Urteil des BGH vom 04.07.2013

Leitsatzentscheidung zu Ausschluss der Haftung, Cmr, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Europäische Zentralbank, Messgerät

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 156/12
Verkündet am:
4. Juli 2013
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 133 B, § 157 Ga, § 305c Abs. 2
Die Beförderungsausschlussklausel in den Beförderungsbedingungen eines
Paketdienstunternehmens, wonach der Wert eines Pakets den Gegenwert von
50.000 US-Dollar in der jeweiligen Landeswährung nicht überschreiten darf, ist -
wenn die Landeswährung der Euro ist - dahin auszulegen, dass die Wertgrenze
auf der Basis des Euro-Referenzkurses (Mittelkurses) der Europäischen Zent-
ralbank zu ermitteln ist.
BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - I ZR 156/12 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 4. Juli 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Dr. h.c. Born-
kamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Prof. Dr. Schaffert und
Dr. Kirchhoff
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. Juli 2012 aufgeho-
ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurück-
verwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist Transportversicherer der F. E. GmbH & Co. KG
in K. (im Weiteren: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt das
beklagte Paketdienstunternehmen aus abgetretenem und übergegangenem
Recht wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
Darüber hinaus verlangt sie die Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechts-
verfolgungskosten.
Die Versicherungsnehmerin beauftragte die Beklagte im Juni 2008 mit
dem Transport eines Messgeräts von einem in Österreich ansässigen Unter-
nehmen nach K. . Dem Beförderungsvertrag lagen die Beför-
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derungsbedingungen der Beklagten (Stand: 2008) zugrunde, die unter anderem
folgende Regelungen enthielten:
3. Beförderungsbedingungen
3.1 [Die Beklagte] befördert keine Waren, die nach Maßgabe der folgenden
Absätze (i) bis (iv) vom Transport ausgeschlossen sind.
(…)
(ii) Der Wert eines Pakets darf den Gegenwert von 50.000 US-Dollar in der
jeweiligen Landeswährung nicht überschreiten. (…)
(…)
3.3 Verweigerung und Einstellung der Beförderung
(i) Sofern ein Paket einer der obigen Beschränkungen oder Bedingungen
nicht entspricht, (…) kann [die Beklagte] die Beförderung des betreffen-
den Pakets (…) verweigern oder, falls die Beförderung bereits im Gang
ist, die Beförderung einstellen.
Die österreichische Versenderin übergab einem Fahrer der Beklagten am
13. Juni 2008 das Transportbehältnis, in dem sich nach der Darstellung der
Klägerin das Messgerät befand.
Die Klägerin hat behauptet, das Transportbehältnis, ein Spezialkoffer im
Wert von 750
€, sei unmittelbar nach der Ankunft bei der Versicherungsnehme-
rin am 16. Juni 2008 geöffnet worden. Dabei hätten deren Mitarbeiter festge-
stellt, dass der Transportkoffer leer angeliefert worden sei. Der Wert des ab-
handengekommenen Messgeräts habe zum Zeitpunkt der Übergabe an die Be-
klagte 32.555
€ betragen.
Die Beklagte hafte für den Verlust des Gutes unbeschränkt, da ihr ein
qualifiziertes Verschulden anzulasten sei. Sie habe weder zum Verbleib des
Gutes noch zu von ihr angestellten Nachforschungen etwas vortragen können.
Dies lasse den Schluss auf eine grob mangelhafte Betriebsorganisation zu.
Die Klägerin hat die Beklagte daher auf Zahlung von 32.555
€ nebst Zin-
sen und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von
1.307,81
€ in Anspruch genommen.
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Die Beklagte hat vor allem geltend gemacht, der Wert des angeblich an
sie zur Beförderung übergebenen Messgeräts nebst Transportkoffer habe die
Verbotsgutgrenze von 50.000 US-Dollar gemäß ihren Beförderungsbedingun-
gen überschritten. Dieser Umstand führe zu einem vollständigen Haftungsaus-
schluss.
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung des weitergehenden
Klagebegehrens zur Zahlung von 32.030
€ nebst Zinsen verurteilt. Die dagegen
gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückwei-
sung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige
Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte schulde für den
Verlust des Messgeräts, der während ihrer Obhutszeit eingetreten sei, gemäß
Art. 17 Abs. 1, Art. 29 CMR in Verbindung mit § 435 HGB vollen Schadenser-
satz in Höhe von 32.030
€. Dazu hat es ausgeführt:
Die in erster Instanz durchgeführte Beweisaufnahme habe ergeben, dass
das abhandengekommene Messgerät, das zum Zeitpunkt der Übergabe einen
Wert von 32.030
€ gehabt habe, einem Fahrer der Beklagten übergeben und
bei der Versicherungsnehmerin als Empfängerin nicht abgeliefert worden sei.
Die Beklagte hafte für den Verlust des Gutes unbeschränkt, da ihr oder ihren
Mitarbeitern, deren Verhalten sie sich gemäß Art. 29 Abs. 2, Art. 3 CMR zu-
rechnen lassen müsse, ein qualifiziertes Verschulden anzulasten sei.
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Die Versicherungsnehmerin treffe an der Entstehung des Schadens kein
der Klägerin zuzurechnendes Mitverschulden. Die Beklagte mache ohne Erfolg
geltend, die Versicherungsnehmerin habe ihr Verbotsgut im Sinne von Zif-
fer 3.1 (ii) ihrer Beförderungsbedingungen zum Transport übergeben, ohne sie
davon in Kenntnis zu setzen. Bei dem zum Transport übergebenen Gut habe es
sich nicht um Verbotsgut im Sinne der genannten Klausel gehandelt, weil des-
sen Wert unter 50.000 US-Dollar gelegen habe. Es sei schon zweifelhaft, ob die
Verbotsgutklausel mit Blick auf das in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB normierte
Transparenzgebot wirksam sei. Dies könne jedoch offenbleiben, da - eine Wirk-
samkeit bei der kundenfeindlichsten Auslegung unterstellt - zumindest Unklar-
heiten verblieben, die bei der dann nach § 305c Abs. 2 BGB gebotenen kun-
denfreundlichsten Auslegung hier dazu führten, dass die Verbotsgrenze von
50.000 US-Dollar nicht erreicht sei. Die Klägerin müsse sich auch nicht unter
dem Gesichtspunkt einer unterlassenen Wertdeklaration ein anspruchsmin-
derndes Mitverschulden entgegenhalten lassen, weil dieser Umstand für den
eingetretenen Schaden nicht kausal geworden sei. Gleiches gelte für den eben-
falls nicht erteilten Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Scha-
dens.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverwei-
sung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die mit
einem grenzüberschreitenden Straßengütertransport beauftragte Beklagte als
Frachtführerin der Haftung nach den Vorschriften der CMR unterliegt. Danach
hat die Beklagte gemäß Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 CMR grundsätz-
lich Schadensersatz für den Verlust von Transportgut zu leisten, das während
ihrer Obhutszeit abhandenkommt. Nach den Feststellungen des Berufungsge-
richts ist das Messgerät, für dessen Verlust die Klägerin Schadensersatz ver-
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langt, während der Obhutszeit der Beklagten abhandengekommen. Die Revisi-
on erhebt dagegen keine Rügen, so dass für das Revisionsverfahren von einer
grundsätzlichen Schadensersatzverpflichtung der Beklagten gemäß Art. 17
Abs. 1 CMR auszugehen ist.
2. Vollen Schadensersatz - über die Beschränkung des Art. 23 Abs. 3
CMR hinaus - schuldet die Beklagte aber nur dann, wenn die Voraussetzungen
des Art. 29 CMR vorliegen. Nach dieser Bestimmung kann sich der Frachtführer
nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich
oder durch ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden verursacht hat. Das
Gleiche gilt, wenn seinen Bediensteten oder Verrichtungsgehilfen ein solches
qualifiziertes Verschulden zur Last fällt (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 CMR). Da auf den
zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten geschlossenen Beför-
derungsvertrag jedenfalls gemäß Art. 27 Abs. 1 EGBGB, der im Streitfall noch
maßgeblich ist, deutsches Recht zur Anwendung kommt - beide Parteien haben
während des Rechtsstreits ausschließlich auf der Grundlage des deutschen
Rechts vorgetragen -, ist im Rahmen von Art. 29 Abs. 1 CMR ergänzend § 435
HGB heranzuziehen. Nach dieser Vorschrift kann sich der Frachtführer nicht auf
gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkungen berufen,
wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist,
die der Frachtführer oder eine in § 428 HGB genannte Person vorsätzlich oder
bewusst leichtfertig begangen hat. Davon ist im Streitfall auszugehen.
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Voraussetzungen für
ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten im Sinne von § 435 HGB erfüllt
sind, weil die Beklagte nichts zu den näheren Umständen des Verlustes und zu
von ihr angestellten Nachforschungen zum Verbleib des Gutes vorgetragen hat.
Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. nur BGH, Urteil vom
13. Januar 2011 - I ZR 188/08, TranspR 2011, 218 Rn. 15 f. = VersR 2011,
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1161; Urteil vom 13. Juni 2012 - I ZR 87/11, TranspR 2012, 463 Rn. 17) und
wird von der Revision auch nicht angegriffen.
3. Das Berufungsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass
auch im Falle eines qualifizierten Verschuldens des Frachtführers im Sinne von
Art. 29 Abs. 1 CMR in Verbindung mit § 435 HGB der Mitverschuldenseinwand
nach § 254 Abs. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt der Einlieferung von Verbots-
gut gemäß den Beförderungsbedingungen des Transportunternehmens zu be-
rücksichtigen ist.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Warenversender in ei-
nen nach § 425 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB be-
achtlichen Selbstwiderspruch geraten, wenn er ein wertvolles Gut trotz Kennt-
nis, dass der Frachtführer dieses in der gewählten Transportart wegen des da-
mit verbundenen Verlustrisikos nicht befördern will, ohne Hinweis auf den Wert
des Transportgutes zur Beförderung übergibt und im Falle des Verlusts gleich-
wohl vollen Schadensersatz verlangt (BGH, Urteil vom 15. Februar 2007
- I ZR 186/03, TranspR 2007, 164 Rn. 24 = VersR 2008, 97). Hat der Waren-
versender positive Kenntnis davon, dass die zur Beförderung aufgegebene
Sendung nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Frachtführers so
genanntes Verbotsgut enthält, und klärt er den Frachtführer hierüber vor Ver-
tragsschluss nicht auf, kann dies bei einem Verlust der Sendung im Rahmen
der Abwägung der Verursachungsbeiträge auch zu einem vollständigen Aus-
schluss der Haftung des Beförderers führen (BGH, Urteil vom 13. Juli 2006
- I ZR 245/03, TranspR 2006, 448 Rn. 32 = VersR 2007, 1102; BGH, TranspR
2007, 164 Rn. 30; BGH, Urteil vom 3. Mai 2007 - I ZR 109/04, TranspR 2007,
405 Rn. 31).
b) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Versiche-
rungsnehmerin die Beförderungsbedingungen der Beklagten bei Erteilung des
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Transportauftrags bekannt waren und damit wirksam in den streitgegenständli-
chen Vertrag einbezogen wurden. Demzufolge musste die Versicherungsneh-
merin wissen, dass die Beklagte gemäß Ziffer 3.1 (ii) ihrer Beförderungsbedin-
gungen grundsätzlich keine Pakete befördert, deren Inhalt den Wert von
50.000 US-Dollar in der jeweiligen Landeswährung übersteigt. Nach Zif-
fer 3.3 (i) ihrer Beförderungsbedingungen ist die Beklagte berechtigt, die Beför-
derung eines Pakets, dessen Inhalt die genannte Wertgrenze übersteigt, zu
verweigern oder - sofern die Beförderung bereits begonnen hat - diese einzu-
stellen. Unterbleibt ein Hinweis auf den die Obergrenze übersteigenden Wert
des Inhalts, ist davon auszugehen, dass der unterlassene Hinweis für den
Schadenseintritt mitursächlich gewesen ist, weil die Beklagte bei einer korrek-
ten Wertangabe jedenfalls die Möglichkeit gehabt hätte, die Beförderung zu
verweigern (vgl. BGH, TranspR 2006, 448 Rn. 33).
4. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Annahme des Be-
rufungsgerichts, bei dem an die Beklagte übergebenen Messgerät nebst Trans-
portkoffer habe es sich nicht um Verbotsgut im Sinne der Beförderungsbedin-
gungen der Beklagten gehandelt.
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Be-
förderungsbedingungen der Beklagten wirksam in den mit der Versicherungs-
nehmerin geschlossenen Vertrag einbezogen worden sind. Es hat offengelas-
sen, ob die Regelung in Ziffer 3.1 (ii) wegen Verstoßes gegen das Transpa-
renzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam ist. Jedenfalls - so das Be-
rufungsgericht - führe die nach § 305c Abs. 2 BGB gebotene kundenfreund-
lichste Auslegung der in Rede stehenden Klausel dazu, dass es sich bei dem
Messgerät nebst Transportkoffer nicht um Verbotsgut im Sinne der Beförde-
rungsbedingungen gehandelt habe, weil dessen Wert die Grenze von
50.000 US-Dollar nicht erreicht habe. Das Messgerät habe zum Zeitpunkt der
Übergabe an die Beklagte einen Wert von 32.030
€ gehabt. Zu diesem Betrag
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sei der Wert des Transportkoffers (750
€) hinzuzurechnen, da dieser Bestand-
teil des Beförderungsgutes und nicht lediglich Verpackung gewesen sei. Daher
habe das zur Beförderung übergebene Gut am 13. Juni 2008 einen Gesamtwert
von 32.780
€ gehabt. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei bei der Umrech-
nung in US-Dollar nicht zwingend auf den Umrechnungskurs der Deutschen
Bundesbank oder denjenigen der Europäischen Zentralbank abzustellen. Es sei
auch möglich, bei der Ermittlung des Gegenwerts die im bargeldlosen Zah-
lungsverkehr geltenden Umrechnungskurse, die Schalterkurse, bei denen wie-
derum zwischen An- und Verkauf zu unterscheiden sei, oder die für das Kredit-
kartengeschäft geltenden Kurse heranzuziehen. Die Wertgrenze sei gemäß
§ 305c Abs. 2 BGB jedenfalls dann als gewahrt anzusehen, wenn sie bei Zu-
grundelegung eines der in Betracht kommenden Kurse eines inländischen
Geld- oder Kreditinstituts, der Europäischen Zentralbank oder eines gebräuchli-
chen Währungsrechners die Obergrenze von 50.000 US-Dollar nicht erreiche.
Im Streitfall sei bei der Ermittlung des zugrundezulegenden Kurses auf den für
den Verkauf von US-Dollar maßgebenden Schalterkurs (Kassakurs), den bei-
spielsweise der Währungsrechner des Bundesverbandes deutscher Banken mit
vier Prozent unter dem Interbankkurs ansetze, als den typischerweise niedrigs-
ten Kurs abzustellen. Dies führe zu einem Gegenwert von unter 50.000 US-
Dollar. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision sind be-
gründet.
b) Die Verbotsklausel gemäß Ziffer 3.1 (ii) der Beförderungsbedingun-
gen, auf die sich die Beklagte beruft, ist in der Weise auszulegen, dass bei der
Ermittlung, welcher Euro-Betrag dem Wert von 50.000 US-Dollar entspricht, auf
den Mittelkurs der Europäischen Zentralbank abzustellen ist.
aa) Bei der genannten Klausel in den Beförderungsbedingungen der Be-
klagten handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von
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§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, da sie für eine Vielzahl von Verträgen verwendet
wird.
bb) Vor einer Klauselprüfung an den Maßstäben der §§ 307 ff. BGB ist
ihr Inhalt durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1999
- IV ZR 324/97, NJW 1999, 1633, 1634; K. P. Berger in Prütting/Wegen/Wein-
reich, BGB, 8. Aufl., § 305c Rn. 10; Jauernig/Stadler, BGB, 14. Aufl., § 305b
Rn. 1).
cc) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt
und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie ein verständiger und red-
licher Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise betei-
ligten Verkehrskreise versteht, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des
konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwen-
ders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen des konkreten
Vertragspartners zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingun-
gen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es
für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der
typischerweise an Geschäften der in Rede stehenden Art beteiligten Verkehrs-
kreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Ver-
tragspartner beachtet werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2006
- VIII ZR 166/06, NJW 2007, 504 Rn. 19; Urteil vom 17. Februar 2011
- III ZR 35/10, NJW 2011, 2122 Rn. 10 mwN). Verbleiben nach Ausschöpfung
aller danach in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel und sind
zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar, kommt die Unklar-
heitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom
29. Mai 2008 - III ZR 330/07, NJW 2008, 2495 Rn. 20; Versäumnisurteil vom
21. Oktober 2009 - VIII ZR 244/08, NJW 2010, 293 Rn. 13; BGH, NJW 2011,
2122 Rn. 10). Völlig fernliegende Auslegungsmöglichkeiten, von denen eine
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Gefährdung des Rechtsverkehrs nicht ernsthaft zu befürchten ist, bleiben dabei
außer Betracht (BGH, NJW 2011, 2122 Rn. 10).
dd) Die Beförderungsbedingungen der Beklagten regeln nicht ausdrück-
lich, welcher Umrechnungskurs bei der Feststellung des Euro-Betrags zugrunde
zu legen ist, der dem Wert von 50.000 US-Dollar entspricht, so dass dies im
Wege der Auslegung zu ermitteln ist.
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass Ausgangspunkt
für die Auslegung von Ziffer 3.1 (ii) der Beförderungsbedingungen der Begriff
des "Gegenwerts in der jeweiligen Landeswährung" sein muss. Maßgebliche
Landeswährung ist im Streitfall der Euro. In diesem Zusammenhang kann offen-
bleiben, ob sich die Bestimmung der Landeswährung nach der fraglichen Klau-
sel in den Beförderungsbedingungen der Beklagten danach richtet, welchem
Recht der Transportvertag unterliegt, oder ob auf den Absendeort oder den Sitz
des Auftraggebers als Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der maßgeblichen
Landeswährung abzustellen ist, weil vorliegend in allen Fällen die Landeswäh-
rung auf Euro lautet. Der von der Versicherungsnehmerin mit der Beklagten
geschlossene Vertrag unterliegt gemäß Art. 28 Abs. 4 EGBGB, der zum Zeit-
punkt des Vertragsschlusses im Juni 2008 noch galt, dem deutschen Recht.
Der Absendeort liegt in Österreich und der Sitz der Auftraggeberin der Beklag-
ten befindet sich in Deutschland, so dass auch insoweit die jeweilige Landes-
währung der Euro ist. Dementsprechend liegt es nahe, den Mittelkurs der Euro-
päischen Zentralbank zur Beantwortung der Frage heranzuziehen, ob das zu
befördernde Gut den Wert von 50.000 US-Dollar übersteigt, zumal es sich hier-
bei um den gebräuchlichsten und im Übrigen um einen leicht festzustellenden
Kurs handelt. Die Europäische Zentralbank veröffentlicht täglich einen Refe-
renzkurs (Mittelkurs) zwischen dem Euro und mehreren internationalen Wäh-
rungen, zu denen auch der US-Dollar gehört. Für einen durchschnittlichen ge-
schäftlichen - aber auch privaten - Versender von Gütern stellt es keine unzu-
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mutbare Überforderung dar, sich an dem im Internet aufrufbaren und damit auf
einfache Weise in Erfahrung zu bringenden Referenzkurz der Europäischen
Zentralbank zu orientieren.
Die vom Berufungsgericht in Erwägung gezogenen Kurse eignen sich im
Vergleich dazu im vorliegenden Zusammenhang nicht für die Berechnung des
Gegenwerts von 50.000 US-Dollar in Euro. Der Interbankenkurs kommt nicht in
Betracht, weil er für Privatpersonen und Gewerbetreibende grundsätzlich nicht
gilt. Ebenso wenig kann auf die Kurse abgestellt werden, die für den An- und
Verkauf von US-Dollar gelten; der Ankaufspreis muss deutlich über, der Ver-
kaufspreis deutlich unter dem Mittelwert liegen, weil Kostenfaktoren - wie etwa
die Marge der Bank, die Kosten des Vorhaltens der Fremdwährung und ein Ri-
sikoabschlag für Währungsschwankungen - zu berücksichtigen sind, die für die
Ermittlung des Gegenwerts in dem hier interessierenden Kontext keine Rolle
spielen. Entsprechendes gilt für den Kreditkartenkurs, der nur in einem speziel-
len Marktsegment von Bedeutung ist und zum Geschäftsbereich der Beklagten
keinen Bezug aufweist.
Der Wert des zu transportierenden Gutes ist dem Frachtführer grund-
sätzlich bei Erteilung des Beförderungsauftrags mitzuteilen, so dass er rechtzei-
tig in der Lage ist, über eine Annahme des Auftrags zu entscheiden. Diesen
Zeitpunkt kann der Frachtführer auch in seinen Beförderungsbedingungen fest-
legen. Fehlt - wie im Streitfall - ein solcher Hinweis, ist für die Frage, ob die
Verbotsgutgrenze überschritten ist, auf den Zeitpunkt der Übergabe des Gutes
zur Beförderung abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 2012 - I ZR 87/11,
TranspR 2012, 463 Rn. 26 = VersR 2013, 475).
ee) Danach ist auf der Grundlage der von den Vorinstanzen getroffenen
Feststellungen entgegen der Annahme des Berufungsgerichts davon auszuge-
hen, dass der Beklagten Verbotsgut im Sinne von Ziffer 3.1 (ii) ihrer Beförde-
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rungsbedingungen zum Transport von Österreich nach Deutschland zur Versi-
cherungsnehmerin übergeben wurde.
Die Einlieferung des in einem Spezialbehältnis verpackten Messarms er-
folgte nach der Feststellung des Berufungsgerichts am 13. Juni 2008. Zu die-
sem Zeitpunkt hatte das Gut (einschließlich des Spezialkoffers) einen Wert von
32.780
€. Der Mittelkurs der Europäischen Zentralbank betrug am 13. Juni 2008
für einen Euro 1,5336 US-Dollar, so dass sich der Wert des zu befördernden
Gutes auf 50.271,40 US-Dollar belief und damit die Verbotsgutgrenze von
50.000 US-Dollar überschritt.
ff) Der Umstand, dass der Beklagten Verbotsgut im Sinne ihrer Beförde-
rungsbedingungen zum Transport übergeben wurde, ohne sie darüber in
Kenntnis zu setzen, führt entgegen der Ansicht der Revision allerdings nicht
ohne weiteres dazu, dass die Haftung der Beklagten nach § 311 Abs. 2, §§ 280,
249 Abs. 1 BGB vollständig entfällt (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2006
- I ZR 123/03, BGHZ 167, 64 Rn. 22; Urteil vom 13. Juli 2006 - I ZR 245/03,
NJW-RR 2007, 179 Rn. 23 = TranspR 2006, 448; Urteil vom 3. Juli 2008
- I ZR 210/05, TranspR 2008, 406 Rn. 17). Dieser Umstand ist vielmehr als
Schadensmitverursachungsbeitrag des Auftraggebers in die Haftungsabwägung
nach § 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB einzustellen (vgl. BGH, Urteil
vom 15. Februar 2007 - I ZR 186/03, NJW-RR 2007, 1110 Rn. 29 = TranspR
2007, 164; BGH, TranspR 2008, 406 Rn. 17).
gg) Die Abwägung der Mitverschuldensanteile nach § 425 Abs. 2 HGB,
§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB obliegt grundsätzlich dem Tatrichter. Sie hat durch
eine Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Ver-
schuldensanteile zu erfolgen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts,
die von der Revision nicht angegriffen worden sind, ist von einem bewusst
leichtfertigen Organisationsverschulden der Beklagten im Sinne eines qualifi-
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zierten Verschuldens gemäß Art. 29 Abs. 1 CMR in Verbindung mit § 435 HGB
auszugehen. Hinsichtlich des Mitverschuldensanteils der Versicherungsnehme-
rin ist zu berücksichtigen, dass der unterlassene Hinweis darauf, dass das zu
befördernde Gut einen Wert von mehr als 50.000 US-Dollar hatte, sich nicht nur
in Bezug auf den 50.000 US-Dollar übersteigenden Schaden ausgewirkt haben
kann. Wenn die Beklagte die Beförderung des Gutes bei einem Hinweis auf den
Warenwert abgelehnt hätte, wäre der durch den Verlust des Messarms einge-
tretene Schaden vollständig vermieden worden (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai
2007 - I ZR 109/04, TranspR 2007, 405 Rn. 31; BGH, TranspR 2008, 406
Rn. 19).
5. Ein Mitverschulden der Versicherungsnehmerin wegen unterlassener
Wertdeklaration oder eines nicht erteilten Hinweises auf die Gefahr eines un-
gewöhnlich hohen Schadens hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei mit der
Begründung verneint, die unterlassene Angabe des Werts des zur Beförderung
übergebenen Gutes sei für den eingetretenen Schaden nicht kausal geworden.
Die Beklagte habe nicht vorgetragen, wie die Behandlung von wertdeklarierten
Paketen im Rücksendungsverfahren bei grenzüberschreitenden Transporten
erfolge und inwiefern zusätzliche Sicherungsmaßnahmen den Verlust des Gu-
tes verhindert hätten, weil der leere Koffer bei der Versicherungsnehmerin an-
gekommen sei. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts lässt keinen Rechts-
fehler erkennen und wird auch von der Revision nicht angegriffen.
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III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzu-
heben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Bornkamm
Pokrant
Büscher
Schaffert
Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 01.09.2011 - 31 O 47/09 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 18.07.2012 - I-18 U 201/11 -
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