Urteil des BGH vom 19.11.2015

Verwandte Schutzrechte, Beschränkung, Koch, Eingrenzung

ECLI:DE:BGH:2016:191115IZR58.14.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 58/14
vom
19. November 2015
in dem Rechtsstreit
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. November 2015
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Koch,
Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Feddersen
beschlossen:
Die Revision der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 3 gegen das
Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am
Main vom 12. November 2013 wird insoweit als unzulässig verwor-
fen, als das Berufungsgericht Ansprüche der Klägerin zu 1 und
des Klägers zu 3 aus dem Gesetz über Urheberrecht und ver-
wandte Schutzrechte abgewiesen hat.
Die Beschwerde der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 3 gegen die
Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Urteil wird
zurückgewiesen.
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 11. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 12. November
2013 wird insoweit als unzulässig verworfen, als sie sich gegen die
Verurteilung gegenüber dem Kläger zu 2 wendet.
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem vorbezeichneten Urteil wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisions- und des Be-
schwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
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Gründe:
I. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf lau-
terkeitsrechtliche Ansprüche der Klägerin beschränkt. Soweit die Revisionen
der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 3 sowie der Beklagten das Berufungsurteil
darüber hinaus angreifen, ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen
(§ 552 Abs. 1 ZPO).
1. Die Revision ist nur eingeschränkt zulässig. Der Entscheidungssatz
des Berufungsurteils enthält zwar keine Beschränkung der Revisionszulassung.
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch anerkannt, dass sich
eine Eingrenzung der Zulassung der Revision auch aus den Entscheidungs-
gründen ergeben kann (st. Rspr., etwa BGH, Urteil vom 12. November 2003
- XII ZR 109/01, NJW 2004, 1324; Urteil vom 17. Januar 2008 - IX ZR 172/06,
WM 2008, 748 Rn. 8; Urteil vom 12. Mai 2010 - VIII ZR 96/09, NJW 2010, 3015
Rn. 18; Versäumnisurteil vom 10. Mai 2012 - IX ZR 143/11, WM 2012, 1451
Rn. 4; Urteil vom 29. Januar 2013 - II ZR 91/11, WM 2013, 468 Rn. 8, jeweils
mwN). Der Grundsatz der Rechtsmittelklarheit, wonach es für die Parteien zwei-
felsfrei zu erkennen sein muss, welches Rechtsmittel für sie in Betracht kommt
und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist (vgl. BVerfGE 108, 341,
349), verlangt jedoch, dass eine Eingrenzung der Zulassung der Revision zwei-
felsfrei geschehen muss. Die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der
Revision reicht grundsätzlich nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung
des Rechtsmittels auszugehen (BGH, Urteil vom 27. März 2013 - I ZR 9/12,
GRUR 2013, 1213 Rn. 14 = WRP 2013, 1620 - SUMO; Urteil vom 9. Oktober
2014 - I ZR 162/13, GRUR 2015, 498 Rn. 12 = WRP 2015, 569 - Combiotik,
jeweils mwN). Eine beschränkte Zulassung der Revision liegt aber vor, wenn
die Zulassung wegen einer bestimmten Rechtsfrage ausgesprochen wird, die
lediglich für die Entscheidung über einen selbständigen Teil des Gesamtstreit-
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stoffs erheblich sein kann (BGH, WM 2008, 748 Rn. 8; BGH, Urteil vom
28. Oktober 2009 - VIII ZR 164/08, WuM 2009, 733 Rn. 11; Urteil vom 27. Sep-
tember 2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 18; Urteil vom 17. April 2012
- II ZR 152/10, juris Rn. 13, jeweils mwN).
Im Streitfall ergibt die gebotene Auslegung der Entscheidungsgründe des
Berufungsurteils, dass die Zulassung der Revision auf lauterkeitsrechtliche An-
sprüche begrenzt ist und nicht die ebenfalls im Streit befindlichen urheberrecht-
lichen Ansprüche erfasst. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Revision sei
“hinsichtlich der Frage der zeitlichen Befristung von ergänzenden wettbewerbli-
chen Leistungsschutzansprüchen
“ zuzulassen. Lauterkeitsrechtliche Ansprüche
sind nur von der Klägerin zu 1 - als Mitbewerberin der Beklagten - geltend ge-
macht worden, während die Kläger zu 2 und 3 ihr Klagebegehren lediglich auf
urheberrechtliche Ansprüche gestützt haben. Die Entscheidung über die Zulas-
sung der Revision ist damit eindeutig so zu verstehen, dass das Berufungsge-
richt die Revision nur der Klägerin und auch nur insoweit eröffnet hat, als sie
einen Wettbewerbsverstoß der Beklagten verfolgt.
2. Diese Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam. Die Zulas-
sung der Revision kann zwar nicht auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchs-
elemente beschränkt werden, wohl aber auf einen tatsächlich und rechtlich
selbständigen und damit abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den
auch die Partei selbst ihre Revision beschränken könnte (BGH, Urteil vom
12. November 2004 - V ZR 42/04, NJW 2005, 894, 895, insoweit nicht abge-
druckt in BGHZ 161, 115; Urteil vom 27. September 2011 - XI ZR 182/10, WM
2011, 2268 Rn. 8, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 191, 119; Beschluss vom
16. Oktober 2012 - XI ZR 368/11, juris Rn. 14, jeweils mwN). Dafür reicht es
aus, dass der von der Zulassungsbeschränkung betroffene Teil des Streits in
tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff
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beurteilt werden kann und kein Widerspruch zwischen dem noch zur Entschei-
dung stehenden und dem unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann
(BGH, Urteil vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02, WM 2003, 2232, 2233;
Urteil vom 13. November 2012 - XI ZR 334/11, WM 2013, 24 Rn. 9; Beschluss
vom 15. Januar 2013 - XI ZR 400/11, juris Rn. 8, jeweils mwN).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Bei der Beschränkung
der Revisionszulassung auf lauterkeitsrechtliche Ansprüche der Klägerin han-
delt es sich um einen rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Ge-
samtstreitstoffs. Die von den Klägern geltend gemachten urheberrechtlichen
Ansprüche betreffen einen anderen Lebenssachverhalt (Klagegrund) und damit
zugleich einen anderen Streitgegenstand (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März
2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rn. 3 - TÜV I; Urteil vom 17. August 2011
- I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 Rn. 26 = WRP 2011, 1454 - TÜV II, jeweils
mwN). Die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen besteht nicht, da eine in-
haltliche Verknüpfung der lauterkeitsrechtlichen und urheberrechtlichen An-
sprüche nicht besteht. Die von den Parteien im Nichtzulassungsbeschwerdever-
fahren erhobenen Rügen bleiben ohne Einfluss auf die revisionsrechtliche Beur-
teilung des vom Berufungsgericht zugelassenen Teils, der die lauterkeitsrechtli-
chen Ansprüche betrifft, wie auch umgekehrt die Revisionsrügen nicht untrenn-
bar mit den urheberrechtlichen Fragen des Streitfalls verbunden sind.
II. Soweit die Revision vom Berufungsgericht nicht zugelassen worden
ist, ist sie auch nicht auf die von der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 3 sowie
von der Beklagten jeweils hilfsweise eingelegten Nichtzulassungsbeschwerden
zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die auf
die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten Rügen nicht durchgrei-
fen und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch im Übrigen
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nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird
gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Büscher
Koch
Löffler
Schwonke
Feddersen
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 06.06.2008 - 2-3 O 629/00 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 12.11.2013 - 11 U 48/08 -