Urteil des BGH vom 25.02.2016

Rechtliches Gehör, Verjährungsfrist, Staub, Aussetzung

ECLI:DE:BGH:2016:250216BIZR277.14.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 277/14
vom
25. Februar 2016
in dem Rechtsstreit
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2016 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert,
Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Feddersen
beschlossen:
Die Anhörungsrüge gegen den Senatsbeschluss vom 8. Oktober
2015 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Gründe:
Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhö-
rungsrüge hat in der Sache keinen Erfolg.
I. Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten ei-
nes gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer
gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Ent-
scheidung zu äußern und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt
und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (BVerfGE 86, 133, 144; BVerfG,
NJW-RR 2004, 1710, 1712). Die Partei hat jedoch keinen Anspruch darauf,
dass das Gericht sich in dem von ihr für richtig erachteten Sinn mit ihrem Vor-
bringen befasst (BGH, Beschluss vom 3. April 2014 - I ZR 137/12, MarkenR
2014, 343 Rn. 2 - BAVARIA; Beschluss vom 18. Dezember 2014 - I ZR 228/12,
juris Rn. 2).
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II. Der Senat hat bei seiner Entscheidung vom 8. Oktober 2015 die An-
griffe der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers in vollem Umfang geprüft,
jedoch sämtlich nicht für durchgreifend erachtet.
1. Soweit der Kläger mit der Anhörungsrüge seinen Vortrag aus der
Nichtzulassungsbeschwerde wiederholt, kann die Anhörungsrüge damit nicht
begründet werden. Nach der vom Bundesverfassungsgericht gebilligten Recht-
sprechung des Bundesgerichtshofs können mit der Anhörungsrüge nur neue
und eigenständige Verletzungen des Art. 103 Abs. 1 GG durch das Rechts-
mittelgericht gerügt werden (BVerfG, NJW 2008, 2635 f.; BGH, MarkenR 2014,
343 Rn. 4 - BAVARIA). Eine Gehörsrüge gegen die Entscheidung über eine
Nichtzulassungsbeschwerde kann auch nicht mit dem Ziel eingelegt werden,
eine Ergänzung der Begründung herbeizuführen (vgl. BGH, Beschluss vom
9. April 2013 - I ZR 100/11, juris Rn. 3; BGH, MarkenR 2014, 343 Rn. 4
- BAVARIA).
In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist im Übrigen
geklärt, dass eine mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare letztin-
stanzliche gerichtliche Entscheidung von Verfassungs wegen regelmäßig keiner
Begründung bedarf (BVerfG, NJW 2011, 1497 Rn. 12). Das gilt auch für Ent-
scheidungen des Bundesgerichtshofs, mit denen - wie hier - eine Beschwerde
gegen die Nichtzulassung der Revision nach § 544 Abs. 4 ZPO zurückgewiesen
worden ist (BVerfG, NJW 2011, 1497 Rn. 12). Eine Begründung ist nur dann
ausnahmsweise geboten, wenn vom eindeutigen Wortlaut einer Norm abgewi-
chen wird und der Grund hierfür nicht ohne weiteres erkennbar ist oder wenn
ein im Zeitpunkt der Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde bestehender
Zulassungsgrund vor der Entscheidung über diese wegfällt und deswegen eine
Prüfung der Erfolgsaussichten auf der Grundlage anderer als der von der Vor-
instanz als tragend angesehenen Gründe erforderlich ist (BVerfG, NJW 2011,
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1497 Rn. 13). Eine solche Ausnahme ist jedoch weder vom Kläger dargetan
noch sonst ersichtlich.
An diesen Grundsätzen zur Begründung letztinstanzlicher Entscheidun-
gen ändert sich auch dann nichts, wenn mit der Nichtzulassungsbeschwerde
eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die Vorinstanz ge-
rügt worden ist. Der Umstand, dass die Zurückweisung der Nichtzulassungsbe-
schwerde nach § 544 Abs. 4 ZPO mit einer Anhörungsrüge nach § 321a ZPO
angefochten werden kann, wenn mit dieser eine nicht nur sekundäre, sondern
eine neue und eigenständige Gehörsverletzung gerügt wird, hat keinen Einfluss
auf Begründungserleichterungen bei Beschlüssen über die Nichtzulassungsbe-
schwerde (BVerfG, NJW 2011, 1497 Rn. 14; BGH, MarkenR 2014, 343 Rn. 6
- BAVARIA).
2. In der Anhörungsrüge wird eine primäre Gehörsverletzung durch den
Senat nur pauschal behauptet, jedoch nicht dargelegt. Für die erforderliche Dar-
legung reicht es nicht aus, dass der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde zu-
rückgewiesen hat, auch soweit der Kläger als Zulassungsgründe die Ablehnung
von Beweisanträgen und die unterbliebene Aussetzung des Verfahrens durch
das Berufungsgericht geltend gemacht hat.
3. Der Kläger berücksichtigt bei seinem Vorbringen in der Anhörungsrüge
im Übrigen nicht den mit Schreiben des Berichterstatters vom 31. Juli 2015 den
Parteien gegebenen Hinweis, dass der zwischen diesen am 19. Februar 2009
zustande gekommene Vertrag als Umzugsvertrag im Sinne der §§ 451 ff. HGB
zu qualifizieren ist. Bei einem Umzugsvertrag beträgt die Verjährungsfrist für
Ansprüche des Absenders gegenüber dem Frachtführer gemäß §§ 451, 439
HGB grundsätzlich ein Jahr (vgl. OLG Schleswig, NJW-RR 2008, 1361, 1362 f.;
Staub/P. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 439 Rn. 9). Im Streitfall sind Anhaltspunkte
für ein qualifiziertes Verschulden im Sinne von § 435 HGB, bei dem die Verjäh-
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rungsfrist gemäß § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB drei Jahre beträgt, weder vorgetra-
gen noch ersichtlich. Danach greift die von der Beklagten erhobene Einrede der
Verjährung durch, weil die Verjährungsfrist im Jahr 2009 angelaufen und damit
im Zeitpunkt des Eingangs der Klage bei Gericht am 9. März 2011 bereits abge-
laufen war.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Büscher
Schaffert
Löffler
Schwonke
Feddersen
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 15.10.2012 - 5 O 135/11 -
KG Berlin, Entscheidung vom 21.08.2014 - 4 U 208/12 -
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