Urteil des BGH vom 01.03.2011

Leitsatzentscheidung zu Amtspflicht, Report, Gesellschafterwechsel, Handelsregisterverordnung, Geschäftsführer

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZB 6/10
vom
1. März 2011
in der Handelsregistersache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GmbHG § 40; FamFG § 59
a) Weigert sich das Registergericht wegen formaler Beanstandungen, eine von ei-
nem Notar eingereichte Gesellschafterliste in den Registerordner aufzunehmen,
hat der Notar ein eigenes Beschwerderecht.
b) Die Umnummerierung abgetretener Geschäftsanteile in der Gesellschafterliste ist
dann zulässig, wenn jeder Geschäftsanteil durch die Angabe der bisherigen
Nummerierung zweifelsfrei zu identifizieren bleibt.
BGH, Beschluss vom 1. März 2011 - II ZB 6/10 - OLG Bamberg
AG
Coburg
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. März 2011 durch den
Richter Dr. Strohn, die Richterin Dr. Reichart sowie die Richter Dr. Drescher,
Born und Dr. Nedden-Boeger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers werden der Be-
schluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom
2. Februar 2010 und der Beschluss des Amtsgerichts Coburg
- Registergericht - vom 1. Dezember 2009 aufgehoben.
Das Registergericht wird angewiesen, die vom Antragsteller am
5. Dezember 2009 eingereichte Gesellschafterliste in den für das
Registerblatt bestimmten Registerordner aufzunehmen.
Der Geschäftswert wird auf 3.000 € festgesetzt.
Gründe:
I. Der Antragsteller beurkundete in seiner Eigenschaft als Notar die Über-
tragung sämtlicher insgesamt zwölf Geschäftsanteile an einer GmbH auf einen
neuen Gesellschafter. Nachdem der Gesellschafterwechsel wirksam geworden
war, reichte er zum Handelsregister eine aus sieben Spalten bestehende Ge-
sellschafterliste ein:
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Lfd. Nr.
der Ge-
schäftsan-
teile
Bisherige
lfd. Nr.
der Ge-
schäfts-
anteile
Gesellschafter
(Name, Vorname,
Geburtsdatum und
Wohnort bzw. Fir-
ma und Sitz)
Anzahl der
Geschäfts-
anteile
(Stück)
Nennbetrag
der einzelnen
Geschäftsan-
teile (in DM)
Summe
der Nenn-
beträge
Ver-
ände-
run-
gen
Unter den laufenden Nummern 1 bis 12 der ersten Spalte waren die Namen,
Geburtsdaten und Wohnorte der bisherigen Gesellschafter sowie deren Ge-
schäftsanteile nach Anzahl, Nennbetrag pro Stück und Summe der Nennbeträ-
ge eingetragen. Diese Eintragungen waren durchgestrichen. Unter den laufen-
den Nummern 13 bis 24 folgte jeweils der Name des neuen Gesellschafters mit
den fortgeschriebenen Angaben zu den zwölf erworbenen Geschäftsanteilen
einschließlich der Angabe der bisherigen Nummern. Mit dem angefochtenen
Beschluss hat das Registergericht die Aufnahme der eingereichten Gesellschaf-
terliste in den für das Registerblatt bestimmten Registerordner abgelehnt, weil
die einmal festgelegte Nummerierung der Geschäftsanteile auch nach einem
Gesellschafterwechsel beizubehalten sei.
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Die hiergegen vom Antragsteller eingelegte Beschwerde hat das Ober-
landesgericht (OLG Bamberg, ZIP 2010, 1394) zurückgewiesen. Zur Begrün-
dung hat es ausgeführt: Dem Registergericht stehe zwar kein materielles Prü-
fungsrecht hinsichtlich der nach § 40 Abs. 2 GmbHG einzureichenden Gesell-
schafterliste zu. Es habe jedoch zu prüfen, ob die Liste den formalen Anforde-
rungen des GmbHG entspreche, da die Norm gläubigerschützend im Sin-
ne von § 9c Abs. 2 Nr. 2 GmbHG sei. Im Rahmen dieser Prüfungskompetenz
habe das Registergericht die Umnummerierung der Geschäftsanteile zu Recht
beanstandet. Auf die Erforderlichkeit der Beibehaltung der einmal festgelegten
Nummerierung deute bereits der Wortlaut des § 40 Abs. 1 GmbHG hin. Außer-
dem sei die Norm im Zusammenhang mit der ebenfalls neu gefassten Vorschrift
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Nr. 3 GmbHG zum Inhalt der Gesellschafterliste bei Neugrün-
dung einer GmbH zu sehen, wonach bereits bei der Gründung der Gesellschaft
jedem vorhandenen Geschäftsanteil eine laufende Nummer zugeordnet werde.
Mit der neuen Gesellschafterliste seien daher nur die vorgenommenen Ände-
rungen zu dokumentieren, während die nicht von Änderungen betroffenen Ein-
tragungen der früheren Gesellschafterliste beibehalten werden müssten.
Schließlich entspreche die Beibehaltung der Nummerierung der Geschäftsantei-
le auch dem Sinn und Zweck der
durch das MoMiG erheblich aufgewertete Gesellschafterliste habe die Funktion
eines Rechtsscheinträgers erhalten und verlange deshalb nach einer übersicht-
lichen und eindeutigen Darstellung, aus der für einen Dritten zweifelsfrei er-
kennbar sei, welche Geschäftsanteile zum aktuellen Zeitpunkt vorhanden seien
und von wem der einzelne Geschäftsanteil derzeit gehalten werde. Diesen Er-
fordernissen werde eine Gesellschafterliste aber nur dann gerecht, wenn die
einmal vorgenommene Nummerierung in den nachfolgenden Listen beibehalten
werde.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der vom Oberlandesgericht
zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er die Aufnahme der Gesellschafter-
liste in den Registerordner weiterverfolgt.
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II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt - unter
Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen - zur Weisung an das Regis-
tergericht, die vom Antragsteller eingereichte Gesellschafterliste in den für das
Registerblatt bestimmten Registerordner aufzunehmen.
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1. Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur
Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der
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freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG) das seit 1. September 2009 geltende Ver-
fahrensrecht anwendbar, da der das Verfahren einleitende Antrag - hier in Form
der Einreichung der Gesellschafterliste - am 5. November 2009, also nach In-
krafttreten der Neuregelung, bei Gericht eingegangen ist.
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Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist gemäß
§ 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Rechtsbe-
schwerdebefugnis des beteiligten Notars ergibt sich daraus, dass seine Be-
schwerde gegen den Beschluss des Registergerichts ohne Erfolg geblieben ist.
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Oberlan-
desgericht hat die Beschwerde des Notars gegen den angefochtenen Be-
schluss des Registergerichts zu Unrecht zurückgewiesen, da diese zulässig
und begründet ist.
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a) Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde gegen den Be-
schluss des Registergerichts ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft. Nach die-
ser Vorschrift findet die Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergange-
nen Entscheidungen der Amts- und Landgerichte in "Angelegenheiten nach
diesem Gesetz" statt, also in Angelegenheiten nach dem FamFG. Zu diesen
Angelegenheiten gehört auch die in § 9 Abs. 1 Handelsregisterverordnung
(HRV) geregelte Aufnahme der Gesellschafterliste in den Registerordner, denn
die in der HRV ergänzend geregelten Verfahrensvorschriften beruhen auf der
Verordnungsermächtigung des § 387 Abs. 2 FamFG.
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Der einreichende Notar ist auch dazu befugt, die Beschwerde im eigenen
Namen einzulegen. Das folgt zwar noch nicht aus § 59 Abs. 2 FamFG. Danach
steht die Beschwerde, wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden
kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, allein dem Antragsteller zu. In
Fällen des § 59 Abs. 2 FamFG müssen immer auch die Voraussetzungen des
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§ 59 Abs. 1 FamFG erfüllt sein (BGH, Beschluss vom 27. August 2003
- XII ZB 33/00, FamRZ 2003, 1738, 1740 zu § 20 FGG; Unger in Schulte-
Bunert/Weinreich, FamFG, 2. Aufl., § 59 Rn. 25). Das ist hier aber der Fall.
Nach § 59 Abs. 1 FamFG steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den
Beschluss in eigenen Rechten beeinträchtigt ist. Durch die Ablehnung des Re-
gistergerichts, die vom Notar gemäß § 40 Abs. 2 GmbHG eingereichte Gesell-
schafterliste in den Registerordner aufzunehmen, wird (auch) der Notar in eige-
nen Rechten beeinträchtigt. Soweit die Beschwerdebefugnis des Notars von
Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung mit der Erwägung in Abrede ge-
stellt wird, der Notar habe seiner persönlichen Amtspflicht bereits mit der Ein-
reichung der Liste genügt, so dass ihn die Zurückweisung der Liste durch das
Registergericht nicht mehr in eigenen Rechten beeinträchtige (OLG Köln,
FGPrax 2010, 202), vermag der Senat dem nicht zu folgen.
§ 40 Abs. 2 GmbHG verpflichtet einen Notar, der an Veränderungen des
Gesellschafterbestandes mitgewirkt hat, unverzüglich nach deren Wirksamwer-
den die geänderte Gesellschafterliste anstelle der Geschäftsführer zu unter-
schreiben, zum Handelsregister einzureichen und eine Abschrift der geänderten
Liste an die Gesellschaft zu übermitteln. Der Notar kommt mit der Einreichung
der Liste zum Handelsregister einer ihm obliegenden Amtspflicht nach, die ihm
als Folgeverpflichtung aus seiner Mitwirkung an der Anteilsübertragung er-
wächst (OLG Köln, FGPrax 2010, 202; Altmeppen/Roth, GmbHG, 6. Aufl., § 40
Rn. 14; Scholz/Schneider, GmbHG, 10. Aufl., § 40 Rn. 38). Weist das Register-
gericht eine vom Notar eingereichte Gesellschafterliste zurück, macht es ihm
die Erfüllung seiner Amtspflicht streitig. Wäre die Zurückweisung berechtigt,
stünde der Notar weiterhin gemäß § 40 Abs. 2 GmbHG in der Amtspflicht, eine
(korrigierte) Gesellschafterliste einzureichen (im Ergebnis ebenso OLG Jena,
ZIP 2010, 831, 832).
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b) Die Beschwerde gegen den Beschluss des Registergerichts ist auch
begründet. Das Registergericht hat die eingereichte Gesellschafterliste zu Un-
recht zurückgewiesen.
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Dabei kann offen bleiben, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang
das Registergericht das Recht oder die Pflicht hat, die eingereichte Gesellschaf-
terliste zu prüfen (vgl. hierzu OLG München, NJW-RR 2009, 972, 973; OLG
Jena, ZIP 2010, 831; Nedden-Boeger in Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG,
2.
Aufl., Anh. §
387 Rn.
5a; Krafka/Willer/Kühn, Registerrecht, 8.
Aufl.,
Rn. 1105; Melchior/Schulte, Handelsregisterverordnung, § 9 Rn. 6; Gutachten
DNotI-Report 2009, 190, 193; Mayer, ZIP 2009, 1037, 1039; Scholz/Schneider,
GmbHG Nachtrag MoMiG, 10. Aufl., § 40 Rn. 36; Zöllner/Noack in Baumbach/
Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 40 Rn. 75; Wachter, GmbHR 2010, 596, 597,
ders., NZG 2009, 1001, 1002). Denn jedenfalls hat es die von dem Antragsteller
eingereichte Liste zu Unrecht beanstandet.
Die Umnummerierung der abgetretenen Geschäftsanteile unter Kenn-
zeichnung ihrer Herkunft ist zulässig (§ 40 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 1
GmbHG). Der Gesetzgeber hat den Grundsatz der Gliederungskontinuität, wie
er beispielsweise für den Jahresabschluss angeordnet ist (§ 265 Abs. 1 HGB),
in Bezug auf die Gesellschafterliste nicht aufgestellt. Ohnehin kann eine Stetig-
keit der Nummerierung nicht in allen Fällen durchgehalten werden, etwa nach
einer Teilung oder Zusammenlegung von Geschäftsanteilen, erst recht wenn
vormals geteilte Geschäftsanteile anschließend mit anderen Geschäftsanteilen
zusammengelegt werden. In solchen Fällen wird teils die Vergabe von Ab-
schnittsnummern (1.1, 1.2, ...), teils die Verwendung ergänzender Buchstaben
(1a, 1b, ...) und teils die Vergabe der nächst freien Nummern vorgeschlagen
(vgl. OLG Jena, ZIP 2010, 831, 832; Wicke, MittBayNot 2010, 283, 284; Gut-
achten DNotI-Report 2010, 147, 148 f.). Das Gesetz macht hierzu - soweit der
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Begriff der "laufenden Nummern" erfüllt bleibt - keine zwingende Vorgabe, ob-
wohl das Problem bereits im Gesetzgebungsverfahren bekannt war (vgl. die
Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins
Nr. 43/07 vom 5. September 2007 zum Regierungsentwurf des MoMiG, Rn. 28).
Sind in manchen Fällen Brüche in der Gliederungskontinuität unvermeidlich,
besteht keine Notwendigkeit, in allen übrigen Abtretungsfällen die Stetigkeit der
Nummerierung zu fordern, solange die Transparenz der Beteiligungsverhältnis-
se unter einer Umnummerierung nicht leidet und jeder Geschäftsanteil durch
die Angabe der bisherigen Nummerierung zweifelsfrei zu identifizieren bleibt.
Reine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte, die allerdings regelmäßig für eine Bei-
behaltung der Nummerierung sprechen, berühren die Rechtsgültigkeit der ein-
gereichten Liste nicht. Inhaltliche Zweifel daran, welche Geschäftsanteile be-
standen und durch welche Abtretungsketten diese in die Hand des neuen Ge-
sellschafters gelangt waren, konnten hier nicht aufkommen. Durch das Durch-
streichen der laufenden Nummern 1 bis 12 sowie durch die Veränderungs-
nachweise unter den laufenden Nummern 13 bis 24 ist die Zuordnung der Ge-
schäftsanteile gewährleistet.
Daher hätte das Oberlandesgericht der Beschwerde stattgeben und das
Registergericht zur Aufnahme der Gesellschafterliste in den Registerordner an-
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weisen müssen. Dieses kann der Senat selbst nachholen, weil die Sache zur
Endentscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG).
Strohn Reichart
Drescher
Born
Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Coburg, Entscheidung vom 01.12.2009 - HRB 428 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 02.02.2010 - 6 W 40/09 -