Urteil des BGH vom 12.03.2015

RESCUE-Produkte Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I Z R 2 9 / 1 3
Verkündet am:
12. März 2015
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
RESCUE-Produkte
Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Art. 4 Abs. 3, Art. 10 Abs. 3, Art. 5 Abs. 1
Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 2
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Art. 4
Abs. 3, Art. 10 Abs. 3, Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 2
der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene An-
gaben über Lebensmittel (ABl. Nr. L 404 vom 30. Dezember 2006, S. 9) in der
zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 1047/2012 der Kommission vom
8. November 2012 (ABl. Nr. L 310 vom 9. November 2012, S. 36) geänderten
Fassung folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Sind in Pipettenfläschchen mit einem Inhalt von 10 oder 20 ml und
als Spray über Apotheken vertriebene, als Spirituosen bezeichne-
te Flüssigkeiten mit einem Alkoholgehalt von 27 Volumenprozent
Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumen-
prozent im Sinne von Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006, wenn nach den auf ihren Verpackungen gegebe-
nen Dosierungshinweisen
- 2 -
a) vier Tropfen der Flüssigkeit in ein Wasserglas zu geben und
über den Tag verteilt zu trinken oder bei Bedarf vier Tropfen
unverdünnt zu sich zu nehmen sind,
b) zwei Sprühstöße der als Spray vertriebenen Flüssigkeit auf
die Zunge zu geben sind?
2. Falls die Fragen zu 1 a und b zu verneinen sind:
Müssen auch bei Verweisen auf allgemeine, nicht spezifische Vor-
teile im Sinne des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006 Nachweise im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a
und Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung vorliegen?
3. Gilt die Bestimmung des Art. 28 Abs. 2 Halbs. 1 der Verordnung
(EG) Nr. 1924/2006, wenn das betreffende Produkt unter seinem
Markennamen vor dem 1. Januar 2005 nicht als Lebensmittel,
sondern als Arzneimittel vermarktet wurde?
BGH, Beschluss vom 12. März 2015 - I ZR 29/13 - OLG München
LG München I
- 3 -
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 11. Dezember 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher,
die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Dr. Koch und Feddersen
beschlossen:
I.
Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Ausle-
gung der Art. 4 Abs. 3, Art. 10 Abs. 3, Art. 5 Abs. 1 Buchst. a,
Art. 6 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbe-
zogene Angaben über Lebensmittel (ABl. Nr. L 404 vom
30. Dezember 2006, S. 9) in der zuletzt durch die Verordnung
(EU) Nr. 1047/2012 der Kommission vom 8. November 2012
(ABl. Nr. L 310 vom 9. November 2012, S. 36) geänderten
Fassung folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Sind in Pipettenfläschchen mit einem Inhalt von 10 oder
20 ml und als Spray über Apotheken vertriebene, als
Spirituosen bezeichnete Flüssigkeiten mit einem Alko-
holgehalt von 27 Volumenprozent Getränke mit einem
Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent im
Sinne von Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006, wenn nach den auf ihren Verpackungen
gegebenen Dosierungshinweisen
- 4 -
a) vier Tropfen der Flüssigkeit in ein Wasserglas zu ge-
ben und über den Tag verteilt zu trinken oder bei Be-
darf vier Tropfen unverdünnt zu sich zu nehmen sind,
b) zwei Sprühstöße der als Spray vertriebenen Flüssig-
keit auf die Zunge zu geben sind?
2. Falls die Fragen zu 1 a und b zu verneinen sind:
Müssen auch bei Verweisen auf allgemeine, nicht spe-
zifische Vorteile im Sinne des Art. 10 Abs. 3 der Ver-
ordnung (EG) Nr. 1924/2006 Nachweise im Sinne von
Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 dieser Verord-
nung vorliegen?
3. Gilt die Bestimmung des Art. 28 Abs. 2 Halbs. 1 der
Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, wenn das betreffende
Produkt unter seinem Markennamen vor dem 1. Januar
2005 nicht als Lebensmittel, sondern als Arzneimittel
vermarktet wurde?
Gründe:
I. Die Beklagte vertreibt in Deutschland über Apotheken Bach-Blüten-
Produkte, darunter sogenannte "RESCUE"-Produkte in Pipettenfläschchen mit
einem Inhalt von 10 oder 20 ml und als Spray. Diese tragen die Bezeichnung
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"Spirituose" und haben einen Alkoholgehalt von 27 Volumenprozent. Ihre Pro-
duktverpackungen enthalten die folgenden Dosierungshinweise:
ORIGINAL RESCUE TROPFEN
4 Tropfen in ein Wasserglas geben und über den Tag verteilt trinken oder bei
Bedarf 4 Tropfen unverdünnt zu sich nehmen.
RESCUE NIGHT SPRAY
2 Sprühstösse auf die Zunge geben.
Die Klägerinnen vertreiben nach ihrem Vortrag auf dem deutschen Markt
ebenfalls Bach-Blüten-Produkte. Mit der Klage haben sie in erster Linie ein ge-
nerelles Verbot des Vertriebs von Bach-Blüten-Produkten durch die Beklagte
ohne arzneimittelrechtliche Zulassung oder Registrierung erstrebt. Außerdem
haben sie sich gegen eine Vielzahl von Werbeaussagen sowie gegen den
Marktauftritt der Beklagten mit den "RESCUE"-Produkten mit der Begründung
gewandt, die Beklagte werbe in wettbewerbswidriger Weise für alkoholhaltige
Getränke mit Hinweisen auf eine gesundheitsfördernde oder gesundheitlich un-
bedenkliche Wirkung.
Die Beklagte hat geltend gemacht, sie habe unter den angegriffenen Be-
zeichnungen das unveränderte Produkt schon vor dem 1. Januar 2005 in Ver-
kehr gebracht.
Das Landgericht hat die Beklagte gemäß ihrem Anerkenntnis zur Unter-
lassung einzelner Werbeaussagen mit der Bezeichnung "Bach-Blüten" verurteilt
und die Klage im Übrigen abgewiesen. Soweit für das Revisionsverfahren noch
von Bedeutung, haben die Klägerinnen im zweiten Rechtszug hilfsweise bean-
tragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu ver-
urteilen, es zu unterlassen,
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im geschäftlichen Verkehr als Spirituosen gekennzeichnete Produkte unter der
Bezeichnung "RESCUE TROPFEN" und/oder "RESCUE NIGHT SPRAY" zu
bewerben und/oder zu vertreiben.
Die Berufung der Klägerinnen hatte insoweit Erfolg, als das Berufungsge-
richt die Beklagte nach diesem Hilfsantrag zur Unterlassung verurteilt hat (OLG
München, LMuR 2013, 87 = LRE 67, 357).
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die
Klägerinnen beantragen, erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der
Klage mit diesem Hilfsantrag.
II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung der Art. 4 Abs. 3,
Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1, Art. 10 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 2 der Ver-
ordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über
Lebensmittel (ABl. Nr. L 404 vom 30. Dezember 2006, S. 9) in der zuletzt durch
die Verordnung (EU) Nr. 1047/2012 der Kommission vom 8. November 2012
(ABl. Nr. L 310 vom 9. November 2012, S. 36) geänderten Fassung (nachfol-
gend: Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) ab. Vor einer Entscheidung ist deshalb
das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3
AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ein-
zuholen.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, den Klägerinnen stehe der
von ihnen im zweiten Rechtszug hilfsweise geltend gemachte Unterlassungs-
anspruch nach §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG zu, weil die Bewerbung und der Vertrieb
der als Spirituosen gekennzeichneten Produkte unter den Bezeichnungen
"RESCUE TROPFEN" und "RESCUE NIGHT SPRAY" gegen Art. 4 Abs. 3 der
Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene An-
gaben über Lebensmittel verstießen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
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Die Klägerinnen seien als Mitbewerberinnen zur Geltendmachung des
wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs berechtigt, weil jedenfalls zwi-
schen den von ihnen vertriebenen Nahrungsergänzungsmitteln und den Bach-
Blüten-Präparaten der Beklagten Warennähe bestehe, die ein konkretes Wett-
bewerbsverhältnis begründe. Die Klägerinnen hätten auch hinreichend substan-
tiiert dargelegt, dass ihre unternehmerische Tätigkeit auf den Absatz entspre-
chender Produkte gerichtet sei.
Die angegriffenen "RESCUE"-Produkte seien alkoholische Getränke, die
nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 keine ge-
sundheitsbezogenen Angaben tragen dürften. Dies gelte grundsätzlich für alle
zum allgemeinen menschlichen Verzehr bestimmten Flüssigkeiten, deren Alko-
holgehalt 1,2 Volumenprozent übersteige. Darreichungen in flüssiger Form sei-
en nach dem Schutzzweck dieser Verordnung nur dann ausgenommen, wenn
es sich um Nahrungsergänzungsmittel handele. Dies sei bei den Bach-Blüten-
Produkten der Beklagten nicht der Fall. Die Bezeichnung "RESCUE" enthalte
eine gesundheitsbezogene Angabe. Sie löse beim angesprochenen Verkehr die
Vorstellung aus, dass man die Produkte zur Rettung aus einer schlechten ge-
sundheitlichen Situation einsetzen könne. Damit bestehe ein Zusammenhang
zwischen der Angabe und einer Verbesserung des Gesundheitszustandes.
2. Der Erfolg der gegen diese Beurteilung gerichteten Revision der Be-
klagten hängt von der Antwort auf die eingangs gestellten Fragen ab.
a) Der Senat geht davon aus, dass das Berufungsgericht den in der Re-
visionsinstanz noch streitgegenständlichen Hilfsantrag mit Recht als zulässig
angesehen und zutreffend angenommen hat, dass zwischen den Parteien ein
konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht und die Klägerinnen die Beklagte
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daher bei wettbewerbswidrigem Verhalten gemäß § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 UWG
auf Unterlassung in Anspruch nehmen können.
b) Der Senat neigt der Ansicht zu, dass sich die Revision mit Recht ge-
gen die Annahme des Berufungsgerichts wendet, die "RESCUE"-Produkte der
Beklagten seien alkoholische Getränke im Sinne von Art. 4 Abs. 3 der Verord-
nung (EG) Nr. 1924/2006 (Vorlagefrage 1 a und b). Die sich in diesem Zusam-
menhang stellenden unionsrechtlichen Fragen erscheinen jedoch noch nicht
abschließend geklärt, so dass eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäi-
schen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV geboten ist (vgl. EuGH, Urteil vom
6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257
- C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 11. September 2008 - C-428/06 bis C-434/06, Slg.
2008, I-6747 = EuZW 2008, 758 Rn. 42 - UGT Rioja u.a.).
aa) Nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dürfen Ge-
tränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent keine ge-
sundheitsbezogenen Angaben tragen (Unterabs. 1). Zulässig sind nur nähr-
wertbezogene Angaben, die sich auf einen geringen Alkoholgehalt oder eine
Reduzierung des Alkoholgehalts oder eine Reduzierung des Brennwerts bezie-
hen (Unterabs. 2). Nicht als Getränke im Sinne der Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006 gelten nach deren Erwägungsgrund 13 allerdings Nahrungser-
gänzungsmittel, die in flüssiger Form dargereicht werden und mehr als
1,2 Volumenprozent Alkohol enthalten.
bb) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass Art. 4
Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 eine Marktverhaltens-
regelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG darstellt, deren Verletzung geeignet ist,
die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen (vgl. BGH, Be-
schluss vom 13. Januar 2011 - I ZR 22/09, GRUR 2011, 246 Rn. 12 = WRP
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2011, 344 - Gurktaler Kräuterlikör; Urteil vom 9. Oktober 2014 - I ZR 167/12,
GRUR 2014, 1224 Rn. 11 = WRP 2014, 1453 - ENERGY & VODKA). Die Richt-
linie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die nach ihrem Artikel 4 in
ihrem Anwendungsbereich (Art. 3) zu einer vollständigen Harmonisierung des
Lauterkeitsrechts geführt hat, kennt zwar keinen der Bestimmung des § 4 Nr. 11
UWG entsprechenden Unlauterkeitstatbestand. Dieser Umstand steht der An-
wendung der genannten Vorschrift aber deshalb nicht entgegen, weil die
Rechtsvorschriften der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten in Bezug
auf die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten und damit die
Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nach Art. 3 Abs. 3 und Er-
wägungsgrund 9 der Richtlinie 2005/29/EG von dieser unberührt bleiben (vgl.
BGH, Urteil vom 17. Januar 2013 - I ZR 5/12, GRUR 2013, 958 Rn. 22 = WRP
2013, 1179 - Vitalpilze).
cc) Nach Ansicht des Berufungsgerichts fallen unter das in Art. 4 Abs. 3
der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 enthaltene, weit zu verstehende Tatbe-
standsmerkmal "Getränk" mit Ausnahme von Nahrungsergänzungsmitteln alle
zum allgemeinen menschlichen Verzehr bestimmten Flüssigkeiten, deren Alko-
holgehalt 1,2 Volumenprozent übersteigt. Aus der auf den Etiketten der "RES-
CUE TROPFEN" angegebenen Verzehrempfehlung - "4 Tropfen in ein Wasser-
glas geben und über den Tag verteilt zu sich nehmen" - folge, dass es sich bei
den verfahrensgegenständlichen "Bach Blüten in flüssiger Form" um Getränke
handele. Der Senat hat Bedenken, mit dieser Begründung die in Fläschchen
und als Spray vertriebenen Flüssigkeiten als Getränke im Sinne von Art. 4
Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 einzuordnen.
(1) Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sind in Deutschland "Ge-
tränke" alle flüssigen Lebensmittel, die aus Tassen, Gläsern oder ähnlichen Be-
hältnissen getrunken werden. Es besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass im
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Rahmen der unionsrechtlichen Begriffsbestimmung unter "Getränken" etwas
anderes als nach deutschem Sprachgebrauch zu verstehen ist (vgl. Rathke in
Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 111, 152. Lief. März 2013, Art. 4 Verord-
nung (EG) Nr. 1924/2006 Rn. 6 und C 101, 150. Lief. November 2012, Art. 2
Verordnung (EG) Nr. 178/2002 Rn. 35). Das Berufungsgericht hat demgegen-
über angenommen, der umfassende und insbesondere in den Erwägungsgrün-
den 9 und 12 zum Ausdruck kommende Schutzzweck der Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006 erfordere deren weite Auslegung. Daraus lässt sich allerdings
kein über den Wortsinn hinausgehendes Verständnis des Begriffs "Getränke"
herleiten.
(2) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat im Blick auf das aus-
nahmslose Verbot gesundheitsbezogener Angaben für alkoholische Getränke
im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dar-
auf hingewiesen, dass der Gesundheitsschutz nach den Erwägungsgründen 1
und 18 dieser Verordnung zu deren Hauptzwecken gehört und alkoholische
Getränke wegen der Abhängigkeits- und Missbrauchsrisiken sowie der erwie-
senen komplexen schädigenden Wirkungen des Alkoholkonsums eine spezielle
Lebensmittelkategorie darstellen, die einer besonders strengen Regelung unter-
liegt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. September 2012 - C-544/10, GRUR 2012, 1161
Rn. 45 und 48 = WRP 2012, 1368 - Deutsches Weintor, mwN). Diese Erwägun-
gen erfordern keine Einordnung der "RESCUE"-Produkte als alkoholische Ge-
tränke im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/
2006, da sie bestimmungsgemäß nur in ganz geringen Mengen und nicht im
Hinblick auf eine berauschende Wirkung zu konsumieren sind. Dies gilt im Er-
gebnis sowohl für das "RESCUE NIGHT SPRAY" als auch für die "RESCUE
TROPFEN".
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Gegen eine Einordnung des Produkts "RESCUE NIGHT SPRAY" als al-
koholisches Getränk im Sinne des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006 spricht nach Ansicht des Senats, dass dieses Produkt - nicht
anders als etwa Atemsprays, die der Verkehr unabhängig von einem etwaigen
Alkoholgehalt ebenfalls nicht als Getränk ansieht - bestimmungsgemäß in den
Mundraum gesprüht und dort praktisch absorbiert wird. Das Erzeugnis ist da-
nach nicht dazu bestimmt, getrunken zu werden. Es sind keine Umstände er-
sichtlich, die dafür sprechen könnten, dass der Durchschnittsverbraucher ein
Spray wie das hier zu beurteilende "RESCUE NIGHT SPRAY" als alkoholisches
Getränk auffasst.
Dasselbe gilt für die "RESCUE TROPFEN", die - wie auf ihrer Verpa-
ckung beschrieben - bei Bedarf unverdünnt tropfenweise eingenommen werden
und die bis zu ihrer Resorption im Mund verbleiben. Aber auch soweit die Trop-
fen - mit Speichel vermischt - geschluckt oder - entsprechend der alternativen
Verzehrempfehlung auf der Verpackung - mit einem Glas Wasser getrunken
werden, führt dies nicht zu ihrer Qualifizierung als Getränk im Sinne von Art. 4
Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Diese Formen der Auf-
nahme des Produkts ändern nichts daran, dass der Verbraucher das Produkt
bestimmungsgemäß nur tropfenweise unverdünnt oder verdünnt als Zusatz zu
einem Getränk (Wasser) zu sich nimmt und dem Körper damit selbst bei regel-
mäßiger Einnahme keine Alkoholmenge zugeführt wird, die als gesundheits-
schädlich eingeordnet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 2014
- I ZR 221/12, GRUR 2014, 1013 Rn. 17 = WRP 2014, 1184 - Original Bach-
Blüten). Der Schutzzweck der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, der ersichtlich
"herkömmliche" oder "gängige" alkoholische Getränke im Blick hat (vgl. auch
Haber in Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims,
18. Lief. November 2012, Art. 4 Rn. 37a), spricht damit ebenfalls gegen eine
Einordnung der "RESCUE TROPFEN" der Beklagten als Getränk im Sinne der
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Verordnung (ebenso im Ergebnis Rathke in Zipfel/Rathke aaO C 111, 152. Lief.
März 2013, Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Rn. 6).
(3) Eine von den Verzehrempfehlungen abweichende höhere Dosierung
liegt nach den gegebenen Umständen fern, so dass ein solcher Konsum auch
nicht im Sinne von Art. 2 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zur
Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittel-
rechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und
zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit erwartet werden kann.
Die Revision weist in diesem Zusammenhang mit Recht darauf hin, dass der
Vertrieb über Apotheken, die Darreichungsform als Spray und in einer Pipetten-
flasche, die sehr kleinen Abpackungen von 10 ml oder 20 ml sowie der Preis
dagegen sprechen, dass die "RESCUE"-Produkte der Beklagten entgegen den
Dosierungsangaben als Rauschmittel konsumiert werden.
(4) Der vorstehenden Beurteilung entspricht es, dass nach Erwägungs-
grund 13 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auch flüssige Nahrungsergän-
zungsmittel mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent, die auf-
grund der Art und Weise ihrer Verwendung den im Streitfall in Rede stehenden
Bach-Blüten-Präparaten bei wertender Betrachtung näher stehen als herkömm-
liche alkoholische Getränke, generell nicht als Getränke angesehen werden
(differenzierend nach der Darreichungsform allerdings Rathke in Zipfel/Rathke
aaO C 111, 152. Lief. März 2013, Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Rn. 6).
Dieser Beurteilung steht daher auch nicht entgegen, dass die streitgegenständ-
lichen "RESCUE"-Produkte wegen ihres 15 Volumenprozent übersteigenden
Alkoholgehalts Spirituosen im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG)
Nr. 110/2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettie-
rung von Spirituosen sowie zum Schutz geographischer Angaben für Spirituo-
sen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1576/89 sind und als solche
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gekennzeichnet werden (vgl. BGH, GRUR 2014, 1013 Rn. 17 - Original Bach-
Blüten).
(5) Bei diesen Gegebenheiten kommt es nicht mehr darauf an, ob - wie
die Revision weiterhin vorbringt - der Annahme eines alkoholischen Getränks
auch entgegensteht, dass - was als naheliegend erscheint - der für die Anwen-
dung des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 maßgebliche Wert
von 1,2 Volumenprozent Alkohol infolge einer Vermischung mit Speichel oder
Wasser unterschritten wird.
c) Sollten die Fragen zu 1 a und b verneint werden, kann auf der Grund-
lage der bislang getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt wer-
den, ob den Klägerinnen der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Unterlas-
sungsanspruch aus anderen Gründen zusteht. In diesem Zusammenhang
kommt es darauf an, ob auch bei Verweisen auf allgemeine, nicht spezifische
Vorteile im Sinne des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Nach-
weise im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung
vorliegen müssen (Vorlagefrage 2).
aa) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass es sich bei den
angegriffenen Bezeichnungen "RESCUE TROPFEN" und "RESCUE NIGHT
SPRAY" um gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5
der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 handelt. Auch der Senat sieht in den Be-
zeichnungen gesundheitsbezogene Angaben im Sinne der Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006.
(1) Das Berufungsgericht hat festgestellt, die Bedeutung des Begriffs
"RESCUE" sei den angesprochenen, der englischen Sprache heutzutage kun-
digen Verkehrskreisen bekannt. Die Bezeichnung löse bei den angesprochenen
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Verbrauchern die Vorstellung aus, dass die Tropfen und das Spray zur Rettung
aus einer schlechten gesundheitlichen Situation einzusetzen seien und deshalb
eine die gesundheitliche Situation verbessernde Wirkung hätten. Es bestehe
damit ein Zusammenhang zwischen den gesundheitsbezogenen Angaben
"RESCUE TROPFEN" und "RESCUE NIGHT SPRAY" einerseits und einer
Verbesserung des Gesundheitszustands andererseits. Die gegen diese tatrich-
terliche Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision sieht der Senat nicht als
durchgreifend an.
(2) Das Berufungsgericht ist unausgesprochen davon ausgegangen, die
Bezeichnung "RESCUE", die keine rechtlich zwingend vorgeschriebene Kenn-
zeichnung sei, suggeriere, das unter dieser Bezeichnung vertriebene Lebens-
mittel besitze insofern besondere Eigenschaften, als es zur Rettung in negati-
ven Situationen geeignet sei. Dies rechtfertigt zwar für sich allein gesehen noch
nicht die Annahme, die damit verbundene Angabe im Sinne von Artikel 2 Abs. 2
Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 sei auch gesundheitsbezogen im
Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 dieser Verordnung. Für den Verkehr, dem Ge-
sundheitsprodukte in Tropfen- oder Sprayform bekannt sind, ergibt sich aber
aus der Art der Produkte, ihrer Anwendungsweise und ihrer hierauf bezogenen
Bezeichnung als "RESCUE TROPFEN" beziehungsweise "RESCUE NIGHT
SPRAY", dass damit eine Rettung aus einer in gesundheitlicher Hinsicht negati-
ven physischen oder psychischen Lage gemeint ist und die Produkte daher das
gesundheitliche Wohlbefinden verbessern sollen. Dies reicht für die Bejahung
eines zumindest weiten Zusammenhangs aus. Der Streitfall ist insoweit anders
gelagert als derjenige, der der Senatsentscheidung "Original Bach-Blüten" zu-
grunde gelegen hat. Die Bezeichnung "Original Bach-Blüten" ist für sich ge-
nommen in Bezug auf die Gesundheit neutral und stellt daher auch für Verbrau-
cher, die wissen, dass diese Präparate das seelische Gleichgewicht wiederher-
stellen sollen, keine gesundheitsbezogene Angabe dar (vgl. BGH, GRUR 2014,
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1013 Rn. 29 - Original Bach-Blüten). Demgegenüber stellen die im Streitfall an-
gegriffenen Bezeichnungen auch für sich betrachtet einen jedenfalls mittelbaren
Zusammenhang zwischen ihren behaupteten besonderen Eigenschaften und
der Gesundheit her.
bb) Der Einordnung der angegriffenen Bezeichnungen als gesundheits-
bezogene Angaben steht nicht entgegen, dass diese keine nach Art. 13 oder 14
der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zulassungsfähigen Angaben, sondern le-
diglich einen Verweis auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile für die Gesund-
heit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden im Sinne von
Art. 10 Abs. 3 dieser Verordnung enthalten.
(1) Bei Verweisen im Sinne dieser Bestimmung handelt es sich um ge-
sundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verord-
nung (EG) Nr. 1924/2006 (vgl. BGH, GRUR 2013, 958 Rn. 11 - Vitalpilze; BGH,
Urteil vom 12. Februar 2015 - I ZR 36/11, juris Rn. 36 - Monsterbacke II;
Meisterernst in Meisterernst/Haber aaO 21. Lief. November 2013, Art. 10
Rn. 18; Rathke in Zipfel/Rathke aaO C 111, 152. Lief. März 2013, Art. 2 Ver-
ordnung (EG)
Nr. 1924/2006
Rn. 46
und
Art. 10
Verordnung
(EG)
Nr. 1924/2006 Rn. 7 und 32). Bei ihnen wird ebenfalls erklärt, suggeriert oder
mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass ein Zusammenhang zwischen einer Le-
bensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einer-
seits und der Gesundheit andererseits besteht. Sie unterfallen nach Ansicht des
Senats nur deshalb nicht dem Verbot des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006, weil sie nicht zulassungsfähig sind. Die Bestimmung des Art. 10
Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 stellt damit eine der Besonderheit
von Verweisen auf nichtspezifische Vorteile Rechnung tragende lex specialis
gegenüber der allgemeinen Regelung des Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung
dar.
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(2) Die Bezeichnungen "RESCUE TROPFEN" und "RESCUE NIGHT
SPRAY" enthalten jeweils einen Verweis auf allgemeine, nichtspezifische Vor-
teile für die Gesundheit oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden im Sinne
von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Von einem solchen
Verweis ist auszugehen, wenn allgemein und unspezifisch auf Vorteile des Le-
bensmittels (oder Nährstoffs) hingewiesen wird, ohne dass dabei konkrete Wir-
kungen für bestimmte Körperfunktionen angegeben werden (vgl. Rathke in Zip-
fel/Rathke aaO C 111, 152. Lief. März 2013, Art. 10 Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006 Rn. 34). Diese Voraussetzung ist bei den zwei im Streitfall zu
beurteilenden Bezeichnungen erfüllt. Diese nehmen zwar auf das durch die
Einnahme der Produkte zu steigernde gesundheitliche Wohlbefinden, nicht aber
auf bestimmte dadurch zu fördernde Körperfunktionen Bezug.
cc) Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile für die Gesundheit
oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden sind nach Art. 10 Abs. 3 der Ver-
ordnung (EG) Nr. 1924/2006 nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen
nach Artikel 13 oder 14 dieser Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbe-
zogene Angabe beigefügt ist. Solange diese Listen noch nicht erstellt sind, kann
Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 allerdings nicht vollzogen
werden, weshalb entsprechende Verweise nicht unzulässig sind (vgl. BGH,
GRUR 2013, 958 Rn. 15 - Vitalpilze; aA allerdings OLG Hamm, Urteil vom
7. Oktober 2014 - 4 U 138/13, juris Rn. 68 bis 76; Stallberg, LMuR 2013, 189,
190; Hagenmeyer, ZLR 2013, 702, 704; Grundmann, LMuR 2014, 1 f.). Die
(Teil-)Liste nach Art. 13 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, die die
Kommission mit der Verordnung (EG) Nr. 432/2012 zur Festlegung einer Liste
zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als An-
gaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und
die Gesundheit von Kindern vorgelegt hat, enthält jedenfalls keine den streitge-
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genständlichen Bezeichnungen entsprechende spezielle gesundheitsbezogene
Angabe.
dd) Handelt es sich bei den angegriffenen Angaben danach um Verweise
auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile für die Gesundheit, stellt sich die Fra-
ge, ob die im Kapitel II enthaltenen Anforderungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a
und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung für diese Verweise Anwendung finden.
(1) Allerdings enthält Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006
anders als Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung keinen Verweis auf die allgemei-
nen Anforderungen in Kapitel II der Verordnung. Insoweit gelten nach Meinung
des Senats die Maßgaben der allgemeinen Regelungen ohne Verweisung für
sämtliche Angaben. Deshalb handelt es sich bei der in Art. 10 Abs. 1 der Ver-
ordnung (EG) Nr. 1924/2006 enthaltenen Verweisung auf die allgemeinen An-
forderungen dieser Verordnung lediglich um eine an sich entbehrliche redaktio-
nelle Klarstellung (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke aaO C 111, 152. Lief. März
2013, Art. 10 Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Rn. 1). Die in Kapitel II der Ver-
ordnung (EG) Nr. 1924/2006 aufgestellten allgemeinen Anforderungen gelten
unabhängig von dem in Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung geregelten Verbot und
sind damit auch für Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung zu
beachten (vgl. Nr. 3 des Anhangs zum Durchführungsbeschluss der Kommissi-
on zur Annahme von Leitlinien zur Umsetzung der in Artikel 10 der Verord-
nung (EG) Nr. 1924/2006 dargelegten speziellen Bedingungen für gesundheits-
bezogene Angaben [2013/63/EU]).
(2) Die Klägerinnen haben geltend gemacht, dass die Bezeichnungen
"RESCUE TROPFEN" und "RESCUE NIGHT SPRAY" gegen die allgemeinen
Vorschriften der Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006 verstoßen. Es ist jedoch zu beachten, dass Verweise auf allge-
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meine, nichtspezifische Vorteile im Sinne des Art. 10 Abs. 3 dieser Verordnung
ungeachtet dessen, dass es sich bei ihnen um gesundheitsbezogene Angaben
im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 handelt,
keiner Zulassung gemäß Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 13 Abs. 3 und 5
oder Art. 17 dieser Verordnung bedürfen, weil für sie im Hinblick auf ihre Unbe-
stimmtheit keine allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweise im Sin-
ne von Art. 13 Abs. 1 Ziffer i der Verordnung erbracht werden können. Nach
Ansicht des Senats können für solche Verweise daher auch insoweit, als für sie
die allgemeinen Anforderungen in Kapitel II der Verordnung gelten, nicht gemäß
Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006
entsprechende Nachweise verlangt werden.
d) Im Streitfall kommt in Betracht, dass die Vorschriften der Verordnung
(EG) Nr. 1924/2006 nach ihrem Art. 28 Abs. 2 auf die Bezeichnungen
"RESCUE TROPFEN" und "RESCUE NIGHT SPRAY" für eine Übergangszeit
nicht anwendbar sind, obwohl diese Bezeichnungen die Voraussetzungen der
Verordnung nicht erfüllen. Darauf bezieht sich die Vorlagefrage 3.
aa) Nach der genannten Bestimmung dürfen Produkte mit bereits vor
dem 1. Januar 2005 bestehenden Handelsmarken oder Markennamen, die die-
ser Verordnung nicht entsprechen, bis zum 19. Januar 2022 weiterhin in den
Verkehr gebracht werden. Es reicht dabei allerdings nicht aus, dass am 1. Ja-
nuar 2005 lediglich die Marke bestanden hat (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juli
2013 - C-299/12, GRUR 2013, 1061 Rn. 37 = WRP 2013, 1311 - Green-Swan
Pharmaceuticals; BGH, Urteil vom 26. Februar 2014 - I ZR 178/12, GRUR
2014, 500 Rn. 37 = WRP 2014, 562 - Praebiotik).
bb) Die Revision macht insoweit geltend, die Gemeinschaftsmarke
"RESCUE" sei bereits vor dem 1. Januar 2005 zur Kennzeichnung der Produkte
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benutzt worden. Diese seien nicht verändert worden. Nur ihre rechtliche Ein-
ordnung habe sich nach dem Stichtag (1. Januar 2005) geändert. Vor diesem
Zeitpunkt habe sich die Markeneintragung auf ein Arzneimittel bezogen und sei
das Produkt als Arzneimittel vermarktet worden. Das habe sich nach dem Stich-
tag geändert. Seit dem Jahr 2007 sei die Marke für Lebensmittel geschützt und
würden die Produkte als Lebensmittel vertrieben.
Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt folgerichtig - hierzu
keine Feststellungen getroffen. Für das Revisionsverfahren ist daher zu unter-
stellen, dass der von der Revision angeführte Vortrag der Beklagten zutrifft.
cc) Der Umstand, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Produkte
seinerzeit nicht als Lebensmittel, sondern als Arzneimittel vermarktet hat, sollte
nach Ansicht des Senats der Anwendung des Art. 28 Abs. 2 der Verordnung
(EG) Nr. 1924/2006 nicht entgegenstehen. Nach dieser Bestimmung ist nicht
die vor dem 1. Januar 2005 erfolgte Verwendung als Handelsmarke oder des
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Markennamens als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe für Lebens-
mittel maßgeblich, sondern das seinerzeitige Bestehen des Zeichens in dieser
Form (vgl. EuGH, GRUR 2013, 1061 Rn. 37 - Green-Swan Pharmaceuticals).
Büscher
Schaffert
Kirchhoff
Koch
Richter am BGH Feddersen hat
Urlaub und ist deshalb verhindert
zu unterschreiben.
Büscher
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 20.09.2011 - 33 O 19962/10 -
OLG München, Entscheidung vom 31.01.2013 - 6 U 4189/11 -