Urteil des BGH vom 13.10.2015

Leitsatzentscheidung zu Nominierung, Grammatikalische Auslegung, Nummer, Unterbrechung des Kausalzusammenhangs

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I I Z R 2 3 / 1 4
Verkündet am:
13. Oktober 2015
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BGB § 25
Bei Nominierungsrichtlinien von Sportverbänden, die außerhalb der Satzung die Kri-
terien für die Teilnahme an Wettkämpfen festlegen, handelt es sich um Verbands-
recht, das wie Satzungsrecht als von den sie erstellenden Personen losgelöstes Re-
gelwerk aus sich heraus objektiv auszulegen ist.
BGB § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2
Ein Monopolverband, der als einziger bestimmte Leistungen unter von ihm selbst
aufgestellten Kriterien an Nicht-Verbandsangehörige erbringt, ist verpflichtet, diese
Leistungen jedem zu gewähren, der die Voraussetzungen für die Leistungsgewäh-
rung erfüllt.
BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 - II ZR 23/14 - OLG Frankfurt
LG Frankfurt
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Juli 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und den
Richter Prof. Dr. Strohn, die Richterin Dr. Reichart, die Richter Dr. Drescher und
Born
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 20. Dezember
2013 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Grundurteil der
13. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom
15. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung
an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Der Kläger, der seit dem Jahr 1997 (professioneller) Leichtathlet in der
Disziplin Dreisprung war, fordert von dem beklagten Deutschen Olympischen
Sportbund (DOSB), einem eingetragenen Verein, Schadensersatz, weil dieser
ihn nicht als Leichtathlet für die Olympischen Sommerspiele in Peking (15. bis
24. August 2008) nominiert hat.
Der beklagte Verein ist für die Endnominierung deutscher Sportler für
Olympische Spiele zuständig. Die Nominierung erfolgt unter Einbeziehung der
jeweiligen Spitzensportverbände, im Falle des Klägers unter Mitwirkung des
Deutschen Leichtathletikverbands (DLV). Der Kläger hatte dazu mit dem DLV
eine Athletenvereinbarung abgeschlossen, nach der der DLV dem Beklagten
„den Athleten, soweit zutreffend, auf der Grundlage der DOSB-
Nominierungsrichtlinien“ zur Nominierung für die Olympischen Spiele vorzu-
schlagen hatte. In den vom Beklagten im Jahre 2007 verabschiedeten „Grunds-
ätze(n) zur Nominierung der Olympiamannschaft Peking 2008“ war als Voraus-
setzung für eine Nominierung u.a. eine in zeitlicher Nähe zu den Olympischen
Spielen zu erbringende Leistungsbestätigung nach bestimmten sportartspezifi-
schen Nominierungskriterien vorgesehen.
Die inhaltliche Ausarbeitung der sportartspezifischen Nominierungskrite-
rien oblag dem Geschäftsbereich Leistungssport des Beklagten, den Spitzen-
verbänden und den Aktivensprechern der Verbände und Disziplinen. In den am
6. Dezember 2007 verabschiedeten „Nominierungsrichtlinien 2008“ des DLV,
die mit den Nominierungsrichtlinien des Beklagten vom selben Tage überein-
stimmten, wurde dazu bestimmt:
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„3.1.2 Die Olympianorm ist dann erfüllt, wenn in den Dis-
ziplinen, in denen die 1. und 2. Norm benannt ist,
beide Normen mindestens je einmal in einer der un-
ter 3.1.1 benannten Veranstaltungen erreicht wur-
de.
Im Hoch-, Weit- und Dreisprung gilt die Olympia-
norm auch dann als erfüllt, wenn nicht die höhere
Normanforderung (…), sondern die alternativ be-
nannte Normanforderung erfüllt wurde. In diesem
Fall kann jedoch in den betreffenden Disziplinen nur
ein(e) Athlet(in) nominiert werden.
Nach Nummer 3.1.9 wurde für den Dreisprung der Männer eine 1. und
2. Norm (auch sog. A- und B-Norm) bestimmt, und zwar wurde für die A-Norm
eine Weite von 17,10 m festgelegt, für die alternativ zu erreichende B-Norm
wurde festgelegt: “oder 2 x 17,00 m“.
Die „Generalklausel“ in Nummer 3.1.7 der Nominierungsrichtlinien be-
stimmte, dass die „Qualification Standards“ des internationalen Leichtathletik-
verbands (International Association of Athletics Federations - IAAF), die Prä-
ambel dieser Bestimmungen und die allgemeinen Nominierungsrichtlinien des
DLV - soweit sie für die Erarbeitung des Nominierungsvorschlages für den
DOSB relevant seien - verbindliche Grundlage bei der Beratung des Nominie-
rungsvorschlags seien.
Der Kläger erzielte innerhalb des regulären Nominierungszeitraums bei
einem Wettkampf am 25. Juni 2008 im Vorkampf eine Weite von 17,00 m und
im anschließenden Endkampf am selben Tage eine Weite von 17,04 m. In
nachfolgenden Wettbewerben erreichte er die Weite von 17,00 m nicht mehr
oder nur bei einem über dem Grenzwert liegenden Rückenwind. Da der DLV
der Auffassung war, dass die Anforderung für die B-Norm von 2 x 17,00 m in
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zwei verschiedenen Wettkämpfen erreicht werden müsse, schlug er den Kläger
dem Beklagten nicht zur Nominierung für die Olympischen Spiele in Peking vor.
Der Kläger erwirkte daraufhin am 19. Juli 2008 im Wege des einstweili-
gen Rechtsschutzes beim Deutschen Sportschiedsgericht einen Schiedsspruch,
durch den der DLV verpflichtet wurde, den Kläger dem Beklagten zur Nominie-
rung vorzuschlagen. Dem kam der DLV nach, der Beklagte lehnte indes eine
Nominierung des Klägers am 21. Juli 2008 ab. Mit dem Versuch, den Beklagten
im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Nominierung zu verpflichten,
scheiterte der Kläger einen Tag vor dem Ende der Nominierungsfrist am 23. Juli
2008 vor dem Landgericht Frankfurt am Main; seine sofortige Beschwerde blieb
ohne Erfolg (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 30. Juli 2008 - 4 W 58/08, NJW
2008, 2925). Im schiedsgerichtlichen Hauptsacheverfahren wurde am
17. Dezember 2009 durch Endschiedsspruch festgestellt, dass der DLV ver-
pflichtet gewesen sei, den Kläger gegenüber dem Beklagten zur Nominierung
für die Olympischen Sommerspiele 2008 vorzuschlagen.
Im vorliegenden Verfahren hat das Landgericht die auf Schadensersatz
in Höhe von mindestens 133.500 € gerichtete Klage dem Grunde nach für ge-
rechtfertigt erklärt. Das Berufungsgericht hat die Klage auf die Berufung des
Beklagten abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der
Kläger sein Schadensersatzbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen
Urteils und Zurückweisung der Berufung des Beklagten zur Wiederherstellung
des erstinstanzlichen Grundurteils und zur (klarstellenden) Zurückverweisung
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an das Landgericht zur Verhandlung und Entscheidung über den Betrag des
Anspruchs.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im We-
sentlichen ausgeführt:
Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach § 280
Abs. 1 und 3, §§ 281, 311 Abs. 2 BGB i.V.m. § 242 BGB, Art. 3 GG sowie den
Nominierungsrichtlinien des Beklagten für die Olympischen Spiele 2008 lägen
nicht vor. Der Beklagte habe keine Pflicht aus einer durch die Nominierungs-
richtlinien begründeten vertragsähnlichen Sonderverbindung mit dem Kläger
verletzt, indem er ihn nicht zu den Olympischen Spielen 2008 nominiert habe.
Eine vorvertragliche Sonderverbindung sei hier daraus herzuleiten, dass
eine Nominierung ein Vertragsverhältnis zwischen dem Sportler und dem Ver-
band begründe, der Beklagte als Monopolverband indessen zur Gleichbehand-
lung nicht nur seiner Mitglieder, sondern auch seiner potentiellen Vertrags-
partner verpflichtet sei. Aus dieser Verpflichtung des Beklagten sei dem Kläger
kein Nominierungsanspruch erwachsen, da er die in den Nominierungsrichtli-
nien 2008 des Beklagten festgelegten Leistungen nicht erbracht habe, indem er
auf der Veranstaltung am 25. Juni 2007 im Vorkampf eine Weite von 17,00 m
und im Endkampf 17,04 m erreicht habe. Die Richtlinien stellten die Anforde-
rung, dass die B-Norm in zwei verschiedenen Wettkampfveranstaltungen zu
erfüllen gewesen sei. Dieses Verständnis des Beklagten habe in den Nominie-
rungsrichtlinien eine Grundlage, sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt und
auch nicht unbillig.
Dem Kläger sei zu konzedieren, dass eine wörtliche/grammatikalische
Auslegung, welche sich isoliert auf die Regelung in Nummer 3.1.2, 1. Absatz
der Richtlinien stütze, ein Verständnis dahin nahelege, die Olympianorm sei
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erfüllt, wenn die 1. und die 2. Norm je einmal in einer der unter 3.1.1 genannten
Veranstaltungen erfüllt würden. Der zweite Absatz regele eine Ausnahme u. a.
für den Dreisprung insoweit, als die Olympianorm auch dann erfüllt sei, wenn
nicht die 1. Norm, sondern die alternativ benannte Normanforderung erfüllt wor-
den sei. Hinsichtlich der Anzahl der Veranstaltungen, auf denen diese Leistung
zu erbringen sei, gelte die Regelung im ersten Absatz. Eine von dem Kläger für
sein Verständnis reklamierte Formulierungshistorie - die Nominierungsrichtlinien
für die Olympischen Spiele 2000 bestimmten ausdrücklich, als zweimalige
Normerfüllung werde nur anerkannt, wenn diese in zwei Veranstaltungen an
zwei verschiedenen Tagen erfolgte - könne den Umkehrschluss zulassen,
nachdem diese Regelung nicht mehr ausdrücklich in die Richtlinien aufgenom-
men worden sei, genüge die zweimalige Erfüllung der B-Norm in einer Veran-
staltung.
Die formale Betrachtungsweise des Klägers berücksichtige jedoch nicht
das maßgebliche Verständnis der Adressaten der Nominierungsrichtlinien. Ad-
ressaten seien die Verbandsgremien, denen die Richtlinien Kriterien für die
Auswahl der zu nominierenden Sportler an die Hand geben sollten, des Weite-
ren die Athleten, die in Kenntnis der Anforderungen und Modalitäten für die
Teilnahme an internationalen Wettkampfhöhepunkten ihre darauf hinführenden
Trainings- und Wettkampfplanungen entsprechend hätten organisieren können.
Ferner habe den Athleten Verständnis, Sicherheit und Transparenz der Nomi-
nierungen vermittelt werden sollen.
Nach der Darstellung des Beklagten habe der fachkundige Adressaten-
kreis aus Verbandsgremien und Athleten die Nominierungsanforderungen im
Dreisprung der Herren unter Einbeziehung internationaler Wettkampfregeln so
verstanden, dass die B-Norm auf zwei verschiedenen Wettkampfveranstaltun-
gen zu erfüllen gewesen sei. Dieses Verständnis beruhe u. a. auf der General-
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klausel in Nummer 3.1.7 der Nominierungsrichtlinien; darin würden u. a. die
„Qualification Standards“ der IAAF in Bezug genommen, eines der größten
Weltfachsportverbände. Diese internationalen Regeln seien nach Nummer 3.1.7
der Richtlinien verbindliche Grundlagen bei der Beratung des Nominierungsvor-
schlags, d. h. bei der Beratung und Entscheidung darüber, ob sich ein Athlet
qualifiziert habe. Nach internationalen Regeln werde aber nur das beste Ergeb-
nis eines Wettbewerbs gewertet. Des Weiteren verweise die Klausel in Nummer
3.1.2 auf die unter Nummer 3.1.1 genannten Veranstaltungen, in denen die
Qualifikation erreicht werden könne. Hier seien auch internationale Veranstal-
tungen genannt, auf denen - selbstverständlich - internationale Wettkampfre-
geln gälten. Ferner habe der Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass
sämtliche Wettkämpfe nach internationalen Regeln ausgetragen würden.
Dieses übereinstimmende Verständnis des Beklagten und der Adressa-
ten der Nominierungsrichtlinien sei unstreitig. Der Kläger habe im ersten
Rechtszug lediglich auf sein individuelles Verständnis der Nominierungsrichtli-
nien abgestellt, welches auf eine wörtliche/grammatikalische Auslegung unter
Berücksichtigung einer sog. Formulierungshistorie gegründet und von ihm
erstmals artikuliert worden sei, nachdem er in dem auf seinen Antrag verlänger-
ten Nominierungszeitraum die Weite von 17,00 m in einem weiteren Wettkampf
unter regulären Wettkampfbedingungen nicht erreicht habe. Sein objektiv nach
außen hervorgetretenes Verhalten nach Abschluss des Springwettbewerbs am
25. Juni 2008 und der Deutschen Meisterschaften am 5./6. Juli 2008 lasse hin-
gegen den Schluss zu, dass auch ihm das allgemein fachkundige Verständnis
der Nominierungsrichtlinien bekannt gewesen sei und dass er dieses Verständ-
nis - zunächst - geteilt habe. Denn er habe die Verlängerung des Nominie-
rungszeitraums beantragt, um die B-Norm noch auf einer weiteren Veranstal-
tung erfüllen zu können.
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Mit seiner Einlassung im zweiten Rechtszug, nicht jeder Fachkundige im
Sport habe die Richtlinien 2008 so verstehen müssen, dass die B-Norm nur in
zwei Wettkämpfen erfüllt werden könne, mache er nicht plausibel, dass der
fachkundige Adressatenkreis die vielfältigen Bezugnahmen auf internationale
Wettkampfregeln in den Nominierungsrichtlinien nicht so verstanden habe bzw.
nicht so habe verstehen müssen, dass die internationalen Regeln auch für die
Qualifikationsnormen gälten. Habe aber ein übereinstimmendes Verständnis
des Beklagten und der Adressaten dieser Sportregeln bestanden, sei dieses
Verständnis auch dann maßgebend, wenn es in den Regeln keinen oder nur
einen unvollkommenen Ausdruck gefunden habe. Für eine Heranziehung der
Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB, deren Wertungsmaßstab über
§ 242 BGB fruchtbar gemacht werden könnte, sei bei dieser Sachlage kein
Raum.
Die Anforderung, dass die B-Norm in zwei verschiedenen Veranstaltun-
gen zu erfüllen gewesen sei, sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt und
nicht unbillig gewesen. Hiermit habe dem Erfordernis der „Konstanz der Leis-
tungen“ Rechnung getragen werden sollen, welches in der Präambel zu den
Nominierungsrichtlinien als ein Kriterium für die Nominierungsentscheidung be-
zeichnet sei und auch in dem weiteren Kriterium der „Leistungsentwicklung in
der Saison“ seinen Niederschlag gefunden habe. Es liege auf der Hand und
bedürfe deshalb keiner vertieften Begründung, dass eine einmalige „Tages-
Topform“ im Nominierungszeitraum keine Prognose auf eine Endkampfchance
gestatte, hingegen die Abrufbarkeit der Leistung in einem weiteren Wettkampf
eher auf Wiederholbarkeit „beim Saisonhöhepunkt“ schließen lasse.
Auch eine Abwägung der widerstreitenden geschützten Grundrechtsposi-
tionen führe nicht zu einer Reduzierung des Ermessens des Beklagten dahin,
dass er zu einer Nominierung des Klägers verpflichtet gewesen sei. Der Ver-
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bandsautonomie des Beklagten aus Art. 9 Abs. 1 GG sei gegenüber den ideel-
len Interessen des Klägers und seinen Vermögensinteressen als Ausfluss sei-
nes Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 GG der Vorrang einzuräumen. Ei-
ne besondere Belastung des Klägers über die Nichtteilnahme an den Olympi-
schen Spielen 2008 hinaus sei nicht zu erkennen. Er mache geltend, dass er im
Falle der Teilnahme an den Olympischen Spielen 2008 eine beträchtliche
Summe an Antritts-, Preis- und Sponsorengeldern etc. hätte erzielen können.
Es sei indessen zwangsläufige Folge der Nichtnominierung, dass der Kläger
eine Teilnahme nicht habe vermarkten können. Dem gegenüber sei die Aufstel-
lung objektiver Kriterien im Interesse der Gleichbehandlung aller Aktiven ge-
wichtiger einzuschätzen.
II. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei dem Kläger
nicht zum Schadensersatz verpflichtet, weil er seine Nominierungsrichtlinien
nicht falsch angewandt und daher mit der Nichtnominierung des Klägers keine
Pflichten aus einem in Bezug auf die Nominierung für die Olympischen Spiele
mit dem Kläger begründeten Schuldverhältnis verletzt habe, beruht auf einer
rechtsfehlerhaften Auslegung der Nominierungsrichtlinien und kann daher aus
Rechtsgründen keinen Bestand haben.
1. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts hat
zwischen den Parteien ein durch Rechtsgeschäft begründetes Rechtsverhältnis,
aus welchem dem Kläger Ansprüche wegen seiner Nichtnominierung zustehen
könnten, nicht bestanden. Die den Vorschlag zur Nominierung betreffende Ver-
einbarung vom 24. November 2006/4. Januar 2007 hatte der Kläger nicht mit
dem Beklagten, sondern mit dem DLV geschlossen. Der Kläger war auch nicht
selbst Mitglied des Beklagten (oder des DLV). Das Berufungsgericht ist aber zu
Recht davon ausgegangen, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten als
Monopolverband eine vorvertragliche Sonderverbindung begründet worden ist,
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aus der dem Kläger ein Anspruch auf Nominierung und bei Nichterfüllung die-
ses Anspruchs ein Schadensersatzanspruch erwachsen konnte.
Nur der Beklagte ist für die Endnominierung deutscher Sportler für die
Olympischen Spiele zuständig. Durch die Nominierung eines Sportlers für die
Teilnahme an einem sportlichen Wettkampf durch den dafür zuständigen Sport-
verband wird zwischen dem nominierten Sportler und dem nominierenden Ver-
band ein Vertragsverhältnis und demzufolge in der Nominierungsphase ein vor-
vertragliches Schuldverhältnis im Sinne von § 311 Abs. 2 BGB begründet. Ein
vorvertragliches Schuldverhältnis kann zwar als solches in der Regel keine ge-
genseitigen Erfüllungs-, sondern nur Schutz- und Rücksichtnahmepflichten
(§ 241 Abs. 2 BGB) begründen. Bei einer Monopolstellung des nominierenden
Verbands besteht aber ausnahmsweise ein Anspruch des Sportlers auf Nomi-
nierung, sofern die Nominierungsvoraussetzungen erfüllt sind (OLG Frankfurt,
NJW 2008, 2925; Mäsch, JuS 2012, 352, 353; Niese in Adolphsen/
Nolte/Lehner/Gerlinger, Sportrecht in der Praxis, 2012, Rn. 248 ff.; Summerer in
Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 3. Aufl., II 2 Rn. 184
mwN; Walker, SpuRt 2014, 46, 47 mwN). Ebenso wie ein Monopolverband, der
Leistungen und Vorteile vermittelt, die nur von Verbandsangehörigen in An-
spruch genommen werden können, zur Aufnahme von Bewerbern um die Mit-
gliedschaft verpflichtet ist, um diesen die Teilhabe an den vom Monopolverband
vermittelten Leistungen zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember
1974 - II ZR 78/72, BGHZ 63, 282, 284 ff.; Urteil vom 10. Dezember 1984
- II ZR 91/84, BGHZ 93, 151, 152 f.), ist ein Monopolverband, der als einziger
bestimmte Leistungen unter von ihm selbst aufgestellten Kriterien an Nicht-
Verbandsangehörige erbringt, verpflichtet, diese Leistungen jedem zu gewäh-
ren, der die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung erfüllt (vgl. Lambertz,
Die Nominierung im Sport, 2012, S. 65 f.). Die Teilnahme eines deutschen Ath-
leten an Olympischen Spielen ist unstreitig nur bei Nominierung durch den Be-
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klagten möglich, der somit als einziger diese Leistung der Nominierung anbie-
tet. Ob ein Anspruch auf eine Nominierung durch den Beklagten bei Vorliegen
der weiteren kartellrechtlichen Voraussetzungen auch aus § 20 Abs. 1, § 33
GWB hergeleitet werden kann (vgl. Summerer in Fritzweiler/ Pfister/
Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 3. Aufl., II 2 Rn. 185), kann dahinge-
stellt bleiben, da er ersichtlich nicht weiterginge; ein solcher Anspruch wird vom
Kläger auch nicht geltend gemacht.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der vom Kläger
geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht mit der Begründung verneint
werden, der Beklagte habe seine Pflicht zur Nominierung nicht verletzt, weil der
Kläger die in den Nominierungsrichtlinien des Beklagten festgelegten Leistun-
gen nicht erbracht habe. Die Auslegung der Nominierungsrichtlinien des Be-
klagten durch das Berufungsgericht dahingehend, die B-Norm von 17,00 m sei
in zwei verschiedenen Wettkampfveranstaltungen zu erfüllen gewesen, kann
aus Rechtsgründen keinen Bestand haben.
a) Nominierungsrichtlinien von Sportverbänden -
wie die als „Angelegen-
heiten in Verbindung mit den Olympischen Spielen“ in § 15 Abs. 2 Spiegel-
strich 1 der Satzung des Beklagten angesprochenen Nominierungsgrundsätze -
legen als „Sportregeln im weiteren Sinne“ (Adolphsen/Hoefer/Nolte, in: Adolph-
sen/Nolte/Lehner/Gerlinger, Sportrecht in der Praxis, 2012, Rn. 148) die vor
jedem Großereignis für jede Einzelsportart neu zu erarbeitenden und daher
sinnvollerweise nicht unmittelbar in die Satzung selbst aufzunehmenden Krite-
rien für die Teilnahme an Wettkämpfen fest. Es handelt sich dabei um Ver-
bandsrecht, das wie sonstige Vereins- oder Nebenordnungen der Satzung
nachgeordnet ist (vgl. dazu Soergel/Hadding, BGB, § 13. Aufl., § 25 Rn. 7;
Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluss, 1999, 2. Kapitel § 8 III.,
S. 111 f.; Hohl, Rechtliche Probleme der Nominierung von Leistungssportlern,
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1992, S. 137 f., 143). Solches außerhalb der Satzung erlassenes Vereins- und
Verbandsrecht ist wie Satzungsrecht auszulegen (BGH, Urteil vom 6. März
1967 - II ZR 231/64, BGHZ 47, 172, 180 f.; Reichert, Vereins- und Verbands-
recht, 12. Aufl., Rn. 450; Reschke/Haas, Handbuch des Sportrechts, Stand Juli
2005, 2. Kapitel Rn. 30). Die Auslegung hat daher - ungeachtet des Umstands,
dass die Nominierungsrichtlinien für die Olympischen Spiele in Peking 2008 von
vornherein nur für einen begrenzten Zeitraum Geltung beanspruchten - als von
den sie erstellenden Per
sonen „losgelöstes“ Regelwerk „aus sich heraus“ zu
erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1967 - II ZR 231/64, BGHZ 47, 172,
179 ff.; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 428 f., 449 f., 470 ff.;
Staudinger/Weick, BGB, Neubearbeitung 2005, § 25 Rn. 16; Schöpflin, in:
Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 25 Rn. 14, 19 ff.; Stöber/Otto, Handbuch zum
Vereinsrecht, 10. Aufl., Rn. 52). Bei dieser objektiven Auslegung spielt der
Wortlaut vor allem in seiner eventuell typischen Bedeutung eine Rolle, während
die Umstände der Aufstellung dieses Verbandsrechts nur eingeschränkt für die
Auslegung zu berücksichtigen sind; eine teleologische Auslegung hat sich an
objektiv bekannten Umständen zu orientieren (BGH, Urteil vom 28. November
1988 - II ZR 96/88, BGHZ 106, 67, 71). Außerhalb des in Rede stehenden Ver-
bandsrechts liegende Vorgänge etwa aus seiner Entstehungsgeschichte oder
andere Sachzusammenhänge können bei der Auslegung nur dann beachtlich
sein, wenn ihre Kenntnis bei dem den Empfängerhorizont bestimmenden Ad-
ressatenkreis vorausgesetzt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1967
- II ZR 231/64, BGHZ 47, 172, 180; Urteil vom 2. Dezember 1974 - II ZR 78/72,
BGHZ 63, 282, 290; Urteil vom 5. Oktober 1978 - II ZR 177/76, BGHZ 73, 275,
279; Beschluss vom 11. November 1985 - II ZB 5/85, BGHZ 96, 245, 250). Das
Revisionsgericht ist nicht auf die Überprüfung beschränkt, ob die Auslegung
des Tatrichters gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder we-
sentliche Tatsachen außer Acht gelassen hat, sondern kann Verbandsrecht
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selbstständig auslegen (BGH, Beschluss vom 11. November 1985 - II ZB 5/85,
BGHZ 96, 245, 250).
b) Das Berufungsgericht hat als Adressaten der Nominierungsrichtlinien
die Verbandsgremien angesehen, denen die Richtlinien Kriterien für die Aus-
wahl der zu nominierenden Sportler an die Hand geben sollen, sowie die Athle-
ten, die in Kenntnis der Anforderungen und Modalitäten für die Nominierung
ihre darauf hinführenden Trainings- und Wettkampfplanungen entsprechend
organisieren können. Ob der für die objektive Auslegung der Nominierungsricht-
linien maßgebliche „Empfängerhorizont“ entgegen der Auffassung des Beru-
fungsgerichts enger zu bestimmen ist, nämlich begrenzt nur auf den Kreis der
Athleten oder, wie die Revision geltend macht, gar nur auf den Kreis der Athle-
ten der jeweiligen Sportart, hier also der Dreispringer, kann im vorliegenden Fall
dahingestellt bleiben, weil das Berufungsgericht ein gespaltenes Verständnis
der verschiedenen angesprochenen Kreise nicht festgestellt und die Revision
einen dahingehenden Vortrag des Klägers nicht aufgezeigt hat. Auf das indivi-
duelle Verständnis einzelner Athleten kann es bei der gebotenen objektiven
Auslegung nicht ankommen.
c) Die Revision beanstandet aber zu Recht die Auslegung des Beru-
fungsgerichts als rechtsfehlerhaft.
aa) Das Berufungsgericht hat das von ihm zugrunde gelegte Verständnis
maßgeblich aus der Generalklausel in Nummer 3.1.7 der Nominierungsrichtli-
nien hergeleitet, in der u.a. die „Qualification Standards“ der IAAF in Bezug ge-
nommen werden. Diese internationalen Regeln seien nach Nummer 3.1.7 der
Richtlinien verbindliche Grundlage bei der Beratung des Nominierungsvor-
schlags. Nach internationalen Regeln werde, so das Berufungsgericht weiter,
aber nur das beste Ergebnis eines Wettbewerbs gewertet. Die Regel, dass für
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das Ergebnis eines Wettkampfs jeder Wettkämpfer mit seiner besten Leistung
zu werten ist, befindet sich jedoch, wie die Revision mit Recht geltend macht,
nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien in den „Competition Rules“
des
internationalen Verbands (Regel 180.21 mit der Überschrift „Ergebnis“: „Je-
der Wettkämpfer ist mit seiner besten Leistung, einschließlich der im Stich-
kampf um den ersten Platz erzielten, zu werten“). Dass diese Wettkampfregel in
die „Qualification Standards“ für die Olympischen Spiele in Peking übernommen
oder dort in Bezug genommen wurde, ist weder festgestellt noch vorgetragen.
Eine solche Bezugnahme liegt entgegen der Auffassung des Berufungs-
gerichts nicht darin, dass nach Nummer 3.1.2 der Nominierungsrichtlinien die
Olympianorm in dem in Nummer 3.1.1 genannten Zeitraum und auf den dort
genannten Veranstaltungen erfüllt werden musste, deren Wettkämpfe nach in-
ternationalen Regeln ausgetragen wurden. Den Regelungen der Nummern
3.1.1 und 3.1.2 mag entnommen werden können, dass eine Leistung für die
Erfüllung der Olympianorm nicht genügte, wenn sie nach den internationalen
Regeln überhaupt nicht zu werten war und demgemäß eine Wertung auch nach
dem Sinn und Zweck der Olympianorm ausschied. Die Nominierungsrichtlinien
geben aber keinen Anhaltspunkt für die Annahme des Berufungsgerichts, die
Erfüllung der Norm solle davon abhängen, dass die betreffende Leistung nach
der Regel 180.21 in einem Wettkampf als die beste Leistung des Wettkämpfers
für das Ergebnis des betreffenden Wettkampfs gewertet worden ist. Die Olym-
pianormen wurden in den Nominierungsrichtlinien für die einzelnen Disziplinen
lediglich mit bestimmten Zeiten oder Weiten angegeben. In Verbindung mit den
allgemeinen Grundsätzen des Beklagten zur Nominierung der Olympiamann-
schaft Peking 2008 (Anlage K 2) sind diese Angaben dahin zu verstehen, dass
mit der Erzielung der angegebenen Zeiten oder Weiten grundsätzlich der Leis-
tungsnachweis einer begründeten Endkampfchance bei den Olympischen Spie-
len als erbracht gelten sollte, der nach den Nummern 2.2 und 2.5 grundsätzli-
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che Voraussetzung für eine Nominierung war. Bei der Regel 180.21 geht es
dagegen nicht wie bei der Erfüllung der Olympianorm um die Erbringung eines
bestimmten Leistungsnachweises, sondern Zweck dieser Regel ist es, die in
einem Wettkampf von den Wettkämpfern erbrachten Leistungen für die Be-
stimmung des Ergebnisses dieses Wettkampfes zu werten, also zu regeln, wer
den Wettkampf gewonnen und wer die weiteren Plätze belegt hat. Lediglich für
den Fall, dass in Einzeldisziplinen mehr Athleten die Nominierungsanforderun-
gen erfüllt haben sollten, als zur Teilnahme an den Olympischen Spielen ge-
meldet werden konnten, war in den Nummern 3.1.4 und 2.1.3 geregelt, dass bei
dem Vorschlag zur Nominierung auch die Leistung/Platzierung bei Nominie-
rungswettkämpfen im Direktvergleich gegenüber Mitbewerbern berücksichtigt
werden konnte.
Gegen die Auslegung des Berufungsgerichts spricht ferner, dass nach
der von den Parteien im Verfahren übereinstimmend vorgelegten Fassung der
internationalen Wettkampfregeln der erste Absatz der Regel 180.20 bei Gleich-
ständen der von den Wettkämpfern erzielten Leistungen in technischen Wett-
bewerben, zu denen neben den vertikalen Sprüngen (Hoch- und Stabhoch-
sprung) auch die horizontalen Sprünge (Weit- und Dreisprung) gehören, folgen-
de Regelung enthielt: „Bei Gleichständen in den technischen Wettbewerben,
ausgenommen beim Hoch- und Stabhochsprung, entscheidet die zweitbeste
Leistung der gleichstehenden Wettkämpfer über die bessere Platzierung. Nöti-
genfalls die drittbeste Leistung usw“. Nach dieser Regel konnten im Dreisprung
somit außer der besten auch alle anderen Leistungen in einem Wettkampf in
die Wertung für das Ergebnis eingehen.
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bb) Das Berufungsgericht hat ferner den systematischen Zusammen-
hang der Regelungen zur A- und B-Norm beim Dreisprung nicht hinreichend bei
der Auslegung der Nominierungsrichtlinien beachtet.
(1) Das Berufungsgericht hat zwar eingeräumt, dass eine wört-
lich/grammatikalische Auslegung der Regelungen in Nummer 3.1.2 Absatz 1
und 2 ein Verständnis nahelegt, dass die Olympianorm für den Dreisprung auch
dann erfüllt sein sollte, wenn die B-Norm von zweimal 17,00 m in einer der un-
ter Nummer 3.1.1 genannten Veranstaltungen erreicht wurde. Es ist dann unter
weitergehender Auslegung nach dem von ihm (rechtsfehlerhaft) ermittelten
Verständnis der Nominierungsrichtlinien nach dem Empfängerhorizont aller-
dings zu dem gegenteiligen Ergebnis gelangt und hat sich anschließend unter
dem Gesichtspunkt, ob die Anforderung, dass die B-Norm in zwei verschiede-
nen Veranstaltungen zu erfüllen sei, durch sachliche Gründe gerechtfertigt und
nicht unbillig sei, damit befasst, dass mit diesem Erfordernis der „Konstanz der
Leistungen“ Rechnung getragen werden solle und dies sachgerecht und nicht
unbillig sei, weil es auf der Hand liege, dass eine einmalige „Tages-Topform“ im
Nominierungszeitraum keine Prognose auf eine Endkampfchance gestatte.
Schließlich hat es gemeint, es sei nicht entscheidungserheblich, ob die einmali-
ge Erfüllung der A-Norm im Dreisprung von 17,10 m einen Rückschluss auf
Konstanz und Reproduzierbarkeit der Leistung zulasse. Die Festlegung dieser
Norm könnte durchaus unterschiedliche sachliche Gründe haben. Sollte die
Erfüllung der A-Norm im Dreisprung nicht auf Konstanz und Reproduzierbarkeit
schließen lassen, wäre daraus nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht der
Schluss zu ziehen, dass die Anforderung, die darunter liegende B-Norm in zwei
verschiedenen Veranstaltungen zu erfüllen, um Leistungskonstanz und damit
eine Endkampfchance zu belegen, nicht sachlich gerechtfertigt sei.
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(2) Unabhängig davon, ob der Beklagte im Rahmen seiner Verbandsau-
tonomie in seinen Nominierungsrichtlinien alternative, auf unterschiedlichen
sachlichen Gründen beruhende Anforderungen festlegen durfte, hätte sich das
Berufungsgericht schon bei der Auslegung der Normierungsrichtlinien damit
befassen müssen, ob für den angesprochenen Adressatenkreis nach dem
maßgeblichen Empfängerhorizont erkennbar war, dass der A- und B-Norm
beim Dreisprung (möglicherweise) unterschiedliche sachliche Gründe zugrunde
liegen sollten. Für ein solches Verständnis gibt es jedoch in den Nominierungs-
richtlinien und -grundsätzen des Beklagten keinen Anhaltspunkt. Maßgeblicher
Gesichtspunkt für die Nominierung ist danach die Prognose einer Endkampf-
chance, die nach der A-Norm dann gerechtfertigt sein sollte, wenn einmal, also
in einer Veranstaltung, die Weite von 17,10 m erreicht wurde, und nach der B-
Norm, wenn zweimal die Weite von 17,00 m erzielt wurde. Dem liegt erkennbar
die Bewertung zugrunde, dass nicht nur die Weite von 17,10 m, sondern grund-
sätzlich auch eine Weite von 17,00 m die Prognose einer Endkampfchance
rechtfertigt, die Chance bei der B-Norm wegen der geringeren Weite naturge-
mäß jedoch kleiner ist und deshalb die zweimalige Erfüllung verlangt wird, um
eine etwas sicherere Prognose als bei nur einmaliger Erfüllung zu gewährleis-
ten.
Dass eine Wiederholung der Leistung in zwei verschiedenen Veranstal-
tungen gefordert wird, lässt sich auch unter dem Gesichtspunkt der Konstanz
und der Reproduzierbarkeit dieser Regelung jedoch nicht entnehmen. Zum ei-
nen liegt es auf der Hand, dass auch die einmalige Leistung von 17,10 m nur
dann die Prognose einer Endkampfchance rechtfertigen kann, wenn grundsätz-
lich von der Wiederholbarkeit dieser Leistung bei den Olympischen Spielen
ausgegangen werden kann. Es ist aber schon nicht ersichtlich, dass die einma-
lige Leistung von 17,10 m einen sichereren Rückschluss auf Konstanz und Re-
produzierbarkeit zulässt als zwei Sprünge von 17,00 m in einer Veranstaltung.
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Zum anderen gaben die Nominierungsrichtlinien auch für diejenigen Disziplinen,
in denen die A- und B-Norm kumulativ und nicht alternativ wie beim Dreisprung
mindestens je einmal in einer der benannten Veranstaltungen erreicht werden
mussten, nur den Zeitraum an, in dem die Olympianorm zu erfüllen war, wäh-
rend sonst keine weiteren Vorgaben bestanden; insbesondere wurde weder ein
bestimmter Abstand zwischen den beiden geforderten Leistungen vorausge-
setzt, so dass die Wiederholung in kurz hintereinander stattfindenden Veran-
staltungen zur Normerfüllung genügte, noch wurde danach unterschieden, ob
die Leistungen in einem weiteren oder näheren Abstand zu den olympischen
Wettkämpfen erbracht wurden.
cc) Soweit das Berufungsgericht schließlich darauf verweist, der Kläger
habe im ersten Rechtszug lediglich auf sein individuelles Verständnis der No-
minierungsrichtlinien abgestellt, sein objektiv nach außen hervorgetretenes
Verhalten lasse hingegen den Schluss zu, dass er das vom Beklagten vertrete-
ne Verständnis zunächst geteilt habe, kommt es darauf für die Auslegung zum
einen nicht an, weil diese, wie oben dargelegt, objektiv vorzunehmen ist. Zum
anderen rügt die Revision insoweit mit Recht, dass die Ausführungen des Klä-
gers zur Auslegung der Nominierungsrichtlinien nicht als Wiedergabe lediglich
seiner individuellen, von dem allgemein fachkundigen Verständnis abweichen-
den Auffassung angesehen werden können, wie insbesondere die wiederholte
Bezugnahme auf die seine Auffassung stützenden Entscheidungen des Deut-
schen Sportschiedsgerichts zeigt, die sich auch mit dem Verständnis im interna-
tionalen Sportgeschehen und dem allgemein in der Leichtathletik üblichen
Sprachgebrauch befassen. Das Berufungsgericht durfte schon deshalb nicht
ohne weiteres von der Darstellung des Beklagten ausgehen.
Aus diesem Grunde geht es auch fehl, wenn das Berufungsgericht die
Einlassung des Klägers im zweiten Rechtszug, nicht jeder Fachkundige im
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Sport habe die Nominierungsrichtlinien 2008 so verstehen müssen, dass die B-
Norm nur in zwei Wettkämpfen erfüllt werden könne, als unbeachtlich angese-
hen hat, weil er damit nicht plausibel gemacht habe, dass der fachkundige Ad-
ressatenkreis die vielfältigen Bezugnahmen auf internationale Wettkampfregeln
in den Nominierungsrichtlinien nicht so verstanden habe bzw. nicht so habe
verstehen müssen, dass die internationalen Regeln auch für die Qualifikati-
onsnormen gälten. Die Auffassung des Berufungsgerichts, ein übereinstimmen-
des Verständnis des Beklagten und der Adressaten dieser Sportregeln sei auch
dann maßgebend, wenn es in den Regeln keinen oder nur einen unvollkomme-
nen Ausdruck gefunden habe, ist jedenfalls dann mit der Rechtsprechung des
Senats zur Auslegung von Verbandsrecht nicht vereinbar, wenn damit gemeint
sein soll, dass die grundsätzlich gebotene objektive Auslegung nach dem Emp-
fängerhorizont unbeachtlich sei, wenn und soweit ein davon abweichendes
Verständnis des Beklagten und der Adressaten der Sportregeln bestanden ha-
be. Falls das Berufungsgericht damit dagegen lediglich hat zum Ausdruck brin-
gen wollen, dass ein übereinstimmendes Verständnis auch ohne hinreichenden
Anhaltspunkt in der Sportregel dann maßgeblich sei, wenn es auf einer ständi-
gen Übung oder auf der bei den Adressaten der Regel vorauszusetzenden
Kenntnis bestimmter Sachzusammenhänge beruhe, kann dahinstehen, ob dem
aus Rechtsgründen zu folgen wäre (vgl. dazu BGH, Urteil vom 2. Dezember
1974 - II ZR 78/72, BGHZ 63, 282, 290; Urteil vom 28. November 1988
- II ZR 96/88, 106, 67, 73 f., Erman/Westermann, BGB, 14. Aufl., § 25 Rn. 12;
Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl., Rn. 450; Grunewald, ZGR
1995, 68, 80 ff.), weil das Kriterium der zweimaligen Erfüllung der Olympianorm
nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in den vorangegangen Zeit-
räumen nicht durchgängig vorgesehen war und eine entsprechende Verbands-
übung nicht bestanden hat. Soweit das Berufungsgericht in diesem Zusam-
menhang mit der Wendung, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Nominie-
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rungsrichtlinien nicht in dem vom Berufungsgericht angenommenen Sinne hät-
ten verstanden werden müssen, auf ein jedenfalls vertretbares subjektives Ver-
ständnis des Beklagten hat abstellen wollen, könnte ein solches von der objek-
tiv vorzunehmenden Auslegung abweichendes Verständnis allenfalls bei der
Frage des Vertretenmüssens Bedeutung erlangen.
III. Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der
Senat kann gemäß § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden, da die Sache hin-
sichtlich des vom Landgericht vorab entschiedenen Grundes des Anspruchs
(§ 304 ZPO) zur Endentscheidung reif ist. Das Landgericht hat, wie sich aus
den vorstehenden Ausführungen ergibt, rechtsfehlerfrei angenommen, dass der
Beklagte seine dem Kläger gegenüber bestehende Pflicht zur Nominierung ver-
letzt hat und ihm deshalb dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet
ist. Soweit der Beklagte mit seiner Berufung die Feststellungen des Landge-
richts zur Kausalität und zum Verschulden beanstandet hat, vermag sein Vor-
bringen seinem auf Klageabweisung gerichteten Begehren schon aus Rechts-
gründen nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegt es dem Schuldner, also hier dem
Beklagten, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, dass er seine Pflichtver-
letzung nicht zu vertreten hat. Die Voraussetzungen eines unverschuldeten
Rechtsirrtums hat der Beklagte nicht dargelegt. Nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs fordert der Geltungsanspruch des Rechts, dass der
Verpflichtete grundsätzlich das Risiko eines Irrtums über die Rechtslage selbst
trägt. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt daher regelmäßig nur dann vor,
wenn er die Rechtslage unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtspre-
chung sorgfältig geprüft hat und bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen
Sorgfalt auch mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen
brauchte. Ein solcher Ausnahmefall ist etwa dann anzunehmen, wenn der
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Schuldner eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung für seine Auffas-
sung in Anspruch nehmen konnte und eine spätere Änderung derselben nicht
zu befürchten brauchte (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2014
- VIII ZR 103/13, BGHZ 201, 91 Rn. 23 ff.; Urteil vom 11. Juni 2014 - VIII ZR
349/13, NJW 2014, 2727 Rn. 34 ff. mwN).
Musste er dagegen mit der Möglichkeit rechnen, dass das zuständige
Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnehmen würde als er, ist ihm re-
gelmäßig ein Verschulden anzulasten. Der Schuldner darf das Risiko einer
zweifelhaften Rechtslage nicht dem Gläubiger zuschieben. Entscheidet er sich
bei einer unsicheren Rechtslage dafür, die von ihm geforderte Leistung nicht zu
erbringen, geht er - von besonderen Sachlagen abgesehen - das Risiko, dass
sich seine Einschätzung später als falsch erweist, zumindest fahrlässig ein und
hat deshalb seine Nichtleistung zu vertreten, wenn er - wie in einem späteren
Rechtsstreit festgestellt wird - zur Leistung verpflichtet war (BGH, Urteil vom
11. Juni 2014 - VIII ZR 349/13, NJW 2014, 2727 Rn. 36 ff.).
Danach hat das Landgericht einen unverschuldeten Rechtsirrtum des
Beklagten rechtsfehlerfrei mit der Begründung verneint, dass dem Beklagten,
der die Nominierung des Klägers nach den insoweit nicht angegriffenen Fest-
stellungen des Landgerichts in seiner Nominierungssitzung vom 21. Juli 2008
abgelehnt hatte, zu diesem Zeitpunkt der den Rechtsstandpunkt des Klägers
bestätigende Beschluss des Sportschiedsgerichts vom 19. Juli 2008 vorgelegen
habe und der Beklagte daher nicht darauf vertrauen durfte, mit einer von seiner
Rechtsauffassung abweichenden Beurteilung durch die (ordentlichen) Gerichte
nicht rechnen zu müssen. Dass der nach der Entscheidung des Beklagten vom
21. Juli 2008, den Kläger nicht zu nominieren, gestellte Antrag des Klägers, den
Beklagten im Wege des Erlasses einer einstweiligen Verfügung zur Nominie-
rung zu verpflichten, vom Landgericht Frankfurt noch vor Ablauf der Nominie-
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rungsfrist am 23. Juli 2008 abgelehnt wurde, führt entgegen der Auffassung des
Beklagten nicht zur Unterbrechung des Kausalzusammenhangs zwischen der in
der Nichtnominierung liegenden Pflichtverletzung des Beklagten und dem vom
Kläger geltend gemachten Schaden.
Die Berufung des Beklagten gegen das Grundurteil des Landgerichts ist
folglich als unbegründet zurückzuweisen. Zur Klarstellung wird die Sache hin-
sichtlich des in erster Instanz anhängig gebliebenen Streits über den Betrag des
Anspruchs zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht
zurückverwiesen (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 1958 - III ZR 157/56, BGHZ 27,
15, 27; Stein/Jonas/Althammer, ZPO, 22. Aufl., § 538 Rn. 37 mwN). Die Kosten
beider Rechtsmittelzüge sind dem Beklagten aufzuerlegen (vgl. BGH, Urteil
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vom 27. April 1970 - III ZR 49/69, BGHZ 54, 21, 29; MünchKommZPO/Schulz,
4. Aufl., § 97 Rn. 6).
Bergmann Strohn Reichart
Drescher Born
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 15.12.2011 - 2-13 O 302/10 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 20.12.2013 - 8 U 25/12 -