voraussetzungen sind nach den bisher vom Berufungsgericht ge-
troffenen Feststellungen nicht erfüllt. War der Geschäftsführer W. - wie
vom Beklagten behauptet und unter Beweis gestellt - an der konstitutiven
Schriftformabrede beteiligt, muss sich die Klägerin dessen Kenntnis zurechnen
lassen. Schloss sie in Kenntnis der Tatsache, dass das für den Garantievertrag
vereinbarte Schriftformerfordernis nicht erfüllt war, mit der Streithelferin die als
Vergleich zu beurteilende Erfüllungsvereinbarung, liegt eine ungewöhnliche und
gänzlich unangemessene Reaktion auf die Unterzeichnung der Garantieverein-
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barung durch den Beklagten und den Geschäftsführer W. nahe. Ob der
Abschluss der Erfüllungsvereinbarung in dieser Weise zu beurteilen ist, hängt
von den vom Berufungsgericht in dem wiedereröffneten Berufungsverfahren
gegebenenfalls zu klärenden Umständen des Falles ab. Dabei können die Er-
folgsaussichten der Klägerin im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung
mit der Streithelferin und ihr Interesse an einer raschen Streitbeilegung zu be-
rücksichtigen sein (vgl. BGH, Urteil vom 7. Januar 1993 - IX ZR 199/91,
NJW 1993, 1587, 1589).
2. Ebenso ist die Auffassung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft, die
- angenommene - Pflichtverletzung des Beklagten sei für einen Schaden der
Klägerin ursächlich geworden.
a) Das Berufungsgericht sieht eine Pflichtverletzung des Beklagten darin,
dass er die Garantieerklärung im Dezember 2003 ohne die Zustimmung des
Beirats unterzeichnet und nicht zugleich durch entsprechende Maßnahmen si-
chergestellt habe, dass die Klägerin für dieselben Lieferungen nicht sowohl von
der E. als Vertragspartnerin als auch von der Streithelferin als Garantin auf
Zahlung in Anspruch genommen werden konnte. Diese Pflichtverletzung ist für
die Verpflichtung der Klägerin, für die Verbindlichkeiten der E. gegenüber der
Streithelferin aus 2003 geschlossenen Verträgen aufkommen zu müssen, auf
der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen auch dann nicht kausal
geworden, wenn die Streithelferin, wovon das Berufungsgericht ausgegangen
ist, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Garantievertrags vom
17. Dezember 2003 wirksam angenommen hat. Die Garantie 2003 hat die Ver-
mögenslage der Klägerin nicht verschlechtert, soweit sie die Einstandspflicht
der Klägerin für die hier maßgeblichen Zahlungsverpflichtungen der E. aus
den im Jahr 2003 geschlossenen Verträgen betrifft. Denn die Klägerin wurde
nicht erst durch die Unterzeichnung der Garantievereinbarung im Dezember
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2003 mit der Verbindlichkeit belastet, die Forderungen der Streithelferin gegen
die E. aus den im Jahr 2003 geschlossenen Verträgen zu erfüllen, sofern
diese ihren Zahlungspflichten nicht rechtzeitig nachkam. Vielmehr war sie hier-
zu, wie auch das Berufungsgericht angenommen hat, schon durch den im Juli
2002 mit der Streithelferin geschlossenen, insoweit gleichlautenden Garantie-
vertrag verpflichtet, unabhängig davon, ob der Beklagte für solche Forderungen
der Streithelferin eine weitere Garantieverpflichtung zu Lasten der Klägerin be-
gründete.
b) Anders verhielte es sich nur, wenn durch den späteren Garantiever-
trag die Garantieverpflichtung für die gesicherten Forderungen aus den 2003
geschlossenen Verträgen erweitert worden wäre oder der Klägerin gegen ihre
Inanspruchnahme aus der Garantie 2002 durchgreifende Einwendungen zuge-
standen hätten. Hierfür bestehen nach den bisher getroffenen Feststellungen
des Berufungsgerichts keine Anhaltspunkte. Revisionsrechtlich ist deshalb da-
von auszugehen, dass die vom Berufungsgericht angenommene Pflichtverlet-
zung des Beklagten im Zusammenhang mit der Garantie 2003 nicht für die Ver-
pflichtung der Klägerin kausal war, gegenüber der Streithelferin für die Verbind-
lichkeiten der E. aus Verträgen, die diese im Jahr 2003 mit der Streithelferin
geschlossen hat, einstehen zu müssen.
c) Der fehlende Ursachenzusammenhang lässt sich nicht durch die vom
Berufungsgericht herangezogenen Grundsätze der Doppelkausalität überwin-
den. Sogenannte Doppelkausalität liegt vor, wenn ein bestimmter Schaden
durch verschiedene gleichzeitig oder nebeneinander wirkende Umstände verur-
sacht worden ist, aber jede dieser Ursachen allein ausgereicht hätte, um den
ganzen Schaden herbeizuführen. In einem solchen Fall sind sämtliche Umstän-
de als rechtlich ursächlich für den Schadenseintritt zu behandeln, obwohl keiner
der Umstände als „conditio sine qua non“ für den Schadenseintritt beurteilt wer-
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den kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1988 - IX ZR 43/87, WM 1988, 905,
908; Urteil vom 7. Mai 2004 - V ZR 77/03, WM 2005, 189, 191). Eine vergleich-
bare Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor. Die Garantievereinbarungen wur-
den zeitlich nacheinander geschlossen. Der in der Begründung der maßgebli-
chen Garantieverbindlichkeit zu Lasten der Klägerin liegende Schaden war be-
reits vor Unterzeichnung des Garantievertrags im Dezember 2003 durch Ab-
schluss der Garantievereinbarung im Juli 2002 eingetreten.
d) Der Umstand, dass die Streithelferin ihren Zahlungsanspruch nur auf
die spätere Garantie gestützt hat, ändert nichts daran, dass sich die Vermö-
genslage der Klägerin durch das nach Ansicht des Berufungsgerichts pflichtwid-
rige Handeln des Beklagten im Zusammenhang mit der Unterzeichnung des
Garantievertrags im Dezember 2003 nicht verschlechtert hat. Ebenso wenig ist
für die Beurteilung der Kausalität der Pflichtverletzung des Beklagten von Be-
lang, ob der Beklagte bereits mit dem Abschluss des Garantievertrags im Juli
2002 eine Pflichtverletzung begangen hat und ob er von der Klägerin - in Anbe-
tracht seiner Entlastung für das Jahr 2002 - aus diesem Grund auf Schadenser-
satz in Anspruch genommen werden kann. Denn diese Umstände haben keinen
Einfluss darauf, ob die Pflichtverletzung des Beklagten im Zusammenhang mit
der Garantieerklärung 2003 zu einem Schaden der Klägerin im Sinne einer
Verschlechterung ihrer Vermögenslage geführt hat.
e) Hat das vom Berufungsgericht angenommene pflichtwidrige Handeln
des Beklagten im Zusammenhang mit der von ihm im Dezember 2003 abgege-
benen Garantieerklärung die Vermögenslage der Klägerin nicht verschlechtert,
schuldet ihr der Beklagte keinen Schadensersatz nach § 43 Abs. 2 GmbHG.
Dies gilt auch für den ihm angelasteten Kompetenzverstoß. Denn diese Vor-
schrift sanktioniert nicht den Kompetenzverstoß des Geschäftsführers an sich,
sondern setzt einen dadurch verursachten Schaden voraus (vgl. BGH, Urteil
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vom 11. Dezember 2006 - II ZR 166/05, ZIP 2007, 268 Rn. 10 und 12; Urteil
vom 21. Juli 2008 - II ZR 39/07, ZIP 2008, 1818 Rn. 19).
III. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, soweit der Klage stattgege-
ben worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung
reif ist, ist sie im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entschei-
dung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht
- gegebenenfalls nach ergänzendem Parteivortrag - die erforderlichen Feststel-
lungen treffen kann (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Denn es kann nicht ausge-
schlossen werden, dass die Klägerin gegen ihre Inanspruchnahme aus dem im
Juli 2002 geschlossenen Garantievertrag gegenüber der Streithelferin durch-
greifende Einwendungen hätte erheben können. In diesem Fall wäre durch den
Abschluss des weiteren Garantievertrags im Dezember 2003 die Vermögensla-
ge der Klägerin verschlechtert worden.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Das Berufungsgericht wird sich gegebenenfalls erneut damit zu befas-
sen haben, ob das Handeln des Beklagten deshalb pflichtwidrig war, weil er im
Zusammenhang mit der Unterzeichnung der Garantieerklärung 2003 flankie-
rende Maßnahmen zur Vermeidung einer Doppelzahlung unterlassen hat.
2. Sollte sich ergeben, dass die Klägerin schon aus dem im Juli 2002 ab-
geschlossenen Garantievertrag für die Forderungen der Klägerin gegen die
E. aus den im Jahr 2003 geschlossenen Verträgen einstehen musste und
sollten Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten wegen Abschlusses
dieses Garantievertrags in Betracht kommen, scheiden solche Ansprüche ent-
gegen der Meinung des Berufungsgerichts nicht schon von vornherein aus, weil
der Beklagte für das Jahr 2002 von der Gesellschafterversammlung entlastet
wurde. Die Gesellschaft ist durch eine Entlastung des Geschäftsführers nur mit
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solchen Ersatzansprüchen ausgeschlossen, die der Gesellschafterversamm-
lung bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und Berichte erkennbar waren oder
von denen alle Gesellschafter privat Kenntnis hatten (BGH, Urteil vom 20. Mai
1985 - II ZR 165/84, BGHZ 94, 324, 326; Urteil vom 21. April 1986
- II ZR 165/85, BGHZ 97, 382, 384).
Das Berufungsgericht wird hierzu die nach ergänzendem Parteivortrag
gegebenenfalls erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.
Bergmann Strohn Caliebe
Reichart Born
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 06.07.2007 - 87 O 181/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 22.01.2009 - 18 U 142/07 -
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