Urteil des BGH vom 28.06.2016

Leitsatzentscheidung zu Masseverbindlichkeit, Hauptsache, Ermessen, Rechtsmittelinstanz

ECLI:DE:BGH:2016:280616BIIZR364.13.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZR 364/13
vom
28. Juni 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO § 180 Abs. 2 Satz 1; ZPO § 91a Abs. 1
Hat der Insolvenzverwalter nach übereinstimmend erklärter Erledigung der Hauptsa-
che die Kosten eines im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gemäß § 180 Abs. 2
InsO aufgenommenen Rechtsstreits zu tragen, sind die von ihm zu erstattenden Kos-
ten des Beschwerdeverfahrens einheitlich als Masseverbindlichkeit zu behandeln
(Anschluss an BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - IX ZB 312/04, ZIP 2006,
2132 Rn. 13 f.; Beschluss vom 20. März 2008 - IX ZB 68/06, juris Rn. 4; Urteil vom
29. Mai 2008 - IX ZR 45/07, ZIP 2008, 1441 Rn. 29; Beschluss vom 2. März 2011
- IV ZR 18/10, juris Rn. 5 f.), während der Kostenerstattungsanspruch des Gegners
für die Vorinstanzen nur als Insolvenzforderung besteht.
BGH, Beschluss vom 28. Juni 2016 - II ZR 364/13 - OLG Oldenburg
LG Oldenburg
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Juni 2016 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, die Richterin Caliebe und die Richter
Prof. Dr. Drescher, Born und Sunder
beschlossen:
Die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens trägt
der Beklagte.
Hinsichtlich der übrigen Kosten des Rechtsstreits bleibt es
bei der Kostenentscheidung im Urteil des 11. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Oldenburg vom 20. September 2013.
Gründe:
Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 26. Januar 2016 die Hauptsa-
che für erledigt erklärt und der Beklagte dem nicht innerhalb der gemäß § 91a
Abs. 1 Satz 2 ZPO gesetzten Frist widersprochen hat, war über die Kosten des
Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes
nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 91a ZPO). Danach hat der Beklagte
die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - als Masseverbindlich-
keit - zu tragen. Hinsichtlich der Kosten der Vorinstanzen bleibt es bei der Kos-
tenentscheidung des Berufungsgerichts; die daraus folgenden Erstattungsan-
sprüche des Klägers sind Insolvenzforderungen.
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1. Der Kläger hat das durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über
das Vermögen des Schuldners und ursprünglichen Beschwerdeführers gemäß
§ 240 ZPO unterbrochene Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren mit Schriftsatz
vom 5. Februar 2015 gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter wirksam auf-
genommen, nachdem dieser die vom Berufungsgericht zugesprochene und zur
Insolvenztabelle angemeldete Forderung vorläufig bestritten hatte.
Ist in einem Insolvenzverfahren eine Forderung vom Insolvenzverwalter
oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden, so bleibt es gemäß § 179
Abs. 1 InsO dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen den Bestreiten-
den zu betreiben. Ein Bestreiten im Sinne von § 179 Abs. 1 InsO liegt auch
dann vor, wenn der Insolvenzverwalter die Forderung - wie hier - nur vorläufig
bestreitet (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2006 - IX ZB 160/04, ZIP 2006, 576
Rn. 8). War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit
über die Forderung anhängig, so ist die Feststellung gemäß § 180 Abs. 2 InsO
durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben. Zwar obliegt es gemäß § 179
Abs. 2 InsO dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen, wenn für eine
Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt. Unterlässt
er dies - wie im vorliegenden Fall -, ist aber auch der Gläubiger der Forderung
zur Aufnahme befugt (BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2012 - III ZR 204/12,
BGHZ 195, 233 Rn. 7 mwN).
Die Aufnahme des Rechtsstreits ist auch möglich, wenn der Rechtsstreit
bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits in der Revisionsinstanz anhängig
war; dies gilt auch im Fall einer in der Revisionsinstanz anhängigen Nichtzulas-
sungsbeschwerde (BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2012 - III ZR 204/12,
BGHZ 195, 233 Rn. 8; Beschluss vom 6. März 2013 - III ZR 261/12, NZI 2013,
396 Rn. 8; Urteil vom 21. Mai 2015 - III ZR 384/12, ZIP 2015, 1500 Rn. 14).
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2. Die Erledigung der Hauptsache kann in der Rechtsmittelinstanz, auch
noch während des Verfahrens über eine Nichtzulassungsbeschwerde, erklärt
werden. Da durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien
der Rechtsstreit insgesamt erledigt ist, ist über alle bisher entstandenen Kosten
des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten der Vorinstanzen, gemäß § 91a
ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und
Streitstands durch Beschluss zu entscheiden. Dabei ist der mutmaßliche Aus-
gang des Beschwerde- und gegebenenfalls des Revisionsverfahrens zu be-
rücksichtigen (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - II ZR 262/08, ZIP 2013,
1691 Rn. 10 mwN).
Der Beklagte hat danach die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tra-
gen, da nach dem Sach- und Streitstand bei Eintritt des erledigenden Ereignis-
ses die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision keinen Erfolg ge-
habt und der Beklagte das mit einer Revision anzustrebende Ziel einer vollstän-
digen Klageabweisung schon deshalb nicht erreicht hätte. Die Beschwerde wä-
re ohne das erledigende Ereignis zurückzuweisen gewesen, weil keiner der im
Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Se-
nat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grund-
sätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsge-
richts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Recht-
sprechung. Der Senat hat die Verfahrensrügen geprüft und für nicht durchgrei-
fend erachtet.
Eine andere, dem Beklagten günstige, Kostenentscheidung ist nicht des-
halb gerechtfertigt, weil der Beklagte durch das nur vorläufige Bestreiten der
Forderung möglicherweise noch keine hinreichende Veranlassung zur Aufnah-
me des unterbrochenen Rechtsstreits gemäß § 180 Abs. 2 InsO gegeben hatte
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und die Forderung nach der Aufnahme des Rechtsstreits zur Insolvenztabelle
festgestellt und damit dem Begehren des Klägers entsprochen hat. Der Grund-
gedanke des § 93 ZPO kann zwar auch im Rahmen der Kostenentscheidung
nach § 91a ZPO herangezogen werden (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2006
- IX ZB 160/04, ZIP 2006, 576 Rn. 9). Der Insolvenzverwalter kann ein soforti-
ges Anerkenntnis mit der Kostenfolge nach § 93 ZPO jedoch nicht mehr abge-
ben, wenn der Schuldner diese Möglichkeit zuvor durch sein (für den Insolvenz-
verwalter nicht anfechtbares) prozessuales Verhalten bereits verloren hatte
(BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - IX ZB 312/04, ZIP 2006, 2132
Rn. 9; vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. März 2009 - VI ZB 14/08, juris Rn. 5;
K. Schmidt/Jungmann, InsO, 19. Aufl., § 179 Rn. 7; a.M. Uhlenbruck/Sinz, InsO,
14. Aufl., § 180 Rn. 22). So verhält es sich im Streitfall; die (nicht anfechtbare)
Prozessführung des Schuldners, der der Klage über mehrere Instanzen entge-
gengetreten ist, schließt ein sofortiges Anerkenntnis des Beklagten aus.
Da die Beschwerde erfolglos geblieben wäre, entsprach es außerdem
billigem Ermessen, es für die Kosten der Vorinstanzen bei der in korrekter An-
wendung von § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO getroffenen Kostenentscheidung des Be-
rufungsgerichts zu belassen.
3. Die danach von dem Beklagten zu tragenden Kosten des Beschwer-
deverfahrens stellen sich - worüber in der Kostengrundentscheidung zu befin-
den ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - IX ZB 312/04,
ZIP 2006, 2132 Rn. 11) - insgesamt als Masseverbindlichkeit dar.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht im Falle der
Fortsetzung eines unterbrochenen Rechtsstreits nach § 180 Abs. 2 InsO bei
Unterliegen des Insolvenzverwalters ein einheitlicher Kostenerstattungsan-
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spruch. Eine Trennung nach Zeitabschnitten erfolgt innerhalb derselben Instanz
nicht, so dass der Gläubiger seine Kosten insgesamt als Masseforderung gel-
tend machen kann (BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - IX ZB 312/04,
ZIP 2006, 2132 Rn. 13 f.; Beschluss vom 20. März 2008 - IX ZB 68/06, juris
Rn. 4; Urteil vom 29. Mai 2008 - IX ZR 45/07, ZIP 2008, 1441 Rn. 29;
Beschluss vom 2. März 2011 - IV ZR 18/10, juris Rn. 5 f.; s.a. BGH, Beschluss
vom 9. Februar 2006 - IX ZB 160/04, ZIP 2006, 576 Rn. 15; a.A. MünchKomm
InsO/Schumacher, 3. Aufl., § 85 Rn. 20; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 14. Aufl., § 180
Rn. 43 ff. mwN). Aus § 86 Abs. 2 InsO ergibt sich kein anderes Ergebnis (vgl.
BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - IX ZB 312/04, ZIP 2006, 2132
Rn. 12).
Demgegenüber bestehen die Kostenerstattungsansprüche des Klägers
für die Vorinstanzen nur als Insolvenzforderung. Die durch den Widerspruch
des Beklagten gegen die Feststellung zur Insolvenztabelle veranlasste Auf-
nahme des Verfahrens hatte auf die Kosten der Vorinstanzen keinen Einfluss.
Eine instanzübergreifend einheitliche Behandlung des Kostenerstattungsan-
spruchs als Masseverbindlichkeit ist jedenfalls im Streitfall, in dem der Recht-
streit erst während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens unterbrochen
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wurde, nicht geboten. Die Kosten der Vorinstanz werden nicht zu Massever-
bindlichkeiten aufgewertet, wenn der Insolvenzverwalter den Prozess erst in der
Rechtsmittelinstanz fortführt (HK-InsO/Kayser, 8. Aufl., § 85 Rn. 60).
Bergmann Caliebe Drescher
Born Sunder
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 15.01.2013 - 4 O 1531/12 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 20.09.2013 - 11 U 21/13 -