Urteil des BGH vom 30.04.2015

Tagesschau-App Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I Z R 1 3 / 1 4
Verkündet am:
30. April 2015
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
Tagesschau-App
ZPO § 50; UWG § 4 Nr. 11; RStV § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3, § 11f
a) Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) ist in
Rechtsstreitigkeiten, die die Erfüllung der den Rundfunkanstalten zugewiesenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben be-
treffen (hier die Bereitstellung eines Telemedienangebots), nicht gemäß § 50 ZPO parteifähig.
b) Die Vorschrift des § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nichtsen-
dungsbezogene presseähnliche Angebote in Telemedien untersagt, ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des
§ 4 Nr. 11 UWG.
c) Die Beurteilung eines Telemedienkonzepts als nicht presseähnlich durch das zuständige Gremium (§ 11f Abs. 4 bis
6 RStV) und die Freigabe dieses Telemedienkonzepts durch die Rechtsaufsichtsbehörde (§ 11f Abs. 7 RStV) entfal-
ten keine Tatbestandswirkung für die Beurteilung der Presseähnlichkeit eines konkreten Telemedienangebots.
d) Unter einem Angebot im Sinne von § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV, dessen Presseähnlichkeit zu beurtei-
len ist, ist grundsätzlich das gesamte Telemedienangebot zu verstehen, das auf einem entsprechenden Telemedi-
enkonzept beruht. Besteht ein Telemedienangebot sowohl aus nichtsendungsbezogenen als auch aus sendungs-
bezogenen Inhalten, ist bei der Prüfung der Presseähnlichkeit allein auf die Gesamtheit der nichtsendungsbezoge-
nen Beiträge abzustellen. Stehen bei einem Telemedienangebot „stehende“ Texte und Bilder deutlich im Vorder-
grund, deutet dies auf die Presseähnlichkeit des Angebots hin.
BGH, Urteil vom 30. April 2015 - I ZR 13/14 - OLG Köln
LG Köln
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 30. April 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bü-
scher, die Richter Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und
den Richter Feddersen
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des 6. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Köln vom 20. Dezember 2013 wird hin-
sichtlich der Beklagten zu 1 mit der Maßgabe zurückgewiesen,
dass auf die Berufung der Beklagten zu 1 das Urteil der 31. Zivil-
kammer des Landgerichts Köln vom 27. September 2012 abgeän-
dert und die Klage gegen die Beklagte zu 1 als unzulässig abge-
wiesen wird.
Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 6. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Köln vom 20. Dezember 2013 hinsichtlich
des Beklagten zu 2 unter Zurückweisung des weitergehenden
Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die
Klage mit den Hilfsanträgen zum Unterlassungsantrag abgewie-
sen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Be-
rufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Klägerinnen sind Verlage, die Tageszeitungen herausgeben oder
verantworten. Die Zeitungen werden als Druckwerke und im Internet sowie über
Applikationen für Smartphones und Tabletcomputer veröffentlicht. Der Beklagte
zu 2, der Norddeutsche Rundfunk, ist eine öffentlich-rechtliche Landesrund-
funkanstalt. Er hat sich mit weiteren Landesrundfunkanstalten und der Deut-
schen Welle zu der Beklagten zu 1, der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-
rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD), zu-
sammengeschlossen.
Die in der Beklagten zu 1 zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten
betreiben seit dem Jahr 1996 das von dem Beklagten zu 2 betreute Online-
Portal
„tagesschau.de“. Im Jahr 2009 wurden in den Rundfunkstaatsvertrag
(RStV) mit §§ 11d, 11f RStV Regelungen eingefügt, wonach öffentlich-
rechtliche Rundfunkanstalten die inhaltliche Ausrichtung ihrer Telemedien zu
konkretisieren haben und ihre Telemedienangebote in einem näher beschrie-
benen Verfahren (dem sogenannten
„Drei-Stufen-Test“) zu prüfen sind. Die in
der Beklagten zu 1 zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten entwickelten
unter Federführung des Beklagten zu 2 im Jahr 2010 ein Telemedienkonzept
für das Angebot
„tagesschau.de“. Dieses wurde vom Rundfunkrat des Beklag-
ten zu 2 am 25. Juni 2010 beschlossen, von der Niedersächsischen Staats-
kanzlei als Rechtsaufsichtsbehörde mit Schreiben vom 17. August 2010 freige-
geben und am 24. August 2010 im Niedersächsischen Ministerialblatt
(Nr. 30/2010, S. 733 ff.) veröffentlicht.
Seit dem 21. Dezember 2010 bieten die Rundfunkanstalten neben dem
Online-Portal
„tagesschau.de“ die Applikation „Tagesschau-App“ für Smartpho-
nes und Tabletcomputer an. Über diese können unter verschiedenen themati-
schen Rubriken - teils um Standbilder oder Bildstrecken ergänzte - Textbeiträ-
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ge, Audio- und Videobeiträge, interaktive Elemente sowie Stand- und Bewegt-
bilder aufgerufen werden.
Mit ihrer Klage wenden sich die Klägerinnen gegen das Angebot, das
- nach Darstellung der Klägerinnen wie aus der von ihnen vorgelegten Anlage K
1 ersichtlich - am 15. Juni 2011 über die
„Tagesschau-App“ bereitgestellt war.
Sie sind der Ansicht, dieses Angebot verstoße gegen die als Marktverhaltens-
regelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG einzustufende Bestimmung des § 11d
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV, wonach nichtsendungsbezogene presse-
ähnliche Angebote in Telemedien unzulässig sind.
Die Klägerinnen haben beantragt, die Beklagten zu verurteilen, es zu un-
terlassen,
das Telemedienangebot
„Tagesschau-App“, wie in den von ihnen vorgelegten
Screenshots (Anlage K 1) enthalten, zu verbreiten oder verbreiten zu lassen;
hilfsweise, innerhalb des Telemedienangebots
„Tagesschau-App“ bestimmte
vorgelegte Artikel (Anlage K 2) einzeln und/oder kumulativ zu veröffentlichen
oder veröffentlichen zu lassen.
Das Landgericht hat der Klage mit dem Hauptantrag stattgegeben (LG
Köln, WRP 2012, 1606).
Mit ihrer Berufung haben die Beklagten ihren Antrag auf Abweisung der
Klage weiterverfolgt. Die Klägerinnen haben in der Berufungsinstanz zusätzlich
zu ihrem Hauptantrag und ihrem bisherigen Hilfsantrag mit ihrem nunmehr ers-
ten Hilfsantrag beantragt, die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen,
die
„Tagesschau-App“ wie in der Anlage K 1 bereitzustellen oder bereitstellen
zu lassen.
Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil abgeändert und die
Klage abgewiesen (OLG Köln, GRUR-RR 2014, 342 = WRP 2014, 194).
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Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klä-
gerinnen ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter. Die Beklagten
beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klage habe weder mit
dem Hauptantrag noch mit den beiden Hilfsanträgen Erfolg. Dazu hat es ausge-
führt:
Der auf ein Unterlassen des Verbreitens des Telemedienangebots
„Ta-
gesschau-App
“ gerichtete Hauptantrag sei nicht hinreichend bestimmt, weil zwi-
schen den Parteien streitig sei, ob es sich bei der
„Tagesschau-App“ um ein
eigenständiges Telemedienangebot oder nur um einen Bestandteil des Tele-
medienangebots
„tagesschau.de“ handele.
Der im Berufungsrechtszug als erster Hilfsantrag gestellte Antrag, den
Beklagten ein Bereitstellen der
„Tagesschau-App“ wie in den als Anlage K 1
beigefügten Bildschirmausdrucken zu untersagen, sei unbegründet. Es sei be-
reits zweifelhaft, ob das in § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV niederge-
legte Verbot nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote eine Markt-
verhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG sei. Ein etwaiger Verstoß der
Beklagten gegen dieses Verbot könne jedenfalls deshalb keine wettbewerbs-
rechtlichen Ansprüche begründen, weil das Angebot des Online-Portals
„tages-
schau.de
“ und damit das Angebot der „Tagesschau-App“ im Zuge des „Drei-
Stufen-Tests
“ von den mit der Prüfung befassten Einrichtungen als nicht pres-
seähnlich eingestuft und deshalb freigegeben worden sei. Die Wettbewerbsge-
richte seien an diese rechtliche Bewertung gebunden. Die Freigabe des vom
Rundfunkrat des Beklagten zu 2 beschlossenen Telemedienkonzepts durch die
Niedersächsische Staatskanzlei sei als rechtsverbindlicher Verwaltungsakt zu
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werten. Dessen Legalisierungswirkung erfasse nicht nur das Online-Portal
„ta-
gesschau.de
“ und die generelle Abrufbarkeit der dort eingestellten Inhalte über
die
„Tagesschau-App“, sondern auch das von den Klägerinnen angegriffene
konkrete Angebot vom 15. Juni 2011.
Der zweite Hilfsantrag, den Beklagten das Veröffentlichen von innerhalb
des Telemedienangebots
„Tagesschau-App“ im Einzelnen aufgelisteten Artikeln
zu verbieten, sei gleichfalls im Hinblick auf den auslegungsbedürftigen und zwi-
schen den Parteien umstrittenen Rechtsbegriff des Telemedienangebots unbe-
stimmt. Im Übrigen komme ein Verbot bestimmter Artikel nicht in Betracht, weil
für die Beurteilung der Presseähnlichkeit eines Telemedienangebots auf die
Gesamtheit der Beiträge abzustellen sei.
B. Die Revision der Klägerinnen hat hinsichtlich der Beklagten zu 1 kei-
nen Erfolg (dazu B I) und hinsichtlich des Beklagten zu 2 teilweise Erfolg (dazu
B II).
I. Die Revision der Klägerinnen hat keinen Erfolg, soweit sie sich dage-
gen wendet, dass das Berufungsgericht die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete
Klage abgewiesen hat. Die Klage ist insoweit allerdings nicht als unbegründet,
sondern als unzulässig abzuweisen, weil die Beklagte zu 1 nicht parteifähig ist.
1. Parteifähigkeit ist die Fähigkeit, in einem Rechtsstreit klagen (aktive
Parteifähigkeit) oder verklagt werden (passive Parteifähigkeit) zu können. Die
Parteifähigkeit zählt zu den Prozessvoraussetzungen, deren Mangel das Ge-
richt grundsätzlich in jeder Verfahrenslage einschließlich der Revisionsinstanz
gemäß § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen hat (vgl. BGH,
Urteil vom 4. Mai 2004 - XI ZR 40/03, BGHZ 159, 94, 98). Fehlt die Parteifähig-
keit zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, ist die Klage wegen
Fehlens einer Sachurteilsvoraussetzung als unzulässig abzuweisen (Sa-
enger/Bendtsen, ZPO, 6. Aufl., § 50 Rn. 12). Parteifähig ist gemäß § 50 Abs. 1
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ZPO, wer rechtsfähig ist. Ferner kann ein Verein, der nicht rechtsfähig ist, ge-
mäß § 50 Abs. 2 ZPO klagen und verklagt werden.
2. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte zu 1 sei als eine
im Rechtsverkehr unter einer eigenen Bezeichnung und einem eigenen Logo
auftretende Gesellschaft bürgerlichen Rechts rechtsfähig und damit gemäß
§ 50 Abs. 1 ZPO parteifähig. Selbst wenn die Beklagte zu 1 keine eigene
Rechtspersönlichkeit haben sollte, sei sie in entsprechender Anwendung von
§ 50 Abs. 2 ZPO parteifähig, weil sie auf der Grundlage ihrer Satzung über eine
körperschaftliche Struktur verfüge, die der eines Vereins vergleichbar sei. Dem
kann nicht zugestimmt werden.
a) Die Beklagte zu 1 ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, je-
denfalls soweit sie die hier in Rede stehende
„Tagesschau-App“ unter ihrer Be-
zeichnung und ihrem Logo im Rechtsverkehr anbietet, keine rechtsfähige und
damit nach § 50 Abs. 1 ZPO parteifähige (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen
Rechts (vgl. zur Rechts- und Parteifähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerli-
chen Rechts BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341,
343 ff.). Vielmehr handelt es sich bei der Beklagten zu 1 insoweit um eine nicht
rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gemeinschaftsform.
aa) Der Abschluss eines Vertrages, durch den sich die Beteiligten ge-
genseitig verpflichten, die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks in der durch
den Vertrag bestimmten Weise zu fördern (§ 705 BGB), lässt eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts entstehen, wenn der Zusammenschluss keinen körper-
schaftlichen Charakter hat und die weiteren Voraussetzungen für eine andere
Form der Personengesellschaft fehlen (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012
- I ZR 6/11, BGHZ 193, 49 Rn. 19 - Kommunikationsdesigner; Palandt/Sprau,
BGB, 74. Aufl., § 705 Rn. 1). Zwar können juristische Personen des öffentlichen
Rechts eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bilden oder Gesellschafter einer
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Gesellschaft bürgerlichen Rechts werden (vgl. RG, Urteil vom 1. April 1940
- V ZR 174/39, RGZ 163, 142, 149; Staudinger/Habermeier, BGB, 2003, § 705
Rn. 25; MünchKomm.BGB/Ulmer/Schäfer, 6. Aufl., § 705 Rn. 76). Schließen
sich juristische Personen des öffentlichen Rechts jedoch zur Verfolgung eines
gemeinsamen Zwecks zusammen, der in der gemeinsamen Erfüllung einer öf-
fentlich-rechtlichen Aufgabe besteht, entsteht keine Gesellschaft bürgerlichen
Rechts, sondern eine öffentlich-rechtliche Gemeinschaftsform; ein solcher Zu-
sammenschluss hat keinen bürgerlich-rechtlichen, sondern öffentlich-recht-
lichen Charakter. So verhält es sich hier.
bb) Die Beklagte zu 1 ist ein Zusammenschluss juristischer Personen
des öffentlichen Rechts, nämlich der Landesrundfunkanstalten und der Deut-
schen Welle, einer Anstalt des Bundesrechts (§ 1 Abs. 1 der Satzung der Ar-
beitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesre-
publik Deutschland [ARD] vom 9./10. Juni 1950 in der Fassung vom 8. April
2014). Dieser Zusammenschluss dient der gemeinsamen Erfüllung der in § 2
der Satzung aufgezählten Aufgaben, namentlich der Bearbeitung gemeinsamer
Fragen des Programms (§ 2 Abs. 1 Buchst. c der Satzung). Die Aufgabe der
Herstellung und Verbreitung von Rundfunkprogrammen und Telemedien ist den
Rundfunkanstalten durch den Rundfunkstaatsvertrag als öffentlich-rechtliche
Aufgabe zugewiesen (vgl. zur Veranstaltung von Rundfunkprogrammen BFH,
Urteil vom 6. Juli 1967 - V 76/64, BFHE 89, 164, 167). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1
RStV haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten den Auftrag, durch die
Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Pro-
zesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und
dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesell-
schaft zu erfüllen. Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind gemäß
§ 11a RStV Rundfunkprogramme und Telemedien.
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Die Beklagte zu 1 ist daher, jedenfalls soweit sie den Rundfunkanstalten
zugewiesene öffentlich-rechtliche Aufgaben - wie hier die Bereitstellung eines
Telemedienangebots - erfüllt, keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (offenge-
lassen von OLG Düsseldorf, ZUM-RD 2015, 166 Rn. 40; LG Köln, ZUM 2013,
502 Rn. 109 bis 111), sondern eine öffentlich-rechtliche Gemeinschaftsform
ohne eigene Rechtspersönlichkeit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. November
2005 - 6 PB 14/05, juris Rn. 5; OLG München, NJW-RR 1992, 1444, 1445;
Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, 2. Aufl., § 16 Rn. 9; Binder, Rundfunkrecht,
3. Aufl., § 11 RStV Rn. 61; Gersdorf, Rundfunkrecht, 2003, Teil 5 Rn. 349; ders.
in Gersdorf/Paal, Informations- und Medienrecht, 2014, § 11b RStV Rn. 12;
Hesse, Rundfunkrecht, 3. Aufl., Kapitel 4 Rn. 172; Prinz/Peters, Medienrecht,
1999, Kapitel 12 Rn. 321; Hahn in Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Aufl., An-
hang zu §§ 11e, 11f RStV Rn. 36; Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Kommen-
tar zum Rundfunkstaatsvertrag, 50. AL November 2011, vor § 11 RStV Rn. 66;
Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Aufl., Kapitel 9 Rn. 36;
Fessmann, FuR 1980, 623 ff.; Steinwärder, Die Arbeitsgemeinschaft der öffent-
lich-rechtlichen Rundfunkanstalten, 1998, S. 318 ff.). Es liegt nahe, bei der Be-
klagten zu 1 - wie bei der gleichfalls von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkan-
stalten betriebenen Stelle zum Einzug des Rundfunkbeitrags (vgl. § 10 Abs. 7
Satz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags) - von einer nicht rechtsfähigen öf-
fentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft auszugehen (vgl. Herrmann/
Lausen, Rundfunkrecht, 2. Aufl., § 16 Rn. 10; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999,
Kapitel 12 Rn. 459; Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Aufl.,
Kapitel 9 Rn. 36), ohne dass die Frage hier abschließend entschieden zu wer-
den braucht.
Die Rechts- und Parteifähigkeit der Beklagten zu 1 ist nicht in Anlehnung
an die von der Rechtsprechung zur Rechts- und Parteifähigkeit der
(Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze zu bejahen.
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Das käme nur in Betracht, wenn die Struktur der Beklagten zu 1 der einer Ge-
sellschaft des bürgerlichen Rechts zumindest ebenbürtig und die Beklagte zu 1
rechtlich und organisatorisch verselbständigt sowie eigenständiger Träger von
Rechten und Pflichten wäre (zur Rechts- und Parteifähigkeit der Arbeitsgemein-
schaft nach § 44b SGB II vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2009 - III ZR 295/08,
VersR 2010, 346 Rn. 10). Die Beklagte zu 1 ist aber kein eigenständiger Träger
von Rechten und Pflichten. Soweit in der Rechtsprechung erwogen worden ist,
die Beklagte zu 1 als Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzusehen (vgl. OLG
Dresden, ZUM-RD 2000, 540, 541; OLG Jena, ZUM-RD 2000, 542 f.; OLG
München, NJW 2001, 613, 614), betrafen diese Entscheidungen nicht die Fra-
ge, ob die Beklagte zu 1 als Außengesellschaft bürgerlichen Rechts rechts- und
parteifähig ist. Vielmehr ging es in diesen Entscheidungen darum, ob die in der
Beklagten zu 1 zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten hinsichtlich der
Ausstrahlung eines Gemeinschaftsprogramms über Satellit einander die Zu-
stimmung zur Ausstrahlung einer Gegendarstellung schulden, weil sie im In-
nenverhältnis wie Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu be-
handeln sind.
b) Die Beklagte zu 1 ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts
nicht deshalb in entsprechender Anwendung von § 50 Abs. 2 ZPO als parteifä-
hig anzusehen, weil sie auf der Grundlage ihrer Satzung über eine körper-
schaftliche Struktur verfügt, die der eines Vereins vergleichbar ist. Die Zuerken-
nung der Parteifähigkeit an nicht rechtsfähige Vereine nach § 50 Abs. 2 ZPO
beruht mittlerweile maßgeblich auf der Erwägung, dass auf nicht rechtsfähige
Vereine gemäß § 54 Satz 1 BGB die Vorschriften über die Gesellschaft bürger-
lichen Rechts anwendbar sind und die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs parteifähig ist (vgl. Begründung
des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung elektronischer An-
meldungen zum Vereinsregister und anderer vereinsrechtlicher Änderungen,
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BT-Drucks. 16/12813, S. 15; BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, NJW
2008, 69, 73 f.). § 50 Abs. 2 ZPO kann daher nicht allein deshalb auf andere
nicht rechtsfähige Zusammenschlüsse entsprechend angewendet werden, weil
diese über eine vereinsähnliche Organisationsstruktur verfügen. Es gibt keine
§ 54 Satz 1 BGB entsprechende Regelung, wonach auf solche Zusammen-
schlüsse die Vorschriften über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts anwendbar
sind.
II. Die Revision der Klägerinnen hat teilweise Erfolg, soweit sie sich da-
gegen wendet, dass das Berufungsgericht die gegen den Beklagten zu 2 ge-
richtete Klage abgewiesen hat. Das Berufungsgericht hat zwar ohne Rechtsfeh-
ler angenommen, dass der mit der Klage verfolgte Hauptantrag unbestimmt und
daher unzulässig ist (dazu B II 1). Mit der vom Berufungsgericht gegebenen
Begründung kann jedoch der in der Berufungsinstanz als erster Hilfsantrag ge-
stellte Unterlassungsantrag nicht abgewiesen werden (dazu B II 2). Das Beru-
fungsurteil stellt sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar
(dazu B II 3).
1. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, der mit
der Klage verfolgte Hauptantrag sei unbestimmt und daher unzulässig.
a) Ein Verbotsantrag darf im Hinblick auf § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht
derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entschei-
dungsbefugnis des Gerichts nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte
nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was
dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt. Da-
nach ist die Verwendung eines auslegungsbedürftigen Begriffs im Klageantrag
zur Bezeichnung der zu untersagenden Handlung im Regelfall jedenfalls dann
unzulässig, wenn die Parteien über die Bedeutung dieses Begriffs streiten (st.
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Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 28. November 2013 - I ZR 7/13, GRUR 2014,
398 Rn. 15 = WRP 2014, 431 - Online-Versicherungsvermittlung).
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, nach diesen Maßstäben sei
der auf ein Unterlassen des Verbreitens des Telemedienangebots
„Tages-
schau-App
“ gerichtete Hauptantrag der Klägerinnen nicht hinreichend bestimmt,
weil zwischen den Parteien streitig sei, ob die
„Tagesschau-App“ ein eigenstän-
diges Telemedienangebot oder nur ein Bestandteil des Telemedienangebots
„tagesschau.de“ sei. Diese Beurteilung wird von der Revision nicht angegriffen
und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.
2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der von
den Klägerinnen in der Berufungsinstanz als erster Hilfsantrag gestellte Unter-
lassungsantrag nicht abgewiesen werden.
a) Mit diesem Antrag haben die Klägerinnen beantragt, den Beklagten zu
untersagen, die
„Tagesschau-App“ wie in der Anlage K 1 bereitzustellen oder
bereitstellen zu lassen. Dieser Antrag ist dahin auszulegen, dass die Klägerin-
nen den Beklagten damit verbieten lassen wollen, die Applikation
„Tagesschau-
App
“ bereitzustellen oder bereitstellen zu lassen, wenn über diese Applikation
ein Angebot abgerufen werden kann, wie es aus den in der Anlage K 1 enthal-
tenen Bildschirmausdrucken ersichtlich ist.
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, der geltend gemachte Unter-
lassungsanspruch sei nicht nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG
in Verbindung mit § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV begründet. Ein
Verstoß der Beklagten gegen das Verbot nichtsendungsbezogener presseähn-
licher Angebote könne jedenfalls deshalb keine wettbewerbsrechtlichen An-
sprüche wegen eines Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregelung begrün-
den, weil das Angebot des Online-Portals
„tagesschau.de“ und damit das An-
gebot der
„Tagesschau-App“ im Zuge des „Drei-Stufen-Tests“ von den mit der
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Prüfung befassten Einrichtungen als nicht presseähnlich eingestuft und deshalb
freigegeben worden sei. Diese Beurteilung hält einer Nachprüfung nicht stand.
c) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen,
dass der Tatbestand des Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregelung nach
§ 4 Nr. 11 UWG ausscheidet, wenn die zuständige Verwaltungsbehörde einen
wirksamen Verwaltungsakt erlassen hat, der das beanstandete Marktverhalten
ausdrücklich erlaubt (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - I ZR 194/02, BGHZ
163, 265, 269 - Atemtest I; Urteil vom 24. September 2013 - I ZR 73/12, GRUR
2014, 405 Rn. 10 f. = WRP 2014, 429 - Atemtest II). Solange ein solcher Ver-
waltungsakt nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein Verwaltungsge-
richt aufgehoben worden oder nichtig ist, ist die Zulässigkeit des beanstandeten
Verhaltens einer Nachprüfung durch die Zivilgerichte entzogen (sogenannte
Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts, vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2007
- I ZR 125/04, WRP 2007, 1359; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. Januar 2010
- IX ZR 50/07, NVwZ-RR 2010, 372 Rn. 7; Beschluss vom 16. Dezember 2014
- EnVR 54/13, N&R 2015, 107 Rn. 19).
d) Das Berufungsgericht hat angenommen, die im Schreiben der Nieder-
sächsischen Staatskanzlei vom 17. August 2010 zum Ausdruck kommende
Freigabe des vom Rundfunkrat des Beklagten zu 2 am 25. Juni 2010 beschlos-
senen Telemedienkonzepts für das
Angebot „tageschau.de“ sei als rechtsver-
bindlicher Verwaltungsakt zu werten. Zwar sei der Wille der Rechtsaufsichtsbe-
hörde nicht auf die unmittelbare Herbeiführung einer Rechtswirkung im Sinne
einer Genehmigung oder Erlaubnis gerichtet. Das Schreiben sei jedoch als ver-
bindliche Entscheidung zur Übereinstimmung des Telemedienangebots mit den
Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags und damit als feststellender Verwal-
tungsakt einzustufen. Jedenfalls komme der in diesem Schreiben enthaltenen
Erklärung in Anbetracht der Entstehungsgeschichte des § 11f RStV und der
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Ausgestaltung des darin vorgesehenen
„Drei-Stufen-Tests“ eine vergleichbare
Legalisierungswirkung zu.
Es kann offenbleiben, ob das Schreiben der Niedersächsischen Staats-
kanzlei vom 17. August 2010 als Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1
VwVfG zu werten oder ob es als schlichtes Verwaltungshandeln einzustufen ist
(für Ersteres Eifert in Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Aufl., § 11f RStV
Rn. 189; Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Kommentar zum Rundfunkstaats-
vertrag, 39. AL Mai 2009, § 11f RStV Rn. 56; Hain, AfP 2012, 313, 322;
Hain/Brings, WRP 2012, 1495, 1496 f.; für Letzteres Huber, ZUM 2010, 201,
202 f.; Degenhart, AfP 2014, 107, 108 f.; Wierny, ZUM 2014, 196, 199; vgl.
auch Peters, Öffentlich-rechtliche Online-Angebote, 2010, Rn. 486). Selbst
wenn dieses Schreiben als Verwaltungsakt zu werten wäre, stünde damit - ent-
gegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht mit bindender Wirkung für den
vorliegenden Rechtsstreit fest, dass das am 15. Juni 2011 über die
„Tages-
schau-App
“ abrufbar gewesene Angebot der Beklagten nicht presseähnlich ge-
wesen ist.
e) Das Berufungsgericht hat angenommen, aufgrund der Freigabe des
Online-Angebots
„tagesschau.de“ durch das als Verwaltungsakt zu wertende
Schreiben der Niedersächsischen Staatskanzlei vom 17. August 2010 stehe mit
bindender Wirkung für den vorliegenden Rechtsstreit fest, dass dieses Angebot
nicht presseähnlich sei. Die Legalisierungswirkung dieses Verwaltungsakts er-
fasse nicht nur das Online-Portal
„tagesschau.de“ und die generelle Abrufbar-
keit der dort eingestellten Inhalte über die
„Tagesschau-App“, sondern auch das
von den Klägerinnen angegriffene konkrete Angebot vom 15. Juni 2011. Dieser
Beurteilung kann nicht zugestimmt werden.
aa) Die Reichweite der Tatbestandswirkung eines Verwaltungsakts wird
durch seinen Regelungsgehalt bestimmt (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs,
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- 15 -
VwVfG, 8. Aufl., § 35 Rn. 142; BeckOK.VwVfG/Schemmer, Stand: 1. Januar
2015, § 43 Rn. 28; Peuker in Knack/Henneke, VwVfG, 10. Aufl., § 43 Rn. 22).
Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist in entsprechender Anwendung
der §§ 133, 157 BGB nach den Grundsätzen zu bestimmen, die auch für die
Auslegung von Willenserklärungen gelten. Danach ist der erklärte Wille der er-
lassenden Behörde maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdi-
gung verstehen konnte (BGH, WRP 2007, 1359 Rn. 16; BVerwG, Urteil vom
20. April 2005 - 9 C 4/04, BVerwGE 123, 292, 297; Urteil vom 19. März 2013
- 5 C 16/12, NJW 2013, 1832 Rn. 10). Bei der Ermittlung dieses objektiven Er-
klärungswerts ist in erster Linie auf den Entscheidungssatz und die Begründung
des Verwaltungsakts abzustellen; darüber hinaus ist das materielle Recht, auf
dem der Verwaltungsakt beruht, heranzuziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom
26. Juli 2006 - 6 C 20/05, BVerwGE 126, 254 Rn. 78; Kopp/Ramsauer, VwVfG,
15. Aufl., § 43 Rn. 15). Ein Verwaltungsakt ist vom Revisionsgericht selbständig
auszulegen (BGH, WRP 2007, 1359 Rn. 16).
bb) Das an den Intendanten des Beklagten zu 2 gerichtete Schreiben der
Niedersächsischen Staatskanzlei vom 17. August 2010 lautet wie folgt:
[…] haben Sie herzlichen Dank für die Übersendung der für die rechtsaufsichtli-
che Prüfung notwendigen, umfangreichen Unterlagen zu den Telemedienkon-
zepten tagesschau.de und eins-extra.de. Die Prüfung durch die Rechtsaufsicht
gem. § 11f Absatz 7 RStV ist nunmehr abgeschlossen und beide Telemedien-
konzepte können im Niedersächsischen Ministerialblatt veröffentlicht werden.
Um für künftige Verfahren noch mehr Klarheit zu schaffen, erlaube ich mir,
Ihnen bei dieser Gelegenheit folgende Hinweise
zu geben: […]
cc) Das Schreiben vom 17. August 2010 enthält weder einen Entschei-
dungssatz im eigentlichen Sinne noch eine Begründung. Seine Kernaussage
beschränkt sich auf die Mitteilung, dass die Prüfung durch die Rechtsaufsicht
gemäß § 11f Abs. 7 RStV abgeschlossen sei und die Telemedienkonzepte im
Niedersächsischen Ministerialblatt veröffentlicht werden könnten. Der Rege-
lungsgehalt dieser Mitteilung ist daher im Blick auf die Bestimmungen des
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Rundfunkstaatsvertrages zu ermitteln, die der rechtsaufsichtlichen Prüfung zu-
grunde liegen.
(1) Gegenstand der rechtsaufsichtlichen Prüfung ist, wie sich aus § 11f
Abs. 7 Satz 2 RStV ergibt, das Telemedienkonzept, mit dem die öffentlich-
rechtlichen Rundfunkanstalten gemäß § 11f Abs. 1 RStV die inhaltliche Ausrich-
tung von - unter anderem - nichtsendungsbezogenen Telemedien nach § 11d
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 RStV konkretisieren, indem sie deren Zielgruppe, Inhalt,
Ausrichtung und Verweildauer näher beschreiben. Die Beschreibung des Tele-
medienangebots ist gemäß § 11f Abs. 7 Satz 2 RStV
„nach Prüfung durch die
für die Rechtsaufsicht zuständige Behörde
“ in den amtlichen Verkündungsblät-
tern der betroffenen Länder zu veröffentlichen. Diese Beschreibung ist in erster
Linie heranzuziehen, um den Regelungsgehalt der Mitteilung der Rechtsauf-
sichtsbehörde zu bestimmen.
(2) Der für die Rechtsaufsicht zuständigen Behörde sind nach § 11f
Abs. 7 Satz 1 RStV vor der Veröffentlichung alle für eine rechtsaufsichtliche
Prüfung notwendigen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen zu übermitteln. Zu
den Unterlagen zählen die Begründung der Gremienentscheidung sowie Stel-
lungnahmen oder Gutachten (vgl. § 11f Abs. 5 RStV). Diese sind allerdings le-
diglich Mittel und nicht Gegenstand der rechtsaufsichtlichen Prüfung. Sie wer-
den nicht Bestandteil des Telemedienkonzepts und sind dementsprechend nicht
zusammen mit diesem gemäß § 11f Abs. 7 Satz 2 RStV zu veröffentlichen (vgl.
Begründung zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, Landtag von Baden-
Württemberg, Drucks. 14/3859, S. 51). Diese Unterlagen können deshalb nicht
ohne Weiteres herangezogen werden, um den Regelungsgehalt einer Ent-
scheidung der Rechtsaufsichtsbehörde zu ermitteln. Das gilt auch für die Be-
gründung, die das zuständige Gremium für seine Entscheidung gibt, ob das
Angebot vom Auftrag umfasst ist (§ 11f Abs. 6 RStV).
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(3) Die für die Rechtsaufsicht zuständige Behörde hat nach § 11f Abs. 7
RStV nicht nur zu prüfen, ob das für die Prüfung eines Telemedienangebots
vorgeschriebene Verfahren
(der „Drei-Stufen-Test“) ordnungsgemäß durchge-
führt worden ist. Sie hat vielmehr auch zu untersuchen, ob das Telemedienkon-
zept den materiell-rechtlichen Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages ent-
spricht. Dem Wortlaut des § 11f Abs. 7 RStV ist zwar nur zu entnehmen, dass
eine rechtsaufsichtliche Prüfung von der zuständigen Behörde vorzunehmen ist;
aus dem Wortlaut der Vorschrift folgt aber nicht, was diese Behörde prüfen soll.
Das ergibt sich allerdings aus der Begründung zum 12. Rundfunkänderungs-
staatsvertrag. Danach prüft die Behörde die Einhaltung der Verfahrensschritte
und der gesetzlichen Vorgaben. Kommt sie zu dem Ergebnis, dass das Verfah-
ren ordnungsgemäß durchgeführt ist und das neue Angebot dem gesetzlichen
Auftrag entspricht, ist das Telemedienkonzept im jeweiligen amtlichen Verkün-
dungsblatt zu veröffentlichen (vgl. Begründung zum 12. Rundfunkänderungs-
staatsvertrag, Landtag von Baden-Württemberg, Drucks. 14/3859, S. 51). Zu
den gesetzlichen Vorgaben, deren Einhaltung die Rechtsaufsichtsbehörde zu
prüfen hat, gehört im - hier vorliegenden - Fall eines Telemedienkonzepts für
ein (auch) nichtsendungsbezogenes Telemedienangebot das in § 11d Abs. 2
Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV niedergelegte Verbot nichtsendungsbezogener
presseähnlicher Angebote.
dd) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die
im Schreiben der Niedersächsischen Staatskanzlei zum Ausdruck kommende
Freigabe des Telemedienkonzepts
„tagesschau.de“ die Freigabe des Abrufs der
im Online-Portal
„tagesschau.de“ eingestellten Inhalte über die Applikation „Ta-
gesschau-App
“ umfasst. Das unter „tagesschau.de“ vorgehaltene Online-
Angebot der Beklagten ist durch das spätere Angebot der
„Tagesschau-App“
lediglich um eine für mobile Endgeräte optimierte Zugriffsmöglichkeit ergänzt
worden. Darin liegt kein neues oder verändertes Angebot, das nach dem Rund-
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funkstaatsvertrag einer eigenständigen Überprüfung bedurft hätte. Es kann da-
nach offenbleiben, ob die Möglichkeit, das Online-
Angebot „tagesschau.de“
über Smartphones abzurufen, schon deshalb vom freigegebenen Telemedien-
konzept „tagesschau.de“ umfasst ist, weil im Telemedienkonzept die Verbrei-
tung des Angebots im Wege der mobilen Ausspielung über Handys mehrfach
erwähnt ist.
(1) Ein neues oder verändertes Telemedienangebot ist, wie sich aus
§ 11f Abs. 3 Satz 1 RStV ergibt, in einem eigenständigen Verfahren daraufhin
zu überprüfen, ob es vom Auftrag umfasst ist. Ein verändertes Angebot liegt
nach § 11f Abs. 3 Satz 2 RStV insbesondere vor, wenn die inhaltliche Gesamt-
ausrichtung des Angebots oder die Zielgruppe verändert wird. Nach diesen
Maßstäben handelt es sich bei der
„Tagesschau-App“ nicht um ein gegenüber
dem Online-Portal
„tagesschau.de“ verändertes Telemedienangebot.
(2) Das über die
„Tagesschau-App“ abrufbare Angebot stimmt nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts mit dem im Online-Portal vorgehaltenen
Angebot
„tagesschau.de“ inhaltlich überein. Über die „Tagesschau-App“ sind
sämtliche auf dem Online-Portal
„tagesschau.de“ eingestellten Beiträge abruf-
bar. Wegen der geringeren Darstellungskapazität eines Smartphones sind bei
einem Abruf über die „Tagesschau-App“ zwar die seitlichen Navigations- und
Überblicksleisten des Online-
Angebots „tagesschau.de“ nicht zu sehen.
Dadurch wird jedoch die inhaltliche Gesamtausrichtung des Angebots nicht ver-
ändert. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, über die
„Tagesschau-App“ sei
kein vollständiger Zugriff auf die unter
„tagesschau.de“ vorgehaltenen Inhalte
möglich. Die Revision legt nicht dar, auf welche Inhalte nicht zugegriffen werden
kann und weshalb dies zu einer anderen inhaltlichen Gesamtausrichtung des
Angebots führt. Sie zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht entsprechendes
Vorbringen der Klägerinnen übergangen hat.
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(3) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich das Angebot, die
Inhalte des Online-Portals
„tagesschau.de“ über die „Tagesschau-App“ abzuru-
fen, an eine andere Zielgruppe richtet, als das Angebot des Online-Portals
„ta-
gesschau.de
“.
ee) Dem für die Bestimmung des Regelungsgehalts des Schreibens der
Niedersächsischen Staatskanzlei vom 17. August 2010 maßgeblichen Tele-
medienkonzept ist zwar die Feststellung zu entnehmen, dass das Angebot „ta-
gesschau.de“ nicht im Sinne von § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV
presseähnlich sei. Selbst wenn das Schreiben der Staatskanzlei als Verwal-
tungsakt zu werten wäre, stünde jedoch aufgrund dieser Feststellung entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit bindender Wirkung für den vor-
liegenden Rechtsstreit fest, dass das über die „Tagesschau-App“ am 15. Juni
2011 abrufbar gewesen
e Angebot „tagesschau.de“ nicht im Sinne dieser Be-
stimmung presseähnlich gewesen ist (vgl. Degenhart, AfP 2014, 107, 111;
Hartl/Wagner, jurisPR-ITR 6/2914 Anm. 5; vgl. auch Held in Hahn/Vesting,
Rundfunkrecht, 3. Aufl., § 11d RStV Rn. 142).
(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Legalisierungswirkung
einer Freigabe des Telemedienkonzepts erfasse die konkreten Angebote, durch
die dieses Konzept umgesetzt werde, weil sich die Prüfung des Telemedien-
konzepts nicht auf ein abstraktes Konzept beschränke, sondern auf die im Onli-
ne-Portal eingestellten konkreten Angebote erstrecke, durch die das Konzept
umgesetzt werde. Dem kann nicht zugestimmt werden.
Gemäß §§ 11f Abs. 1 RStV konkretisieren die Rundfunkanstalten in Te-
lemedienkonzepten zwar die inhaltliche Ausrichtung ihrer - unter anderem -
nichtsendungsbezogenen Telemedien (§ 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 RStV), indem
sie Zielgruppe, Inhalt, Ausrichtung und Verweildauer der geplanten Angebote
näher beschreiben. Dabei müssen diese Konzepte - nach der Begründung zum
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12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag - genauer als die gesetzliche Ermächti-
gung sein und können ein einziges oder eine Vielzahl von Angeboten umfas-
sen. Aus dem Text muss sich ablesen lassen, wer angesprochen werden soll,
was vorrangig angeboten wird und wie das Angebot sich ausrichtet, ob es sich
zum Beispiel um informative, unterhaltende, bildende oder kulturelle Inhalte
handelt (vgl. Begründung zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, Landtag
von Baden-Württemberg, Drucks. 14/3859, S. 49). Danach ist in einem Tele-
medienkonzept zwar die inhaltliche Ausrichtung des Angebots näher zu be-
schreiben, um damit einen gegenüber der gesetzlichen Ermächtigung höheren
Grad an Konkretisierung zu erreichen; ein Telemedienkonzept soll und kann
durch eine solche Beschreibung jedoch nicht die konkrete Umsetzung eines
geplanten Angebots zu einem bestimmten Zeitpunkt in allen Einzelheiten im
Vorhinein festlegen.
Auch die Beschreibung des Angebots
„tagesschau.de“ auf den Seiten 42
bis 48 des Telemedienkonzepts des Beklagten zu 2 bildet zwangsläufig nur ei-
nen Rahmen für konkrete Umsetzungen des Konzepts. So heißt es in den vom
Berufungsgericht herangezogenen Auszügen aus dieser Beschreibung,
„tages-
schau.de
“ informiere den Nutzer über aktuelle politische, wirtschaftliche, kultu-
relle und gesellschaftliche Ereignisse und biete erläuternde und informierende
Hintergrundberichte; die Beiträge würden als Audio oder Video und in Manu-
skriptform angeboten und um originäre aktuelle Textmeldungen und vertiefende
Inhalte wie Interviews, Hintergründe und Analysen, Fotos oder (interaktive) Gra-
fiken ergänzt. Diese allgemeine Beschreibung der inhaltlichen Ausrichtung des
Konzepts lässt weiten Raum für konkrete Umsetzungen und ist nicht geeignet,
die Übereinstimmung von im Online-Portal zur Umsetzung dieses Konzepts
eingestellten konkreten Angeboten mit den Vorgaben des Rundfunkstaatsver-
trages zu gewährleisten.
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(2) Aufgrund einer Legalisierungswirkung der Freigabe des Telemedien-
konzepts
„tagesschau.de“ steht entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts
nicht mit bindender Wirkung für das vorliegende Verfahren fest, dass ein in Um-
setzung dieses Konzepts im Online-Portal
„tagesschau.de“ eingestelltes Ange-
bot und insbesondere das hier in Rede stehende Angebot vom 15. Juni 2011
nicht presseähnlich ist.
In Telemedienkonzepten für nichtsendungsbezogene Telemedien (§ 11d
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 RStV) ist die inhaltliche Ausrichtung des Telemedienange-
bots zwar im Hinblick darauf gemäß § 11f Abs. 1 RStV zu konkretisieren, dass
nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote nach § 11d Abs. 2 Satz 1
Nr. 3 Teilsatz 3 RStV nicht zulässig sind. Auch insoweit kann ein Telemedien-
konzept jedoch zwangsläufig nur gewisse Leitlinien für die Gestaltung des An-
gebots aufstellen und nicht gewährleisten, dass eine konkrete Umsetzung des
Konzepts, die sich im Rahmen dieser Leitlinien hält, nicht gegen das Verbot
nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote verstößt. Deshalb kann
eine Billigung dieses Konzepts durch die Rechtsaufsichtsbehörde, selbst wenn
sie bindende Wirkung hätte, nicht dazu führen, dass konkrete Angebote nicht
als presseähnlich anzusehen sind.
Das gilt auch für das hier in Rede stehende Telemedienkonzept, in dem
auf Seite 24 ausgeführt ist, weshalb die Angebote im Online-Portal der ARD -
und damit auch das Telemedienangebot
„tagesschau.de“ - nicht presseähnlich
seien. In dieser - vom Berufungsgericht zitierten - Beschreibung des Online-
Portals heißt es, die ARD nutze alle medientypischen Gestaltungselemente und
technischen Anwendungen wie Bewegtbilder, Audios, interaktive Module (inkl.
Personalisierung), Hypertextstrukturen (Links), verschiedene Formen von Bild-,
Text- und Tonkombinationen und gestaffelten Angebotstiefen; außerdem seien
die Telemedien der ARD in hohem Maße dynamisch, das heiße die Inhalte
würden teilweise in einem sehr kurzen Rhythmus aktualisiert, der sich allein an
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der aktuellen Entwicklung des Berichtsgegenstands orientiere. Allein die Ver-
wendung medientypischer Gestaltungselemente und technischer Anwendungen
sowie die hohe Dynamik eines Telemediums gewährleisten nicht, dass ein kon-
kretes Angebot nicht presseähnlich ist.
(3) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts folgt eine Legalisie-
rungswirkung der Freigabe des Telemedienkonzepts für das hier in Rede ste-
hende konkrete Angebot vom 15. Juni 2011 nicht daraus, dass im Telemedien-
konzept kein geplantes, sondern ein bestehendes Angebot beschrieben worden
ist und sich das von den Klägerinnen beanstandete Angebot vom 15. Juni 2011
nicht von dem im Telemedienkonzept beschriebenen Angebot unterscheidet.
Allerdings ist im
Telemedienkonzept „tagesschau.de“ kein geplantes An-
gebot, sondern ein bestehendes Angebot beschrieben. Die Bestimmungen der
§§ 11d, 11f RStV gelten zwar unmittelbar nur für geplante Angebote (vgl. § 11f
Abs. 1 RStV). Sie sind nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 und 3 RÄStV jedoch entspre-
chend auf alle bestehenden Angebote anwendbar, die über den 31. Mai 2009
hinaus fortgeführt werden. Für diesen Bestand war nach Art. 7 Abs. 1 Satz 4
RÄStV das Verfahren entsprechend § 11f RStV bis zum 31. August 2010 abzu-
schließen. Bei dem von der Beklagten zu 1 seit dem Jahr 1996 betriebenen und
von dem Beklagten zu 2 betreuten Online-
Portal „tagesschau.de“ handelte es
sich um ein bestehendes Angebot, das über den 31. Mai 2009 fortgeführt wur-
de, und dessen inhaltliche Ausrichtung deshalb entsprechend § 11f Abs. 1
RStV in einem Telemedienkonzept zu konkretisieren war.
Das bedeutet jedoch nicht, dass das bestehende Angebot in seiner kon-
kreten Gestalt zum Inhalt des Telemedienkonzepts wurde. Durch die von § 11f
Abs. 1 RStV geforderte nähere Beschreibung der inhaltlichen Ausrichtung des
Angebots in einem Telemedienkonzept soll lediglich ein gegenüber der gesetz-
lichen Ermächtigung höherer Grad an Konkretisierung erzielt werden; dagegen
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soll und kann durch eine solche Beschreibung nicht ein konkretes Angebot in
allen Einzelheiten für die Zukunft festgeschrieben werden (vgl. oben Rn. 47).
Deshalb ändert der Umstand, dass sich die Beschreibung der inhaltlichen Aus-
richtung des fortzuführenden Angebots im Telemedienkonzept
„tagesschau.de“
an dem bestehenden Angebot in seiner konkreten Erscheinungsform orientiert,
nichts daran, dass sich das Telemedienkonzept nicht auf dieses konkrete An-
gebot beschränkt, sondern davon unter Berücksichtigung der Vorgaben des
Rundfunkstaatsvertrages abstrahiert. Dementsprechend kann die Freigabe des
Telemedienkonzepts für ein bestehendes Angebot ebenso wie die für ein ge-
plantes Angebot eine Tatbestandswirkung nur für das von konkreten Angeboten
abstrahierende Konzept entfalten und kein konkretes Angebot legitimieren.
3. Soweit das Berufungsgericht den in der Berufungsinstanz als ersten
Hilfsantrag gestellten Unterlassungsantrag abgewiesen hat, stellt sich das Beru-
fungsurteil auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Das
Berufungsgericht hat offengelassen, ob es sich bei dem in § 11d Abs. 2 Satz 1
Nr. 3 Teilsatz 3 RStV niedergelegten Verbot nichtsendungsbezogener presse-
ähnlicher Angebote um eine gesetzliche Vorschrift im Sinne des § 4 Nr. 11
UWG handelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer
das Marktverhalten zu regeln. Diese Frage ist zu bejahen.
a) Eine gesetzliche Vorschrift ist im Hinblick auf den Zweck des Geset-
zes gegen den unlauteren Wettbewerb, die Marktteilnehmer vor unlauteren ge-
schäftlichen Handlungen zu schützen (§ 1 Satz 1 UWG), nur dann eine Markt-
verhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG, wenn sie eine auf die Lau-
terkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion hat. Daran fehlt es, wenn
eine Vorschrift lediglich bestimmte Unternehmen von bestimmten Märkten fern-
halten oder die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs festlegen soll (st. Rspr.;
vgl. nur BGH, Urteil vom 2. Dezember 2009 - I ZR 152/07, GRUR 2010, 654
Rn. 23 = WRP 2010, 876 - Zweckbetrieb, mwN).
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b) Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
Teilsatz 3 RStV um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11
UWG (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 UWG Rn. 11.49; Pe-
ters, Öffentlich-rechtliche Online-Angebote, 2010, Rn. 335; Degenhart, AfP
2014, 107; Hartl/Wagner, jurisPR-ITR 6/2914 Anm. 5; aA Eifert in Hahn/Vesting,
Rundfunkrecht, 3. Aufl., § 11f RStV Rn. 197; Hain/Brings, WRP 2012, 1495,
1497 f.; Peifer, GRUR-Prax 2012, 521, 523; ders., GRUR-Prax 2014, 44).
Der Wortlaut und die Systematik des § 11d RStV könnten allerdings - wie
das Berufungsgericht angenommen hat - dafür sprechen, dass es sich bei
§ 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV um eine Regelung handelt, die ledig-
lich bestimmte Unternehmen von bestimmten Märkten fernhalten soll. Gemäß
§ 11d Abs. 1 RStV bieten die in der ARD zusammengeschlossenen Landes-
rundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio Telemedien an, die
journalistisch-redaktionell veranlasst und journalistisch-redaktionell gestaltet
sind. Dieser Auftrag umfasst nach § 11d Abs. 2 Satz 1 RStV das - inhaltlich und
zeitlich näher bezeichnete - Angebot von Sendungen auf Abruf, von sendungs-
bezogenen und nichtsendungsbezogenen Telemedien sowie von Archiven.
Diese Bestimmungen öffnen den genannten Rundfunkanstalten den Zutritt zum
Markt der Telemedien. Vor diesem Hintergrund könnte die Vorschrift des § 11d
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV, wonach nichtsendungsbezogene presse-
ähnliche Angebote nicht zulässig sind, als eine Regelung verstanden werden,
die den genannten Rundfunkanstalten den an sich eröffneten Zutritt zum Markt
der Telemedien verschließen soll, soweit nichtsendungsbezogene presseähnli-
che Angebote betroffen sind.
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Bei dieser Bestimmung handelt es sich aber jedenfalls nicht um eine rei-
ne Marktzutrittsregelung, sondern zumindest auch um eine Marktverhaltensre-
gelung. Sie hat den Zweck, die Betätigung öffentlich-rechtlicher Rundfunkan-
stalten auf dem Markt der Telemedien zum Schutz von Presseverlagen zu be-
grenzen. Sie ist damit dem für den Staat bestehenden Gebot vergleichbar, sich
nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse zu betätigen, bei dem es sich
gleichfalls um eine Marktverhaltensregelung handelt, die (auch) dem Schutz
von Presseunternehmen dient (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2011
- I ZR 129/10, GRUR 2012, 728 Rn. 11 = WRP 2012, 935 - Einkauf Aktuell). Die
Bestimmung des § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV regelt, dass öffent-
lich-rechtliche Rundfunkanstalten, wenn sie in den ihnen eröffneten Wettbewerb
auf dem Markt der Telemedien eintreten, auf nichtsendungsbezogene presse-
ähnliche Angebote verzichten müssen. Sie bestimmt das Verhalten auf dem
Markt der Telemedien, ohne den Zugang zu diesem Markt zu verschließen. Sie
ist den Regelungen vergleichbar, die beispielsweise Werbung und Sponsoring
(§ 11d Abs. 5 Satz 1 RStV) oder bestimmte Angebotsformen (§ 11d Abs. 5
Satz 4 RStV in Verbindung mit der Anlage zum Staatsvertrag) bei Telemedien-
angeboten verbieten, und bei denen es sich ebenfalls um Marktverhaltensrege-
lungen handelt (Peters, Öffentlich-rechtliche Online-Angebote, 2010, Rn. 306).
C. Danach ist die Revision der Klägerinnen gegen das Berufungsurteil
hinsichtlich der Beklagten zu 1 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass auf die
Berufung der Beklagten zu 1 das landgerichtliche Urteil abgeändert und die
Klage gegen die Beklagte zu 1 als unzulässig abgewiesen wird. Auf die Revisi-
on der Klägerinnen ist das Berufungsurteil hinsichtlich des Beklagten zu 2 unter
Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit
aufzuheben, als die Klage mit den Hilfsanträgen zum Unterlassungsantrag ab-
gewiesen worden ist. Dies gilt auch hinsichtlich des in der Berufungsinstanz als
zweiten Hilfsantrags verfolgten Klageantrags, weil über diesen in der Sache erst
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entschieden werden darf, wenn feststeht, dass der erste Hilfsantrag unbegrün-
det ist. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zu-
rückzuverweisen. Der Senat kann insoweit in der Sache nicht selbst entschei-
den, da sie nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht zur Endentschei-
dung reif ist. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig
- bislang keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob es sich bei dem An-
gebot des Beklagten zu 2 vom 15. Juni 2011 um ein nach § 11d Abs. 2 Satz 1
Nr. 3 Teilsatz 3 RStV unzulässiges, nichtsendungsbezogenes presseähnliches
Angebot gehandelt hat. Dazu weist der Senat auf Folgendes hin:
I. Unter einem Angebot im Sinne von § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3
RStV, dessen Presseähnlichkeit zu beurteilen ist, ist grundsätzlich das gesamte
Telemedienangebot zu verstehen, das auf einem entsprechenden Telemedien-
konzept beruht. Das ergibt sich bereits daraus, dass der Begriff des Telemedi-
enangebots auch in den übrigen Bestimmungen der §§ 11f, 11d RStV in diesem
umfassenden Sinne verwendet wird. Es kommt dagegen nicht darauf an, ob
einzelne Beiträge innerhalb dieses Angebots für sich genommen als presseähn-
lich einzustufen sind (vgl. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Kommentar zum
Rundfunkstaatsvertrag, 43. AL Mai 2010, § 11d RStV Rn. 15; Hain, Die zeitli-
chen und inhaltlichen Einschränkungen der Telemedienangebote von ARD,
ZDF und Deutschlandradio nach dem 12. RÄndStV, 2009, S. 106; Peters, Öf-
fentlich-rechtliche Online-Angebote, 2010, Rn. 305; Schmidtmann, ZUM 2011,
526, 539; Hain/Brings, WRP 2012, 1495, 1499; Fiedler, K&R 2012, 795, 797;
vgl. auch Held in Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Aufl., § 11d RStV Rn. 70;
Nawrath, MMR 2011, 79, 82).
II. Presseähnliche Angebote sind gemäß § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teil-
satz 3 RStV lediglich in nichtsendungsbezogenen Telemedien unzulässig. Be-
steht ein Telemedienangebot - wie das hier in Rede stehende Telemedienan-
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gebot „tagesschau.de“ - sowohl aus nichtsendungsbezogenen als auch aus
sendungsbezogenen Inhalten, ist bei der Prüfung der Presseähnlichkeit allein
auf die Gesamtheit der nichtsendungsbezogenen Beiträge abzustellen
(Hain/Brings, WRP 2012, 1495, 1499). Im Streitfall ist daher zu prüfen, ob das
über die „Tagesschau-App“ am 15. Juni 2011 abrufbar gewesene Angebot des
Online-
Portals „tagesschau.de“ in der Gesamtheit seiner nichtsendungsbezo-
genen Beiträge als presseähnlich anzusehen ist. Da bei sendungsbezogenen
Telemedien der zeitliche und inhaltliche Bezug zu einer bestimmten Sendung
nach § 11d Abs. 3 Satz 2 RStV im jeweiligen Telemedienangebot ausgewiesen
werden muss, dürfte es unschwer möglich sein, die nichtsendungsbezogenen
Beiträge, bei denen ein solcher Ausweis fehlt, zu ermitteln und einer solchen
Prüfung zu unterziehen.
III. Nach der in § 2 Abs. 2 Nr. 20 RStV niedergelegten Legaldefinition
sind unter einem presseähnlichen Angebot nicht nur elektronische Ausgaben
von Printmedien, sondern alle journalistisch-redaktionellen Angebote, die nach
Gestaltung und Inhalt Zeitungen oder Zeitschriften entsprechen, zu verstehen.
Zur Beurteilung der Presseähnlichkeit eines Telemedienangebots ist die-
ses danach mit Zeitungen und Zeitschriften zu vergleichen. Für diesen Ver-
gleich ist auf gedruckte Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften abzustellen.
Das ergibt sich bereits daraus, dass elektronische Ausgaben von Printmedien -
und damit auch elektronische Ausgaben von gedruckten Zeitungen und Zeit-
schriften - nach der Legaldefinition ohne Weiteres als presseähnliche Angebote
anzusehen sind. Auf das Internetangebot von Presseverlagen kommt es für den
Vergleich dagegen nicht an (Schulz in Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Aufl.,
§ 2 RStV Rn. 173; Hain, Die zeitlichen und inhaltlichen Einschränkungen der
Telemedienangebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio nach dem
12. RÄndStV, 2009, S. 106; Peters, Öffentlich-rechtliche Online-Angebote,
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2010, Rn. 304; Schmidtmann, ZUM 2011, 526, 539; Hain/Brings, WRP 2012,
1495, 1499).
Bei dem Vergleich ist auf die Gestaltung und den Inhalt von Zeitungen
und Zeitschriften abzustellen. Für Zeitungen und Zeitschriften ist es charakteris-
tisch, dass sie vor allem Texte und daneben (unbewegte) Bilder enthalten.
Steht der Text deutlich im Vordergrund, deutet dies daher auf die Presseähn-
lichkeit eines Angebots hin (Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Kommentar
zum Rundfunkstaatsvertrag, 43. AL Mai 2010, § 11d RStV Rn. 15; Hain, Die
zeitlichen und inhaltlichen Einschränkungen der Telemedienangebote von ARD,
ZDF und Deutschlandradio nach dem 12. RÄndStV, 2009, S. 107; Peters, Öf-
fentlich-rechtliche Online-Angebote, 2010, Rn. 306; Schmidtmann, ZUM 2011,
526, 539 f.; Nawrath, MMR 2011, 79, 80 f.). Dafür spricht auch die Begründung
zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Danach soll das Verbot presseähnli-
cher Angebote der Tendenz begegnen, dass von Rundfunkanstalten angebote-
ne nichtsendungsbezogene Telemedien den inhaltlichen und gestalterischen
Schwerpunkt in Texten setzen; ein solcher Schwerpunkt könne vermieden wer-
den, wenn öffentlich-rechtliche nichtsendungsbezogene Telemedienangebote
ihren Schwerpunkt in einer hörfunk- oder fernsehähnlichen Gestaltung oder ei-
ner entsprechenden Kombination hätten (vgl. Begründung zum 12. Rund-
funkänderungsstaatsvertrag,
Landtag
von
Baden-Württemberg,
Drucks.
14/3859, S. 47).
Ein Telemedienangebot ist - entgegen der Auffassung des Landgerichts -
nicht deshalb presseähnlich, weil es aus Sicht des Nutzers aufgrund der Dichte
und Breite der dargebotenen Information geeignet ist, als
„Presseersatz“ zu
dienen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten können sich auf die gemäß
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich geschützte Freiheit der Berichter-
stattung durch Rundfunk berufen. Diese umfasst neue Dienste mittels neuer
Techniken, die künftig Funktionen des herkömmlichen Rundfunks übernehmen
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können (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1 BvF 1/88,
BVerfGE 83, 238, 302). Den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kann es
daher durch § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV grundsätzlich nicht ver-
wehrt sein, in dem von ihrem Programmauftrag umfassten nichtsendungsbezo-
genen Telemedienangebot ausführlich und umfassend über sämtliche Themen
zu berichten, die auch Gegenstand der Berichterstattung in Zeitungen und Zeit-
schriften sind. Die Eröffnung der Möglichkeit zu einer solchen Berichterstattung
für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch § 11d Abs. 1 und 2 Satz 1
Nr. 3 Teilsatz 1 RStV beeinträchtigt allerdings die wirtschaftlichen Interessen
der Presseverlage. Sie berührt damit die nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gleich-
falls verfassungsrechtlich geschützte Pressefreiheit. Diese hat auch eine objek-
tiv-rechtliche Seite und
garantiert das Institut „Freie Presse”. Der Staat ist ver-
pflichtet, in seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm
die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen (BVerfG,
Teilurteil vom 5. August 1966, 1 BvR 586/62, 610/63, 212/64, BVerfGE 20, 162,
175 f.). Dem ist indessen dadurch genügt, dass journalistisch-redaktionelle An-
gebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in nichtsendungsbezoge-
nen Telemedien nach § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV nicht durch
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„stehende“ Texte und Bilder geprägt sein dürfen, sondern ihren Schwerpunkt in
einer hörfunk- oder fernsehähnlichen Gestaltung oder einer entsprechenden
Kombination haben müssen.
Büscher
Koch
Richter am BGH Dr. Löffler ist in
Urlaub und daher gehindert zu
unterschreiben.
Büscher
Schwonke
Feddersen
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 27.09.2012 - 31 O 360/11 -
OLG Köln, Entscheidung vom 20.12.2013 - 6 U 188/12 -