Urteil des BGH vom 23.09.2014

Anleger, Stille Gesellschaft, Ex Nunc, Agio, Stillen

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I I Z R 3 1 9 / 1 3
vom
23. September 2014
in dem Rechtsstreit
- 2 -
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. September 2014 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, die Richterin Caliebe, die Richter
Dr. Drescher, Born und Sunder
einstimmig beschlossen:
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat be-
absichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des
11. Zivilsenats
des
Hanseatischen
Oberlandesgerichts
Hamburg vom 23. August 2013 gemäß § 552a ZPO auf seine
Kosten zurückzuweisen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis zu
45.000
€ festgesetzt.
Gründe:
Die Revision ist zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zu-
lassung nicht vorliegen und die Revision auch keine Aussicht auf Erfolg hat.
I. Der Kläger beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 11. Mai 2004 im
Modell „Classic“ mit einer Einmalzahlung von 40.000 € zzgl. 2.400 € Agio als
atypischer stiller Gesellschafter an der Beklagten. Die Beteiligung wurde ihm
von einem Vermittler auf Basis des ihm vor Unterzeichnung nicht ausgehändig-
ten Emissionsprospekts Stand 2003 und - so der streitige Vortrag des Klägers -
1
2
- 3 -
anhand von Schulungsmaterial erläutert, das dem Vermittler von der Beklagten
zur Verfügung gestellt worden sein soll.
Der Kläger verlangt von der Beklagten aus Prospekthaftung im weiteren
Sinne die Rückabwicklung der Beteiligung und deshalb Zahlung von
32.133,33
€. Das entspricht den Einlagezahlungen inklusive Agio in Höhe von
42.400 € abzüglich der erhaltenen Ausschüttungen. Ferner macht er entgange-
nen Gewinn in Höhe von 17.261,04 € sowie die Erstattung von Rechtsanwalts-
kosten geltend und begehrt die Feststellung, dass die Beklagte sich im Annah-
meverzug befindet und verpflichtet ist, den Kläger von einer etwaigen Haftung
freizustellen und ihm etwaige weitere Schäden zu ersetzen. Hilfsweise verlangt
er im Wege der Stufenklage die Errechnung und Auszahlung seines Auseinan-
dersetzungsguthabens, nachdem er in der Berufungsinstanz mit Schriftsatz
vom 26. April 2012 seine Beteiligung mit der Begründung, es habe sich um ein
Haustürgeschäft gehandelt und er sei über sein Widerrufsrecht nicht ordnungs-
gemäß belehrt worden, weshalb sein Widerruf nicht fristgebunden sei, seine
Zeichnungserklärung widerrufen hat.
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage
abweisende erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen. Zur Begründung hat es
ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rückabwicklung schon wegen der auf die
vorliegende mehrgliedrige atypische stille Gesellschaft anwendbaren Grundsät-
ze der fehlerhaften Gesellschaft ausgeschlossen sei. Ein Widerruf berechtige
ebenfalls nur zu einer Beendigung ex nunc. Im Übrigen habe der Kläger die
Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts nicht vorgetragen und ein etwaiges
vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht sei verfristet. Die hilfsweise erhobene
Stufenklage sei ebenfalls unbegründet, selbst wenn man den verfristeten Wi-
derruf in eine Kündigungserklärung umdeuten könnte, da ein Kündigungsgrund
3
4
- 4 -
in Form einer Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten mangels Prospektfeh-
lers nicht zu erkennen sei. Der Kläger verfolgt sein Begehren mit der vom Beru-
fungsgericht zugelassenen Revision weiter.
II. Ein Zulassungsgrund besteht nicht. Weder erfordern die Fortbildung
des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Ent-
scheidung des Revisionsgerichts noch stellen sich Fragen von grundsätzlicher
Bedeutung.
1. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie ei-
ne entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfra-
ge aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und
deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Ent-
wicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig ist eine
Rechtsfrage dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung
einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen
unter anderem dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht
entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwor-
tet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten wer-
den (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZR 156/09, ZIP 2010, 1080
Rn. 3; Beschluss vom 3. Juni 2014 - II ZR 67/13, juris Rn. 3). Diese Vorausset-
zungen liegen nicht vor.
a) Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil der Bundes-
gerichtshof in seinem Urteil vom 29. November 2004 (II ZR 6/03, ZIP 2005, 254,
256) ausdrücklich offen gelassen habe, ob die Grundsätze der fehlerhaften Ge-
sellschaft bei einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft, jedenfalls in der Rechts-
5
6
7
- 5 -
form der Publikumsgesellschaft, einem Anspruch auf Einlagenrückgewähr ent-
gegenstünden.
Diese Frage hat der Senat inzwischen dahin beantwortet, dass ein An-
spruch auf Rückabwicklung ausgeschlossen ist, gleichwohl der Anleger, dessen
Rückabwicklungsbegehren in der Regel in eine Kündigung des (stillen) Gesell-
schaftsverhältnisses aus wichtigem Grund umgedeutet werden kann, neben
einem etwaigen Abfindungsguthaben gegebenenfalls Schadensersatz verlan-
gen kann, wenn hierdurch die Abfindungsansprüche der anderen stillen Gesell-
schafter nicht beeinträchtigt werden (BGH, Urteil vom 19. November 2013
- II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 Rn. 22 ff.).
b) Das Berufungsurteil steht mit dieser jüngsten Senatsrechtsprechung
zwar nicht im Einklang, soweit es jegliche Schadensersatzansprüche unter Be-
rufung auf die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft verneint. Da das Beru-
fungsgericht seine Entscheidung jedoch zusätzlich darauf gestützt hat, dass
eine Aufklärungspflichtverletzung, die sowohl für eine Kündigung aus wichtigem
Grund als auch für einen Anspruch auf Ersatz eines unter Umständen neben
einem etwaigen Abfindungsanspruch bestehenden Schadens Voraussetzung
wäre, nicht vorliegt, ist diese Abweichung von der Rechtsprechung des Senats
nicht entscheidungserheblich und hindert ein Vorgehen nach § 552a ZPO nicht.
2. Das Berufungsgericht hat die Revision weiter hinsichtlich der gerügten
und vom Berufungsgericht verneinten Fehler des streitgegenständlichen Pros-
pekts zugelassen. Insoweit stellen sich jedoch gleichfalls keine zulassungsrele-
vanten Rechtsfragen.
Die Anforderungen, welche an eine ordnungsgemäße Aufklärung eines
Anlegers zu stellen sind, sind hinreichend geklärt. Einem Anleger muss für sei-
8
9
10
11
- 6 -
ne Beitrittsentscheidung ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt
werden, das heißt er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentschei-
dung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über
die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile
und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden (BGH,
Beschluss vom 15. Januar 2013 - II ZR 43/12, juris Rn. 7; Urteil vom 23. April
2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 13 mwN). Wird dem Anlageinteressen-
ten statt einer rein mündlichen Aufklärung im Rahmen des Vertragsanbah-
nungsgesprächs ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht, kann das als
Mittel der Aufklärung genügen. Dann muss der Prospekt aber nach Form und
Inhalt geeignet sein, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständ-
lich zu vermitteln. Außerdem muss er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig
vor Vertragsschluss überlassen werden, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis ge-
nommen werden kann (BGH, Urteil vom 21. März 2005 - II ZR 140/03, ZIP
2005, 753, 757 f. mwN). Wird der Prospekt, wie im vorliegenden Fall, nicht vor
der Zeichnung übergeben, erfolgt die Vermittlung aber auf Grundlage des Pros-
pekts, gilt nichts anderes, da sich etwaige Prospektmängel in das Beratungsge-
spräch hinein fortsetzen und genauso wirken, wie wenn dem Anleger der Pros-
pekt rechtzeitig übergeben worden wäre und er kein Gespräch mit dem Anlage-
vermittler geführt, sondern sich alleine aus dem Prospekt informiert hätte (BGH,
Urteil vom 3. Dezember 2007 - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Rn. 17 f.). Für die
Beurteilung, ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist nicht isoliert auf
eine bestimmte Formulierung, sondern auf das Gesamtbild abzustellen, das er
dem Anleger unter Berücksichtigung der von ihm zu fordernden sorgfältigen
und eingehenden Lektüre vermittelt (BGH, Urteil vom 5. März 2013
- II ZR 252/11, ZIP 2013, 773 Rn. 14 mwN).
- 7 -
Ob die hier vom Kläger behauptete Aufklärungspflichtverletzung vorliegt,
kann anhand dieser Rechtsgrundsätze auf der Grundlage der vom Tatrichter
insoweit zu treffenden tatsächlichen Feststellungen beantwortet werden. Der
vom Berufungsgericht „im Hinblick auf die von dem Kläger gerügten Fehler des
streitgegenständlichen Prospektes“ getroffenen Zulassungsentscheidung lässt
sich auch unter Berücksichtigung der weiteren Entscheidungsgründe nicht ent-
nehmen, dass - und gegebenenfalls welche - Rechtsfragen zur Entscheidung
des Revisionsgerichts gestellt werden sollen. Insbesondere bei solchen Pros-
pektfehlern, die darin bestehen (sollen), dass bestimmte Angaben im Prospekt
in tatsächlicher Hinsicht unrichtig oder unvollständig sind und deshalb ein unzu-
treffendes Bild über das Beteiligungsobjekt vermitteln, kommt eine Zulassung
der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nur in Bezug auf eine dadurch
aufgeworfene Rechtsfrage in Betracht, nicht dagegen, um eine Entscheidung
des Revisionsgerichts zu ermöglichen, die auf eine Überprüfung ausschließlich
der tatsächlichen Grundlagen der Annahme des Tatrichters, wegen eines sol-
chen Prospektfehlers liege ein Aufklärungsverschulden vor bzw. liege nicht vor,
beschränkt wäre.
Im Übrigen stellen sich hier etwaige F
ragen „im Hinblick auf Fehler des
streitgegenständlichen Prospektes“ nicht in einer unbestimmten Vielzahl von
Verfahren. Der Umstand, dass eine einheitliche Entscheidung des Revisionsge-
richts in mehreren denselben Sachverhalt betreffenden Parallelverfahren ange-
strebt wird, gibt der Sache keine allgemeine, mithin grundsätzliche Bedeutung
(BGH, Beschluss vom 15. Januar 2013 - II ZR 43/12, juris Rn. 3 mwN). Dies gilt
auch dann, wenn es sich zwar um eine große Anzahl denselben Fonds betref-
fende Einzelverfahren handelt, es aber wie hier nicht ersichtlich ist, dass deren
tatsächliches oder wirtschaftliches Gewicht Allgemeininteressen in besonderem
Maße berührt (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, BGHZ
12
13
- 8 -
152, 182, 192). Dass im vorliegenden Fall eine Zulassung zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung geboten sein könnte, ist ebenfalls nicht zu erken-
nen.
III. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
1. Hinsichtlich des hilfsweise verfolgten, auf den Widerruf vom 26. April
2012 gestützten Begehrens auf Errechnung und Auszahlung des Abfindungs-
guthabens ist die Revision unzulässig, weil sie insoweit nicht zugelassen ist.
Zwar enthält die Entscheidungsformel des Berufungsurteils keinen Zu-
satz, der die dort ausgesprochene Zulassung der Revision einschränkt. Die Be-
schränkung der Rechtsmittelzulassung kann sich aber auch aus den Entschei-
dungsgründen ergeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bun-
desgerichtshofs, dass der Tenor im Licht der Entscheidungsgründe auszulegen
und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn
sich dies aus den Gründen klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen,
wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage
nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt,
auf den auch die Parteien die Revision beschränken könnten (BGH, Urteil vom
3. Juni 2014 - II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 Rn. 10 mwN).
Dies ist hier der Fall. Das Berufungsgericht hat die Revisionszulassung
mit zwei (Rechts-)Fragen begründet, deren Klärung seiner Ansicht nach von
grundsätzlicher Bedeutung sei, nämlich ob die Grundsätze der fehlerhaften Ge-
sellschaft bei einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft dem mit den Hauptanträ-
gen verfolgten Anspruch auf Einlagenrückgewähr entgegenstehen und ob die in
einer Vielzahl von Verfahren gerügten Fehler des streitgegenständlichen Pros-
pekts vorliegen. Ob der Kläger unabhängig von der geltend gemachten Pros-
14
15
16
17
- 9 -
pekthaftung im weiteren Sinne mit seinen Hilfsanträgen aufgrund seines auf
eine Haustürsituation gestützten Widerrufs durchdringen könnte, hat das Beru-
fungsgericht dagegen in der Begründung der Revisionszulassung unerwähnt
gelassen, was deutlich dafür spricht, dass es der Frage keine über den Einzel-
fall hinausgehende, die Revisionszulassung rechtfertigende Bedeutung beige-
messen hat. Im Hinblick auf das Widerrufsrecht ist ein anderer, eindeutig ab-
grenzbarer Lebenssachverhalt betroffen, für dessen rechtliche Bewertung es
auf die Vertragsanbahnungssituation ankommt und nicht auf den Inhalt der Ri-
sikoaufklärung.
Eine solche Beschränkung ist auch zulässig. Zwar kann die Zulassung
der Revision nicht auf einzelne Rechtsfragen oder Elemente des geltend ge-
machten Anspruchs begrenzt werden, sondern nur auf einen tatsächlich und
rechtlich selbstständigen und damit abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs,
auf den auch eine Partei die Revision beschränken könnte. Dafür reicht es aber
aus, dass der von der Zulassungsbeschränkung betroffene Teil des Streits in
tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff
beurteilt werden und - auch nach einer Zurückverweisung - kein Widerspruch
zwischen dem noch zur Entscheidung stehenden und dem unanfechtbaren Teil
des Streitstoffs auftreten kann (BGH, Urteil vom 13. November 2012
- XI ZR 334/11, ZIP 2013, 62 Rn. 9; Urteil vom 3. Juni 2014 - II ZR 100/13, ZIP
2014, 1523 Rn. 10 jeweils mwN).
Auch wenn dies aus der Antragsfassung nicht ersichtlich ist, verbergen
sich hinter den Hilfsanträgen zwei eigenständige Streitgegenstände, da der
Kläger sein Begehren, seine Beteiligung mit Wirkung für die Zukunft zu been-
den, auf zwei verschiedene Lebenssachverhalte stützt. Widersprüchliche Ent-
scheidungen sind deshalb selbst im Falle einer Zurückverweisung hinsichtlich
18
19
- 10 -
dieser Streitgegenstände ausgeschlossen. Ohne weiteres könnte der Kläger
sein Rechtsmittel darauf beschränken, die Beendigung der Beteiligung entwe-
der lediglich gestützt auf eine Kündigung aus wichtigem Grund wegen des Vor-
liegens von Prospektfehlern oder aber gestützt auf seinen Widerruf weiterzuver-
folgen.
2. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie nicht begründet. Das Beru-
fungsgericht hat ohne Rechtsfehler und in Übereinstimmung mit der Rechtspre-
chung des Bundesgerichtshofs eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten
verneint.
a) Das Berufungsgericht hat sich zu Recht lediglich mit dem Emissions-
prospekt Stand 2003 beschäftigt. Dem Vortrag des Klägers, dass die Risiken
der Beteiligung in den Schulungsunterlagen, mit denen der Vermittler über das
Beteiligungskonzept informiert und für seine Gespräche mit den Anlegern ge-
schult worden sei, verkürzt und damit unvollständig bzw. irreführend dargestellt
seien und Unterschiede zwischen dem Inhalt des Prospekts und den Schu-
lungsunterlagen bestünden, musste das Berufungsgericht schon deshalb nicht
nachgehen, weil nach seinem weiteren Vorbringen das Vermittlungsgespräch
anhand des Prospekts und der Schulungsunterlagen erfolgt ist. Der Kläger hat
ausdrücklich vorgetragen, dass sich der Vermittler des Prospekts als Grundlage
des Beratungsgesprächs bedient habe, der Inhalt des Prospekts damit wesent-
licher Inhalt des Beratungsgesprächs und damit der Prospekt und die Prospekt-
fehler ursächlich für die Zeichnung der Anlage gewesen seien. Auch die Revisi-
on will den Vortrag des Klägers dahin verstanden wissen, dass über die ent-
sprechenden Risiken eine Aufklärung nach dem Inhalt des Prospektes und der
Schulungsunterlagen erfolgt sei. Dann durfte das Berufungsgericht aber man-
gels anderweitigen konkreten Vortrags davon ausgehen, dass dem Kläger alle
20
21
- 11 -
in dem Prospekt enthaltenen Informationen zur Verfügung gestellt wurden.
Wenn durch den Inhalt des Prospekts eine hinreichende Aufklärung über die
Risiken der Beteiligung erfolgt ist, wie das Berufungsgericht angenommen hat,
kommt es auf eine etwaige abweichende Darstellung in den Schulungsunterla-
gen demnach nicht an.
b) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der
Prospekt ausreichend über das Totalverlustrisiko aufklärt.
aa) Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellung des Beru-
fungsgerichts, dass das Risiko eines Totalverlustes im Prospekt an mehreren
Stellen (u.a. S. 15 und 47) erwähnt wird. Sie macht jedoch geltend, der Pros-
pekt hätte erläutern müssen, unter welchen für die Anlageform typischen
Voraussetzungen solche Verluste entstehen könnten. Bei einem Blind Pool-
Fonds, bei dem im Zeitpunkt der Beteiligung die konkreten einzelnen Investiti-
onsvorhaben der Gesellschaft und deren Finanzierung noch nicht festgelegt
seien, sei das Unternehmenskonzept zu erläutern und darzustellen, welche na-
heliegenden, grundlegenden Fehlentscheidungen des Managements und nahe-
liegenden gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen ein Totalverlustrisiko bewirken
könnten. Für den Bereich „Vermietung, Wertentwicklung“ bedeute dies die Dar-
stellung der Dauer der geschlossenen Mietverträge sowie die Erläuterung, ob
ortsübliche, ungewöhnlich niedrige oder ungewöhnlich hohe Mietzinsen verein-
bart seien. Nur dann könne der Anleger erkennen, welche Art von Entscheidung
als Fehlentscheidung auf die Unternehmensentwicklung derart Einfluss habe,
dass die Entscheidung einen Totalverlust auslösen könne.
Damit überspannt die Revision jedoch die Anforderungen an die Pflicht
zur Aufklärung über ein mögliches Totalverlustrisiko. Unternehmensgegenstand
22
23
24
- 12 -
der Beklagten sind Logistik-Immobilien und Logistik-Immobiliendienstleistungen
(Prospekt S. 8, 13, 16 ff.). Bei Immobilienfonds steht, anders als etwa bei einem
Filmfonds, bei dem ein Misserfolg der Produktion unmittelbar einen entspre-
chenden Verlust des eingebrachten Kapitals nach sich zieht, mit dem Immobi-
lienvermögen der Investition ein Sachwert gegenüber, der in aller Regel erhal-
ten bleibt, so dass das Risiko eines vollständigen Kapitalverlusts gering ist (vgl.
BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 18; Urteil vom
24. April 2014 - III ZR 389/12, NZG 2014, 904 Rn. 28). Zu einem Totalverlust
des Anlagebetrags kann es erst dann kommen, wenn die Verbindlichkeiten der
Gesellschaft den Wert der Immobilien vollständig aufzehren. Aufklärungspflich-
tig sind deshalb lediglich risikoerhöhende Umstände, die dem Anleger unbe-
kannt sind, wie etwa ein überteuerter Erwerb der Immobilien, der Einsatz von
Eigenkapital für investitionsfremde Zwecke oder der Verfall der betreffenden
Immobilienpreise (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2009 - XI ZR 337/08, ZIP
2009, 2377 Rn. 25). Der Kläger hat solche Umstände bezüglich der einen In-
vestition, die zum Zeitpunkt der Zeichnung schon getätigt war - eine Beteiligung
an einer Immobilienobjektgesellschaft (vgl. Prospekt S. 16 ff.) - nicht vorgetra-
gen. Bezüglich der weiteren, noch nicht feststehenden Investitionen werden im
Prospekt auf S. 19 abstrakte Anlagegrundsätze aufgelistet, welche die Revision
nicht in Zweifel zieht. Damit werden im Prospekt, der keine verharmlosenden
oder beschönigenden Hinweise enthält, die Risiken der Anlage und insbeson-
dere das Risiko eines möglichen Totalverlusts, das bei einer unternehmeri-
schen Beteiligung in der Natur der Sache liegt und sich nicht sicher abschätzen
lässt (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2014 - III ZR 389/12, NZG 2014, 904
Rn. 29), hinreichend deutlich aufgezeigt.
bb) Die Revision beanstandet ferner ohne Erfolg im Zusammenhang mit
der Darstellung des Totalverlustrisikos eine Passage auf S. 51 des Prospekts,
25
- 13 -
wonach es „bei einem unerwartet negativen Verlauf der Investitionen, der eine
Fortführung der Gesellschaft nicht gestattet“, zu einem Verlust der Kapitalanla-
ge führen könne. Der Prospekt verdeutliche nicht ausreichend, dass zwischen
der Beklagten und der mehrgliedrigen atypischen Gesellschaft zu unterschei-
den sei und ein Totalverlustrisiko nicht nur dann drohe, wenn - wie es besagte
Passage suggeriere - die Beklagte ihre unternehmerische Tätigkeit beenden
müsse.
Dieser Angriff der Revision geht schon deshalb fehl, weil die stille Ge-
sellschaft gemeint ist, wenn im Prospekt von der Gesellschaft die Rede ist. Die
Beklagte wird dagegen im Prospekt regelmäßig namentlich bezeichnet. In der
Präambel des am Ende des Prospekts abgedruckten atypischen stillen Gesell-
schaftsvertrags (Prospekt S. 80) ist dies (für den Vertragstext) ausdrücklich
klargestellt. Bei sorgfältiger und eingehender Lektüre des Prospekts liegt es
deshalb fern, in der von der Revision angeführten Passage zum Totalverlustri-
siko unter der Gesellschaft die Beklagte zu verstehen und deshalb das Total-
verlustrisiko (zwingend) mit dem Ende der Beklagten zu verknüpfen.
c) Entgegen der Ansicht der Revision weist der Prospekt auf eine etwai-
ge Verpflichtung zur Rückzahlung der den Anlegern ausbezahlten gewinnunab-
hängigen Ausschüttungen für alle Möglichkeiten der Beendigung der Beteili-
gung und nicht nur für den Fall eines Insolvenzverfahrens oder einer Unterbi-
lanz hin. Auf S. 57 des Prospekts heißt es unmittelbar vor der Passage zur In-
solvenz: „Gegenüber der Gesellschaft haften sie damit unmittelbar und persön-
lich auf Zahlung der Einlage und des Agios. Dies gilt auch für zurückgewährte
Einlagen (z.B. im Falle von Auszahlungen, die nicht durch zugewiesene Ergeb-
nisse gedeckt waren), falls und soweit sich bei Ausscheiden ein negatives Ab-
26
27
- 14 -
findungsguthaben ergibt.“ Nähere Einzelheiten finden sich außerdem auf S. 61
in den Erläuterungen zur Berechnung des Abfindungsguthabens.
d) Im Hinblick auf die Darstellung von kapitalmäßigen und personellen
Verflechtungen sind Prospektfehler gleichfalls nicht erkennbar.
aa) Erforderlich ist eine Darstellung der wesentlichen kapitalmäßigen und
personellen Verflechtungen zwischen einerseits der Fondsgesellschaft, ihren
Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern und andererseits den
Unternehmen sowie deren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaf-
tern, in deren Hand die Beteiligungsgesellschaft die nach dem Prospekt durch-
zuführenden Vorhaben ganz oder wesentlich gelegt hat, und der diesem Perso-
nenkreis gewährten Sonderzuwendungen oder Sondervorteile (BGH, Beschluss
vom 15. Januar 2013 - II ZR 43/12, juris Rn. 7 mwN).
Die vom Kläger behaupteten Kommanditbeteiligungen des Vorstands-
mitglieds T. K. und des Aufsichtsrats B. G. an der G.
AG & Co. KG werden im Prospekt zwar nicht ausdrücklich aufgeführt.
Selbst wenn es aber die G. AG & Co. KG und die behaupteten
Kommanditbeteiligungen von T. K. und B. G. zum Zeit-
punkt der Zeichnung bereits gegeben haben sollte, ist gleichwohl ein Fehler des
Prospekts nicht ersichtlich. Der Kläger hat schon nicht vorgetragen, dass die
G. AG & Co. KG in die nach dem Prospekt durchzuführenden Vor-
haben eingebunden gewesen wäre und Verflechtungen insoweit aufklärungs-
pflichtig gewesen wären. Der Umstand, dass T. K. und B.
G. - dieser als Hauptgesellschafter - an der Garbe Gruppe beteiligt waren,
wird auf S. 29/30 des Prospekts offengelegt.
28
29
30
- 15 -
bb) Entgegen der Auffassung der Revision besteht ein Aufklärungsman-
gel nicht darin, dass die Mitglieder des Anlageausschusses im Prospekt als un-
abhängig dargestellt würden, obwohl der im Anlageausschuss tätige Steuerbe-
rater G. B. Gesellschafter der S. Treuhand GmbH tätig sei,
welche als Vollmachtnehmerin der Anleger fungiere (Prospekt S. 20), und G.
B. außerdem Steuerberater einer Gesellschaft der Garbe Gruppe sei
(Prospekt S. 72).
Diese Verflechtungen machen die Angabe, dass der Anlageausschuss
seine Entscheidungen unabhängig - das heißt keinen Weisungen unterliegend -
trifft, indes nicht falsch. Durch die im Prospekt erfolgte Offenlegung der Ver-
flechtungen werden dem Anleger vielmehr hinreichende Informationen geboten,
um selbst beurteilen zu können, ob faktisch eine Beeinflussung der Entschei-
dungen des Anlageausschusses durch die G. Gruppe droht.
e) Die von der Revision unter dem Gesichtspunkt der Fremdfinanzierung
zusammengefassten Prospektfehler liegen nicht vor.
aa) Der Umstand, dass ein Teil der Anleger die Einlagen in Raten er-
bringt und deshalb ungeplante größere Ausfälle bei den Ratenanlegern sich
negativ auf die Liquiditäts- und Ertragslage der Beklagten auswirken können,
wird im Prospe
kt auf S. 51 unter der Überschrift „Durchführungsrisiko“ erläutert.
bb) Eine detaillierte Erläuterung, welche Folgen der Ausfall von Fremd-
kapitalgebern auf die einzelnen Objektgesellschaften und die wirtschaftliche
Entwicklung der Beklagten konkret haben könnte, war schon deshalb nicht
möglich, weil es sich um einen Blind Pool-Fonds handelt und die einzelnen In-
vestitionen (bis auf eine erste) zum Zeitpunkt der Zeichnung noch gar nicht ab-
schließend feststanden. Die Beklagte konnte deshalb nur allgemein darauf hin-
31
32
33
34
35
- 16 -
weisen, dass eine Änderung der Zinskonditionen negativen Einfluss auf die
wirtschaftliche Entwicklung des Fonds haben könne.
f) Schließlich genügen die Prospektangaben auch im Hinblick auf die
weichen Kosten den Anforderungen an eine hinreichende Aufklärung der Anle-
ger.
aa) Ein Prospekt ist fehlerhaft, wenn der Anleger dem Prospekt den für
seine Anlageentscheidung wesentlichen Umstand, in welchem Umfang seine
Beteiligung nicht in das Anlageobjekt fließt, sondern für Aufwendungen außer-
halb der Anschaffungs- und Herstellungskosten verwendet wird, nicht ohne wei-
teres entnehmen kann. Mit den Anforderungen an einen wahrheitsgemäßen,
vollständigen und verständlichen Prospekt ist es nicht zu vereinbaren, wenn der
Anleger zur Ermittlung des Anteils der Weichkosten erst verschiedene Pros-
pektangaben abgleichen und anschließend eine Reihe von Rechengängen
durchführen muss (BGH, Urteil vom 6. Februar 2006 - II ZR 329/04, ZIP 2006,
893 Rn. 9). Nicht erforderlich ist andererseits, dass der Anteil der Weichkosten
im Prospekt mit einer Prozentzahl vom Anlagebetrag angegeben wird. Vielmehr
genügt es, wenn der Anleger diesen Anteil mittels eines einfachen Rechen-
schritts feststellen kann (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 - III ZR 404/12,
ZIP 2014, 381 Rn. 14 ff.).
Eine solche Berechnung ist hier ohne Schwierigkeiten schon allein an-
hand der Angaben in der grafisch deutlich hervorgehobenen Tabellenübersicht
mit der Überschrift „Mittelherkunft, Mittelverwendung 2002 bis 2004 für die erste
Eigenkapital-Tranche von
50 Millionen Euro“ auf S. 38 des Prospekts möglich.
Unter „Mittelherkunft“ werden u.a. die im angegebenen Zeitraum einzuzahlen-
den atypisch stillen Einlagen mit 37,8 Mio. € und das Agio mit 3 Mio. € angege-
36
37
38
- 17 -
ben. Als eine Position der Mittelverwendung werden die Platzierungskosten
brutto mit 11,9 Mio. € genannt. Dass das Agio von 3 Mio. € zur Deckung der
Platzierungskosten nicht ausreicht, liegt ohne jede Berechnung auf der Hand.
Mittels einfacher Rechnung kann der Anleger feststellen, dass die verbleiben-
den 8,9 Mio. € 17,8 % des insgesamt in der ersten Tranche angestrebten Ei-
genkapitals von 50 Mio. € bzw. 23,5 % des aufgrund der teilweisen Ratenzah-
lung der Anleger in den ersten beiden Jahren geringeren zu erwartenden Ei-
genkapitals von 37,8 Mio. € ausmachen und damit dieser Anteil der Einlagen für
Investitionen nicht zur Verfügung steht.
bb) Die Rüge der Revision, dass der Prospekt trotz dieser zutreffenden
Informationen irreführend sei, weil im Fließtext auf S. 39 die Platzierungskosten
mit „11,9 Millionen Euro bzw. 6,8 Prozent“ angegeben würden, ist unbegründet.
Bei den angegebenen 6,8 % handelt es sich um den Anteil der Platzierungskos-
ten an den geplanten Gesamtausgaben, welche nicht nur aus den Einlagen,
sondern auch aus dem geplanten erheblichen Fremdkapital bestritten werden.
Dies lässt sich unschwer der Tabelle auf S. 38 entnehmen, auf die der Fließtext
auf S. 38/39 schon im E
ingangssatz verweist („Die links aufgeführte Gegen-
überstellung
...“).Der Einwand, die Bezugsgröße der Prozentangabe werde
nicht genannt, geht deshalb fehl.
Die Darstellung der Weichkosten ist, anders als die Revision meint, auch
nicht unübersichtlich und unstrukturiert, weil das Agio an ganz anderer Stelle
erläutert werde. Zum einen kann von einem Anleger eine sorgfältige und einge-
hende Lektüre des Prospekts verlangt werden (BGH, Urteil vom 5. März 2013
- II ZR 252/11, ZIP 2013, 773 Rn. 14 mwN). Zum anderen ist das Agio in der
Tabelle auf S. 38 als eine Position der Mittelherkunft aufgeführt.
39
40
- 18 -
Schließlich ist es fernliegend, dass ein Anleger aus dem Umstand, dass
das Agio 6 % des Beteiligungskapitals ausmache, den unzutreffenden Eindruck
gewinnen könnte, dass lediglich 0,8 % (6,8 % abzüglich 6 %) der Einlagen zur
Deckung der verbleibenden Emissionskosten benötigt würden.
Bergmann
Caliebe
Drescher
Born
Sunder
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt
worden.
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 12.03.2013 - 311 O 387/11 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 23.08.2013 - 11 U 120/13 -
41