Urteil des BGH vom 30.04.2015

Abschlagspflicht Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I Z R 1 2 7 / 1 4
Verkündet am:
30. April 2015
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Abschlagspflicht
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1 Satz 1; Arzneimittelrabattgesetz (AMRabG)
§§ 1, 2, 3
a) § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel (Arzneimittelrabattgesetz, AMRabG, BGBl. I
2010, S. 2262) verstößt nicht gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit eines pharmazeuti-
schen Unternehmers aus Art. 12 Abs. 1 GG. Die durch § 1 Satz 1 AMRabG geregelte Ver-
pflichtung der pharmazeutischen Unternehmer, den Unternehmen der privaten Krankenver-
sicherung und Beihilfeträgern einen Abschlag in Höhe eines prozentualen Anteils des Her-
stellerabgabepreises zu gewähren, greift zwar in die Berufsausübungsfreiheit der pharma-
zeutischen Unternehmer ein. Der Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Der
Regelung liegen mit den Zielen der Gewährleistung eines bezahlbaren privaten Krankenver-
sicherungsschutzes und der Schonung der öffentlichen Haushalte vernünftige Zwecke des
Gemeinwohls zugrunde. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Die Auferle-
gung des Abschlags ist nicht unzumutbar, weil eine wirtschaftliche Überforderung oder gar
eine Gefährdung des Bestands der Branche der pharmazeutischen Industrie nicht festge-
stellt werden kann.
b) § 1 AMRabG verstößt nicht gegen das Grundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Heranziehung
der pharmazeutischen Unternehmer zur Gewährung eines Preisabschlags stellt im Hinblick
darauf, dass andere Beteiligte der Gesundheitsversorgung - etwa Ärzte - davon nicht betrof-
fen sind, keine grundrechtswidrige Ungleichbehandlung dar, weil die Differenzierung von
Maßnahmen zur Kosteneinsparung nach einzelnen Leistungsbereichen sachgerecht ist. An-
gesichts der Vielgestaltigkeit der Faktoren, die für die Kostenentwicklung in den jeweiligen
Leistungsbereichen maßgeblich sind, besteht keine Pflicht des Gesetzgebers zur schemati-
schen Kosteneinsparung in allen Leistungsbereichen.
BGH, Urteil vom 30. April 2015 - I ZR 127/14 - OLG München
LG München I
- 2 -
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 30. April 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die
Richter Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter
Feddersen
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München
- 23. Zivilsenat - vom 8. Mai 2014 wird auf Kosten der Klägerin zu-
rückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Pflicht pharmazeutischer Unternehmer zur
Gewährung von Rabatten zugunsten privater Krankenversicherungsunterneh-
men nach § 1 des zum 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Gesetzes über Ra-
batte für Arzneimittel (Arzneimittelrabattgesetz, AMRabG, BGBl. I 2010,
S. 2262). Die Klägerin ist ein Arzneimittelhersteller, die Beklagte ein Unterneh-
men der privaten Krankenversicherung.
Die Klägerin hat im Jahr 2011 auf der Grundlage des § 1 AMRabG Ab-
schläge zugunsten der Unternehmen der privaten Krankenversicherung in Höhe
von insgesamt 399.566,52 € gezahlt.
1
2
- 3 -
Die Klägerin hält § 1 AMRabG wegen Verstoßes gegen ihre Grundrechte
aus Art. 3, 12 Abs. 1 GG für grundgesetzwidrig. Sie ist der Ansicht, für die
Rechtfertigung des mit dieser Regelung verbundenen Eingriffs in Art. 12 Abs. 1
GG fehle es schon an jeder vernünftigen Gemeinwohlerwägung. Das vom Bun-
desverfassungsgericht für die gesetzliche Krankenversicherung anerkannte ge-
setzgeberische Ziel, einen bezahlbaren Krankenversicherungsschutz und die
finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten,
sei angesichts erheblicher Systemunterschiede nicht auf die private Kranken-
versicherung übertragbar. Die Regelung verstoße gegen den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit. Sie sei weder geeignet noch erforderlich und unzumutbar,
weil sie letztlich eine Subventionierung privater Krankenversicherungsunter-
nehmen durch andere private Unternehmen vorsehe. Die fragliche Bestimmung
des Arzneimittelgesetzes verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da die gesetzliche
und die private Krankenversicherung als wesentlich ungleiche Regelungsmo-
delle unter dem Aspekt des Zwangsrabatts gleich behandelt würden. Gleich-
heitswidrig sei auch, dass allein die pharmazeutischen Unternehmer zur Stüt-
zung der privaten Krankenversicherung herangezogen würden und nicht andere
Beteiligte des Gesundheitswesens.
Die Klägerin hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - bean-
tragt,
festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, an die Beklagte Zahlungen
zu leisten nach dem Arzneimittelrabattgesetz (BGBl. I 2010, S. 2262) für von
der Klägerin unter ihrem Namen in den Verkehr gebrachte verschreibungs-
pflichtige Arzneimittel, deren Kosten die Beklagte ihren Versicherungsnehmern
im Rahmen des Versicherungsverhältnisses ganz oder teilweise erstattet hat.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG München, ZMGR 2013,
419 = PharmR 2013, 531). Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben
(OLG München, VersR 2014, 1233 = PharmR 2014, 301). Mit ihrer vom Beru-
3
4
5
- 4 -
fungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte bean-
tragt, verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht hat den Feststellungsantrag für unbegründet
erachtet. Es hat § 1 AMRabG für grundgesetzkonform erachtet und hierzu aus-
geführt:
Die Klage sei zulässig. Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungs-
interesse sei gegeben, weil der Klägerin durch § 1 AMRabG eine Zahlungs-
pflicht auferlegt werde und sie nicht gehalten sei, es durch Zahlungsverweige-
rung auf eine Leistungsklage der Beklagten ankommen zu lassen.
Die Klage sei aber nicht begründet. Die Voraussetzungen der Zahlungs-
pflicht nach § 1 AMRabG lägen in Bezug auf die Klägerin vor. Diese Regelung
sei nicht grundgesetzwidrig. Sie verletze insbesondere nicht das Grundrecht der
Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG. Der durch § 1 AMRabG vorgenommene Eingriff
in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin diene dem legitimen, aus dem So-
zialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG folgenden gesetzgeberischen Zweck,
einen bezahlbaren Krankenversicherungsschutz für die Privatversicherten zu
gewährleisten. Soweit Abschläge den Beihilfeträgern zuflössen, diene dies dem
ebenfalls legitimen Gemeinwohlziel der Schonung der öffentlichen Haushalte.
§ 1 AMRabG sei bei Berücksichtigung des gesetzgeberischen Einschät-
zungs- und Prognosevorrangs zur Zweckerreichung geeignet. Es sei möglich,
dass die Abschläge einem Anstieg der Versichertenbeiträge entgegenwirkten,
wie die Begrenzung der Ausgabensteigerung für Arzneimittelausgaben der Jah-
re 2011 (1,7%) und 2012 (0,5%) erkennen lasse.
6
7
8
9
- 5 -
Zur Erreichung des Normzwecks sei die Regelung des § 1 AMRabG er-
forderlich. Die Möglichkeit einer Belastung anderer Leistungserbringer des Ge-
sundheitswesens oder der Allgemeinheit schließe die Notwendigkeit nicht aus,
eine bestimmte Gruppe im Bereich des Gesundheitswesens zur Kostensenkung
heranzuziehen. Dass Selbst- oder Eigenbehalte der Privatversicherten bei Er-
mittlung der Abschläge nicht zu berücksichtigen seien, stehe der Erforderlich-
keit nicht entgegen. Eine Senkung der Abschläge bei nur teilweiser Erstattung
der Kosten der Privatversicherten durch die Krankenversicherungen und die
Beihilfeträger belaste die pharmazeutischen Unternehmer zwar weniger stark.
Sie sei aber nicht gleich geeignet, weil die Regelung umso geeigneter sei, je
größer die Rabatte seien.
Die Vorschrift des § 1 AMRabG sei verhältnismäßig im engeren Sinne.
Das mit ihr verfolgte Ziel, einen bezahlbaren Versicherungsschutz für alle Pri-
vatversicherten zu erreichen, sei von erheblichem Gewicht. Die Arzneimittel-
ausgaben seien in den letzten Jahren besonders stark gestiegen. Demgegen-
über sei der Eingriff auf Seiten der Klägerin nicht so schwerwiegend, dass er im
Hinblick auf die verfolgten Ziele unzumutbar sei. Die Klägerin habe nicht vorge-
tragen, welchen Anteil die gezahlten Abschläge an ihrem Gesamtumsatz und
am Gesamtumsatz sämtlicher pharmazeutischen Unternehmer ausmachten. Es
sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Abschläge die Klägerin und die
Gesamtheit der pharmazeutischen Unternehmer in ihrem Bestand gefährdeten
oder auch nur zu erheblichen Gewinneinbußen geführt hätten.
Das Grundrecht der Klägerin aus Art. 3 Abs. 1 GG sei ebenfalls nicht ver-
letzt, weil die Einführung der Abschlagspflicht für pharmazeutische Unterneh-
mer sachlich gerechtfertigt sei.
10
11
12
- 6 -
B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat kei-
nen Erfolg. Die Feststellungsklage der Klägerin ist zulässig (dazu B I). Sie ist
aber unbegründet, weil die Klägerin der in § 1 AMRabG angeordneten Pflicht
zur Gewährung von Abschlägen auf Arzneimittelpreise unterliegt (dazu B II 1)
und diese Vorschrift mit dem Grundgesetz vereinbar ist (dazu B II 2). Einer Vor-
lage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG bedarf
es daher nicht.
I. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Klage zu-
lässig ist, weil das hierfür nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse
besteht.
1. Ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder
Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinne dieser Vorschrift ist anzu-
nehmen, wenn dem Recht oder der Rechtsposition des Klägers eine gegenwär-
tige Gefahr oder Ungewissheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese
Gefahr zu beseitigen (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteil vom 12. Juli 2011
- X ZR 56/09, GRUR 2011, 995 Rn. 14 - Besonderer Mechanismus; Münch-
Komm.ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl., § 256 Rn. 37). Im Falle der negativen
Feststellungsklage kann eine Gefährdung darin liegen, dass sich der Beklagte
eines Anspruchs gegen den Kläger berühmt (BGH, GRUR 2011, 995 Rn. 14
- Besonderer Mechanismus). Für eine Rechtsberühmung reicht es aus, dass
der Beklagte geltend macht, aus einem bestehenden Rechtsverhältnis könne
sich unter bestimmten Voraussetzungen, deren Eintritt noch ungewiss sei, ein
Anspruch gegen den Kläger ergeben (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1991
- IX ZR 38/91, NJW 1992, 436, 437; BeckOK ZPO/Bacher, Stand 1.3.2015,
§ 256 Rn. 22). Als Sachurteilsvoraussetzung muss das Feststellungsinteresse
gemäß § 256 ZPO in der Revisionsinstanz noch vorliegen (BGH, Urteil vom
13
14
15
- 7 -
11. Oktober 1989 - IVa ZR 208/87, NJW-RR 1990, 130; Zöller/Greger, ZPO,
30. Aufl., § 256 Rn. 7).
2. Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht nach den vorstehenden
Grundsätzen zutreffend ein Feststellungsinteresse der Klägerin angenommen.
Die Klägerin wendet sich mit ihrem Antrag gegen ihre Pflicht zur Ab-
schlagsgewährung gemäß § 1 AMRabG dem Grunde nach. Diese Vorschrift
sieht in Satz 1 vor, dass pharmazeutische Unternehmer den Unternehmen der
privaten Krankenversicherung und den Trägern der Kosten in Krankheits-, Pfle-
ge- und Geburtsfällen nach beamtenrechtlichen Vorschriften für verschrei-
bungspflichtige Arzneimittel, deren Kosten diese ganz oder teilweise erstattet
haben, nach dem Anteil der Kostentragung Abschläge entsprechend § 130a
Absatz 1, 1a, 2, 3, 3a und 3b SGB V zu gewähren haben.
Die Beklagte, die zu den nach § 1 AMRabG anspruchsberechtigten pri-
vaten Krankenversicherungsunternehmen zählt, hält die Klägerin zur Ab-
schlagsgewährung unter den in der Norm bezeichneten Voraussetzungen für
verpflichtet. Dieser Standpunkt der Beklagten kommt einer Anspruchsberüh-
mung gleich. Dass jedenfalls die künftige Erfüllung der Anspruchsvorausset-
zungen noch ungewiss ist, steht der Annahme eines Feststellungsinteresses
angesichts des in § 1 AMRabG enthaltenen Anspruchs der Beklagten gegen-
über der Klägerin auf Gewährung eines Abschlags für den Fall, dass die Be-
klagte ihren Versicherten Kosten für verschreibungspflichtige Arzneimittel der
Klägerin ganz oder teilweise erstattet, nicht entgegen.
II. Die Feststellungsklage ist unbegründet.
16
17
18
19
- 8 -
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die einfach ge-
setzlichen Anwendungsvoraussetzungen des § 1 Satz 1 AMRabG im Hinblick
auf die Klägerin dem Grunde nach vorliegen. Die Klägerin unterfällt der in die-
ser Vorschrift angeordneten Pflicht zur Gewährung von Abschlägen zugunsten
der privaten Krankenversicherungsunternehmen. Die Beklagte ist ein privates
Krankenversicherungsunternehmen. Die Klägerin bringt Arzneimittel unter eige-
nem Namen in Verkehr und ist daher - wie von § 1 Satz 1 AMRabG vorausge-
setzt - pharmazeutischer Unternehmer (§ 4 Abs. 18 Satz 2 AMG). Zu den von
der Klägerin in Verkehr gebrachten Arzneimitteln zählen verschreibungspflichti-
ge Präparate im Sinne des § 1 Satz 1 AMRabG.
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Beru-
fungsgerichts, dass § 1 AMRabG mit dem Grundrecht der Klägerin auf Berufs-
freiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist. Die Berufsfreiheit der Klägerin
ist durch die Pflicht zur Gewährung von Abschlägen nach § 1 AMRabG nicht
verletzt. Deshalb ist das Verfahren nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen
und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
a) Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass § 1
AMRabG als Regelung der Berufsausübung in den Schutzbereich des Grund-
rechts der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG eingreift.
aa) Art. 12 Abs. 1 GG schützt die Freiheit der Berufswahl und der Be-
rufsausübung und damit die gesamte berufliche und Erwerbszwecken dienende
Tätigkeit; die Klägerin als inländische juristische Person kann sich nach Art. 19
Abs. 3 GG auf dieses Grundrecht berufen (BVerfGE 50, 290, 363; 114, 196,
244). Geschützt ist durch Art. 12 Abs. 1 GG die Freiheit, Entgelte für Waren und
Dienstleistungen selbst auszuhandeln, so dass gesetzliche Preisreglementie-
rungen einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit bewirken (BVerfGE 68,
20
21
22
23
- 9 -
193, 216; 106, 275, 298; 114, 196, 244; 126, 115, 183; Jarass/Pieroth, GG,
13. Aufl., Art. 12 Rn. 10; Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG,
13. Aufl., Art. 12 Rn. 23). Zu den Berufsausübungsregelungen zählen die in
§ 130a SGB V vorgesehenen Herstellerrabatte (BVerfGE 114, 196, 244).
bb) § 1 AMRabG beschränkt die freie Preisbildung für verschreibungs-
pflichtige Arzneimittel durch die pharmazeutischen Unternehmer, indem ihnen
abverlangt wird, an die privaten Krankenversicherungsunternehmen und Beihil-
feträger für von diesen ganz oder teilweise getragene Aufwendungen für ver-
schreibungspflichtige Arzneimittel einen Abschlag in Höhe eines prozentualen
Anteils des Herstellerabgabepreises nach Maßgabe des § 130a SGB V zu ge-
währen. Die von den pharmazeutischen Unternehmern bis zum 31. Dezember
2013 zu gewährenden Abschläge beliefen sich auf 16% des Abgabepreises für
patentgeschützte verschreibungspflichtige Arzneimittel (§ 130a Abs. 1a SGB V).
Seit dem 1. April 2014 beläuft sich dieser Abschlag auf 7% (§ 130a Abs. 1
Satz 1 SGB V).
Bei dem Abschlag nach § 1 AMRabG handelt es sich zwar nicht um ei-
nen "Zwangsrabatt" im von § 130a SGB V vorgesehenen Sinne (vgl. hierzu
Axer in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl., § 130a Rn. 1 ff.), weil private Kran-
kenversicherungsunternehmen und Beihilfeträger nicht in einer direkten Leis-
tungsbeziehung zu den pharmazeutischen Unternehmen stehen, sondern ihren
Versicherungsnehmern und den Beihilfeberechtigten die von diesen verauslag-
ten Arzneimittelkosten erstatten. Der gesetzliche Abschlag stellt sich aber
gleichwohl als Verminderung des Herstellerabgabepreises dar, weil den phar-
mazeutischen Unternehmern für jedes abgegebene verschreibungspflichtige
Arzneimittel, dessen Kosten private Krankenversicherungsunternehmen oder
Beihilfeträger ganz oder teilweise erstattet haben, im Ergebnis nur ein um den
prozentualen Abschlag vom Abgabepreis verringertes Entgelt verbleibt.
24
25
- 10 -
cc) Die in § 1 AMRabG enthaltene Grundrechtsbeeinträchtigung geht
- entgegen der Ansicht der Revision - nicht über eine bloße Berufsausübungs-
regelung hinaus. Zwar können auch Berufsausübungsregelungen von so gro-
ßem Gewicht sein, dass sie eine sinnvolle Berufsausübung unmöglich machen
und deshalb wie eine Beschränkung der Berufswahl wirken, die höheren ver-
fassungsrechtlichen Anforderungen unterliegt (vgl. BVerfGE 68, 155, 170; 123,
186, 239; Jarass/Pieroth aaO Art. 12 Rn. 37; Scholz in Maunz/Dürig, GG,
72. Ergänzungslieferung 2014, Art. 12 Rn. 342). Subjektive Berufswahlbe-
schränkungen, also auf persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten bezogene
Zulassungsvoraussetzungen, sind nur zum Schutz überragend wichtiger Ge-
meinschaftsgüter zulässig (vgl. BVerfGE 69, 209, 218; Scholz in Maunz/Dürig
aaO Art. 12 Rn. 355). Objektive Beschränkungen der Berufswahl, die an außer-
halb des Einflussbereichs des Betroffenen liegende Kriterien anknüpfen, sind
nur zulässig, wenn sie zur Abwehr nachweisbarer oder höchst wahrscheinlicher
Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeingut zwingend geboten sind
(BVerfGE 102, 192, 214; Jarass/Pieroth aaO Art. 12 Rn. 48; Scholz in
Maunz/Dürig aaO Art. 12 Rn. 363). Eine Wirkung des § 1 AMRabG, die einer
Beschränkung der Berufswahl gleichsteht, ist vorliegend allerdings, wie das Be-
rufungsgericht zutreffend angenommen hat, in tatsächlicher Hinsicht weder vor-
getragen noch sonst ersichtlich.
(1) Dem von der Revision angeführten Umstand, dass die pharmazeuti-
schen Unternehmer zur Entrichtung der Umsatzsteuer nach Maßgabe des vol-
len Abgabepreises verpflichtet sind und der nachfolgend gemäß § 1 AMRabG
zu gewährende Abschlag nach Auffassung des Bundesministeriums der Finan-
zen keine entgeltmindernde und folglich die Umsatzsteuerschuld verringernde
Wirkung hat, kommt im vorliegenden Zusammenhang kein Gewicht zu, das die
Annahme einer Beeinträchtigung der Berufswahlfreiheit rechtfertigt. Es ist
schon nicht erkennbar und von der Klägerin auch nicht aufgezeigt, dass sie
26
27
- 11 -
durch die Umsatzsteuergestaltung zusätzlich belastet wird. Ihr verbleibt der um
den Abschlag verminderte Abgabepreis ohne Umsatzsteuer. Die von dem
pharmazeutischen Unternehmer auf den Abgabepreis zu entrichtende Umsatz-
steuer ist bei wirtschaftlicher Betrachtung nur ein durchlaufender Posten (vgl.
BeckOK UStG/Weymüller, 7. Aufl., Vor § 1 UStG Rn. 2). Die Unternehmer sind
nach § 13a UStG lediglich Steuerschuldner, die die Empfänger der Lieferungen
und Leistungen mit der Umsatzsteuer belasten und die eingenommene Um-
satzsteuer nach Abzug der Vorsteuer an den Fiskus abführen. Nur der Endver-
braucher ist derjenige, der die Umsatzsteuer als indirekte Steuer schließlich
wirtschaftlich aufbringen muss, während die Umsatzsteuer mit dem Recht zum
Vorsteuerabzug für den Unternehmer kostenneutral ist (vgl. Bunjes/Robisch,
Umsatzsteuergesetz, 14. Aufl., Vor § 1 Rn. 19 f.). Dass die Umsatzsteuerschuld
sich durch die Gewährung des Abschlags nach § 1 AMRabG nicht verringert,
hat deshalb keine relevante, den Grundrechtseingriff vertiefende Wirkung. Da-
von abgesehen ist nicht ersichtlich, dass dem auf den Abschlag entfallenden
Differenzbetrag der Umsatzsteuer in den Auswirkungen ein nennenswertes
Gewicht zukommt.
(2) An der Einstufung der Vorschrift des § 1 AMRabG als Berufsaus-
übungsregelung ändert auch das weitere Vorbringen der Revision nichts, wo-
nach sich das für die Erfassung und Abrechnung der Abschläge vorgesehene
System als besonders intransparent und fehleranfällig erwiesen habe und die
Klägerin deshalb zu einer ständigen kostenträchtigen Überprüfung gezwungen
sei. Von einer besonderen Intransparenz und Fehleranfälligkeit des Abrech-
nungssystems und der Notwendigkeit kostenaufwändiger Überprüfungsmaß-
nahmen kann im vorliegenden Revisionsverfahren nicht ausgegangen werden.
Der Einzug der Abschläge obliegt nach § 2 Satz 1 AMRabG einer zentra-
len Stelle, die von den Unternehmen der privaten Krankenversicherung und den
28
29
- 12 -
Beihilfeträgern bei dem Verband der privaten Krankenversicherung zu bilden
ist. Hierbei handelt es sich um die Zentrale Stelle zur Abrechnung von Arznei-
mittelrabatten GmbH (ZESAR). Nach § 2 Satz 2 AMRabG übermittelt die zent-
rale Stelle oder eine von dieser beauftragte Stelle zum Nachweis des Ab-
schlags die Pharmazentralnummer des abgegebenen Arzneimittels, das Abga-
bedatum, das Apothekenkennzeichen und den Anteil der Kostentragung ma-
schinenlesbar an die pharmazeutischen Unternehmer. Diese haben die Ab-
schläge innerhalb von zehn Tagen nach Geltendmachung des Anspruchs zu
erstatten (§ 2 Satz 3 AMRabG). Weitere Einzelheiten zur Abrechnung und Zah-
lungsfrist können die Beihilfeträger und der Verband der privaten Krankenversi-
cherung mit den Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer
abweichend vom Arzneimittelrabattgesetz vereinbaren (§ 2 Satz 4 AMRabG).
Die Klägerin bemängelt insoweit vergeblich, dass es sich um ein beson-
ders intransparentes und fehleranfälliges System handele, dessen Berechnun-
gen sie ständig und auf eigene Kosten selbst überprüfen müsse. Der Klägerin
steht die Möglichkeit zur Verfügung, die Abrechnung der Abschläge überprüfen
zu lassen. Ein entsprechendes Verfahren sieht § 3 Satz 1 AMRabG vor. Da-
nach können Unternehmer in begründeten Fällen sowie in Stichproben die Ab-
rechnung der Abschläge durch einen Treuhänder überprüfen lassen. Dass das
Abrechnungssystem besonders intransparent und fehleranfällig ist und die Klä-
gerin zu einer ständigen, kostenaufwändigen Kontrolle gezwungen ist, hat das
Berufungsgericht nicht festgestellt. Für ihre gegenteilige Behauptung beruft sich
die Revision auf Vorbringen der Klägerin in den Instanzen. Der in Bezug ge-
nommene Vortrag in der Klageschrift ist aber nur ganz allgemein gehalten. Das
Landgericht ist deshalb bereits zu Recht davon ausgegangen, es sei nichts da-
für ersichtlich, das Prüfungsrecht sei ungeeignet, Abrechnungsfehler aufzude-
cken. Der fragliche Vortrag der Klägerin in der Berufungsinstanz, auf den die
Revision verweist, geht über das erstinstanzliche Vorbringen nicht hinaus. Da-
30
- 13 -
nach rechtfertigt die Ausgestaltung des Abrechnungssystems nicht die Annah-
me, die Verpflichtung zur Gewährung von Rabatten ginge in ihrer Intensität wei-
ter als eine Berufsausübungsregelung.
(3) Die angegriffene Regelung stellt sich nicht im Hinblick auf § 1 Satz 3
AMRabG als Eingriff in die Berufswahl dar.
Nach der Bestimmung des § 1 Satz 3 AMRabG, die mit Wirkung zum
1. Januar 2011 durch Art. 3a des Dritten Gesetzes zur Änderung arzneimittel-
rechtlicher Vorschriften vom 7. August 2013 (BGBl. I, S. 3108) eingeführt wor-
den ist, sind zur Ermittlung der Abschläge nach § 1 Satz 1 AMRabG Selbst-
oder Eigenbehalte, die Unternehmen der privaten Krankenversicherung mit den
Versicherungsnehmern vereinbart haben oder die auf beamtenrechtlichen Vor-
schriften oder anderen Vorschriften beruhen, nicht zu berücksichtigen. Der Ab-
schlag fällt mithin auch dann in voller Höhe an, wenn die privaten Krankenversi-
cherungsunternehmen oder Beihilfeträger die Kosten für Arzneimittel nur teil-
weise erstattet haben. Einen Eingriff in die Berufswahlfreiheit stellt diese Rege-
lung nicht dar. Weder behindert diese Regelung die Tätigkeit der Klägerin als
pharmazeutischer Unternehmer wesentlich noch macht sie diese unmöglich.
Dass die Bestimmung mit Rückwirkung eingeführt worden ist, ist unschädlich.
Durch die Vorschrift wird nur die schon zuvor gültige Rechtslage nochmals aus-
drücklich wiedergegeben. Bereits nach § 1 Satz 1 AMRabG bestand die Ab-
schlagspflicht bei nur teilweiser Kostenerstattung durch das private Kranken-
versicherungsunternehmen und den Beihilfeträger.
b) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich der Ein-
griff in die Freiheit der Berufsausübung der Klägerin innerhalb der verfassungs-
rechtlichen Schranken der Gewährleistung des Grundrechts hält, so dass eine
Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG nicht gegeben ist.
31
32
33
- 14 -
aa) Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Eingriffs in das
Grundrecht nach Art. 12 Abs. 1 GG bestimmt sich nach der Eingriffsintensität.
Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar,
wenn er vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dient (dazu B II 2 b bb) und
den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar trifft (dazu B II 2 b cc). Da-
zu muss der Eingriff dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (vgl.
BVerfGE 7, 377, 397; 85, 248, 259; BVerfG, GRUR 2011, 838 Rn. 39; GRUR
2012, 72 Rn. 20).
bb) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Ge-
setzgeber mit § 1 AMRabG bezweckt hat, einen bezahlbaren Krankenversiche-
rungsschutz für Privatversicherte zu gewährleisten, Einsparungen im von Kos-
tensteigerungen besonders stark betroffenen, nicht dem Sozialgesetzbuch V
unterfallenden Bereich der Arzneimittelversorgung zu erzielen, die Funktionsfä-
higkeit der privaten Krankenversicherung dauerhaft zu gewährleisten und die
öffentlichen Haushalte zu schonen, und dieses Ziel beachtlichen Interessen des
Gemeinwohls dient.
(1) Ohne Erfolg wendet die Revision ein, die Gewährleistung eines be-
zahlbaren Krankenversicherungsschutzes für Privatversicherte sei kein zur
Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs geeignetes Gemeinwohlinteresse, weil
der Gesetzgeber die aus dem Sozialstaatsprinzip folgende Aufgabe, einen
Krankenversicherungsschutz für alle Bürger zu sichern, bereits durch die Schaf-
fung eines Zweisäulensystems aus gesetzlicher und privater Krankenversiche-
rung erfüllt und verbliebene Lücken durch die Einführung eines Basistarifs für
bisher unversicherte Personen mit Kontrahierungszwang der privaten Kranken-
versicherungsunternehmen im Jahre 2007 geschlossen habe.
34
35
36
- 15 -
Dass der Gesetzgeber das Ziel verfolgt hat, Kosten im Bereich der Arz-
neimittel bei den privaten Krankenversicherungen einzusparen und dadurch
einen günstigeren Prämienverlauf für Privatversicherte zu erreichen, ist § 1
Satz 4 AMRabG zu entnehmen. Die Vorschrift bestimmt, dass die Abschläge
nach § 1 Satz 1 AMRabG von den Unternehmen der privaten Krankenversiche-
rung ausschließlich zur Vermeidung oder Begrenzung von Prämienerhöhungen
oder zur Prämienermäßigung verwendet werden dürfen. Dieser Normzweck
geht auch aus der Gesetzesbegründung hervor. Darin heißt es (BT-
Drucks. 17/3698, S. 61):
Gesetzliche und private Krankenversicherung sollen als jeweils eigene Säule
für die ihnen zugewiesenen Personenkreise einen dauerhaften und ausreichen-
den Versicherungsschutz gegen das Risiko der Krankheit auch in sozialen Be-
darfssituationen sicherstellen. Dies ist insbesondere auch durch die Einkom-
mensstruktur der Privatversicherten mit vielen Beziehern kleiner und mittlerer
Einkommen vor allem unter Selbständigen, Beihilfeberechtigten und Rentnern
begründet. In allen von der gesetzlichen Versicherungspflicht umfassten Versi-
cherungsverhältnissen besteht die staatliche Gewährleistungsverantwortung für
eine zweckmäßige und kostengünstige Gesundheitsversorgung.
Die Gewährleistung eines bezahlbaren Krankenversicherungsschutzes in
der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung dient dem Schutz wich-
tiger Interessen des Gemeinwohls (BVerfGE 123, 186, 242; BVerfG, GesR
2013, 603 605 = NZS 2013, 858). Anders als die Revision meint, ist keine Be-
schränkung auf solche Leistungsbereiche der privaten Krankenversicherung
vorzunehmen, die - wie der Basistarif - im Prämien- und Leistungsumfang der
gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen, weil die übrigen Privatversi-
cherten finanziell leistungsfähig und daher nicht schutzbedürftig seien. Der
Schutz der Bevölkerung vor dem Risiko der Erkrankung, das sich bei jedem und
jederzeit realisieren und ihn mit unabsehbaren Kosten belasten kann, zählt zu
den Kerngeboten des Sozialstaats im Sinne des Art. 20 Abs. 1 GG (BVerfGE
123, 186, 242). Dass vor diesem Hintergrund die von der Revision vertretene
37
38
- 16 -
Differenzierung in der Schutzbedürftigkeit gesetzlich und privat Krankenversi-
cherter nicht sachgerecht ist, belegt der vom Berufungsgericht zutreffend her-
angezogene und von der Revision nicht angegriffene Umstand, dass nur 20%
der in der privaten Krankenversicherung Versicherten ein Einkommen oberhalb
der für die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung maß-
geblichen Jahresarbeitsentgeltgrenze und deshalb die Mehrheit der Privatversi-
cherten kleine und mittlere Einkommen beziehen. Auch die zwischen beiden
Versicherungssystemen bestehenden Unterschiede - Sachleistungsprinzip und
Solidargemeinschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung einerseits und
Kostenerstattungs- und Äquivalenzprinzip bei Gewinnorientierung der Unter-
nehmen in der privaten Krankenversicherung andererseits - rechtfertigen eine
Vernachlässigung des sozialstaatlich gebotenen Schutzzwecks eines auch in
der privaten Krankenversicherung bezahlbaren Versicherungsschutzes nicht,
weil dieser nicht an bestimmte Systembedingungen, sondern an die Schutzbe-
dürftigkeit der gesamten Bevölkerung anknüpft.
Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der dauerhaften Funktionsfähigkeit
der privaten Krankenversicherung stellt sich als Annex des Postulats einer aus-
reichenden und bezahlbaren Gesundheitsversorgung der Versicherten dar (vgl.
BT-Drucks. 17/3698, S. 61). Diesem Ziel hat der Gesetzgeber in Anbetracht der
Einkommensstruktur der privat Krankenversicherten nicht schon mit der Schaf-
fung des dualen Systems von gesetzlicher und privater Krankenversicherung
abschließend genügt. Der Zweck des § 1 AMRabG, Einsparungen im von Kos-
tensteigerungen besonders stark betroffenen, nicht dem Sozialgesetzbuch V
unterfallenden Bereich der Arzneimittelversorgung für Privatversicherte zu er-
zielen (vgl. BT-Drucks. 17/3698, S. 60), ist gleichermaßen Bestandteil der legi-
timen Absicht, einen bezahlbaren privaten Krankenversicherungsschutz zu ge-
währleisten.
39
- 17 -
(2) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Feststellung des Be-
rufungsgerichts, dass weiteres legitimes gesetzgeberisches Ziel die Schonung
der öffentlichen Haushalte sei. Diese Zwecksetzung kommt in der Anspruchs-
berechtigung der Beihilfeträger in § 1 Satz 1 AMRabG zum Ausdruck. In der
verfassungsrechtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Schonung der
öffentlichen Kassen im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG eine vernünftige Erwä-
gung des Gemeinwohls darstellt, die Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit
rechtfertigen kann (vgl. BVerfGE 33, 240, 246; 101, 331, 349). Lediglich für den
Fall der Einschränkung der Berufswahlfreiheit kommt dem fiskalischen Argu-
ment der Erhöhung staatlicher Einnahmen allein kein hinreichendes Gewicht zu
(BVerfGE 102, 197, 216; 115, 276, 307). Um einen Fall der Beschränkung der
Freiheit der Berufswahl geht es vorliegend aber nicht.
cc) Die aus Gründen des Gemeinwohls nicht zu umgehenden Einschrän-
kungen der Berufsausübungsfreiheit stehen unter dem Gebot der Verhältnis-
mäßigkeit (vgl. BVerfGE 121, 317, 346). Der Eingriff muss zur Erreichung des
damit verbundenen Ziels geeignet sein (dazu B II 2 b dd) und darf nicht weiter-
gehen, als dies zur Verwirklichung der Belange des Gemeinwohls erforderlich
ist (dazu B II 2 b ee). Der Eingriff darf weiter nicht übermäßig belastend sein, so
dass bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und der
Bedeutung der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit ein-
gehalten ist (dazu B II 2 b ff).
dd) Zur Erreichung des in Rede stehenden Zwecks ist die Regelung des
§ 1 AMRabG geeignet.
(1) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, § 1 AMRabG sei bei Berück-
sichtigung des gesetzgeberischen Einschätzungs- und Prognosevorrangs zur
Zweckerreichung geeignet. Es erscheine jedenfalls möglich, dass die Abschlä-
40
41
42
43
- 18 -
ge einem Anstieg der Versichertenbeiträge entgegenwirkten. Im Jahr 2011 ha-
be der Anstieg der Arzneimittelkosten durch den Abschlag nach § 1 AMRabG
auf 1,8% begrenzt werden können, während der Anstieg ohne Rabatt 8,5% be-
tragen hätte. Für das Jahr 2012 habe sich ein Kostenanstieg von 0,5% erge-
ben, der ohne Rabatt 1,8% betragen hätte. Der möglichen Auswirkung auf die
Prämienstabilität stehe nicht entgegen, dass die Prämienbildung durch eine
Vielzahl von Faktoren beeinflusst werde. Die Zweckbindung der Abschläge sei
in § 1 Satz 4 AMRabG klar festgelegt.
(2) Diese Beurteilung hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
Im Rahmen der Prüfung, ob sich eine gesetzgeberische Maßnahme für
die Zweckverfolgung eignet, ist der tendenziell weiten Einschätzungsprärogati-
ve des Gesetzgebers Rechnung zu tragen. Die Eignung einer Maßnahme ist
gegeben, wenn sie auf der Basis einer sachgerechten und vertretbaren An-
nahme des Gesetzgebers zur Zweckerreichung geeignet erscheint (vgl.
BVerfGE 25, 1, 17 ff.; 57, 139, 160; 77, 308, 332; 103, 293, 307; 115, 276, 308;
Scholz in Maunz/Dürig aaO Art. 12 Rn. 336, 340).
Nach diesem Maßstab ist § 1 AMRabG zur Erreichung des Normzwecks
geeignet. Der den privaten Krankenversicherungsunternehmen und Beihilfeträ-
gern zugutekommende Abschlag auf die Abgabepreise wirkt - bezogen auf die
Unternehmen der privaten Krankenversicherung - wegen der in § 1 Satz 4
AMRabG angeordneten Zweckbindung der Mittel stabilisierend auf die Versi-
cherungsbeiträge und - soweit die öffentlichen Haushalte betroffen sind - wer-
den deren Ausgaben für Beihilfeaufwendungen reduziert.
44
45
46
- 19 -
ee) Ohne Erfolg greift die Revision die weitere Annahme des Berufungs-
gerichts an, dass § 1 AMRabG zur Erreichung der mit dieser Vorschrift verfolg-
ten Ziele erforderlich ist.
(1) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Möglichkeit einer Belastung
anderer Leistungserbringer des Gesundheitswesens oder der Allgemeinheit
schließe die Notwendigkeit nicht aus, eine bestimmte Gruppe von Leistungser-
bringern - hier die pharmazeutischen Unternehmer - zur Kostensenkung heran-
zuziehen. Dass Selbst- oder Eigenbehalte bei der Ermittlung der Abschläge
nicht zu berücksichtigen seien, stehe der Erforderlichkeit der Maßnahme nicht
entgegen. Eine Senkung der Abschläge bei nur teilweiser Erstattung der Arz-
neimittelkosten durch die Krankenversicherungen und Beihilfeträger belaste die
pharmazeutischen Unternehmer zwar weniger stark; eine solche Vorgehens-
weise sei aber nicht gleich geeignet, weil die Regelung umso geeigneter sei, je
größer die Rabatte seien. Fehler bei der Ermittlung der Abschläge im Einzelfall
stellten die Erforderlichkeit der Regelungen nicht in Frage. Gleiches gelte für die
umsatzsteuerliche Behandlung der Abschläge.
(2) Auch diese Beurteilung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Im Sinne der Verhältnismäßigkeit erforderlich ist eine Maßnahme, wenn
sie das mildeste unter gleich geeigneten Mitteln darstellt und deshalb weniger
belastende, aber gleichermaßen geeignete Mittel nicht zur Verfügung stehen
(BVerfGE 136, 382 Rn. 16). In diesem Zusammenhang ist ebenfalls der Beur-
teilungs- und Prognosespielraum des Gesetzgebers bei der Verfolgung sozial-
oder wirtschaftspolitischer Ziele zu berücksichtigen. Eine Maßnahme, die der
Gesetzgeber für erforderlich hält, ist verfassungsrechtlich erst zu beanstanden,
wenn nach den dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf
bisher gemachte Erfahrungen festzustellen ist, dass andere in Betracht kom-
47
48
49
50
- 20 -
mende Beschränkungen die gleiche Wirksamkeit versprechen, die Betroffenen
jedoch weniger belasten (vgl. BVerfGE 115, 276, 309 mwN). Solche anderwei-
tigen Beschränkungen sind - jedenfalls bei der Verfolgung eines komplexen
Ziels (vgl. BVerfG, VersR 2004, 898) - stets mit Blick auf die konkret betroffene
Gruppe zu untersuchen; das Argument, andere Mittel innerhalb des Systems
belasteten andere Personen weniger, spricht in einer solchen Konstellation
nicht gegen die Erforderlichkeit der gewählten Maßnahme (vgl. BVerfG, VersR
2004, 898, 900).
(3) Danach zieht die Revision vergeblich die Erforderlichkeit der angegrif-
fenen Regelung mit dem Argument in Zweifel, die nach § 1 AMRabG gezahlten
Abschlagsbeträge fielen schon angesichts der in der privaten Krankenversiche-
rung erzielten Überschüsse von 2,2 Mrd.
€ im Jahr 2008 sowie im Gesamtver-
gleich der im Gesundheitswesen entstehenden Kosten und der Aufwendungen
für den Abschluss von Neuverträgen und die Verwaltung der privaten Kranken-
versicherungen nicht ins Gewicht; durch Einsparungen im Bereich der letztge-
nannten beiden Kostenarten könne die Beitragsstabilität auf weniger einschnei-
dendem Wege erreicht werden.
(4) Die Absicht des Gesetzgebers, die genannten Ziele gerade mittels ei-
ner Begrenzung der besonders stark gestiegenen Arzneimittelkosten zu verfol-
gen, hält sich im Rahmen der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative.
Der Hinweis auf anderweitig und zu Lasten anderer Betroffener bestehende
Einsparmöglichkeiten vermag die Erforderlichkeit der angegriffenen Maßnahme
im Rahmen des vorliegend verfolgten, komplexen Ziels der Sicherstellung einer
bezahlbaren privaten Krankenversicherung nicht zu widerlegen. Jedenfalls kann
die Vorzugswürdigkeit der von der Klägerin vorgeschlagenen anderen Maß-
nahmen gegenüber dem vom Gesetzgeber gewählten Mittel nicht mit hinrei-
chender Sicherheit festgestellt werden.
51
52
- 21 -
Auch das weitere Argument der Revision, das Arzneimittelrabattgesetz
sei entbehrlich, weil durch die gesetzliche Regulierung der Berechnung von
Versicherungsbeiträgen - etwa durch die Festlegung sogenannter auslösender
Faktoren gemäß § 12b VAG - sichergestellt werde, dass es nicht zu übermäßi-
gen Erhöhungen komme, verfängt nicht. Es liegt auf der Hand, dass die Sen-
kung einzelner Kostenarten durchaus Einfluss darauf haben kann, ob und zu
welchem Zeitpunkt die Gesamtkostensteigerungen den Schwellenwert von 10%
erreichen, den etwa § 12b Abs. 2 VAG zur Voraussetzung einer Beitragsanpas-
sung bestimmt.
(5) Der Erforderlichkeit der angegriffenen Regelung steht - anders als die
Revision meint - nicht entgegen, dass der Abschlag nach § 1 Satz 1 AMRabG
auch in voller Höhe zu zahlen ist, wenn das private Krankenversicherungsun-
ternehmen oder der Beihilfeträger die Kosten des Arzneimittels nur teilweise
erstattet. Eine nur anteilige Berechnung des Abschlags wäre für die Verwirkli-
chung der verfolgten Regelungsziele nicht gleichermaßen geeignet.
ff) Die Revision hat weiter keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die An-
nahme des Berufungsgerichts wendet, § 1 AMRabG sei im engeren Sinne ver-
hältnismäßig.
(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, das mit § 1 AMRabG ver-
folgte Ziel, einen bezahlbaren Versicherungsschutz für alle privat Krankenversi-
cherten zu gewährleisten, habe erhebliches Gewicht; wegen der demographi-
schen Entwicklung sei auch das weitere Ziel der Schonung öffentlicher Haus-
halte von wachsender Bedeutung. Demgegenüber sei der Eingriff nicht so
schwerwiegend, dass er im Hinblick auf die verfolgten Ziele unzumutbar sei. Es
sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Abschläge die pharmazeuti-
schen Unternehmer in ihrem Bestand gefährdeten oder auch nur zu erheblichen
53
54
55
56
- 22 -
Gewinneinbußen geführt hätten. Zudem erfasse § 1 AMRabG nur einen Teil der
von dem pharmazeutischen Unternehmer hergestellten Produkte. Vom Anwen-
dungsbereich ausgenommen seien sämtliche nicht verschreibungspflichtigen
Arzneimittel. Es falle weiter kein Abschlag an, wenn die Kosten des Medika-
ments vollständig vom Versicherten gezahlt würden. Auch in der Zusammen-
schau mit den der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährenden Rabat-
ten ergebe sich keine unzumutbare Gesamtbelastung der pharmazeutischen
Unternehmer. Durch die in Bezug genommene Regelung des § 130a Abs. 4
Satz 1 SGB V bestehe zudem eine Pflicht, die Erforderlichkeit der Abschläge zu
prüfen und - wenn sie ganz oder teilweise nicht mehr gerechtfertigt seien - zu
verringern oder aufzuheben.
(2) Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
Eine Maßnahme ist verhältnismäßig im engeren Sinne, wenn der Eingriff
in die Berufsfreiheit bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des
Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe für den Betroffenen
noch zumutbar ist, also nicht außer Verhältnis zum verfolgten Zweck steht
(BVerfGE 30, 292, 316 f.; 46, 120, 148; 85, 248, 261; 102, 197, 220). Je enger
der Bezug einer gesetzgeberischen Maßnahme zu einem Schutzgut ist, desto
eher lassen sich Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit verfassungsrechtlich
rechtfertigen; besteht hingegen nur ein entfernter Zusammenhang zwischen
grundrechtlicher Beschränkung und Gemeinschaftsgut, so kann dieses nicht
generell Vorrang vor der Berufsausübungsfreiheit beanspruchen (BVerfGE 85,
248, 261; 107, 186, 197). Bei der Prüfung, ob eine die Berufsausübung betref-
fende gesetzliche Regelung zumutbar ist, ist nicht ohne weiteres die individuelle
Interessenlage des jeweiligen Betroffenen Maßstab der dem Gemeinwohl ge-
genüberzustellenden Interessen. Vielmehr ist eine generalisierende Betrach-
tungsweise geboten, die auf den betroffenen Wirtschaftszweig oder die be-
57
58
- 23 -
troffene Berufsgruppe insgesamt abstellt (BVerfGE 30, 292, 315; 68, 193, 219;
70, 1, 30).
(3) Die Würdigung des Berufungsgerichts entspricht diesen Maßstäben.
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass angesichts der
erheblichen Bedeutung der mit § 1 AMRabG verfolgten Ziele - der Beitragssta-
bilisierung in der privaten Krankenversicherung und der Schonung der öffentli-
chen Kassen - die mit dieser Vorschrift verbundene Beeinträchtigung der Be-
rufsausübungsfreiheit der Klägerin nicht unverhältnismäßig ist.
Ohne Erfolg bemängelt die Revision, das Berufungsgericht habe die
Schwere des mit § 1 AMRabG verbundenen Grundrechtseingriffs verkannt.
Diese ergebe sich schon aus der Höhe der von der Klägerin im Jahr 2011 ge-
zahlten Abschläge von 399.
566,52 €.
Dieser Angriff der Revision bleibt schon deshalb erfolglos, weil bei der
Beurteilung der Zumutbarkeit einer wirtschaftsordnenden gesetzlichen Rege-
lung im Bereich der Berufsausübung nicht die Interessenlage des Einzelnen
maßgebend ist, sondern es auf eine generalisierende Betrachtungsweise des
betreffenden Wirtschaftszweigs insgesamt ankommt. Die Möglichkeit, dass eine
gesetzliche Maßnahme im Einzelfall die Existenz eines Unternehmens gefähr-
den oder sogar zu seinem Ausscheiden aus dem Markt führen könnte, rechtfer-
tigt es noch nicht, sie unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit von Verfas-
sungs wegen zu beanstanden (vgl. BVerfGE 30, 292, 316; 68, 193, 220; 70, 1,
30).
Jedenfalls aber hat das Berufungsgericht die Schwere des Eingriffs in die
Berufsausübungsfreiheit der Klägerin zutreffend bewertet und den Aspekt der
Höhe des zu zahlenden Abschlags in die Gesamtabwägung zutreffend einbe-
59
60
61
62
- 24 -
zogen. Dazu hat es ausgeführt, die aufgrund der angegriffenen Regelung zu-
nächst geltende Abschlagshöhe von 16% und aktuell 7% sei zwar beachtlich.
Die von der Klägerin genannte Höhe der von ihr in einem Jahr gezahlten Ab-
schläge könne die Feststellung der Unzumutbarkeit aber nicht begründen, weil
mangels entsprechenden Vortrags der Klägerin diese Beträge nicht in Bezie-
hung zu ihrem Jahresumsatz oder anderen aussagekräftigen Kennziffern ge-
setzt werden könnten. Gleiches gilt mit Blick auf die Branche der pharmazeuti-
schen Unternehmer insgesamt. Die Gesamthöhe des Einsparungsbetrags der
Kosten für Arzneimittel durch das Arzneimittelrabattgesetz hat die Beklagte
- von der Klägerin nicht bestritten - im Jahr 2011 auf 161 Mio.
€ und im Jahr
2012 auf 193 Mio.
€ beziffert. Auch insoweit fehlt es allerdings an Vortrag der
Klägerin zum Gesamtumsatz oder Gesamtgewinn der pharmazeutischen Un-
ternehmer. Deshalb hat das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu treffen
können, die in tatsächlicher Hinsicht die Annahme einer Unzumutbarkeit wegen
wirtschaftlicher Überforderung oder gar Existenzgefährdung tragen würden. In
diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht zu Recht berücksichtigt, dass
sich § 1 AMRabG mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nur auf einen
Ausschnitt der Geschäftstätigkeit der pharmazeutischen Unternehmer bezieht.
Das Berufungsgericht hat weiter zutreffend darauf verwiesen, dass die durch
§ 1 AMRabG ausgelöste Abschlagspflicht nur einen Bruchteil der Rabatte aus-
macht, die die pharmazeutischen Unternehmer zugunsten der gesetzlichen
Krankenversicherung in Höhe von etwa 2,2 Mrd.
€ jährlich zu leisten haben,
deren Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht mehr in Frage steht (vgl.
BVerfGE 114, 196, 242 ff.). Daher bestehen auf der Grundlage des vom Beru-
fungsgericht festgestellten Sachverhalts, der im Revisionsverfahren zugrunde
zu legen ist, keine Anhaltspunkte dafür, dass der Abschlag die Klägerin oder die
pharmazeutische Industrie insgesamt wirtschaftlich überfordert oder in ihrem
Bestand gefährdet.
- 25 -
(4) Ohne Erfolg wendet sich die Revision weiter gegen die Annahme des
Berufungsgerichts, die Modalitäten der Abschlagsberechnung, ihre umsatz-
steuerliche Behandlung und das Bestehen einer Abschlagspflicht bei nur teil-
weiser Kostenerstattung durch die privaten Krankenversicherungen und Beihil-
feträger verstärkten den Grundrechtseingriff nicht in einer Weise, dass die an-
gegriffene Regelung die Zumutbarkeitsgrenze überschreitet.
Die umsatzsteuerliche Behandlung des Abschlags bewirkt keine relevan-
te Vertiefung des Grundrechtseingriffs (dazu B II 2 a cc (1)).
Das Berufungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass auch die Modalitä-
ten der Abschlagsberechnung die Zumutbarkeitsbetrachtung nicht entscheidend
zugunsten der Klägerin beeinflussen (dazu B II 2 a cc (2)).
Die Pflicht der pharmazeutischen Unternehmen, die Abschläge gemäß
§ 1 AMRabG auch dann zu bezahlen, wenn die privaten Versicherungsunter-
nehmen oder Beihilfeträger die Arzneimittelkosten nur teilweise erstatten, führt
im Rahmen der Gesamtabwägung ebenfalls nicht zu der Feststellung, dass die
angegriffene Regelung die Klägerin unzumutbar belastet.
Die Abschlagspflicht entsteht gemäß § 1 Satz 1 AMRabG, wenn Arznei-
mittelkosten ganz oder teilweise erstattet werden. Voraussetzung der Pflicht zur
Gewährung von Abschlägen ist die tatsächliche Übernahme von Kosten. In der
Gesetzesbegründung heißt es dazu (BT-Drucks. 17/3698, S. 61):
Voraussetzung eines Abschlagsanspruchs ist, dass die Anspruchsberechtigten
auch tatsächlich Kosten übernommen haben. Der Abschlagsanspruch gilt nur
für die Träger der Kosten im Rahmen einer Absicherung im Krankheitsfall, nicht
jedoch für Versicherte selbst, so dass für Arzneimittel, deren Kosten - etwa auf-
grund eines Selbstbehalts - nicht geltend gemacht werden, auch kein Abschlag
zu gewähren ist. Damit wird das Prinzip der Kostenerstattung im Bereich der
63
64
65
66
67
- 26 -
privaten Krankenversicherung und der Beihilfe berücksichtigt und dem Zweck
der Entlastung der Kostenträger Rechnung getragen.
An der Zumutbarkeit einer Abschlagsgewährung bei nur teilweiser Kos-
tenerstattung ändert auch die rückwirkende Einführung des § 1 Satz 3 AMRabG
nF nichts. Der Gesetzgeber hielt die rückwirkende Einführung der Bestimmung
für erforderlich. Dazu heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks.
17/13770, S. 25 f.):
Mit der Regelung wird - der ursprünglichen Gesetzesintention des Arzneimittel-
marktneuordnungsgesetzes (AMNOG) folgend - klargestellt, dass auch bei Ver-
sicherten mit absoluter oder prozentualer Selbstbeteiligung den Kostenträgern
zusammen die Abschlagszahlung in voller Höhe zu gewähren ist. Bei den an
der Umsetzung des AMRabG Beteiligten sind insoweit Unsicherheiten im Ge-
setzesverständnis aufgekommen.
(...)
Nach § 1 Satz 1 AMRabG haben die pharmazeutischen Unternehmer der PKV
und Beihilfe die Herstellerabschläge nach dem Anteil der Kostentragung zu ge-
währen. Dabei geht es um die Aufteilung der Kostentragung zwischen PKV und
Beihilfe, die vom Status des Beihilfeempfängers abhängt. Eine besondere Be-
rücksichtigung von Selbstbehalttarifen hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen.
Selbst- oder Eigenbehalte beziehen sich in der Regel auf mehr als einen Leis-
tungsbereich. Deshalb wäre es zufällig und hinge allein von der Reihenfolge der
vom Versicherten eingereichten Rechnungen ab, ob und in welcher Höhe die
Herstellerabschläge gewährt würden. Darüber hinaus tragen die Versicherten
bis zur Höhe der Selbstbeteiligung die gesamten Arzneimittelkosten ohne Be-
rücksichtigung der Herstellerabschläge.
Die Abschläge fallen also stets in voller Höhe an, wenn die Kostenträger
Arzneimittelkosten ganz oder - dies ist der Regelungsgehalt des neuen Sat-
zes 3 - aufgrund von Selbstbehalten nur teilweise erstattet haben. In diesem
Fall ist der Abschlag im Innenverhältnis zwischen privaten Versicherungsunter-
nehmen und Beihilfeträgern "nach dem Anteil der Kostentragung" aufzuteilen.
Hingegen bleibt es dabei, dass kein Abschlag zu zahlen ist, wenn - etwa auf-
grund von Selbstbehalten - die Kostenträger keine Kosten für das Arzneimittel
erstattet haben. Diese Regelung kann also dazu führen, dass private Kranken-
68
69
- 27 -
versicherungsunternehmen oder Beihilfeträger Arzneimittelkosten nur teilweise
erstattet haben, jedoch der Abschlag in voller Höhe anfällt.
Der in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/13770, S. 25 f.) bezogen
auf den internen Ausgleich zwischen privaten Versicherungsunternehmen und
Beihilfeträgern als unerwünscht beschriebene Befund, dass es ohne die neue
Regelung vom Zufall oder der Reihenfolge der Belegeinreichung abhängt, ob
und in welcher Höhe der Abschlag anfällt, besteht durch die neue Regelung
bezogen auf die Abschlagspflicht der pharmazeutischen Unternehmer dem
Grunde nach damit fort. Nur bei anteiligen Selbstbehalten besteht die Pflicht zur
Abschlagsgewährung. Angesichts des erheblichen Gewichts der mit § 1
AMRabG verfolgten Ziele ist die aus der fehlenden Berücksichtigung anteiliger
Selbstbehalte folgende Belastung der pharmazeutischen Unternehmen als zu-
mutbar zu beurteilen. Die von der Revision als besonders belastend gerügte
Wirkung der Maßnahme erschöpft sich darin, dass bei teilweiser Kostenerstat-
tung der volle Abschlag anfällt, während keine Abschläge zu zahlen sind, wenn
die Arzneimittelkosten vollständig vom Privatversicherten getragen werden.
Dem Einwand der Klägerin, bei fehlender Kostenerstattung verschaffe
der Abschlag den privaten Krankenversicherungen schlicht zusätzliche Ein-
nahmen auf Kosten der pharmazeutischen Unternehmer, ist entgegenzuhalten,
dass die aufgrund des Abschlags eingenommenen Mittel gemäß § 1 Satz 4
AMRabG ausschließlich zur Vermeidung oder Begrenzung von Prämienerhö-
hungen oder zur Prämienermäßigung verwendet werden dürfen, so dass die
Wahrung des gesetzgeberischen Zwecks sichergestellt ist.
Die Rüge der Revision, es sei einem Teilnehmer am privaten Wirt-
schaftsverkehr nicht zumutbar, ein anderes auf Gewinnerzielung ausgerichtetes
Unternehmen zu subventionieren, geht am Kern des Rechtsstreits vorbei. Zur
70
71
72
- 28 -
Zahlungspflicht nach § 1 AMRabG werden nicht beliebige Wirtschaftsteilnehmer
herangezogen, sondern die pharmazeutischen Unternehmer, die durch die
Möglichkeit zur freien Bestimmung des Abgabepreises für Arzneimittel (vgl.
Rehmann, AMG, 4. Aufl., § 78 Rn. 1; Sandrock/Nawroth in Dieners/Reese,
Handbuch des Pharmarechts, § 9 Rn. 153) Einfluss auf die Arzneimittelkosten
haben. Es besteht mithin ein innerer Zusammenhang zwischen der wirtschaftli-
chen Tätigkeit der pharmazeutischen Unternehmer und der durch § 1 AMRabG
angeordneten Abschlagspflicht, der diese nicht als übermäßige Belastung er-
scheinen lässt.
Die Auferlegung der Abschlagspflicht zugunsten der Beihilfeträger ist
- entgegen der Auffassung der Revision - im Hinblick auf das Gewicht des ge-
setzgeberischen Ziels, die öffentlichen Kassen zu schonen, ebenfalls nicht un-
zumutbar. Die pharmazeutischen Unternehmer werden nicht zu beliebigen fis-
kalischen Zwecken zur Zahlung einer Abgabe herangezogen, sondern ihnen
wird als auf die Arzneimittelpreise maßgeblich einwirkenden Beteiligten ein Bei-
trag zur Verminderung der Steigerung oder zur Senkung dieses Kostenfaktors
abverlangt, sofern die Beihilfeträger Arzneimittelkosten an die Beihilfeberechtig-
ten erstatten. Auch hier besteht ein innerer Zusammenhang zwischen der Auf-
erlegung der Abschlagspflicht und dem verfolgten Zweck, der die Annahme der
Unzumutbarkeit ausschließt. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts, dass allein fiskalische Erwägungen einen Eingriff in die Freiheit der Be-
rufswahl nicht rechtfertigen (vgl. BVerfGE 102, 197, 216; 115, 276, 307) steht
diesem Ergebnis nicht entgegen. Vorliegend handelt es sich lediglich um eine
Berufsausübungsregelung. Zudem ist die Abschlagspflicht nicht allgemein fiska-
lisch begründet, sondern soll der Steigerung gerade derjenigen von der öffentli-
chen Hand zu tragenden Kosten entgegenwirken, die die Beihilfeträger für Arz-
neimittel zu erstatten haben.
73
- 29 -
(5) Die Revision rügt ferner erfolglos, es handele sich bei § 1 AMRabG
bezogen auf das Zwei-Säulen-Modell der gesetzlichen und privaten Kranken-
versicherung nicht um eine folgerichtige gesetzgeberische Maßnahme. In die-
sem Zusammenhang macht die Revision geltend, schon durch die Preisvor-
schriften des Arzneimittelrechts und hier insbesondere durch § 78 Abs. 3 und
3a AMG sei gewährleistet, dass die für die gesetzliche Krankenversicherung
geltenden Erstattungsbeträge auch auf die private Krankenversicherung an-
wendbar seien und folglich die Preise nicht im Belieben der pharmazeutischen
Unternehmen stünden. Anders als die Rabatte zugunsten der gesetzlichen
Krankenversicherung, die 90% der Versicherten erfasse, seien die Abschläge
nicht unter dem Aspekt des Mengenrabatts folgerichtig. Es fehle an verlässli-
chen tatsächlichen Feststellungen des Gesetzgebers zur Eignung von Zwangs-
abschlägen zur Sicherung der Prämienstabilität.
Es ist nicht festzustellen, dass aufgrund arzneimittelpreisrechtlicher Re-
gelungen die Vorschrift des § 1 AMRabG eine nicht folgerichtige gesetzgeberi-
sche Maßnahme darstellt. Die von der Revision in Bezug genommenen Vor-
schriften haben nicht den Regelungsgehalt, den die Revision ihnen zumisst.
§ 78 Abs. 3 AMG regelt die Arzneimittelpreisbildung auf den Handelsstufen des
Großhandels und der Apotheken. Die Bestimmung schränkt die Freiheit des
pharmazeutischen Unternehmers, den Abgabepreis für das unter seinem Na-
men in Verkehr gebrachte Arzneimittel zunächst selbst festzulegen, nicht ein
(vgl. Rehmann, AMG, 4. Aufl., § 78 Rn. 1; Hofmann in Kügel/Müller/Hofmann,
AMG, 2. Aufl., § 78 Rn. 40; Sandrock/Nawroth in Dieners/Reese, Handbuch des
Pharmarechts, § 9 Rn. 153). Die Vorschrift des § 78 Abs. 3a AMG bestimmt,
dass der pharmazeutische Unternehmer Arzneimittel, für die nach § 130b SGB
V zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherung Erstattungsbeträge verein-
bart sind, zu diesem Preis abgeben muss und erstreckt so die Wirkung solcher
Arzneimittelrabatte auf die private Krankenversicherung und Beihilfeträger
74
75
- 30 -
(Hofmann in Kügel/Müller/Hofmann aaO § 78 Rn. 40). Auch diese Vorschrift
schränkt jedoch die Freiheit der Bestimmung des Abgabepreises des pharma-
zeutischen Unternehmers nicht ein, solange - etwa für die Dauer des Nutzen-
bewertungsverfahrens nach § 35a SGB V - ein Erstattungsbetrag für ein Arz-
neimittel noch nicht vereinbart ist. Die genannten Vorschriften stellen die Folge-
richtigkeit des § 1 AMRabG daher nicht in Frage.
Die Rüge der Revision, es fehle an der Folgerichtigkeit auch unter dem
Aspekt des Mengenrabatts, weil die angegriffene Regelung lediglich 10% der
Versicherten betreffe, verfängt schon deshalb nicht, weil das Berufungsgericht
seine Entscheidung auf einen solchen Aspekt nicht gestützt hat. Im Übrigen
spricht nichts gegen die Angemessenheit eines Rabatts, durch den über den
Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung mit 90% der Versicherten hinaus
der Markt der verbleibenden 10% der Privatversicherten umfasst wird.
(6) Der Einwand der Revision, es fehle an verlässlichen tatsächlichen
Feststellungen zur Eignung der in § 1 AMRabG vorgesehenen Abschläge als
Mittel zur Förderung der Prämienstabilität, greift schon deshalb nicht durch, weil
insoweit eine Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers besteht. Weiter hat
sich die Einschätzung in Anbetracht der Verringerung des Anstiegs der Arznei-
mittelkosten in den Jahren 2011 und 2012 als richtig erwiesen (dazu B II 2 b ff).
Schließlich hat der Gesetzgeber für den Bereich der privaten Krankenversiche-
rungen und Beihilfeträger die bereits für die gesetzliche Krankenversicherung
geltenden Rabatte übernommen, deren Angemessenheit die Revision nicht
durchgreifend in Zweifel zieht.
(7) Die Revision bleibt ferner ohne Erfolg, soweit sie § 1 AMRabG für zu
weit gefasst und unbestimmt hält, weil es an spezifischen Vorgaben für die
Prämienstabilisierung fehle.
76
77
78
- 31 -
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Einhaltung
der in § 1 Satz 4 AMRabG vorgeschriebenen Zweckbindung hinreichend si-
chergestellt ist. Zum einen erstreckt sich die Versicherungsaufsicht nach § 1
Abs. 1 VAG auf die Einhaltung dieser Zweckbindung. Zum anderen bedürfen
Veränderungen der Prämienhöhe nach § 12b Abs. 1 VAG der Zustimmung ei-
nes unabhängigen Treuhänders, der
gemäß § 12b Abs. 2 Satz 5 VAG die Auf-
sichtsbehörde zu unterrichten hat, wenn kein Einvernehmen über die Prämien-
änderung erzielt werden kann. Mangels von der Klägerin vorgetragener oder
sonst ersichtlicher Anhaltspunkte, dass die Versicherungsunternehmen sich
nicht an die Zweckbestimmung halten, reichen diese Vorkehrungen für die An-
nahme der Verhältnismäßigkeit der Regelung aus.
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision schließlich gegen die Annahme
des Berufungsgerichts, dass § 1 AMRabG mit dem Grundrecht der Klägerin aus
Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Dieses Grundrecht der Klägerin ist ebenfalls
nicht verletzt, so dass es auch insoweit keiner Vorlage des Rechtsstreits an das
Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG bedarf.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die in der Übertragung
der Arzneimittelrabatte der gesetzlichen Krankenversicherung auf die private
Krankenversicherung liegende Gleichbehandlung dieser Versicherungszweige
nicht grundrechtswidrig sei, weil vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls,
und zwar die Verfolgung der bereits im Rahmen der Prüfung des Art. 12 Abs. 1
GG angeführten Ziele, diese Gleichbehandlung rechtfertigten. Das Berufungs-
gericht hat weiter angenommen, es liege kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG
darin, dass die Abschlagspflicht nach § 1 AMRabG nur die pharmazeutischen
Unternehmer und nicht andere Leistungserbringer des Gesundheitswesens,
etwa Ärzte, treffe. In dem Umstand, dass gerade der Arzneimittelbereich be-
sonders stark von Kostensteigerungen betroffen gewesen sei, liege eine sachli-
79
80
81
- 32 -
che Rechtfertigung für eine alleinige Belastung der pharmazeutischen Unter-
nehmer.
b) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
aa) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches
gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Die Vorschrift schützt
also vor sachlich nicht gerechtfertigter Ungleichbehandlung vergleichbarer
Sachverhalte und vor der Gleichbehandlung nicht vergleichbarer Sachverhalte
(BVerfGE 83, 1, 23; 89, 132, 141; 126, 400, 416; Sachs/Osterloh/Nußberger
aaO Art. 3 Rn. 8 ff.; Jarass/Pieroth aaO Art. 3 Rn. 7 f.). Grundrechtsträger sind
gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch juristische Personen des Privatrechts (BVerfGE
35, 348, 357; Sachs/Osterloh/Nußberger aaO Art. 3 Rn. 72). Um zu prüfen, ob
eine unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Sachverhalte vorliegt, sind
Vergleichsgruppen zu bilden (vgl. BVerfGE 130, 151, 175; Jarass/Pieroth aaO
Art. 3 Rn. 7).
bb) Die Regelung des § 1 AMRabG verletzt das Grundrecht der Klägerin
aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht.
(1) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass Art. 3 Abs. 1
GG nicht deshalb verletzt ist, weil § 1 AMRabG die Übertragung der Arzneimit-
telrabatte der gesetzlichen Krankenversicherung auf die private Krankenversi-
cherung in Form der Pflicht zur Abschlagsgewährung vorsieht. Die Revision
rügt erfolglos, dass diese Übertragung wegen der Unterschiede zwischen bei-
den Versicherungszweigen systemwidrig sei und deshalb gegen Art. 3 Abs. 1
GG verstoße. Die Systemwidrigkeit einer gesetzlichen Regelung begründet für
sich allein betrachtet keinen Gleichheitsverstoß, sondern kann ihn allenfalls in-
dizieren. Jedoch scheidet die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1
82
83
84
85
- 33 -
GG unter diesem Aspekt aus, wenn plausible Gründe für die gesetzliche Rege-
lung sprechen (vgl. BVerfGE 68, 237, 253; 81, 156, 207). Dass der angegriffe-
nen Regelung gewichtige Gründe des Gemeinwohls zugrunde liegen, hat schon
die Prüfung des Art. 12 Abs. 1 GG ergeben; die Ausführungen gelten hier ent-
sprechend. Deshalb liegt unter dem Aspekt der von der Revision geltend ge-
machten Systemwidrigkeit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht vor.
(2) Zu Recht hat das Berufungsgericht weiter angenommen, dass ange-
sichts besonderer Kostensteigerungen im Arzneimittelbereich die alleinige Be-
lastung der pharmazeutischen Unternehmer durch § 1 AMRabG sachlich ge-
rechtfertigt ist. Diese Kostensteigerungen stehen im Zusammenhang mit der
Tätigkeit der pharmazeutischen Unternehmer. Ob - wie die Revision geltend
macht - das Vergütungsrecht der Ärzte den Bestimmungen im Wesentlichen
vergleichbar ist, denen die pharmazeutischen Unternehmer im Hinblick auf ihre
Preisgestaltung unterliegen, bedarf hier keiner Entscheidung. Es ist jedenfalls
sachgerecht und liegt im Interesse eines zielgerichteten Kostenmanagements,
Maßnahmen zur Kosteneinsparung im Gesundheitswesen nach einzelnen Leis-
tungsbereichen zu differenzieren. Die Vielgestaltigkeit der für die Kostenent-
wicklung in den jeweiligen Leistungsbereichen maßgeblichen Faktoren steht
einer schematischen Gleichbehandlung entgegen. Es besteht deshalb von Ver-
fassungs wegen keine Pflicht des Gesetzgebers, schematisch jede Kostensen-
kungsmaßnahme auf alle Leistungserbringer gleichermaßen zu verteilen.
86
- 34 -
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Büscher
Koch
Löffler
Schwonke
Feddersen
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 18.09.2013 - 29 O 18909/12 -
OLG München, Entscheidung vom 08.05.2014 - 23 U 4155/13 -
87