Urteil des BGH vom 02.06.2016

Champagner Sorbet Leitsatzentscheidung

ECLI:DE:BGH:2016:020616BIZR268.14.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 268/14
Verkündet am:
2. Juni 2016
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Champagner Sorbet
Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 Art. 118m; Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 Art. 103
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 118m der
Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine
gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte
landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche GMO; ABl. Nr. L 299
vom 16. November 2007, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 491/2009 des
Rates vom 25. Mai 2009 (ABl. Nr. L 154 vom 17. Juni 2009, S. 1) geänderten Fassung
und des mit Wirkung zum 1. Januar 2014 an seine Stelle getretenen Art. 103 der
Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche
Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG)
Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 (ABl. Nr. L 347 vom 20. De-
zember 2013, S. 671) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Sind Art. 118m Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007
sowie Art. 103 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 da-
hin auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auch dann eröffnet ist, wenn die
geschützte Ursprungsbezeichnung als Teil einer Bezeichnung für ein nicht den
Produktspezifikationen entsprechendes Lebensmittel verwendet wird, dem ei-
ne den Produktspezifikationen entsprechende Zutat beigefügt wurde?
- 2 -
2. Falls die Frage 1 zu bejahen ist:
Sind Art. 118m Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007
sowie Art. 103 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 da-
hin auszulegen, dass die Verwendung einer geschützten Ursprungsbezeich-
nung als Teil einer Bezeichnung für ein nicht den Produktspezifikationen ent-
sprechendes Lebensmittel, dem eine den Produktspezifikationen entspre-
chende Zutat beigefügt wurde, ein Ausnutzen des Ansehens der Ursprungs-
bezeichnung darstellt, wenn die Bezeichnung des Lebensmittels den Bezeich-
nungsgewohnheiten der angesprochenen Verkehrskreise entspricht und die
Zutat in ausreichender Menge beigefügt worden ist, um dem Produkt eine we-
sentliche Eigenschaft zu verleihen?
3. Sind Art. 118m Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 sowie
Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 dahin auszule-
gen, dass die Verwendung einer geschützten Ursprungsbezeichnung unter
den in Vorlagefrage 2 beschriebenen Umständen eine widerrechtliche Aneig-
nung, Nachahmung oder Anspielung darstellt?
4. Sind Art. 118m Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 sowie
Art. 103 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 dahin auszule-
gen, dass sie nur auf falsche oder irreführende Angaben anwendbar sind, die
bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen unzutreffenden Eindruck über
die geografische Herkunft eines Erzeugnisses hervorzurufen geeignet sind?
BGH, Beschluss vom 2. Juni 2016 - I ZR 268/14 - OLG München
LG München I
- 3 -
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 25. Februar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher,
die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den
Richter Feddersen
beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Ausle-
gung von Art. 118m der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des
Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organi-
sation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimm-
te landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die ein-
heitliche GMO; ABl. Nr. L 299 vom 16. November 2007, S. 1) in
der durch die Verordnung (EG) Nr. 491/2009 des Rates vom
25. Mai 2009 (ABl. Nr. L 154 vom 17. Juni 2009, S. 1)
geänderten Fassung und des mit Wirkung zum 1. Januar 2014
an seine Stelle getretenen Art. 103 der Verordnung (EU)
Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorgani-
sation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung
der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG)
Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 (ABl. Nr. L 347 vom
20. Dezember 2013, S. 671) folgende Fragen zur Vorabent-
scheidung vorgelegt:
1. Sind Art. 118m Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung (EG)
Nr. 1234/2007 sowie Art. 103 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der
Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 dahin auszulegen, dass ihr
Anwendungsbereich auch dann eröffnet ist, wenn die ge-
schützte Ursprungsbezeichnung als Teil einer Bezeichnung
für ein nicht den Produktspezifikationen entsprechendes Le-
bensmittel verwendet wird, dem eine den Produktspezifika-
tionen entsprechende Zutat beigefügt wurde?
2.
- 4 -
Falls die Frage 1 zu bejahen ist:
Sind Art. 118m Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung (EG)
Nr. 1234/2007 sowie Art. 103 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der
Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 dahin auszulegen, dass die
Verwendung einer geschützten Ursprungsbezeichnung als
Teil einer Bezeichnung für ein nicht den Produktspezifikatio-
nen entsprechendes Lebensmittel, dem eine den Pro-
duktspezifikationen entsprechende Zutat beigefügt wurde,
ein Ausnutzen des Ansehens der Ursprungsbezeichnung
darstellt, wenn die Bezeichnung des Lebensmittels den Be-
zeichnungsgewohnheiten der angesprochenen Verkehrs-
kreise entspricht und die Zutat in ausreichender Menge bei-
gefügt worden ist, um dem Produkt eine wesentliche Eigen-
schaft zu verleihen?
3. Sind Art. 118m Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG)
Nr. 1234/2007 sowie Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verord-
nung (EU) Nr. 1308/2013 dahin auszulegen, dass die Ver-
wendung einer geschützten Ursprungsbezeichnung unter
den in Vorlagefrage 2 beschriebenen Umständen eine wi-
derrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung
darstellt?
4. Sind Art. 118m Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EG)
Nr. 1234/2007 sowie Art. 103 Abs. 2 Buchst. c der Verord-
nung (EU) Nr. 1308/2013 dahin auszulegen, dass sie nur
auf falsche oder irreführende Angaben anwendbar sind, die
bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen unzutref-
fenden Eindruck über die geografische Herkunft eines Er-
zeugnisses hervorzurufen geeignet sind?
- 5 -
Gründe:
A. Der Kläger ist ein Verband der französischen Champagnerwirtschaft,
dem sämtliche mit dem Anbau und der Herstellung des Champagner befassten
Winzer und Champagner-Firmen angeschlossen sind.
Die Streithelferin der Beklagten stellt Tiefkühlprodukte her, darunter ein
"Champagner Sorbet", das die Beklagte, ein Lebensmittel-Discounter, in der
aus dem Klageantrag ersichtlichen Produktverpackung Ende des Jahres 2012
anbot und in Prospekten bewarb. Ausweislich der Zutatenliste auf der Untersei-
te der Produktverpackung setzte sich das von der Beklagten vertriebene
"Champagner Sorbet" aus folgenden Zutaten zusammen:
Wasser, Zucker, Champagner (12%), Maltodextrine, Glucosesirup, Birnenpüree
(Birnen, Zucker, natürliches Aroma, Säuerungsmittel: Zitronensäure), natürli-
ches Aroma, Karottenextrakt, Gelatine, Geliermittel: Johannisbrotkernmehl,
Pektin, Säuerungsmittel: Zitronensäure.
Der Kläger sieht in dem Vertrieb des Tiefkühlproduktes unter der Be-
zeichnung "Champagner Sorbet" eine Verletzung der geschützten Ursprungs-
bezeichnung "Champagne".
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurtei-
len, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit Tiefkühlkost die Bezeich-
nung "Champagner Sorbet" zu benutzen, insbesondere wenn dies geschieht
wie nachfolgend eingelichtet:
1
2
3
4
- 6 -
Die Beklagte und ihre Streithelferin sind der Klage entgegengetreten.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Beru-
fung der Streithelferin hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts ab-
geändert und die Klage abgewiesen (OLG München, GRUR 2015, 388 = WRP
2015, 218). Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision, mit der er seinen Klageantrag weiterverfolgt. Die Streit-
helferin der Beklagten beantragt, die Revision zurückzuweisen.
B. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 118m der
Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine
gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für be-
stimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche
GMO; ABl. Nr. L 299 vom 16. November 2007, S. 1) in der durch die Verord-
nung (EG) Nr. 491/2009 des Rates vom 25. Mai 2009 (ABl. Nr. L 154 vom
17. Juni 2009, S. 1) geänderten Fassung (nachfolgend: Verordnung (EG)
5
6
7
- 7 -
Nr. 1234/2007) und des mit Wirkung zum 1. Januar 2014 an seine Stelle getre-
tenen Art. 103 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parla-
ments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktor-
ganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verord-
nungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG)
Nr. 1234/2007 (ABl. Nr. L 347 vom 20. Dezember 2013, S. 671; nachfolgend:
Verordnung (EU) Nr. 1308/2013) ab. Vor einer Entscheidung ist deshalb das
Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV
eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
I. Das Berufungsgericht hat den mit der Klage geltend gemachten Unter-
lassungsanspruch als unbegründet angesehen und dazu ausgeführt:
Die Voraussetzungen eines aus Art. 103 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Ver-
ordnung (EU) Nr. 1308/2013 hergeleiteten Unterlassungsanspruchs lägen nicht
vor. Zwar sei die Bezeichnung "Champagne" eine nach dieser Verordnung ge-
schützte Ursprungsbezeichnung, mit der besondere Gütevorstellungen verbun-
den seien, und die Beklagte habe diese Gütevorstellungen für den Vertrieb ih-
res als "Champagner Sorbet" bezeichneten Produkts kommerziell verwendet.
Ein Ausnutzen des Ansehens der geschützten Ursprungsbezeichnung gemäß
Art. 103 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 setze je-
doch eine Verwendung der geschützten Ursprungsbezeichnung in unlauterer
Weise voraus. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht erfüllt.
Die Bezeichnung "Champagner Sorbet" sei ausweislich der von den Par-
teien vorgelegten Rezepte eine in der deutschen Sprache und Küchenliteratur
feststehende Bezeichnung für eine halbgefrorene Süßspeise mit Champagner-
zusatz, die in einer Reihe stehe mit anderen bekannten Süßspeisen wie "Mous-
se au chocolat", "Crème brûlée" oder "Panna Cotta". Die Beklagte verwende
8
9
10
- 8 -
daher für das von ihr angebotene Tiefkühlprodukt diejenige Bezeichnung, unter
der dem Verkehr eine derartige Speise bekannt sei. Hieran habe sie ein berech-
tigtes Interesse. Anhaltspunkte dafür, dass es verbindliche Rezepturen gebe,
deren Einhaltung Bedingung für die Verwendung der Bezeichnung sein könn-
ten, bestünden nicht. Champagner sei mit einem Anteil von 12% eine mengen-
mäßig wesentliche Zutat der als "Champagner Sorbet" bezeichneten Speise.
Mangels widerrechtlicher Benutzung der Bezeichnung "Champagner
Sorbet" lägen auch die Voraussetzungen eines aus Art. 103 Abs. 2 Buchst. b
der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 oder eines aus dem deutsch-französischen
Herkunftsabkommen hergeleiteten Unterlassungsanspruchs oder einer Rufaus-
beutung gemäß § 127 Abs. 2 und 3 MarkenG und §§ 3, 4 Nr. 9 Buchst. b
UWG aF oder § 5 Abs. 2 UWG aF nicht vor. Schließlich sei auch der Tatbe-
stand einer Irreführung nach Art. 103 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EU)
Nr. 1308/2013 oder § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG aF nicht erfüllt.
II. Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits hängt von der Ant-
wort auf die eingangs gestellten Fragen ab.
1. Der Kläger hat den mit der Klage geltend gemachten Unterlassungs-
anspruch auf eine Verletzung der geschützten Ursprungsangabe "Champagne"
nach Art. 118m der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und des Art. 103 der Ver-
ordnung (EU) Nr. 1308/2013 gestützt, der nach Art. 232 Abs. 1 dieser Verord-
nung seit dem 1. Januar 2014 gilt.
a) Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellun-
gen des Landgerichts ist die Bezeichnung "Champagne" für Wein aus Frank-
reich als geschützte Ursprungsbezeichnung gemäß Art. 118b Abs. 1 Buchst. a
der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und gemäß Art. 93 Abs. 1 Buchst. a der
11
12
13
14
- 9 -
Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 in das von der Europäischen Kommission ge-
führte Register eingetragen (Europäische Kommission Datenbank E-Bacchus
Dateinummer PDO-FR-A1359).
b) Wird eine Bezeichnung als geschützte Ursprungsbezeichnung oder
als geschützte geografische Angabe in das von der Europäischen Kommission
geführte Register eingetragen, so kommt dem Schutz von Ursprungsbezeich-
nungen und geografischen Angaben nach der Rechtsprechung des Gerichts-
hofs der Europäischen Union zu den in der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des
Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen Angaben und Ur-
sprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. Nr. L 208
vom 24. Juli 1992, S. 1) und den in ihren Folgeverordnungen niedergelegten
Vorschriften zum Schutz von Ursprungsangaben und geografischen Angaben,
an deren Stelle mittlerweile Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1151/2012 des Eu-
ropäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitäts-
regelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. Nr. L 343 vom 14. De-
zember 2012, S. 1) getreten ist, uneingeschränkter Anwendungsvorrang zu. Ein
ergänzender Rechtsschutz aufgrund bilateraler Abkommen oder nach nationa-
lem Recht scheidet im Anwendungsbereich der Verordnungen aus (st. Rspr.;
vgl. EuGH, Urteil vom 4. März 1999 - C-87/97, Slg. 1999, I-1301 = WRP 1999,
486 Rn. 18 - Gorgonzola/Cambozola; Urteil vom 8. September 2009 - C-478/07,
Slg. 2009, I-7721 = GRUR 2010, 143 Rn. 114 bis 129 - American Bud II; Urteil
vom 8. Mai 2014 - C-35/13, GRUR 2014, 674 Rn. 26 und 28 = WRP 2014, 1044
- Salame Felino; BGH, Urteil vom 22. September 2011 - I ZR 69/04, GRUR
2012, 394 Rn. 20 = WRP 2012, 550 - Bayerisches Bier II; Hacker in Ströbe-
le/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 126 Rn. 46; Büscher in Büscher/
Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl.,
§ 126 MarkenG Rn. 8; Grube in Voit/Grube, LMIV, 2. Aufl., Art. 26 Rn. 85 und
100; Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 2007, Rn. 195). Für das nach
15
- 10 -
dem Vorbild der Verordnung Nr. 1151/2012 ausgebildete Schutzsystem der
Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 und die in der Vorgängerverordnung (EG)
Nr. 1234/2007 enthaltenen Schutztatbestände gilt nichts Abweichendes (EuG,
Urteil vom 18. November 2015 - T-659/14, GRUR Int. 2016, 144 Rn. 38 und
41 f. - Port Charlotte; Hacker in Ströbele/Hacker aaO § 126 Rn. 48).
Hiernach ist im Blick auf vom Anwendungsbereich der Verordnung (EG)
Nr. 1234/2007 und der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 erfasste geschützte
Ursprungsangaben und geschützte geografische Angaben ein Rückgriff auf den
im nationalen Recht für qualifizierte und mit einem besonderen Ruf ausgestatte-
te geografische Angaben in § 127 Abs. 2 und 3, § 128 Abs. 1 MarkenG nieder-
gelegten Schutztatbestand ebenso ausgeschlossen wie ein Rückgriff auf § 4
Nr. 9 UWG (BGH, GRUR 2012, 394 Rn. 20 - Bayerisches Bier II; Büscher in
Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 126 MarkenG Rn. 9 und 11; Hacker in Ströbele/
Hacker aaO § 126 Rn. 46 f.; Grube in Voit/Grube aaO Art. 26 Rn. 27; Fass-
bender/Herbrich, GRUR Int. 2014, 765, 775). Gleiches gilt in Bezug auf nach
der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013
geschützte Angaben auch für die in § 5 UWG niedergelegten Irreführungsver-
bote, weil die in Art. 118m der Verordnung (EG) Nr. 1234/207 und Art. 103 der
Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 geregelten Verletzungstatbestände in ihren
Absätzen 2 Buchstaben c und b einen besonderen Irreführungsschutz vorse-
hen, der im Anwendungsbereich der Verordnungen dem nationalen Irrefüh-
rungsschutz vorgeht (Hacker in Ströbele/Hacker aaO § 126 Rn. 49; Grube in
Voit/Grube aaO Art. 26 Rn. 97; Fassbender/Herbrich, GRUR Int. 2014, 765,
773, 775; Obergfell, MarkenR 2010, 469, 473; Sosnitza, Festschrift Welsch,
2010, 269, 276; aA Schoene, MarkenR 2014, 273, 283; differenzierend
Loschelder, MarkenR 2015, 225, 228 f.).
16
- 11 -
Im Anwendungsbereich der hier in Rede stehenden Verordnungen
scheidet ferner ein Rückgriff auf das deutsch-französische Abkommen über den
Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geogra-
fischen Bezeichnungen vom 8. März 1960 aus (EuGH, GRUR 2010, 143
Rn. 114 bis 129 - American Bud II; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO
§ 126 MarkenG Rn. 9).
Für den Erfolg der Revision ist hiernach entscheidend, ob die Vorausset-
zungen des Art. 118m Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und des an seine Stelle
getretenen Art. 103 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 vorliegen.
2. Der Kläger hat sich zur Begründung des mit der Klage verfolgten Un-
terlassungsanspruchs auf eine Verwendung der Bezeichnung "Champagner
Sorbet" Ende des Jahres 2012 für ein von der Beklagten angebotenes Tief-
kühlsorbet gestützt. Der Unterlassungsantrag ist daher nur begründet, wenn
das beanstandete Verhalten der Beklagten nach dem zur Zeit der Begehung
geltenden Recht gegen Vorschriften zum Schutz geschützter Ursprungsanga-
ben und geografischer Angaben verstieß. Da der geltend gemachte Unterlas-
sungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, muss das beanstandete Verhalten
der Beklagten zudem nach dem zur Zeit der Entscheidung geltenden Recht ei-
ne Verletzung von Vorschriften zum Schutz eingetragener Ursprungsbezeich-
nungen oder geografischer Angaben begründen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil
vom 3. März 2011 - I ZR 167/09, GRUR 2011, 474 Rn. 13 = WRP 2011, 1054
- Kreditkartenübersendung; Urteil vom 6. November 2014 - I ZR 26/13, GRUR
2015, 504 Rn. 8 = WRP 2015, 565 - Kostenlose Zweitbrille, jeweils mwN).
Sachliche Änderungen sind mit der Aufnahme der zuvor in Art. 118m der Ver-
ordnung (EG) Nr. 1234/2007 niedergelegten Verletzungstatbestände in Art. 103
der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 nicht verbunden. Die Vorschrift des
Art. 118m Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 ist von einer hier nicht
17
18
19
- 12 -
interessierenden Ausnahme abgesehen in Art. 103 Abs. 2 der Verordnung (EU)
Nr. 1308/2013 inhaltsgleich übernommen worden.
3. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass ein Verstoß
gegen die in Art. 118m der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und in Art. 103 der
Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 geregelten Tatbestände einen Unterlassungs-
anspruch begründen kann, zu dessen Geltendmachung der Kläger klagebefugt
und aktivlegitimiert ist. Dieser Anspruch folgt aus einer entsprechenden Anwen-
dung des § 135 MarkenG in Verbindung mit § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
4. Der Senat neigt zu der Annahme, dass die vom Kläger beanstandete
Verwendung der Bezeichnung "Champagner Sorbet" für ein Tiefkühlprodukt als
kommerzielle Verwendung der geschützten Ursprungsbezeichnung "Champag-
ne" in den Anwendungsbereich des Art. 118m Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Ver-
ordnung (EG) Nr. 1234/2007 und des Art. 103 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Ver-
ordnung (EU) Nr. 1308/2013 fällt. Diese Frage ist durch die Rechtsprechung
des Gerichtshofs der Europäischen Union jedoch nicht abschließend geklärt
(Vorlagefrage 1).
a) Gemäß Art. 118m Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und
Art. 103 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 dürfen die in das von der
Europäischen Kommission geführte Register eingetragenen Ursprungsbezeich-
nungen von jedem Marktteilnehmer verwendet werden, der einen Wein ver-
marktet, der entsprechend den betreffenden Produktspezifikationen erzeugt
wurde (vgl. zu Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 EuGH, Urteil vom
14. Juli 2011 - C-4/10 und C-27/10, Slg. 2011, I-6131 = GRUR 2011, 926
Rn. 48 f. - Bureau national interprofessionel du Cognac). Die Beklagte verwen-
det die vom Kläger beanstandete Produktbezeichnung "Champagner Sorbet"
allerdings nicht zur Vermarktung eines Weines, sondern zur Vermarktung einer
20
21
22
- 13 -
Tiefkühlspeise, bei deren Herstellung Champagner verarbeitet worden ist, und
damit für ein Produkt, das nicht den Spezifikationen entspricht, die bei der Her-
stellung von unter der Ursprungsbezeichnung "Champagne" vermarkteten Wei-
nen zu beachten sind.
b) Der Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben
erfasst gemäß Art. 118m Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung (EG)
Nr. 1234/2007 und Art. 103 Abs. 2 Buchst a Ziff. ii der Verordnung (EU)
Nr. 1308/2013 jede direkte oder indirekte kommerzielle Verwendung des ge-
schützten Namens.
Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht in
der Verwendung der Bezeichnung "Champagner Sorbet" für ein von der Be-
klagten beworbenes und vertriebenes Tiefkühlprodukt eine in den Anwendungs-
bereich von Art. 103 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013
fallende kommerzielle Verwendung der geschützten Ursprungsbezeichnung
"Champagne" gesehen. Diese von den Parteien des Revisionsverfahrens nicht
angegriffene Beurteilung begegnet hinsichtlich der Annahme einer kommerziel-
len Verwendung der angegriffenen Produktbezeichnung keinen Bedenken. Von
einer kommerziellen Verwendung ist auszugehen, wenn die beanstandete Be-
zeichnung in irgendeiner Weise, etwa durch ihre Verwendung für ein Erzeugnis,
geschäftlich genutzt wird (Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 400,
Ergänzungslieferung 153, Juli 2013, § 22b WeinG Rn. 26; Boch, Weingesetz,
3. Aufl., § 22b Rn. 4; zu Art. 13 Verordnung (EU) 510/2006 und Art. 13 Verord-
nung 1151/2012 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 135 Rn. 4; Hacker in
Ströbele/Hacker aaO § 135 Rn. 17; Omsels aaO Rn. 131). Die Benutzung einer
Herkunftsbezeichnung als Produktbezeichnung ist eine kommerzielle Verwen-
dung.
23
24
- 14 -
c) Das Berufungsgericht hat ferner angenommen, die Verwendung der
Produktbezeichnung "Champagner Sorbet" stelle eine von Art. 103 Abs. 2
Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 erfasste Verwendung der ge-
schützten Ursprungsbezeichnung "Champagne" für das von der Beklagten ver-
triebene Tiefkühlprodukt dar. Der Senat hält diese Sichtweise für zutreffend.
aa) Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur
Anwendung des Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 110/2008
(ABl. Nr. L 39 vom 13. Februar 2008, S. 16), der den Schutz von eingetragenen
geografischen Angaben für Spirituosen mit bestimmten Spezifikationen regelt
und dessen Verletzungstatbestände weitgehend den in Art. 118m Abs. 2 der
Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und Art. 103 Abs. 2 der Verordnung (EU)
Nr. 1308/2013 geregelten Schutzbestimmungen entsprechen, legt es nahe, ei-
ne in den Anwendungsbereich des Art. 118m Abs. 2 Buchst. a der Verordnung
(EG) Nr. 1234/2007 und Art. 103 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EU)
Nr. 1308/2013 fallende direkte kommerzielle Verwendung einer eingetragenen
geografischen Angabe nicht nur anzunehmen, wenn die eingetragene Angabe
in identischer Form für ein anderes Erzeugnis verwendet wird, sondern auch
dann, wenn die eingetragene Angabe selbst oder als Gattungsbezeichnung in
einer Übersetzung Bestandteil einer aus mehreren Wortbestandteilen zusam-
mengesetzten Bezeichnung ist (vgl. EuGH, GRUR 2011, 926 Rn. 55 - Bureau
national interprofessionel du Cognac). So hat der Gerichtshof der Europäischen
Union für die Bezeichnungen "COGNAC L & P HIENOA KONJAKKIA Lignell &
Piispanen Product of France 40 % Vol 500 ml" und "KAHVI-KONJAKKI Cafe
Cognac Likööri - Likör - Liqueur 21 % Vol Lignell & Piispanen 500 ml" den An-
wendungsbereich des Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG)
Nr. 110/2008 als eröffnet angesehen (EuGH, GRUR 2011, 926 Rn. 55 - Bureau
national interprofessionel du Cognac).
25
26
- 15 -
Bei Anlegung dieses Maßstabs ist nach Ansicht des Senats die Verwen-
dung der Wortkombination "Champagner Sorbet" als Produktbezeichnung vom
Anwendungsbereich des Art. 118m Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG)
Nr. 1234/2007 und des Art. 103 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EU)
Nr. 1308/2013 erfasst.
bb) Dieses Verständnis des in Art. 118m Abs. 2 Buchst. a der Verord-
nung (EG) Nr. 1234/2007 und in Art. 103 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EU)
Nr. 1308/2013 niedergelegten Verletzungstatbestandes ist allerdings nicht zwei-
felsfrei.
Nach einer im deutschen Schrifttum vertretenen Auffassung sind vom
Anwendungsbereich des Art. 13 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG)
Nr. 510/2006 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen An-
gaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel
(ABl. Nr. L 93 vom 31. März 2006, S. 12) und der an seine Stelle getretenen
Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 nur
Fallgestaltungen erfasst, bei denen der Verletzer den eingetragenen Namen
identisch, also ohne Abweichungen verwendet. Dagegen soll die Verwendung
ähnlicher Bezeichnungen unter Art. 13 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnungen
fallen (Ingerl/Rohnke aaO § 135 Rn. 4; Grube in Voit/Grube aaO Art. 26 Rn. 64;
Hacker in Ströbele/Hacker aaO § 135 Rn. 10; Engelhardt, Die Verletzung EU-
rechtlich geschützter geografischer Namen, 2011, S. 101; Omsels aaO
Rn. 131).
Die Beschränkung des Anwendungsbereichs dieser Vorschriften auf
identische Verwendungsformen hätte allerdings zur Folge, dass eine tatbe-
standsmäßige Ausnutzung des Ansehens ausschließlich im Falle der identi-
schen Verwendung der geschützten Bezeichnung in Betracht käme. Die hiermit
27
28
29
30
- 16 -
verbundene Gefahr von Schutzlücken und Wertungswidersprüchen spricht da-
für, auch nicht identische Verwendungsformen dem Tatbestand des Art. 118m
Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und des Art. 103 Abs. 2
Buchst a der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 zu unterstellen (vgl. Engelhardt
aaO S. 101).
5. Die angegriffene Produktbezeichnung ist geeignet, das Ansehen der
geschützten Ursprungsbezeichnung "Champagne" auf das von der Beklagten
vertriebene, mit "Champagner Sorbet" bezeichnete Produkt zu übertragen. Es
stellt sich in diesem Zusammenhang die durch die Rechtsprechung des Ge-
richtshofs der Europäischen Union bisher nicht geklärte Frage, ob die Verwen-
dung einer geschützten Ursprungsbezeichnung ein Ausnutzen ihres Ansehens
im Sinne von Art. 118m Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung (EG)
Nr. 1234/2007 und des Art. 103 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung (EU)
Nr. 1308/2013 darstellt, wenn die Bezeichnung des Lebensmittels den Bezeich-
nungsgewohnheiten der angesprochenen Verkehrskreise entspricht und die
Zutat in ausreichender Menge beigefügt worden ist, um dem Produkt eine we-
sentliche Eigenschaft zu verleihen (Vorlagefrage 2).
a) Die angegriffene Produktbezeichnung ist geeignet, das Ansehen der
geschützten Ursprungsbezeichnung "Champagne" auf das beanstandete Er-
zeugnis zu transferieren.
aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die
geschützte Ursprungsbezeichnung "Champagne" ein besonderes Ansehen ge-
nießt, weil mit ihr besondere Gütevorstellungen verbunden sind (vgl. BGH, Ur-
teil vom 25. Juni 1969 - I ZR 15/67, GRUR 1969, 611, 614 = WRP 1970, 64
- Champagner-Weizenbier; Urteil vom 17. Januar 2002 - I ZR 290/99, GRUR
2002, 426, 427 = WRP 2002, 542 - Champagner bekommen, Sekt bezahlen;
31
32
33
- 17 -
BGH, Urteil vom 19. Mai 2005 - I ZR 262/02, GRUR 2005, 957, 958 = WRP
2005, 1530 - Champagner-Bratbirne).
bb) Der Senat teilt auch die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Be-
klagte durch die Verwendung der Produktbezeichnung "Champagner Sorbet"
für ein Tiefkühlprodukt von der Werbewirkung der geschützten Ursprungsbe-
zeichnung "Champagne" profitiert. Der durch Art. 118m Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii
der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und Art. 103 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der
Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 gewährleistete Schutz geografischer Ur-
sprungsbezeichnungen und geografischer Angaben erstreckt sich auf alle Fall-
gestaltungen, in denen die durch die geschützte Bezeichnung vermittelten Gü-
te- und Prestigevorstellungen auf ein anderes Erzeugnis übertragen werden
(Ingerl/Rohnke aaO § 135 Rn. 5 und § 127 Rn. 17; Engelhardt aaO S. 148;
Omsels aaO Rn. 147; zu § 127 MarkenG Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy
aaO § 127 MarkenG Rn. 36). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
ist anerkannt, dass die Verwendung der geschützten Ursprungsbezeichnung
"Champagne" in der Etikettierung anderer Produkte oder in der Werbung ge-
eignet ist, die mit der geschützten Ursprungsbezeichnung verbundenen Quali-
täts- und Gütevorstellungen auf die so bezeichneten Drittprodukte zu übertra-
gen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 1987, GRUR 1988, 453, 455 = WRP 1988, 25
- Ein Champagner unter den Mineralwässern; BGH, GRUR 2002, 426, 427
- Champagner bekommen, Sekt bezahlen; GRUR 2005, 957, 958 - Champag-
ner-Bratbirne). Von diesen Grundsätzen ist auch im Streitfall auszugehen.
b) Klärungsbedürftig ist die Frage, ob die Verwendung einer geschützten
Ursprungsbezeichnung kein Ausnutzen ihres Ansehens darstellt, wenn die Be-
zeichnung des Lebensmittels den Bezeichnungsgewohnheiten der angespro-
chenen Verkehrskreise entspricht und die Zutat in ausreichender Menge beige-
fügt worden ist, um dem Produkt eine wesentliche Eigenschaft zu verleihen.
34
35
- 18 -
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte könne sich auf
ein berechtigtes Interesse an der beanstandeten Verwendung berufen. Die Auf-
nahme der Ursprungsbezeichnung in die Produktbezeichnung entspreche den
Bezeichnungsgewohnheiten des Verkehrs, weil der Begriff "Champagner Sor-
bet" in der deutschen Sprache und Kochliteratur eine feststehende Bezeich-
nung für eine halbgefrorene Süßspeise mit Champagnerzusatz sei. Die den
Produktspezifikationen entsprechende Zutat sei zudem mit einem mengenmä-
ßig als wesentlich anzusehenden Anteil von 12% am Produkt der Beklagten
enthalten. Von diesen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zu
den Bezeichnungsgewohnheiten ist im Revisionsverfahren vor dem Senat aus-
zugehen.
bb) Nach Ansicht des Senats scheidet die Annahme einer tatbestands-
mäßigen Ausnutzung des Ansehens aus, wenn ein berechtigtes Interesse an
der Verwendung der geschützten Bezeichnung besteht. Dies folgt aus einer
Übertragung der Maßstäbe, die der Gerichtshof der Europäischen Union bei der
Auslegung des Art. 16 Buchst. a bis d der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 an-
wendet.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zu Art. 16 der Verordnung
(EG) Nr. 110/2008 ausgeführt, dass die in den Buchstaben a bis d dieser Vor-
schrift enthaltenen Tatbestände verschiedene Fälle erfassen, in denen die
Vermarktung eines Erzeugnisses mit einer ausdrücklichen oder stillschweigen-
den Bezugnahme auf eine geografische Angabe unter Umständen einhergeht,
die geeignet sind, das Publikum irrezuführen oder bei ihm zumindest Assoziati-
onen hinsichtlich des Ursprungs des Erzeugnisses hervorzurufen oder dem
Wirtschaftsteilnehmer zu ermöglichen, in unberechtigter Weise vom Ansehen
der fraglichen geografischen Angabe zu profitieren (EuGH, GRUR 2011, 926
36
37
38
- 19 -
Rn. 46 - Bureau national interprofessionnel du Cognac). Der Gerichtshof der
Europäischen Union hat ferner entschieden, dass eine "Anspielung" im Sinne
des Art. 16 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 selbst dann vorliegen
kann, wenn keinerlei Verwechslungsgefahr zwischen den betroffenen Erzeug-
nissen besteht, da es vor allem darauf ankomme, dass beim Publikum keine
Assoziationen hinsichtlich des Ursprungs des Erzeugnisses hervorgerufen wür-
den und es einem Wirtschaftsteilnehmer nicht ermöglicht werde, in unberechtig-
ter Weise vom Ansehen der geschützten geografischen Angabe zu profitieren
(EuGH, Urteil vom 21. Januar 2016 - C-75/15, GRUR 2016, 388 Rn. 45 - Viini-
verla Oy).
Das Tatbestandsmerkmal des Ausnutzens des Ansehens der geschütz-
ten Bezeichnung ist in Art. 16 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 und
den vorliegend betroffenen Vorschriften des Art. 118m Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii
der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und des Art. 103 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii
der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 gleichlautend formuliert. Die zu Art. 16 der
Verordnung (EG) Nr. 110/2008 ergangene Auslegung des Gerichtshofs der Eu-
ropäischen Union trifft gleichermaßen für die vorliegend in Rede stehenden
Vorschriften zu. Es spricht daher viel dafür, auch bei diesen Vorschriften zu prü-
fen, ob die Verwendung einer geschützten Bezeichnung es ermöglicht, von ih-
rem Ansehen in unberechtigter Weise zu profitieren. Hieraus folgt, dass ein be-
rechtigtes Interesse an der Verwendung der geschützten Bezeichnung der An-
nahme der tatbestandsmäßigen Ausnutzung entgegensteht.
cc) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung folgt ein berech-
tigtes Interesse allerdings nicht bereits daraus, dass die Aufnahme einer ge-
schützten Ursprungsbezeichnung in die Bezeichnung eines Lebensmittels nach
Art. 9 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EU)
Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die In-
39
40
- 20 -
formation der Verbraucher über Lebensmittel (ABl. L 304 vom 22. November
2011, S. 18) geboten wäre.
Nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 wird ein Le-
bensmittel mit seiner rechtlich vorgeschriebenen Bezeichnung bezeichnet. Fehlt
eine solche, so wird das Lebensmittel mit seiner verkehrsüblichen Bezeichnung
oder, falls es keine verkehrsübliche Bezeichnung gibt oder diese nicht verwen-
det wird, mit einer beschreibenden Bezeichnung bezeichnet. Bei diesen Anga-
ben über die Bezeichnung des Lebensmittels handelt es sich um Pflichtinforma-
tionen nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011. In der
Bezeichnung des Lebensmittels dürfen nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung
(EU) Nr. 1169/2011 auch geschützte Ursprungsbezeichnungen verwendet wer-
den, wenn die Ursprungsangabe der verkehrsüblichen Bezeichnung entspricht
(Grube in Voit/Grube aaO Art. 17 Rn. 1 und Rn. 128).
Aus dem Umstand, dass eine geschützte Ursprungsbezeichnung nicht
nur als Hinweis auf die Herkunft des Produkts, sondern auch als Verkehrsbe-
zeichnung für ein Produkt verwendet werden darf, das den für die Ursprungs-
bezeichnung vorgeschriebenen Spezifikationen entspricht, kann allerdings nicht
der Schluss gezogen werden, dass die Aufnahme einer Ursprungsbezeichnung
in die Bezeichnung des Lebensmittels auch dann zulässig und geboten wäre,
wenn das so bezeichnete Produkt den Spezifikationen der Ursprungsbezeich-
nung - wie im Streitfall - nicht entspricht (vgl. Grube in Voit/Grube aaO Art. 17
Rn. 52 f.). Vielmehr setzen sich nach Auffassung des Senats die Vorschriften
zum Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben gemäß
Art. 118m der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und gemäß Art. 103 der Verord-
nung (EU) Nr. 1308/2013, die einen Sonderschutz regeln, gegenüber der Vor-
schrift des Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 durch (vgl. hierzu
Grube in Voit/Grube aaO Art. 26 Rn. 101 ff.). Für dieses Ergebnis spricht auch
41
42
- 21 -
der Umstand, dass Art. 17 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011
dem Lebensmittelunternehmer die Möglichkeit eröffnet, anstelle der verkehrsüb-
lichen Bezeichnung eine beschreibende Bezeichnung zu wählen. Von dieser
Möglichkeit ist Gebrauch zu machen, wenn die Verwendung einer Bezeichnung,
die eine geschützte Ursprungsangabe für ein nicht den hierfür geltenden Spezi-
fikationen entsprechendes Produkt enthält, mit den Vorschriften der Art. 118m
der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und Art. 103 der Verordnung (EU)
Nr. 1308/2013 nicht in Einklang steht.
dd) Anhaltspunkte, die für die Bestimmung des berechtigten Interesses
an der Verwendung der geschützten Bezeichnung bedeutsam sind, ergeben
sich nach Auffassung des Senats aus einer Zusammenschau der in den Ver-
ordnungen (EG) Nr. 110/2008 und (EG) Nr. 1151/2012 sowie den vorliegend
anwendbaren Verordnungen enthaltenen Bestimmungen zum Schutz geografi-
scher Angaben und Ursprungsbezeichnungen.
(1) Gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 ist die Ver-
wendung einer eingetragenen geografischen Angabe in einem zusammenge-
setzten Begriff oder die Anspielung auf einen dieser Begriffe in der Aufmachung
eines Lebensmittels grundsätzlich erlaubt, wenn der Alkohol, den das Lebens-
mittel enthält, ausschließlich von der Spirituose stammt, auf die Bezug genom-
men wird (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - I ZR 167/12, GRUR 2014,
1242 Rn. 20 = WRP 2014, 1453 - ENERGY & VODKA; Schoene, GRUR-Prax
2015, 30, 32).
(2) Weitere Anhaltspunkte ergeben sich aus der Verordnung (EG)
Nr. 1151/2012.
43
44
45
- 22 -
(a) Nach Art. 13 Abs. 1 Buchst a und b der Verordnung (EG) Nr. 1151/
2012 erstreckt sich zwar der Schutz eingetragener Namen auch auf eine Ver-
wendung der unter dem geschützten Namen eingetragenen Erzeugnisse als
Zutaten für andere Erzeugnisse (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke aaO C 134 Ergän-
zungslieferung 158 Juli 2014, Art. 13 EU-Qualitätsregelungen-Verordnung
Rn. 11; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 135 Rn. 42; Grube in Voit/
Grube aaO Art. 26 Rn. 62; Geitz in Ekey/Bender/Fuchs-Wissemann, Marken-
recht, 3. Aufl., § 135 MarkenG Rn. 8). Bei der Verwendung als Zutaten soll al-
lerdings nach Erwägungsgrund 32 Satz 2 dieser Verordnung die Mitteilung der
Europäischen Kommission mit dem Titel "Leitlinien für die Kennzeichnung von
Lebensmitteln, die Zutaten mit geschützten Ursprungsbezeichnungen (g. U.)
und geschützten geografisch
en Angaben (g. g. A.) enthalten" berücksichtigt
werden. Dieser Erwägungsgrund legt nahe, dass die Verwendung geschützter
Ursprungsbezeichnungen und geschützter geografischer Angaben im Anwen-
dungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1151/2012 nicht vollständig ausge-
schlossen ist, auch wenn sie den Bezeichnungsschutz auf den Fall erstreckt,
dass die Erzeugnisse, die diese Namen tragen dürfen, als Zutaten verwendet
werden (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke aaO C 134 Ergänzungslieferung 158 Juli
2014, Art. 13 EU-Qualitätsregelungen-Verordnung Rn. 11). Die vorgenannten
Leitlinien der Europäischen Kommission (ABl. Nr. C 341 vom 16. Dezember
2010, S. 3) sollen unbeschadet des mit der Verordnung (EG) Nr. 1151/2012
angestrebten hohen Schutzniveaus für geografische Herkunftsangaben dem
Interesse der Lebensmittelunternehmer an der Aufnahme geografischer Anga-
ben in die Kennzeichnung von Verarbeitungserzeugnissen, die Zutaten mit ge-
ografischen Angaben enthalten, Rechnung tragen (vgl. Ziffer 1.2 der Leitlinien).
Da der Unionsgesetzgeber, wie sich dem Erwägungsgrund 32 Satz 1 der
Verordnung (EG) Nr. 1151/2012 und dem Erwägungsgrund 92 Satz 2 der Ver-
ordnung (EU) Nr. 1308/2013 entnehmen lässt, im Bereich der Qualitätsregelun-
46
47
- 23 -
gen für andere Lebensmittel als Wein und Spirituosen und für den Weinsektor
ein angeglichenes Schutzniveau erstrebt, liegt es nahe, den in den vorgenann-
ten Leitlinien der Europäischen Kommission zum Ausdruck kommenden Rege-
lungsansatz auch auf die hier in Rede stehenden Vorschriften zu übertragen,
die keine ausdrückliche Aussage zur Frage der Verwendung von Ursprungsbe-
zeichnungen und geografischen Angaben für Erzeugnisse treffen, die Zutaten
mit geschützten Bezeichnungen enthalten.
(b) Nach Ziffer 2.1.1 der vorgenannten Leitlinien der Europäischen
Kommission könnte ein als
geschützte Ursprungsbezeichnung (g. U.) oder ge-
schützte geografische Angabe (g. g. A.) eingetragener Name berechtigterweise
in der Zutatenliste eines Lebensmittels aufgeführt werden. Gemäß Ziffer 2.1.2
der Leitlinien vertritt die Europäische Kommission weiterhin die Ansicht, dass
ein als g. U. oder g. g. A. eingetragener Name auch in der oder in der Nähe der
Verkehrsbezeichnung eines Lebensmittels erwähnt werden könnte, dem Er-
zeugnisse zugesetzt wurden, welche den eingetragenen Namen führen, sowie
bei der Kennzeichnung und Aufmachung von diesem Lebensmittel und der
Werbung hierfür, sofern die weiteren in der Leitlinie genannten Bedingungen
erfüllt sind.
Nach Ziffer 2.1.2 der Leitlinien kommt es nach Auffassung der Europäi-
schen Kommission nicht entscheidend auf einen bestimmten mengenmäßigen
Anteil der Zutat an. Vielmehr hat die Europäische Kommission in Anbetracht der
Heterogenität der möglicherweise auftretenden Fälle davon abgesehen, einen
einheitlich geltenden Mindestanteil vorzuschlagen, und stattdessen darauf ver-
wiesen, dass die Verwendung einer geschützten Ursprungsangabe in der Be-
zeichnung eines weiterverarbeitenden Lebensmittels dann gerechtfertigt sein
soll, wenn die mit der Angabe bezeichnete Zutat in ausreichender Menge ver-
wendet wird, um dem Lebensmittel eine wesentliche Eigenschaft zu verleihen.
48
49
- 24 -
(c) Wesentliche Eigenschaft eines Sorbets, das - den Bezeichnungsge-
wohnheiten des Verkehrs entsprechend - nach einer bestimmten Zutat benannt
ist, ist regelmäßig der Geschmack, den die Zutat dem Sorbet verleiht und die so
benannte Süßspeise von mit anderen geschmacksgebenden Zutaten (etwa
Fruchtpüree) hergestellten Sorbets unterscheidet (vgl. Grube in Voit/Grube aaO
Art. 17 Rn. 82; Leitsätze für Speiseeis und Speiseeishalberzeugnisse des Deut-
schen Lebensmittelbuchs unter I.B und II.A.7 [abgedruckt bei Meyer, Text-
sammlung Lebensmittelrecht, Nr. 6770]). Mit Rücksicht darauf, dass sich die
Bezeichnungsgewohnheiten des Verkehrs bei Speiseeis oder Sorbet gerade
aus der geschmacksgebenden Zutat herleiten, stimmt der Senat der Annahme
des Berufungsgerichts nicht zu, nach der die angesprochenen Verkehrskreise
in der Bezeichnung eines Lebensmittels als "Champagner Sorbet" keinen Hin-
weis auf eine geschmacksbestimmende Eigenschaft des Lebensmittels sehen.
ee) Das Berufungsgericht hat ein berechtigtes Interesse an der Nutzung
der angegriffenen Bezeichnung angenommen, weil der Begriff "Champagner
Sorbet" ausweislich der von den Parteien vorgelegten Rezepte eine in der deut-
schen Sprache und Kochliteratur feststehende Bezeichnung einer halbgefrore-
nen Süßspeise mit Champagnerzusatz sei, die in einer Reihe mit den Bezeich-
nungen anderer bekannter Süßspeisen wie "Mousse au chocolat", "Créme
brûlée" oder "Panna Cotta" stehe. Die Beklagte verwende mithin für ihr Tief-
kühlprodukt diejenige Bezeichnung, unter der dem Verkehr eine solche Speise
bekannt sei. Diese Annahme begegnet nach Ansicht des Senats Bedenken,
weil sich die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht auf Bezeichnungsge-
wohnheiten im kommerziellen Bereich beziehen und sich aus einer im nicht-
kommerziellen Bereich üblichen Verwendung eines als Ursprungsbezeichnung
geschützten Begriffs kein berechtigtes Interesse an seiner kommerziellen Nut-
zung ergeben dürfte.
50
51
- 25 -
ff) Die Vorlagefragen 1 und 2 sind entscheidungserheblich. Sollten die
Vorlagefragen zu 1 und 2 zu bejahen sein, kann auf der Grundlage der bislang
getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden, ob dem Kläger
der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zusteht. Das Berufungsgericht
hat zu der Frage, ob der dem von der Beklagten angebotenen Tiefkühlerzeug-
nis "Champagner Sorbet" beigegebene Champagner-Anteil von 12% ge-
schmacksbestimmend ist, keine Feststellungen getroffen. Gleiches gilt für die
Frage, ob die Bezeichnung "Champagner Sorbet" im kommerziellen Bereich
eine feststehende Bezeichnung ist. Sollten die Vorlagefragen 1 und 2 verneint
werden, liegt kein Verstoß gegen Art. 118m Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verord-
nung (EG) Nr. 1234/2007 und Art. 103 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung
(EU) Nr. 1308/2013 vor.
6. Ein Unterlassungsanspruch des Klägers könnte sich ferner aus
Art. 118m Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und Art. 103
Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 ergeben. Auch in diesem
Zusammenhang stellt sich die durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Union noch nicht geklärte Frage des berechtigten Interesses an
der Nutzung einer geschützten Ursprungsbezeichnung bei der Weiterverarbei-
tung von Erzeugnissen, die unter einer geschützten Ursprungsbezeichnung
vermarktet werden dürfen (Vorlagefrage 3).
a) Nach Art. 118m Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007
und Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 werden ge-
schützte Ursprungsbezeichnungen und geschützte geografische Angaben ge-
gen jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung geschützt,
selbst wenn der tatsächliche Ursprung des Erzeugnisses oder der Dienstleis-
tung angegeben ist oder wenn der geschützte Name in Übersetzung oder zu-
52
53
54
- 26 -
sammen mit Ausdrücken wie "Art", "Typ", "Verfahren", "Fasson", "Nachah-
mung", "Aroma" oder ähnlichem verwendet wird.
Eine Aneignung im Sinne der vorgenannten Vorschriften liegt vor, wenn
die geschützte Bezeichnung nahezu identisch verwendet wird. Eine Nachah-
mung umfasst jede Bezeichnung, die dem geschützten Herkunftszeichen ähn-
lich ist und ihrem Sinn nach denselben Eindruck erweckt wie die geschützte
Angabe (vgl. OLG Frankfurt, WRP 1997, 859, 861; Grube in Grube/Voit aaO
Art. 26 Rn. 68; Hacker in Ströbele/Hacker aaO § 135 Rn. 19; BeckOK MarkenR/
Schulteis, 6. Edition, Stand 1. Mai 2016, § 135 MarkenG Rn. 16 f.; Omsels aaO
Rn. 159; Engelhardt aaO S. 157).
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu
Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1151/2012 und den zuvor gel-
tenden Vorschriften sowie zu Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 erfasst
der Begriff der Anspielung im Sinne dieser Vorschriften eine Fallgestaltung, in
der der zur Bezeichnung eines Erzeugnisses verwendete Ausdruck einen Teil
der geschützten Bezeichnung in der Weise einschließt, dass der Verbraucher
durch den Namen des Erzeugnisses veranlasst wird, gedanklich einen Bezug
zu der Ware herzustellen, die die Bezeichnung trägt, ohne dass hierzu die Vor-
aussetzungen einer Verwechslungsgefahr vorliegen müssen (EuGH, WRP
1999, 486 Rn. 25 f. - Gorgonzola/Cambozola; EuGH, Urteil vom 26. Februar
2008 - C-132/05, Slg. 2008, I-957 = GRUR 2008, 524 Rn. 44 f. - Parmesan/
Parmigiano Reggiano; EuGH, GRUR 2011, 926 Rn. 56 - Bureau national inter-
professionnel du Cognac; EuGH, GRUR 2016, 388 Rn. 21 und 45 - Viiniverla
Oy; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Februar 2008 - I ZR 69/04, GRUR 2008,
413 Rn. 18 = WRP 2008, 669 - Bayerisches Bier I). Danach sind die eingetra-
genen Angaben über den Bereich der Warenähnlichkeit hinaus gegen ihre Ver-
wendung im Wege einer Anspielung geschützt (Büscher in Büscher/Dittmer/
55
56
- 27 -
Schiwy aaO § 135 MarkenG Rn. 44; Hacker in Ströbele/Hacker aaO § 135
Rn. 26; Ingerl/Rohnke aaO § 135 Rn. 9; vgl. auch Grube in Voit/Grube aaO Art.
26 Rn. 70). Diese Rechtsprechung kann auf die hier zu beurteilenden Vorschrif-
ten übertragen werden. Darüber hinaus umfasst der Schutz nach Art. 118m
Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und Art. 103 Abs. 2
Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 die Verwendung des geschützten
Namens in einer Übersetzung.
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Voraussetzungen dieses
Tatbestandes seien gegeben. Gegen diese Annahme bestehen angesichts der
Übereinstimmungen zwischen der eingetragenen Ursprungsbezeichnung
"Champagne" und des in der angegriffenen Produktbezeichnung verwendeten
Begriffs "Champagner" in Kombination mit dem beschreibenden Zusatz "Sor-
bet" keine Bedenken. Durch die Verwendung der Bezeichnung "Champagner
Sorbet" für ein Tiefkühlprodukt wird der Verbraucher zumindest veranlasst, ei-
nen Bezug zu der geschützten Bezeichnung "Champagne" herzustellen.
c) Art. 118m Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und
Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 setzen nach ih-
rem Wortlaut weiter voraus, dass die beanstandete Verwendung der geschütz-
ten Ursprungsbezeichnung widerrechtlich ist. Hiervon ist regelmäßig auszuge-
hen, wenn der Verwender nicht zur Benutzung der geschützten Bezeichnung
berechtigt ist (Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 130 MarkenG Rn. 42;
Rathke in Zipfel/Rathke aaO C 134 Ergänzungslieferung 158 Juli 2014, Art. 13
EU-Qualitätsregelungen-Verordnung Rn. 18; ders. aaO C 400 Ergänzungsliefe-
rung 153 Juli 2013, § 22b WeinG Rn. 36; vgl. auch Boch aaO § 22b Rn. 13).
Mit dieser Einschränkung wird jedoch zugleich der allgemeine Wille des
Unionsgesetzgebers zum Ausdruck gebracht, nicht jede Verwirklichung der
57
58
59
- 28 -
Tatbestände des Art. 118m Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1234/
2007 und des Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 als
verbotene Benutzungshandlung zu qualifizieren. Benutzungshandlungen, an
denen ein berechtigtes Interesse besteht, unterfallen den Verbotstatbeständen
daher nach Auffassung des Senats nicht. In diesem Zusammenhang stellt sich
mithin die Frage, ob die Verwendung einer geschützten Ursprungsbezeichnung
unter den in Vorlagefrage 2 beschriebenen Umständen eine widerrechtliche
Aneignung, Nachahmung oder Anspielung im Sinne der genannten Vorschriften
darstellt (Vorlagefrage 3).
7. Der Kläger hat sich zur Begründung des von ihm geltend gemachten
Unterlassungsanspruchs ferner gegen eine irreführende Verwendung der Be-
zeichnung "Champagner Sorbet" durch die Beklagte gewandt. Bei der Anwen-
dung des Art. 118m Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und
des Art. 103 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 stellt sich die
in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union noch nicht
geklärte Frage, ob sich der Anwendungsbereich dieser Vorschriften nur auf irre-
führende Angaben erstreckt, die bei den angesprochenen Verkehrskreisen ei-
nen falschen Eindruck über die geografische Herkunft hervorzurufen geeignet
sind (Vorlagefrage 4).
a) Nach Art. 118m Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007
und Art. 103 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 gewähren
geschützte Ursprungsbezeichnungen und geschützte geografische Angaben
Schutz gegen alle sonstigen falschen oder irreführenden Angaben, die sich auf
Herkunft, Ursprung, Natur oder wesentliche Eigenschaften des Erzeugnisses
beziehen und auf der Aufmachung oder der äußeren Verpackung, in der Wer-
bung oder in Unterlagen zu den betreffenden Weinerzeugnissen erscheinen.
60
61
- 29 -
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Tatbestand des Art. 103
Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 sei schon deshalb nicht
erfüllt, weil die Bezeichnung "Champagner Sorbet" nicht geeignet sei, bei den
angesprochenen Verkehrskreisen einen falschen Eindruck hinsichtlich der Her-
kunft des Tiefkühlerzeugnisses zu wecken, da diese Bezeichnung nicht dahin
aufgefasst werden könne, dass das Sorbet selbst und nicht nur die Zutat
Champagner in der Champagne hergestellt werde. Es hat jedoch nicht geprüft,
ob der Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt einer Irreführung über
wesentliche Eigenschaften des mit der geschützten Ursprungsbezeichnung be-
zeichneten Erzeugnisses begründet sein kann. Der Kläger hat nicht nur auf eine
Irreführung über die Herkunft verwiesen, sondern auch geltend gemacht, der
Verkehr fasse die Bezeichnung "Champagner Sorbet" für ein Tiefkühlprodukt
dahin auf, dass Champagner den charakteristischen und geschmacksgebenden
Bestandteil des Produkts ausmache. Dies sei jedoch tatsächlich nicht der Fall.
Dieser Irreführungsaspekt bezieht sich nicht auf die Herkunft, sondern auf eine
wesentliche Eigenschaft des mit "Champagner Sorbet" bezeichneten Produkts.
c) Es stellt sich mithin die Frage, ob das in Art. 118m Abs. 2 Buchst. c
der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und Art. 103 Abs. 2 Buchst. c der Verord-
nung (EU) Nr. 1308/2013 niedergelegte Irreführungsverbot als allgemeines Irre-
führungsverbot aufzufassen ist, oder ob sich der Anwendungsbereich dieser
Vorschriften nur auf irreführende Angaben erstreckt, die bei den angesproche-
nen Verkehrskreisen einen falschen Eindruck über die geografische Herkunft
hervorzurufen geeignet sind.
Das in Art. 118m Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007
und Art. 103 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 niedergeleg-
te Irreführungsverbot bezweckt den Schutz der unter die Verordnungen fallen-
den Herkunftsbezeichnungen gegen falsche oder irreführende Angaben. Dies
62
63
64
- 30 -
spricht dafür, dass Bezugspunkt dieses Irreführungsverbotes der mit der ge-
schützten Angabe zum Ausdruck gebrachte Hinweis auf die Herkunft des Er-
zeugnisses ist. Die Vorschriften zielen daher nach Auffassung des Senats auf
solche Angaben, aus denen der Verbraucher irrtümlich den Schluss ziehen
kann, dass das Erzeugnis in den Schutzbereich eines eingetragenen Namens
fällt (Engelhardt aaO S. 161), und die daher einen unzutreffenden Eindruck
über
die
Herkunft
des
Erzeugnisses
hervorzurufen
geeignet
sind
(Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 130 MarkenG Rn. 45; in diese Rich-
tung wohl auch: Hacker in Ströbele/Hacker aaO § 126 Rn. 49 und § 135 Rn. 27;
Ingerl/Rohnke aaO § 135 Rn. 10; BeckOK MarkenR/Schulteis aaO § 135 Mar-
kenG Rn. 19, die vor allem mittelbare Herkunftsangaben vom Schutzbereich
der Vorschrift erfasst sehen).
Der Kläger macht nicht geltend, der mit der Produktbezeichnung "Cham-
pagner Sorbet" angesprochene Verkehr werde annehmen, dass das so be-
zeichnete Tiefkühlsorbet alle charakteristischen Eigenschaften eines Erzeug-
nisses aufweise, das den Spezifikationen entspreche, für die die Ursprungsbe-
zeichnung "Champagne" Geltung beansprucht, so dass es bei diesem Ver-
ständnis der Vorschrift an dem erforderlichen Zusammenhang zwischen der
behaupteten Irreführung und den durch die geografische Angabe vermittelten
Herkunftsvorstellungen fehlte.
Demgegenüber wird allerdings vertreten, Art. 118m Abs. 2 Buchst. c der
Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und Art. 103 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung
(EU) Nr. 1308/2013 enthielten ein allgemeines Irreführungsverbot, das dem in
Art. 7 der Verordnung (EU) 1169/2011 niedergelegten Irreführungsverbot ent-
spricht (Rathke in Zipfel/Rathke aaO C 400 Ergänzungslieferung 153 Juli 2013,
§ 22b WeinG Rn. 38; ders. aaO C 134 Ergänzungslieferung 158 Juli 2014, EU-
Qualitätsregelungen-Verordnung Rn. 26; Boch aaO § 22b Rn. 14 f.). Nach die-
65
66
- 31 -
sem Verständnis könnte auch die vom Kläger zur Begründung des Unterlas-
sungsanspruchs behauptete Irreführung unter den Tatbestand des Art. 118m
Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und Art. 103 Abs. 2
Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 fallen.
Büscher
Schaffert
Löffler
Schwonke
Feddersen
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 18.03.2014 - 33 O 13181/13 -
OLG München, Entscheidung vom 16.10.2014 - 29 U 1698/14 -