Urteil des BGH vom 08.02.2011

Leitsatzentscheidung zu Gesellschafter, Gesellschaftsvermögen, Verwertung, Dingliche Sicherheit, Haftungsbeschränkung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 243/09
Verkündet am:
8. Februar 2011
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 705, 133 B, 157 D; HGB §§ 128, 129, 110
Ist der Vertrag zwischen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihrem Gläubiger dahin auszule-
gen, dass die Haftung der Gesellschafter für die vertraglich begründete Gesellschaftsschuld auf den
ihrer Beteiligungsquote entsprechenden Anteil beschränkt ist (sog. quotale Haftung) und Tilgungen
aus dem Gesellschaftsvermögen oder Erlöse aus dessen Verwertung nur die Schuld der Gesellschaft,
nicht jedoch anteilig auch den Haftungsbetrag jedes einzelnen Gesellschafters mindern, ist die Haf-
tungsquote der Gesellschafter auch dann nicht aus der Restschuld nach Abzug des Verwertungserlö-
ses zu berechnen, wenn der Gläubiger sich in Vergleichen mit einzelnen Gesellschaftern mit einem
geringeren als dem ihrer Beteiligungsquote entsprechenden Haftungsbetrag begnügt hat; die Haf-
tungsanteile der Gesellschafter im Innenverhältnis werden durch den (Teil-) Verzicht des Gläubigers
gegenüber einzelnen Gesellschaftern nicht berührt.
BGH, Urteil vom 8. Februar 2011 - II ZR 243/09 - OLG Frankfurt/Main
LG Frankfurt/Main
- 2 -
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Februar 2011 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bergmann und den
Richter Dr. Strohn, die Richterin Dr. Reichart sowie die Richter Dr. Drescher und
Born
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des
23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
25. Februar 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als
die Widerklage der Beklagten in Höhe von 24.444,47 € nebst
Zinsen abgewiesen worden ist.
Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 24.444,47 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 2. August 2002 zu zahlen.
Die Kosten der Rechtsmittelinstanzen trägt der Kläger.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Gesellschafter der Grundstücksgesellschaft C.
GbR, einem geschlossenen Immobilienfonds (im
Folgenden: GbR). Gegenstand des Fonds ist die Instandsetzung und Vermietung
von Wohnraum auf dem gesellschaftseigenen Grundstück in B. .
1
- 3 -
Nach § 7 Abs. 2 des dem Fondsprospekt als Anlage beigefügten Gesell-
schaftsvertrags haften die Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen quotal ent-
sprechend ihrer Beteiligung am Gesellschaftskapital. Die Beteiligung des Klägers
betrug bei seinem Beitritt im Februar 1989 ursprünglich 3,18370 %. 1992 erwarb
der Kläger von einem Mitgesellschafter einen weiteren Anteil, so dass er nun-
mehr mit 4,45718 % am Kapital der GbR beteiligt ist.
2
Die Gesellschafter vereinbarten, zur Führung der Geschäfte eine gemein-
sam bevollmächtigte Geschäftsbesorgerin zu bestellen. Zusätzlich wurde die
Dr. W. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Steuerberatungsgesell-
schaft als Treuhänderin eingesetzt, die in der Investitionsphase die ordnungsge-
mäße Verwendung der Gesellschaftsmittel überwachen sollte und die für die
Verwirklichung des Gesellschaftszwecks vorgesehenen Verträge abzuschließen
hatte. Die Gesellschafter erteilten der Treuhänderin im Treuhandvertrag jeweils
Vollmacht, sie u.a. der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermö-
gen zu unterwerfen.
3
Die GbR, vertreten durch die Treuhänderin, schloss nach dem Beitritt des
Klägers mit der Beklagten einen Barkreditvertrag über 4.712.000 DM zur Fonds-
zwischenfinanzierung. Diesen löste sie 1990 ab. 1989 nahm sie ferner zwei
Annuitätendarlehen über 2.213.000 DM und 3.005.000 DM auf. Als Sicherheiten
bestellte sie der Beklagten zwei Grundschulden über 2.213.000 DM und
3.005.000 DM. Die Treuhänderin unterwarf die Gesellschafter außerdem wegen
eines ihrem jeweiligen Anteil am Gesellschaftsvermögen entsprechenden Teilbe-
trags der Grundschuldbeträge der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr Vermö-
gen. Die prozentualen Beteiligungsquoten waren in den Urkunden ausgewiesen.
Für den 1992 nachträglich aufgestockten Gesellschaftsanteil gab der Kläger kei-
ne weitere Unterwerfungserklärung ab. 1996 nahm die GbR bei der Beklagten
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- 4 -
einen Barkredit über 59.100
DM und 1999 ein Annuitätendarlehen über
2.623.889,50 DM; auf, das der Ablösung des Kredits über 3.005.000 DM diente.
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Die Beklagte kündigte am 25. Januar 2002 alle Kredite wegen rückständi-
ger Zins- und Tilgungsleistungen. Von den zum 31. Januar 2002 offenen Forde-
rungen der Beklagten gegen die Gesellschaft entfielen auf den Kläger
109.383,07 € nebst Zinsen, von denen 84.938,60 € durch die Unterwerfungser-
klärungen tituliert waren.
Die Beklagte erlöste aus der Grundschuld im Wege der Zwangsverwal-
tung und -versteigerung im Februar 2007 nach Abzug der Kosten
1.037.269,75 €. Die restliche Hauptforderung gegen die GbR belief sich nach
Verrechnung des Versteigerungserlöses und Zahlungen verschiedener Gesell-
schafter - teilweise im Wege des Vergleichs - zum 23. Juli 2008 auf mindestens
193.701,16 €.
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Der Kläger hat beantragt, die Zwangsvollstreckung aus den Unterwer-
fungserklärungen gegen ihn für unzulässig zu erklären und hat die Beklagte auf
Rückabwicklung seiner Fondsbeteiligung in Anspruch genommen. Das Beru-
fungsgericht hat die Abweisung der Klage durch das Landgericht bestätigt.
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Die Beklagte hat widerklagend - zunächst hilfsweise für den Fall der Be-
gründetheit der Klage, in der zweiten Instanz unbedingt - beantragt, den Kläger
zu verurteilen, an sie den Anteil an der zum 31. Januar 2002 noch offenen Dar-
lehensschuld zu zahlen, der dem nicht bereits durch Unterwerfungserklärung
titulierten, auf die nachträglich übernommene Gesellschaftsbeteiligung entfallen-
den Haftanteil des Klägers entspricht. Diesen hat sie zunächst mit 26.716,15 €
angegeben. Das Berufungsgericht hat die Widerklage abgewiesen und insoweit
die Revision zugelassen. Mit der Revision begehrt die Beklagte noch eine Verur-
teilung des Klägers in Höhe von 24.444,47 €.
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Entscheidungsgründe:
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Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
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I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
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Der Beklagten stehe grundsätzlich ein Anspruch aus quotaler Haftung ge-
gen den Kläger zu, da sowohl sein Gesellschaftsbeitritt als auch die Darlehens-
verträge zwischen der GbR und der Beklagten wirksam seien. Eine Auslegung
der Verträge ergebe aber, dass die Beklagte den Erlös aus der Zwangsversteige-
rung des Grundstücks anteilig zu Gunsten des Klägers hätte berücksichtigen
müssen. Dadurch reduziere sich die Haftung unter die bereits titulierten Beträge
aus den Vollstreckungsunterwerfungserklärungen.
II. Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.
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Der Beklagten steht über die titulierten Beträge hinaus ein Anspruch auf
Rückzahlung des Darlehensbetrags in der zuletzt geltend gemachten Höhe von
24.444,47 € analog § 128 HGB in Verbindung mit § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB nF
zu.
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1. Für die Verbindlichkeiten einer BGB-Gesellschaft haften neben dem
Gesellschaftsvermögen die Gesellschafter analog § 128 HGB grundsätzlich ak-
zessorisch, persönlich, primär und unbeschränkt. Mit der Anerkennung der
Rechtsfähigkeit der Außengesellschaft bürgerlichen Rechts in der neueren
Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 29.
Januar 2001
- II ZR 331/00, BGHZ 146, 341) hat sich an der Haftung der Gesellschafter für
rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten im Ergebnis nichts geändert; sie
wurde lediglich auf eine andere dogmatische Grundlage gestellt. Während nach
der früher vertretenen Doppelverpflichtungslehre die Haftung der Gesellschafter
mit ihrem Privatvermögen dadurch begründet wurde, dass der namens der Ge-
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- 6 -
sellschaft handelnde Geschäftsführer regelmäßig zugleich die Gesellschaft und
die Gesellschafter verpflichtete, sein Vertreterhandeln somit auch den Gesell-
schaftern zugerechnet wurde, wird sie nunmehr in Konsequenz der Anerkennung
der beschränkten Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Anleh-
nung an die OHG als akzessorische Haftung der Gesellschafter für die Verbind-
lichkeiten der Gesellschaft aus § 128 HGB hergeleitet (vgl. BGH, Urteil vom
27. September 1999 - II ZR 371/98, BGHZ 142, 315; Urteil vom 29. Januar 2001
- II ZR 331/00, BGHZ 146, 341; Urteil vom 21. Januar 2002 - II ZR 2/00, BGHZ
150, 1, 5; Urteil vom 24. Februar 2003 - II ZR 385/99, BGHZ 154, 88; Urteil vom
7. April 2003 - II ZR 56/02, BGHZ 154, 370).
2. Die unbeschränkte persönliche Haftung des Klägers als Gesellschafter
für die aufgenommenen Kreditverbindlichkeiten der Gesellschaft ist in den Darle-
hensverträgen mit der Beklagten auf den seiner Beteiligung am Gesellschafts-
vermögen entsprechenden Anteil beschränkt worden. An der Zulässigkeit einer
solchen vertraglichen Haftungsbeschränkung bestehen keine Zweifel (BGH, Ur-
teil vom 21. Januar 2002 - II ZR 2/00, BGHZ 150, 1, 5; vgl. auch Hopt in
Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., § 128 Rn. 38). Es kommt hier deshalb nicht
darauf an, dass sich ein Gesellschafter, der - wie der Kläger - zu einer Zeit der
Gesellschaft beigetreten ist, als nach der Lehre von der Doppelverpflichtung die
Haftung der Gesellschafter rechtsgeschäftlich vereinbart werden musste, aus
Gründen des Vertrauensschutzes auch dann auf eine - für den Vertragspartner
erkennbare - Beschränkung der Vertretungsmacht des geschäftsführenden Ge-
sellschafters, die Gesellschafter nur anteilig mit ihrer Quote am Gesellschafts-
vermögen für die Schulden zu verpflichten, berufen darf, wenn der Darlehensver-
trag keine Haftungsbeschränkung enthält (BGH, Urteil vom 21. Januar 2002
- II ZR 2/00, BGHZ 150, 1, 5).
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- 7 -
3. Der in den Darlehensverträgen abweichend von § 128 HGB auf seine
Beteiligungsquote am Gesellschaftsvermögen beschränkte Haftungsanteil des
Klägers für die Darlehenschuld der Gesellschaft hat sich durch die Erlöse aus
der Zwangsverwaltung und Versteigerung des Fondsgrundstücks nicht ermäßigt.
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a) Zahlungen und sonstige Erlöse aus dem Gesellschaftsvermögen sind
nicht kraft Gesetzes auf die Haftungsanteile der Gesellschafter anzurechnen.
Wie der Senat noch unter Geltung der Doppelverpflichtungstheorie ent-
schieden hat, kommt im Fall einer quotalen Beschränkung der Gesellschafterhaf-
tung eine Erfüllungswirkung der Gesellschaftsleistung entsprechend der Beteili-
gungsquote des einzelnen Gesellschafters nach § 422 Abs. 1 BGB nicht in Be-
tracht weil die Haftungsanteile der einzelnen Gesellschafter für die Darlehens-
schuld der Gesellschaft nur in beschränktem Umfang ein gesamtschuldähnli-
ches Verhältnis mit dieser bilden (Urteil vom 16. Dezember 1996 - II ZR 242/95,
BGHZ 134, 224, 227 f.).
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Die mit dem Übergang zur Akzessorietätstheorie geänderte dogmatische
Einordnung der Gesellschafterhaftung führt zu keinem anderen Ergebnis. Aus
dem Grundsatz der Akzessorietät von Gesellschaftsschuld und Gesellschafter-
haftung folgt nicht, dass Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen auf die an-
teilige persönliche Haftung der Gesellschafter anzurechnen sind. Der Akzesso-
rietätsgrundsatz besagt lediglich, dass der Bestand der Gesellschaftsschuld auch
für die persönliche Haftung der Gesellschafter maßgeblich ist (BGH, Urteil vom
29. Januar 2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 358). Der Kläger schuldet des-
halb in analoger Anwendung von § 129 HGB unabhängig von seiner Haftungs-
quote an dem ursprünglichen Darlehensbetrag höchstens den noch offenen Be-
trag der Darlehensschuld, den die Beklagte auch von der Gesellschaft beanspru-
chen könnte. Dies steht einem Erfolg der Widerklage aber nicht entgegen, weil
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der mit ihr verfolgte, auf den Kläger entfallende Haftungsbetrag auch unter Ein-
beziehung der bereits titulierten Beträge die - nach Abzug der Erlöse aus der
Zwangsverwaltung und Verwertung des Grundstücks und der Zahlungen anderer
Gesellschafter verbleibende - Darlehensrestforderung unterschreitet.
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Soweit der Senat in der genannten Entscheidung zur quotalen Gesell-
schafterhaftung (Urteil vom 16. Dezember 1996 - II ZR 242/95, BGHZ 134, 224,
228 f.) zur Lösung der Anrechnungsproblematik eine entsprechende Anwendung
des § 366 Abs. 2 BGB für geboten erachtet hat, wird hieran nicht festgehalten.
Nach der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Außengesellschaft bürgerlichen
Rechts und der rechtlichen Einordnung der Gesellschafterhaftung als akzessori-
sche Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ist für
eine entsprechende Anwendung des § 366 BGB weder Raum noch besteht hier-
für ein Bedürfnis (vgl. K. Schmidt, NJW 1997, 2201, 2205 f.; Loddenkemper, ZfIR
2006, 707, 710; Schäfer, NZG 2010, 241, 242). Die Gesellschaft ist nicht befugt,
durch Tilgungsbestimmungen über die zur Sicherung des Gesellschaftsgläubi-
gers angeordnete persönliche Haftung der Gesellschafter, zu verfügen und diese
zu verringern, auch wenn diese auf eine Quote beschränkt worden ist
(K. Schmidt, NJW 1997, 2201, 2203). Die Frage, welchen Inhalt eine abweichend
von § 128 HGB vereinbarte quotale Haftungsbeschränkung hat, ob sich die Haf-
tungsanteile auf den Nominalbetrag des Ursprungsdarlehens oder auf den zur
Zeit der Inanspruchnahme noch offenen Darlehenssaldo beziehen, beurteilt sich
- wie das Berufungsgericht insoweit zutreffend ausführt - ausschließlich nach
dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen.
Die quotale Haftung ist kein gesetzlich geregeltes Haftungskonzept. Auch
wenn Gesellschafts- und Gesellschafterschuld nur in beschränktem Umfang in
einem gesamtschuldähnlichen Verhältnis zueinander stehen, kann die Gesell-
schaft mit ihrem Vertragspartner vereinbaren, dass jede Leistung aus dem Ge-
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sellschaftsvermögen nicht nur die Gesellschaftsschuld, sondern anteilig auch
den Haftungsbetrag jedes einzelnen Gesellschafters mindert. Ebenso kann sich
der Darlehensgeber verpflichten, vorrangig vor den Gesellschaftern das Gesell-
schaftsvermögen in Anspruch zu nehmen und die daraus erzielten Erlöse wie-
derum nicht nur der Gesellschaft, sondern anteilig den Gesellschaftern auf ihren
Haftungsbetrag anzurechnen.
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich den zwi-
schen der GbR und der Beklagten geschlossenen Darlehensverträgen eine sol-
che Haftungsbeschränkung nicht entnehmen.
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aa) Das kann der Senat selbst feststellen. Zwar ist nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Auslegung einer Individualverein-
barung grundsätzlich Sache des Tatrichters; sie kann vom Revisionsgericht nur
darauf überprüft werden, ob der Tatrichter gesetzliche oder allgemein anerkannte
Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungsgesetze oder Verfahrensvorschriften
verletzt oder wesentlichen Auslegungsstoff außer Acht gelassen hat (st.Rspr.,
siehe nur BGH, Urteil vom 8. ,
Urteil vom 7. März , ; Urteil vom
16. März 2009 - II ZR 68/08, ZIP 2009, 880 Rn. 12; Beschluss vom 14. Juni 2010
- II ZR 135/09, ZIP 2010, 1442 Rn. 7).
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bb) Nach diesen Maßstäben ist die Auslegung des Berufungsgerichts aber
rechtsfehlerhaft. Sie findet im Wortlaut der Darlehensverträge keine Stütze und
verstößt zudem gegen den Grundsatz der beiderseitigen interessengerechten
Auslegung
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(1) Die Darlehensverträge regeln zwar, dass die Haftung der Gesellschaf-
ter für das von der Gesellschaft aufgenommene Darlehen auf den jeweiligen An-
teil ihrer Beteiligung an der Gesellschaft beschränkt ist. Sie legen aber nicht fest,
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- 10 -
wovon sich die Quote berechnet. Allein aus dem Begriff „anteilig“ oder „quotal“
lässt sich nicht herleiten, dass eine variable, stets auf den offenen Restbetrag
bezogene Haftung vereinbart werden sollte. Die persönliche Haftung der Gesell-
schafter soll den Kreditgeber nach der gesetzlichen Regelung (§ 128 HGB) ne-
ben dem Gesellschaftsvermögen zusätzlich sichern, weil die Gesellschaft bürger-
lichen Rechts kein zu Gunsten ihrer Gläubiger gebundenes Haftkapital besitzt.
Nach dem gesetzlichen Leitbild muss der Gesellschaftsgläubiger das Risiko nicht
tragen, dass eine zu seiner weiteren Absicherung vereinbarte dingliche Sicher-
heit am Grundstück der Gesellschaft zur Befriedigung seiner Forderung nicht
ausreicht; vielmehr kann er sich nach seiner Wahl an alle oder an einzelne Ge-
sellschafter halten. Erleichtert der Kreditgeber die Haftung der Gesellschafter,
indem er sich abweichend von der regelmäßig eintretenden gesamtschuldneri-
schen Haftung der Gesellschafter mit ihrer teilschuldnerischen Haftung bezogen
auf den ausgereichten Darlehensbetrag begnügt, rechtfertigt dies nicht ohne wei-
teres den Schluss, dass sich die in diesem Sinn beschränkte Haftung der Gesell-
schafter mit jeder Verringerung des Darlehenssaldos, hier durch den Erlös aus
der Verwertung der Grundschulden, weiter verringern und der Kreditgeber über
die teilschuldnerische Haftung für den ausgereichten Darlehensbetrag hinaus
das Risiko der Insolvenz der Gesellschafter tragen soll.
(2) Für einen solchen auf eine so weitgehende Verringerung der Gesell-
schafterhaftung gerichteten Willen der vertragsschließenden Parteien ergeben
sich hier aus den vertraglichen Regelungen keine hinreichenden Anhaltspunkte.
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In dem Schreiben vom 13. Juni 1989, in dem die Beklagte die Darlehens-
modalitäten darstellt und auf das der folgende Darlehensvertrag von Juli 1989
verweist, heißt es:
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- 11 -
Als Sicherheiten erhalten wir bzw. lassen wir uns dienen:
-
DM 3.005.000,- jederzeit fällige, sofort vollstreckbare Briefgrundschuld ….. mit
gleichzeitiger Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in das gesamte
Vermögen der Kreditnehmerin sowie deren Gesellschafter – für den einzelnen Gesell-
schafter jeweils mit seinem prozentualen Anteil an der Gesellschaft -, erstrangig für uns
einzutragen auf dem Objekt …
-
DM 2.213.000,- jederzeit fällige, sofort vollstreckbare Buchgrundschuld …mit
gleichzeitiger Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in das gesamte
Vermögen der Kreditnehmerin sowie deren Gesellschafter - für den einzelnen Gesell-
schafter jeweils mit seinem prozentualen Anteil an der Gesellschaft -, für uns einzutragen
unmittelbar im Rang nach vorgenanntem Grundpfandrecht ….
Eine Gesellschafterliste mit Angabe der jeweiligen Beteiligungsquoten und den daraus
resultierenden Haftungsanteilen reichen wir nach.
Aus diesen Formulierungen lässt sich nichts dafür herleiten, dass Zahlun-
gen aus dem Gesellschaftsvermögen anteilig die Haftung der Gesellschafter
mindern sollten. Gleiches gilt für die Bestimmung auf Seite 3 des Darlehensver-
trags vom 15./18. November 1999 unter der Überschrift „Besicherung“, die be-
sagt, dass
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die persönliche Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in das gesamte
Vermögen der Gesellschafter des Darlehensnehmers jeweils in Höhe ihres Anteils an
dem Darlehensnehmer zu beurkunden ist.
Für ein solches Verständnis der quotalen Haftung spricht auch nicht, dass
die Parteien in den Darlehensverträgen und in den Vollstreckungsunterwerfun-
gen die Haftung der Gesellschafter nur prozentual entsprechend ihrer Beteiligung
am Gesellschaftskapital beschränkt haben und erst bei Erteilung der vollstreck-
baren Ausfertigung der jeweils zu vollstreckende Betrag konkret errechnet wor-
den ist.
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(3) Dass die Beklagte nach den vertraglichen Vereinbarungen das Gesell-
schaftsvermögen nicht vorrangig verwerten muss, wie auch das Berufungsge-
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- 12 -
richt noch zutreffend gesehen hat, spricht entgegen seiner Meinung gleichfalls
maßgeblich dafür, dass die aus der Verwertung erzielten Erlöse den Umfang der
quotalen Haftung der Gesellschafter nicht berühren.
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Wäre der Erlös aus der Verwertung des Grundstücks auf die Haftung der
Gesellschafter anzurechnen, hinge die Höhe ihrer anteiligen Haftung von vorn-
herein von dem Zeitpunkt ab, zu dem sie von der Beklagten in Anspruch ge-
nommen werden, wenn der Darlehensvertrag - wie hier - keine Verwertungsrei-
henfolge vorschreibt. Es spricht nichts dafür, dass die Gesellschafter den Um-
fang ihrer jeweiligen Haftung von vornherein solchen Zufälligkeiten unterwerfen
wollten. Das vom Berufungsgericht befürwortete Verständnis der quotalen Haf-
tung hätte zur Folge, dass dem vor Verwertung des Gesellschaftsvermögens von
der Kreditgläubigerin in Anspruch genommenen Gesellschafter anders als seinen
nach diesem Zeitpunkt in Haftung genommenen Mitgesellschaftern der Verwer-
tungserlös im Außenverhältnis auch nicht anteilig zugute käme. Dem kann nicht
dadurch begegnet werden, dass der Gläubiger, der mit einem Teil seiner Forde-
rung ausfällt, nachträglich den Erlös aus der Verwertung seiner dinglichen Si-
cherheit unter den persönlichen Sicherungsgebern aufteilen muss (so aber
Klimke, WM 2010, 492, 497 f.; vgl. auch Barchewitz, MDR 2007, 1176, 1178 f.).
Diese Lösung widerspricht nicht nur dem Rechtsgedanken des § 774 Abs. 1
Satz 2 BGB. Sie ist insbesondere weder mit § 128 HGB noch mit den Regelun-
gen in den Darlehensverträgen vereinbar, weil sie im Ergebnis zu einer gesetz-
lich nicht vorgesehenen und nicht vereinbarten nachrangigen Haftung der Ge-
sellschafter führt. Würde man die quotale Haftungsbeschränkung im Sinne der
Auslegung des Berufungsgerichts verstehen und wäre im Darlehensvertrag keine
Verwertungsreihenfolge vereinbart, müsste ein vorsichtiger Gläubiger zuerst die
Gesellschafter in Anspruch nehmen und erst dann das Grundstück verwerten.
Dies liegt ersichtlich nicht im Interesse der Gesellschafter.
- 13 -
(4) Zu Unrecht beruft sich das Berufungsgericht für seine Auslegung auf
das Urteil des Senats vom 21. Januar 2002 - II ZR 2/00, BGHZ 150, 1. Der Senat
hat in dieser Entscheidung hervorgehoben, dass eine fondsfinanzierende Bank
davon ausgehen muss, dass Anleger, die sich an einer Fondsgesellschaft betei-
ligen, regelmäßig nicht bereit sind, für deren Darlehensschulden in Millionenhöhe
zu haften. Deshalb muss sich die Bank von einem Anleger, der während der Gel-
tung der Doppelverpflichtungstheorie einer solchen Gesellschaft beigetreten ist,
eine (nur) im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Haftungsbeschränkung entgegen-
halten lassen, sofern sie mit ihr rechnen musste. Darum geht es hier aber nicht.
Nach den tatrichterlichen Feststellungen haftet der Kläger für die Darlehensver-
bindlichkeiten der Gesellschaft aufgrund der in den Darlehensverträgen aus-
drücklich vereinbarten Haftungsbeschränkung lediglich anteilig entsprechend
seiner Beteiligung am Gesellschaftsvermögen (vgl. oben II. 2.). Dass sich die
quotale Haftung - wie das Berufungsgericht meint - grundsätzlich auf den offenen
Darlehenssaldo oder hier auf die nach Verwertung verbleibende Restschuld be-
zieht, lässt sich der angeführten Entscheidung nicht entnehmen. Der Senat hat in
seinem Urteil vom 16. Dezember 1996 (II ZR 242/95, BGHZ 134, 224) ein sol-
ches Verständnis der quotalen Haftung gerade nicht gebilligt.
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(5) Weder der Fondsprospekt noch der Gesellschaftsvertrag stützen die
Auffassung des Berufungsgerichts, dass die quotale Haftung regelmäßig auf die
nach Verrechnung des Verwertungserlöses verbleibende offene Restschuld der
Gesellschaft aus dem Darlehensvertrag zu beziehen ist.
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Ob und in welchem Umfang die Haftung des Klägers als Gesellschafter
gegenüber der gesetzlichen Haftung nach § 128 HGB beschränkt wurde, richtet
sich ausschließlich nach den Darlehensverträgen. Auf den Fondsprospekt und
die darin enthaltenen Gesellschafts- und Geschäftsbesorgungsverträge kommt
es für das Rechtsverhältnis der Darlehensvertragsparteien grundsätzlich nicht an
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(vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2007 - XI ZR 375/06, juris). Allerdings können
vom Darlehensvertrag abweichende Aussagen des Fondsprospekts und des Ge-
sellschaftsvertrags unter Umständen mittelbar von Bedeutung sein (vgl. BGH,
Urteil vom 29. September 2009 - XI ZR 179/07, ZIP 2009, 2237 Rn. 20 f.). Dies
kann hier jedoch dahinstehen. Denn auch ihnen lässt sich weder eine bestimmte
Reihenfolge für die Verwertung der Sicherheiten noch die Aussage entnehmen,
dass die hieraus erzielten Erlöse die Haftung der Gesellschafter verringern.
Die Formulierung auf S. 8 des Fondsprospekts (Teil B) erweckt nicht den
Eindruck, dass das Gesellschaftsvermögen vorrangig haftet, sondern regelt le-
diglich, dass die Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen „von den Gläubigern
der Gesellschaft nur quotal entsprechend ihrer kapitalmäßigen Beteiligung an der
Grundstücksgesellschaft in Anspruch genommen werden können“.
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Aus der Beitritts- und Vollmachtserklärung auf S. 19 des Fondsprospekts,
Teil B:
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Dem Treuhänder wird … Vollmacht erteilt, …
die Gesellschafter teilschuldnerisch, jedoch maximal bis zur Höhe des an-
teilig übernommenen Fremdkapitals zuzüglich Damnen und Nebenkosten,
für die Zahlung von Geldbeträgen des Grundschuldbetrages und der Zin-
sen und Nebenleistung der persönlichen Haftung zu unterwerfen, aus wel-
cher die Gläubigerin sie ohne vorherige Zwangsvollstreckung in den be-
lasteten Grundbesitz in Anspruch nehmen kann,
geht deutlich hervor, dass Grundstück und Gesellschafter gleichrangig
haften.
37
Etwas Gegenteiliges ergibt sich nicht aus § 18 des Gesellschaftsver-
trags, wo es heißt:
38
Für den etwaigen Fall, dass das Gesellschaftsvermögen zur Berichti-
gung der Gesellschaftsschulden nicht ausreichen sollte, sind die Ge-
sellschafter zu deren Ausgleich anteilig entsprechend ihrer Beteiligung
am Gesellschaftsvermögen verpflichtet.
- 15 -
Diese Bestimmung bezieht sich auf die für die Liquidation der Gesell-
schaft maßgebliche Regelung des § 735 BGB und besagt entgegen der Auffas-
sung des Berufungsgerichts nichts für die hier in Rede stehende Inanspruch-
nahme durch einen Gläubiger während des Bestehens der werbenden Gesell-
schaft.
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c) Die Haftungsquote des Klägers ist nicht deshalb aus der nach Abzug
des Verwertungserlöses verbleibenden Darlehensrestschuld der Gesellschaft
zu berechnen, weil die Beklagte mit einzelnen Gesellschaftern Vergleiche ge-
schlossen und sich mit einem geringeren Haftungsbetrag begnügt hat. Es steht
dem Gläubiger frei, einzelne Gesellschafter, auch wenn sie teilschuldnerisch
haften, nicht oder nur in geringerem Umfang in Anspruch zu nehmen. Die In-
nenhaftung unter den Gesellschaftern wird hierdurch nicht berührt. Ein etwaiger
(Teil-)Verzicht des Gläubigers befreit den Gesellschafter im Verhältnis zu sei-
nen Mitgesellschaftern mangels Gesamtwirkung nicht. Soweit ein Gesellschaf-
ter seinen Haftungsanteil zahlt, kann er von der Gesellschaft analog § 110 HGB
Ersatz verlangen. Verfügt die Gesellschaft nicht mehr über Vermögen und hat
ein Gesellschafter an den Gläubiger der Gesellschaft einen höheren Betrag ge-
zahlt, als seinem Anteil an den - unter Berücksichtigung des Gesellschaftsver-
mögens und gegebenenfalls der durch dessen Verwertung erzielten Erlöse be-
stehenden - Verbindlichkeiten der Gesellschaft entspricht, kann er von seinen
Mitgesellschaftern Ausgleich verlangen, soweit diese von einer Inanspruch-
nahme in Höhe der im Innenverhältnis auf sie entfallenden Haftungsquote be-
freit wurden (vgl. für die Partenreederei K. Schmidt, Die Partenreederei als
Handelsgesellschaft, 1995, § 6 I 2, S. 71 f.; ders., NJW 1997, 2201, 2205;
Bote/Weipert, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 91
Rdn. 18; vgl. auch für den Innenausgleich bei Höchstbetragsbürgschaften BGH,
Urteil vom 11. Dezember 1997 - IX ZR 274/96, BGHZ 137, 292).
- 16 -
III. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat in
der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
41
42
Gegen die Berechnung des auf ihn entfallenden, noch nicht titulierten
Haftungsbetrags hat der Kläger keine substantiierten Einwendungen erhoben.
Bergmann Strohn
Reichart
Drescher
Born
Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 21.12.2006 - 2/20 O 1/04 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 25.02.2009 - 23 U 18/07 -