Urteil des BGH vom 10.03.2016

Verordnung, Lebensmittel, Werbung, Koch

ECLI:DE:BGH:2016:100316BIZR180.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 180/15
vom
10. März 2016
in dem Rechtsstreit
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. März 2016 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert,
Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem
Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10. Juli 2015
wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Streitwert: 38.460 €
Gründe:
I. Die Beklagte hat die von ihr vertriebenen Nahrungsergänzungsmittel
"N. V. M. " (im Weiteren: "M. ") und "N. V. H.
" (im Weiteren: "H. ") am 28. September 2013 auf dem TV-Verkaufs-
sender QVC mit den streitgegenständlichen Werbeaussagen beworben. Der
Kläger hält diese Aussagen für wettbewerbswidrig, weil sie gesundheitsbezo-
gene Angaben über Lebensmittel im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 10
Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbe-
zogene Angaben über Lebensmittel enthielten und nicht die Voraussetzungen
für ihre Zulässigkeit nach den Art. 5 und 6 dieser Verordnung erfüllten. Das
Landgericht hat der Klage im vollen Umfang stattgegeben (LG Berlin, MD 2015,
121). Die Berufung der Beklagten hatte lediglich einen ganz geringen Erfolg
(KG, MD 2015, 1015). Mit der auf ihre Beschwerde hin zuzulassenden Revision
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erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage mit den Anträgen zu 1.1 bis 1.4,
1.7, 1.8 und 1.10 sowie zu 2.1 bis 2.4.
II. Die Beschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg, weil die Rechtssa-
che keine grundsätzliche Bedeutung hat, die auf die Verletzung von Verfah-
rensgrundrechten gestützten Rügen nicht durchgreifen und die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entschei-
dung des Revisionsgerichts auch im Übrigen nicht erfordern (§ 543 Abs. 2
Satz 1 ZPO).
1. Die Beschwerde macht zunächst im Hinblick auf die Aussagen zum
Produkt "M. " gemäß LGU 2 bis 4 unter 1.1 bis 1.4, 1.7, 1.8 und 1.10
geltend, das Berufungsgericht habe, soweit es diese Aussagen als gesund-
heitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 10 Abs. 1 der
Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 und nicht als unspezifische Verweise im Sinne
von Art. 10 Abs. 3 dieser Verordnung angesehen habe, seinem Urteil den von
der Senatsrechtsprechung abweichenden Obersatz zugrunde gelegt, dass alle
Aussagen, die auf eine der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 dieser Verord-
nung genannten Funktionen Bezug nähmen, selbst dann Gegenstand eines
Zulassungsverfahrens sein könnten, wenn sie allgemein und unspezifisch for-
muliert seien. Hinsichtlich der Aussagen 1.1 und 1.4 sei schon fraglich, ob sie
sich überhaupt mit dem gesundheitlichen Wohlbefinden befassten und nicht
eher mit sozialen Kompetenzen. Jedenfalls fehle jegliche Bezugnahme auf eine
durch das Mittel zu fördernde Körperfunktion. Soweit es in Ziffer 1.7 und 1.8
darum gehe, den Körper beim Lernen und beim Konzentrieren zu unterstützen,
sei nicht ersichtlich, dass sich die Aussagen etwa auf das Gehirn oder auf an-
dere Körperorgane bezögen. Die Obersatzabweichung sei auch entschei-
dungserheblich, weil die in Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006
angesprochenen Listen nach Art. 13 und 14 dieser Verordnung noch nicht ab-
schließend erstellt seien.
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Mit diesem Vorbringen hat die Beschwerde keinen Erfolg. Die in den
Aussagen 1.1 und 1.4 angesprochene Leistungsfähigkeit des Gehirns kann
ausweislich der Regelung in Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang "DHA trägt
zur Erhaltung einer normalen Gehirnfunktion bei" der Verordnung (EU)
Nr. 432/2012 Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein. Dasselbe gilt für
die in den Aussagen 1.7, 1.8 und 1.10 angesprochene Lern- bzw. Konzentrati-
onsfähigkeit. Die Aufnahme entsprechender gesundheitsbezogener Angaben in
eine Liste zulässiger Angaben gemäß Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006 ist jeweils - nur - mit der Begründung abgelehnt worden, ein kau-
saler Zusammenhang zwischen der Einnahme des entsprechenden Mittels und
der angegebenen Wirkung sei nicht festzustellen gewesen (vgl. Erwägungs-
gründe 49 f. der Verordnung [EG] Nr. 983/2009; Erwägungsgründe 39 f. der
Verordnung [EG] Nr. 1024/2009; Erwägungsgründe 9 f. der Verordnung [EU]
Nr. 402/2015).
2. Bei der danach gebotenen Anwendung des Art. 10 Abs. 1 der Verord-
nung (EG) Nr. 1924/2006 auf alle vom Kläger beanstandeten gesundheitsbezo-
genen Angaben in der Werbung der Beklagten wären diese Angaben nur dann
als zulässig anzusehen, wenn sie - erstens - den allgemeinen Anforderungen
im Kapitel II (Art. 3 bis 6) und - zweitens - den speziellen Anforderungen im Ka-
pitel IV (Art. 10 bis 19) dieser Verordnung entsprächen sowie - drittens - gemäß
der Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß
den Art. 13 und 14 der Verordnung aufgenommen wären. Das Berufungsgericht
hat in Bezug auf beide Mittel der Beklagten die Erfüllung sowohl der ersten als
auch der dritten dieser Voraussetzungen verneint. Es hat die Unzulässigkeit der
vom Beklagten beanstandeten Werbung damit bei beiden Mitteln und in Bezug
auf alle vom Kläger beanstandeten Aussagen jeweils aus zwei selbständig tra-
genden Gründen bejaht.
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Die Beschwerde hätte daher auch jeweils beide Begründungen angreifen
müssen. Sie hat allerdings gemeint, im Rahmen des Art. 10 Abs. 1 der Verord-
nung (EG) Nr. 1924/2006 komme es (nur) darauf an, ob die streitgegenständli-
chen Aussagen in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13 und 14
dieser Verordnung aufgenommen seien oder den allgemeinen Bedingungen
nach den Art. 5 und 5 - gemeint war wohl: Art. 5 und 6 - dieser Verordnung ent-
sprächen. Im Weiteren hat die Beschwerde dann - insoweit konsequent - auch
allein die Ausführungen im Berufungsurteil angegriffen, mit denen das Beru-
fungsgericht zu den beiden Mitteln dargestellt hat, dass die vom Kläger bean-
standeten Aussagen nicht in der nach Art. 13 Abs. 3 der Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006 erlassenen Verordnung (EU) Nr. 432/2012 enthalten sind. Die
Beschwerde hat es danach versäumt darzulegen, dass die von ihr geltend ge-
machten Rechtsfehler und Zulassungsgründe auch entscheidungserheblich
sind, weil das mit der Revision anzufechtende Urteil nicht bereits aus den vom
Berufungsgericht gestützt auf Art. 5 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006
weiterhin angenommenen, selbständig tragenden Gründen Bestand hat.
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III. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2
Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Büscher
Schaffert
Koch
Löffler
Schwonke
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 10.11.2014 - 101 O 2/14 -
KG Berlin, Entscheidung vom 10.07.2015 - 5 U 154/14 -
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