Urteil des BGH vom 10.05.2012

Leitsatzentscheidung zu Treu Und Glauben, Beweis des Gegenteils, Paket, Agb, Lex Fori

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 109/11
Verkündet am:
10. Mai 2012
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
MÜ Art. 1 Abs. 1, Art. 18 Abs. 4 Satz 2
a) Ein Frachtführer kann mit einem Versender von Transportgut auch dann einen ein-
heitlichen Luftbeförderungsvertrag im Sinne von Art. 1 Abs. 1 MÜ abschließen,
wenn ein nicht unwesentlicher Teil des Transports im Wege einer Oberflächenbe-
förderung per Lkw und nicht per Luftfracht erfolgen soll.
b) Ist ungeklärt, ob der Verlust von Transportgut während der Luftbeförderung im Sin-
ne von Art. 18 Abs. 1 und 3 MÜ oder während eines Oberflächentransports einge-
treten ist, so muss derjenige, der den Eintritt des Schadens während der Luftbeför-
derung bestreitet, den Verlust des Gutes während eines Oberflächentransports be-
weisen (Art. 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ).
c) Damit ein Geschädigter in der Lage ist, die Vermutung gemäß Art. 18 Abs. 4 Satz 2
MÜ zu widerlegen, ist der Frachtführer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehal-
ten, zu den näheren Umständen eines Verlustes - soweit möglich und zumutbar - im
Einzelnen vorzutragen. Kommt der Frachtführer der ihm obliegenden sekundären
Darlegungslast nicht in ausreichendem Maße nach, ist vom Vortrag des Anspruch-
stellers auszugehen, dass der Verlust des Gutes während einer Oberflächenbeför-
derung eingetreten ist.
BGH, Urteil vom 10. Mai 2012 - I ZR 109/11 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 10. Mai 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Koch und Dr. Löffler
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlan-
desgerichts Karlsruhe vom 18. Mai 2011 wird auf Kosten der Be-
klagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerinnen sind mit unterschiedlichen Beteiligungen Transportversi-
cherer der I. Fa GmbH in E. (im Weiteren: Versicherungsnehme-
rin). Sie nehmen das beklagte Paketdienstunternehmen aus übergegangenem
Recht der Versicherungsnehmerin wegen Verlustes von Transportgut auf
Schadensersatz in Anspruch.
Die Versicherungsnehmerin beauftragte die Beklagte, mit der sie seit
2002 in laufender Geschäftsbeziehung stand, am 27. Juni 2008 mit der Beför-
derung eines Pakets, das nach dem Vortrag der Klägerinnen Schmuckwaren im
Wert von 14.973
€ enthielt, zu einem in Zeist/Niederlande ansässigen Juwelier.
Am selben Tag übernahm die Beklagte das Paket, für dessen Transport die
Versicherungsnehmerin einen von der Beklagten zur Verfügung gestellten "In-
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ternationalen Frachtbrief" ausgefüllt hatte. Der Frachtbrief enthielt unter ande-
rem folgende Eintragungen:
Gewicht 2,2 Kilogramm
Zollwert/Warenwert 14.980
Versicherungswert US-Dollar 500
Ferner war auch auf der Vorderseite des Frachtbriefs folgender Hinweis
abgedruckt:
Indem Sie uns Ihre Sendung übergeben, erklären Sie sich mit den Geschäfts-
bedingungen der Firma I. einverstanden. (Siehe Rückseite)
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für internationale Frachtbeförde-
rungen (im Weiteren: AGB), die nach dem Vortrag der Beklagten auf der Rück-
seite des Frachtbriefformulars abgedruckt waren, sahen unter anderem folgen-
de Regelungen vor:
1 Geltungsbereich und Rechtsgrundlagen
1
(1) Diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen … gelten für alle Verträge mit
der Firma I. über die Vermittlung und Beförderung von Sendungen im inter-
nationalen Bereich.
1 (2)
1 (3) Soweit nichts anderes ausdrücklich vereinbart wird, erfolgt die Beförde-
rung per Luftfracht. I. ist insoweit Luftfrachtführer i.S.d. gesetzlichen Be-
stimmungen.
1 (4) Soweit durch schriftliche Einzelvereinbarung sowie in diesen AGB nichts
anderes bestimmt ist, erfolgt die Vermittlung und Beförderung auf der Grund-
lage des Montrealer Übereinkommens 1999
… bzw. für den Fall, dass des-
sen Voraussetzungen nicht vorliegen, auf der Grundlage des Warschauer
Abkommens 1955.
2 (1) Der Vertragsabschluss kommt wie folgt zustande: Der Kunde erteilt den
Auftrag in elektronischer Form (durch Ausfüllen des elektronischen Formu-
lars und dessen Absendung) oder durch direkte Übergabe bzw. Übersen-
dung des ausgedruckten und ausgefüllten Formulars per Telefax oder per
Brief (= Angebot). I. nimmt den Auftrag durch Unterzeichnung des vom Kun-
den ausgefüllten Luftfrachtbriefs auf Grundlage dieser AGB an.
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Die Beklagte beförderte das Paket zunächst zu ihrem Sitz in Idar-Ober-
stein. Am 30. Juni 2008 - so der Vortrag der Beklagten - wurde das Paket in
Kelsterbach an ein Drittunternehmen übergeben, das mit dem Transport in die
Niederlande per Luftfracht beauftragt war. Das Paket kam bei dem Empfänger
nicht an. Die Beklagte leistete deshalb an die Versicherungsnehmerin
- entsprechend dem im internationalen Frachtbrief angegebenen Versiche-
rungswert - per Scheck, der von der Versicherungsnehmerin eingelöst wurde,
Ersatz in Höhe von 318,55
€. Den der Versicherungsnehmerin durch den Ver-
lust entstandenen weiteren Schaden in Höhe von 14.654,45
€ regulierten die
Klägerinnen. Dem Übersendungsschreiben der Beklagten an die Versiche-
rungsnehmerin war folgende Erklärung beigefügt:
Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass mit Einlösung des Schecks hiermit alle
beiderseitigen Ansprüche aus dem o.g. Schaden abgegolten sind.
Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Beklagte schulde für den Verlust
des Pakets vollen Schadensersatz. Die Versicherungsnehmerin und die Beklag-
te hätten einen multimodalen Transportvertrag geschlossen. Da der Ort des
Verlustes der Sendung ungeklärt geblieben sei, hafte die Beklagte nach den
Vorschriften des deutschen Landfrachtrechts. Auf Haftungsbeschränkungen
könne sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen, da ihr ein qualifiziertes Ver-
schulden zur Last falle.
Die Klägerinnen haben daher beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
an die Klägerin zu 1 8.792,67
€,
an die Klägerin zu 2 3.663,61
€ und
an die Klägerin zu 3 2.198,17
€,
jeweils zuzüglich Zinsen, zu zahlen.
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Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, sie habe mit der Ver-
sicherungsnehmerin einen einheitlichen Luftfrachtvertrag im Sinne von Art. 1
Abs. 1 MÜ geschlossen. Ihre Haftung sei daher nach Art. 22 Abs. 3 MÜ auf
17 Sonderziehungsrechte je Kilogramm beschränkt. Den danach geschuldeten
Ersatzbetrag habe sie durch Übersendung des Schecks an die Versicherungs-
nehmerin erfüllt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Karlsruhe, NZV 2010,
522). Das Berufungsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (OLG
Karlsruhe, TranspR 2011, 382).
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurück-
weisung die Klägerinnen beantragen, erstrebt die Beklagte die Wiederherstel-
lung des die Klage abweisenden erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Schadensersatzan-
spruch gemäß § 425 Abs. 1, § 435 HGB in Verbindung mit § 86 Abs. 1 VVG für
begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
Die Versicherungsnehmerin habe mit der Beklagten einen Frachtvertrag
gemäß §§ 407 ff., 452 HGB geschlossen, auf den nach Art. 28 Abs. 4 Satz 1
EGBGB in der bis zum 16. Dezember 2009 geltenden Fassung deutsches
Sachrecht zur Anwendung komme. Zwar seien die Allgemeinen Geschäftsbe-
dingungen der Beklagten wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen wor-
den. Die Regelung in Nummer 1 (3) führe aber entgegen der Auffassung der
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Beklagten nicht dazu, dass ein einheitlicher Luftfrachtvertrag im Sinne von
Art. 1 Abs. 1 MÜ zustande gekommen sei. Bei der Auslegung von Vertragser-
klärungen nach §§ 133, 157 BGB sei der wirkliche Wille zu erforschen. Insbe-
sondere müssten bei der Auslegung die Begleitumstände berücksichtigt wer-
den, soweit diese einen Rückschluss auf den Sinngehalt der Erklärungen zulie-
ßen. Diese sprächen im vorliegenden Fall gegen einen einheitlichen Luftfracht-
vertrag. Die Versicherungsnehmerin und die Beklagte hätten vielmehr eine mul-
timodale Beförderung gemäß § 452 HGB vereinbart.
Die weiteren Voraussetzungen der §§ 452, 425 Abs. 1 HGB lägen eben-
falls vor. Insbesondere sei unbekannt, wo der Verlust des Gutes eingetreten
sei. Die Beklagte habe lediglich dargelegt, dass das Paket bis zur Übergabe an
den Luftfrachtführer - also während ihrer Gewahrsamszeit - nicht verlorenge-
gangen sei. Auf der Grundlage dieses Vortrags könne jedoch kein Schadensort
festgestellt werden, weil die Beklagte nicht einmal ansatzweise mitgeteilt habe,
welchen Weg die Sendung ab dem Flughafen Frankfurt/Main genommen habe
und wo sie das letzte Mal habe festgestellt werden können. Eine Haftungsbe-
schränkung gemäß § 452a HGB in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1, Art. 22 Abs. 3
MÜ sei daher ausgeschlossen.
Zu einem anderen Ergebnis käme man aber auch dann nicht, wenn man
die Oberflächenbeförderung der Sendung vom Sitz der Versicherungsnehmerin
zum Flughafen Frankfurt/Main und vom Zielflughafen in den Niederlanden zum
Empfänger als Hilfsbeförderungen im Sinne von Art. 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ an-
sähe, weil die Klägerinnen den ihnen obliegenden Beweis, dass der Verlust der
Sendung nicht während der Luftbeförderung eingetreten sei, geführt hätten. Die
Klägerinnen seien ohne die Mitteilung von Einzelheiten der Beförderung seitens
der Beklagten nicht in der Lage, den von Art. 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ geforderten
Gegenbeweis zu führen. Der Beklagten hätte es daher nach Treu und Glauben
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(§ 242 BGB) oblegen, soweit möglich und zumutbar zu den näheren Umstän-
den des Verlustes vorzutragen. Dieser sekundären Darlegungslast sei die Be-
klagte nicht in ausreichendem Maße nachgekommen mit der Folge, dass der
Gegenbeweis gemäß Art. 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ als geführt anzusehen sei.
Die Haftung sei nicht auf den Höchstbetrag nach § 431 Abs. 1 HGB be-
schränkt, weil von einem qualifizierten Verschulden der Beklagten im Sinne von
§ 435 HGB auszugehen sei. Die Schadensursache sei völlig unbekannt geblie-
ben. Dies rechtfertige sowohl den Schluss auf das objektive Tatbestandsmerk-
mal der Leichtfertigkeit als auch auf das subjektive Erfordernis des Bewusst-
seins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Die Versicherungs-
nehmerin habe durch den Verlust der Sendung einen Schaden von 14.973
erlitten, den die Beklagte durch ihre Zahlung lediglich in Höhe von 318,55
€ re-
guliert habe. Den Klägerinnen stehe daher aus übergegangenem Recht ihrer
Versicherungsnehmerin noch ein Anspruch in Höhe von 14.654,54
€ zu. Auf
diese Forderung habe die Versicherungsnehmerin gegenüber der Beklagten
nicht durch Abschluss eines Erlassvertrags verzichtet.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis mit Recht angenommen,
dass den Klägerinnen gegen die Beklagte gemäß § 425 Abs. 1, § 435 HGB in
Verbindung mit § 86 Abs. 1 VVG der geltend gemachte Schadensersatzan-
spruch in Höhe von 14.654,45
€ zusteht.
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass auf den
zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten geschlossenen Beför-
derungsvertrag nach Art. 28 Abs. 4 Satz 1 EGBGB aF deutsches Sachrecht zur
Anwendung kommt, weil die Beklagte ihren Sitz in Deutschland hat und sich
hier auch der Verladeort befand. Aus der Gesamtheit der Umstände ergeben
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sich keine Hinweise darauf, dass der Vertrag mit einem anderen Staat als
Deutschland engere Verbindungen aufweist (Art. 28 Abs. 5 EGBGB aF).
Da es sich bei der streitgegenständlichen Beförderung um einen Multi-
modaltransport handelte - der Transport des Gutes von der Versicherungsneh-
merin zum Empfänger sollte mit verschiedenartigen Beförderungsmitteln (Lkw
und Flugzeug) erfolgen -, kommt grundsätzlich § 452 HGB zur Anwendung.
Nach Satz 1 dieser Vorschrift unterliegt ein derartiger Vertrag den §§ 407 ff.
HGB, sofern anzuwendende internationale Übereinkommen nichts anderes vor-
schreiben. Für eine gemischte Beförderung, die zum Teil durch Luftfahrzeuge
und teilweise durch andere Verkehrsmittel ausgeführt wird, bestimmt Art. 38
Abs. 1 MÜ, dass das Übereinkommen vorbehaltlich der Regelungen in Art. 18
Abs. 4 MÜ für die Luftbeförderung gilt. Demgemäß richtet sich die Haftung des
Luftfrachtführers für Verlust von Transportgut nach den Vorschriften des Mont-
realer Übereinkommens, wenn der Schaden während der Obhutszeit des Luft-
frachtführers eingetreten ist (Art. 18 Abs. 1 und 3 MÜ). Voraussetzung für die
Anwendung der Haftungsvorschriften des Montrealer Übereinkommens ist al-
lerdings der Abschluss eines einheitlichen Luftfrachtvertrags über die gesamte
Beförderung zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten.
2. Das Berufungsgericht hat das Zustandekommen eines einheitlichen
Luftfrachtvertrags über die gesamte Beförderungsstrecke vom Sitz der Versi-
cherungsnehmerin in Eisingen bis zum Empfänger in Zeist/Niederlande zu Un-
recht verneint.
a) Das Berufungsgericht ist von der Einbeziehung der Allgemeinen Be-
förderungsbedingungen der Beklagten in das streitgegenständliche Vertrags-
verhältnis ausgegangen. Nach Nummer 1 (3) der AGB der Beklagten erfolgt die
Beförderung des Gutes grundsätzlich per Luftfracht, es sei denn, es wurde aus-
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drücklich etwas anderes vereinbart. Bei der Ausführung der Beförderung han-
delt die Beklagte als Luftfrachtführer im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen.
Das Berufungsgericht hat den Abschluss eines einheitlichen Luftbeförderungs-
vertrags im Sinne von Art. 1 Abs. 1 MÜ - trotz der Regelungen in Nummer 1 (3)
AGB - dennoch verneint und angenommen, zwischen der Versicherungsneh-
merin und der Beklagten sei ein multimodaler Vertrag nach Maßgabe des § 452
HGB zustande gekommen. Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung vor
allem darauf abgestellt, dass der Versicherungsnehmerin und der Beklagten bei
Abschluss des Vertrags bekannt gewesen sei, dass ein nicht unwesentlicher
Teil des Transports nicht auf dem Luftweg erfolgen würde. Am Sitz der Versi-
cherungsnehmerin existiere kein Flughafen. Am Ablieferungsort Zeist/Nieder-
lande gebe es ebenfalls keinen Flughafen. Zwischen den den Vertragsparteien
bekannten und für die Erfüllung der von der Beklagten eingegangenen Ver-
pflichtungen wesentlichen Umständen und den Allgemeinen Geschäftsbedin-
gungen habe mithin ein Widerspruch bestanden. Die ausdrücklichen und kon-
kludenten Vertragserklärungen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten
unter Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien daher so
auszulegen, dass sie eine Beförderung der Sendung vereinbart hätten, deren
Teilabschnitte mit unterschiedlichen Transportmitteln hätten ausgeführt werden
sollen, wobei eine Teilstrecke mit dem Flugzeug habe bewältigt werden sollen.
Unter diesen Umständen hätten die Versicherungsnehmerin und die Beklagte
eine multimodale Beförderung im Sinne von § 452 HGB vereinbart.
b) Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
stand. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Versicherungs-
nehmerin die Beklagte im Zeitraum 2002 bis 2008 laufend mit der Beförderung
von Auslandssendungen beauftragt. Die Transporte wurden jeweils unter Ver-
wendung des auch im Streitfall benutzten internationalen Frachtbriefs abgewi-
ckelt, von dem die Versicherungsnehmerin stets mehrere Exemplare vorrätig
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hatte. Das jeweilige Frachtbriefformular wurde vor Abholung einer Sendung
durch die Beklagte von der Versicherungsnehmerin ausgefüllt. Auf der Vorder-
seite des internationalen Frachtbriefs findet sich der deutliche Hinweis, dass
sich ein Versender mit den Geschäftsbedingungen der Beklagten einverstanden
erklärt, wenn die Sendung an die Beklagte zur Beförderung übergeben wird.
Der Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten konnte
von dem für den Warenversand verantwortlichen Mitarbeiter der Versiche-
rungsnehmerin beim Ausfüllen des Frachtbriefs ohne weiteres wahrgenommen
werden. Mit der Unterschrift ihres Mitarbeiters auf dem Frachtbrief unter dem
Hinweis hat sich die Versicherungsnehmerin jeweils mit der Geltung der Allge-
meinen Geschäftsbedingungen der Beklagten einverstanden erklärt. Hiervon ist
auch das Berufungsgericht ausgegangen.
Nach Nummer 2 (1) der AGB kommt ein Beförderungsvertrag zwischen
der Beklagten und einem Versender in der Weise zustande, dass der Kunde
den ausgefüllten Frachtbrief - wie auch im Streitfall geschehen - direkt an einen
Abholfahrer der Beklagten übergibt, der den Frachtbrief anschließend auf der
Grundlage der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten unterzeich-
net. Da es sich bei dem Angebot eines Versenders zum Abschluss eines Beför-
derungsvertrags um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, ist die-
se so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben
unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (vgl. BGH, Urteil
vom 5. Oktober 2006 - III ZR 166/05, NJW 2006, 3777 Rn. 16).
Die Beklagte konnte bei der Übergabe des von der Versicherungsneh-
merin ausgefüllten Frachtbriefs davon ausgehen, dass ihr ein Vertragsangebot
auf der Grundlage ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen für internationale
Frachtbeförderungen unterbreitet werden sollte, da die Versicherungsnehmerin
auf dem übergebenen Frachtbriefexemplar keine davon abweichenden Erklä-
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rungen eingetragen hatte. Aufgrund der Regelungen in Nummer 1 (3) der AGB
musste die Beklagte daher annehmen, dass die Versicherungsnehmerin sie mit
der Beförderung der streitgegenständlichen Sendung von Deutschland zu dem
in den Niederlanden ansässigen Empfänger einheitlich als Luftfrachtführerin
beauftragen wollte. Dieses Angebot hat die Beklagte mit der Unterzeichnung
des übergebenen Frachtbriefs seitens ihres Abholfahrers angenommen. Eine
ausdrückliche (Nummer 1 (3) AGB) anderweitige Vereinbarung hat das Beru-
fungsgericht nicht festgestellt und haben die Klägerinnen auch nicht vorgetra-
gen.
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass ein nicht unwesentlicher
Teil des Transports im Wege einer Oberflächenbeförderung per Lkw und nicht
per Luftfracht erfolgen sollte. Der vom Berufungsgericht aus diesem Umstand
abgeleitete Widerspruch zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Be-
klagten besteht nicht. Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung nicht ge-
nügend berücksichtigt, dass gemäß Art. 38 Abs. 1 MÜ gemischte Beförderun-
gen grundsätzlich auch den Bestimmungen des Montrealer Übereinkommens
unterfallen. Dies wird durch den Hinweis in Art. 38 Abs. 1 auf Art. 18 Abs. 4 MÜ
klargestellt. Die Regelung in Art. 38 Abs. 1 MÜ, der zufolge das Übereinkom-
men nur für die Luftbeförderung gilt, wird durch Art. 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ einge-
schränkt, wenn eine Teilstrecke vertragsgemäß mit einem Luftfahrzeug ausge-
führt wird und der Zubringerdienst im Sinne des Art. 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ rein
tatsächlich dieser Luftbeförderung zugeordnet werden kann (BGH, Urteil vom
24. Februar 2011 - I ZR 91/10, TranspR 2011, 436 Rn. 29 = VersR 2012, 205;
Koller, Transportrecht, 7. Aufl., Art. 18 WA 1955 Rn. 13 Fn. 55; MünchKomm.
HGB/Ruhwedel, 2. Aufl., Art. 38 MÜ Rn. 2; Reuschle, Montrealer Übereinkom-
men, 2. Aufl., Art. 38 Rn. 4). Zudem bestimmt Art. 38 Abs. 2 MÜ, dass die Ver-
tragsparteien durch das Übereinkommen nicht gehindert sind, Bedingungen für
die Beförderung durch andere Verkehrsmittel in den Luftbeförderungsvertrag
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aufzunehmen, sofern hinsichtlich der Luftbeförderung das Montrealer Überein-
kommen beachtet wird.
3. Die Haftung des Luftfrachtführers für Verlust von Transportgut richtet
sich nur dann nach den Vorschriften des Montrealer Übereinkommens, wenn
der Schaden während der Obhutszeit des Luftfrachtführers (Art. 18 Abs. 1 und
3 MÜ) eingetreten ist. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kann
dies im Streitfall nicht angenommen werden. Auf der Grundlage des Parteivor-
trags und der Feststellungen des Berufungsgerichts ist vielmehr davon auszu-
gehen, dass das Gut während einer Oberflächenbeförderung per Lkw abhan-
dengekommen ist.
a) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, zu wel-
chem Zeitpunkt und an welchem Ort der Verlust des Gutes eingetreten ist. Es
steht mithin nicht fest, ob die Sendung verlorengegangen ist, als die Beklagte
sie als Luftfrachtführerin in ihrer Obhut hatte. Der Verlust kann auch während
einer Beförderung per Lkw, etwa auf dem Weg vom Zielflughafen in den Nieder-
landen zum Empfänger der Sendung in Zeist eingetreten sein. Nach Art. 18
Abs. 4 Satz 1 MÜ umfasst der Zeitraum der Luftbeförderung grundsätzlich nicht
die Beförderung zu Land, zur See oder auf Binnengewässern außerhalb eines
Flughafens. Erfolgt der Transport allerdings bei Ausführung des Luftbeförde-
rungsvertrags zum Zwecke der Verladung, der Ablieferung oder der Umladung,
so wird gemäß Art. 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ, auf den sich nicht nur der Geschädig-
te, sondern auch der Luftfrachtführer berufen kann (BGH, TranspR 2011, 436
Rn. 31), bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Schaden durch ein
während der Luftbeförderung eingetretenes Ereignis verursacht worden ist.
b) Im vorliegenden Fall kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf Art. 18
Abs. 4 Satz 2 MÜ berufen. Dabei kann zugunsten der Beklagten davon ausge-
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gangen werden, dass sie das verlorengegangene Paket in Kelsterbach an das
mit der Luftbeförderung beauftragte Unternehmen übergeben hat. Ebenso kann
zugunsten der Beklagten angenommen werden, dass es sich bei den anschlie-
ßenden Landtransporten von Kelsterbach zum Flughafen Frankfurt/Main und
vom Zielflughafen in den Niederlanden zum Empfänger der Sendung um Zu-
bringerbeförderungen im Sinne von Art. 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ gehandelt hat. Die
Frage, ob die Voraussetzungen für die Annahme von Zubringerdiensten erfüllt
sind, braucht im Streitfall nicht abschließend entschieden zu werden, weil nach
dem Parteivortrag und dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt
anzunehmen ist, dass es den Klägerinnen gelungen ist, die Vermutung des
Art. 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ zu widerlegen.
aa) Die Vorschrift des Art. 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ dehnt nicht den Haf-
tungszeitraum des Luftfrachtführers aus, sondern stellt nur eine widerlegbare
Beweisvermutung auf. Steht bereits fest, dass sich das schadensauslösende
Ereignis außerhalb der Flughafengrenzen ereignet hat, ist für die Vermutung
kein Raum. Der Gegenbeweis braucht dann nicht geführt zu werden (vgl. Mül-
ler-Rostin in Giemulla/Schmid, Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht,
Bd. 3 Montrealer Übereinkommen, Stand Juli 2011, Art. 18 Rn. 92; Reuschle
aaO Art. 18 Rn. 44). Steht dagegen nicht fest, ob das schadensverursachende
Ereignis während der Luftbeförderung oder während eines Oberflächentrans-
ports eingetreten ist, muss derjenige, der den Eintritt des Schadens während
der Luftbeförderung bestreitet, den Verlust oder die Beschädigung des Gutes
während eines Oberflächentransports beweisen (Reuschle aaO Art. 18 Rn. 44).
Die Anforderungen, die an den Beweis zu stellen sind, beurteilen sich nach der
lex fori, also nach dem Recht des angerufenen Gerichts.
bb) Die Klägerinnen haben sich darauf berufen, dass der Verlust des Gu-
tes nicht während einer Luftbeförderung im Sinne von Art. 18 Abs. 1 und 3 MÜ,
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sondern bei einer Oberflächenbeförderung eingetreten ist. Sie sind daher
grundsätzlich für diesen von der Beklagten bestrittenen Vortrag beweispflichtig.
Im Hinblick darauf, dass der Ort des Verlustes nicht feststeht, trifft die Beklagte
allerdings eine sekundäre Darlegungslast (BGH, TranspR 2011, 436 Rn. 34).
Der Geschädigte hat in aller Regel keine Kenntnis von den Einzelheiten der
Beförderung. Er ist daher im Allgemeinen nicht in der Lage, den von Art. 18
Abs. 4 Satz 2 MÜ geforderten Gegenbeweis zu führen. Sofern der Transport
ordnungsgemäß organisiert war, muss es dem Frachtführer in aller Regel mög-
lich sein, den Schadensort zu lokalisieren und den Schadenszeitpunkt zu be-
nennen. Der Frachtführer ist daher nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB
gehalten, soweit möglich und zumutbar zu den näheren Umständen des Verlus-
tes vorzutragen, damit der Geschädigte die Möglichkeit hat, die Vermutung ge-
mäß Art. 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ zu widerlegen. Kommt der Frachtführer der ihm
obliegenden sekundären Darlegungslast nicht in ausreichendem Maße nach, ist
von dem Vortrag des Anspruchstellers auszugehen, dass der Verlust des Gutes
während einer Oberflächenbeförderung eingetreten ist.
cc) Das Berufungsgericht hat in seiner Hilfsbegründung mit Recht ange-
nommen, dass die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht in ausrei-
chendem Maße nachgekommen ist. Die Beklagte hat lediglich behauptet, sie
habe das abhandengekommene Paket in Kelsterbach an das mit der Luftbeför-
derung beauftragte Unternehmen übergeben. Einzelheiten zur weiteren Be-
handlung der Sendung durch das Luftfrachtunternehmen hat die Beklagte nicht
einmal ansatzweise dargelegt. Insbesondere fehlen Angaben dazu, wann die
Sendung weiterbefördert werden sollte und an welchem Ort und zu welcher Zeit
sie das letzte Mal registriert wurde. Die Klägerinnen haben mit Recht darauf
hingewiesen, dass dem Vortrag der Beklagten allenfalls entnommen werden
könne, dass die Sendung bei der Anlieferungsstelle in Kelsterbach angekom-
men ist. Der weitere Weg des Pakets liegt vollständig im Dunkeln. Es lässt sich
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nicht feststellen, ob das Paket noch in Kelsterbach oder bei der Weiterbeförde-
rung zum Flughafen Frankfurt/Main, möglicherweise aber auch erst am Ab-
gangsflughafen Frankfurt/Main oder am Zielflughafen in den Niederlanden oder
schließlich erst bei der anschließenden Landbeförderung vom Zielflughafen
zum Empfänger in Verlust geraten ist. Die Beklagte hat auch nicht geltend ge-
macht, dass es ihr unmöglich und nicht zumutbar sei, zum weiteren Verlauf der
Sendung nach der Übergabe an das Luftfrachtunternehmen vorzutragen.
Die Nichterfüllung der sekundären Darlegungslast hat zur Folge, dass
von einer Widerlegung der Beweisvermutung des Art. 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ
auszugehen ist. Der Verlust des Gutes ist dann nicht während einer Luftbeför-
derung im Sinne von Art. 18 Abs. 1 und 3 MÜ eingetreten, so dass sich die Haf-
tung der Beklagten nicht nach den Vorschriften des Montrealer Übereinkom-
mens richtet. Die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz beurteilt
sich vielmehr nach den Haftungsbestimmungen des Landfrachtrechts.
4. Da der zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten ge-
schlossene multimodale Frachtvertrag gemäß Art. 28 Abs. 4 Satz 1 EGBGB aF
dem deutschen Sachrecht unterliegt, kommen auf das Vertragsverhältnis die
§§ 452, 452a HGB zur Anwendung. Nach § 452a HGB ist für die Haftung des
Frachtführers das Recht maßgeblich, das für einen hypothetischen Vertrag über
eine Beförderung auf der Teilstrecke gelten würde, auf der der Schaden einge-
treten ist. Im vorliegenden Fall ist von einem Verlust des Pakets während einer
Beförderung per Lkw entweder in Deutschland oder in den Niederlanden aus-
zugehen, weil die Beweisvermutung des Art. 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ im Hinblick
auf die Nichterfüllung der sekundären Darlegungslast durch die Beklagte als
widerlegt anzusehen ist. Ein (hypothetischer) Teilstreckenvertrag zwischen der
Versicherungsnehmerin und der Beklagten, der eine Straßenbeförderung per
Lkw zum Gegenstand hätte, würde dem deutschen Recht unterliegen. Die An-
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wendung deutschen Rechts folgt im Streitfall daraus, dass sowohl die Versiche-
rungsnehmerin als auch die Beklagte, auf deren vertragliche Beziehung inso-
weit abzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - I ZR 138/04,
TranspR 2007, 472 Rn. 16 = VersR 2008, 661), ihren Sitz jeweils in Deutsch-
land haben und auch nichts dafür spricht, dass ein hypothetischer Teilstrecken-
vertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat aufweisen könnte (BGH,
Urteil vom 18. Juni 2009 - I ZR 140/06, BGHZ 181, 292 Rn. 24).
5. Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Revision mit Recht
eine unbeschränkte Haftung der Beklagten für den streitgegenständlichen Ver-
lust gemäß § 425 Abs. 1, § 435 HGB bejaht. Die Revision rügt vergeblich, das
Berufungsgericht habe bei seiner Beurteilung wesentlichen Prozessstoff unbe-
rücksichtigt gelassen.
a) Die Revision macht geltend, die Beklagte habe vorgetragen, die Sen-
dung sei bis zur Übergabe an das mit der Luftbeförderung beauftragte Unter-
nehmen in Kelsterbach am 30. Juni 2008 noch nicht abhandengekommen. Das
Lager des Luftfrachtunternehmens habe das Paket am selben Tag um
18.12 Uhr wieder verlassen. Dementsprechend müsse der Verlust der Sendung
im Anschluss daran während der Luftbeförderung eingetreten sein. Damit habe
die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast genügt.
b) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Beklagte ihrer umfas-
senden Einlassungsobliegenheit nicht in ausreichendem Maße nachgekommen.
Dazu hätte sie insbesondere auch vortragen müssen, welche Ermittlungsmaß-
nahmen sie hinsichtlich der streitgegenständlichen Sendung eingeleitet hat und
was ihre Nachforschungen und dabei vor allem die Befragung der jeweiligen
Mitarbeiter, die mit dem Paket in Berührung gekommen sein mussten, ergeben
haben. Darüber hinaus hätte dargelegt werden müssen, welchen Weg das Pa-
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ket nach der Übergabe an das Luftfrachtunternehmen genommen hat. Vor al-
lem hätte die Beklagte auch im Einzelnen zur Betriebsorganisation des von ihr
beauftragten Luftfrachtunternehmens vortragen und darlegen müssen, zu wel-
chem Zeitpunkt und an welchem Ort die Sendung letztmalig registriert worden
ist. Das ist nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungs-
gerichts nicht geschehen. Der detaillierte Vortrag zur weiteren Behandlung des
Pakets ist der Beklagten nicht deshalb unzumutbar, weil sie das Gut nach der
Übergabe an das Luftfrachtunternehmen nicht mehr in ihrer Obhut hatte. Das
Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass es sich bei eingesetzten
Subunternehmern um "andere Leute" im Sinne von § 428 Satz 2 HGB handelt,
deren sich der Spediteur/Frachtführer bei Ausführung der Beförderung bedient.
Die Beklagte muss sich deshalb so behandeln lassen, als ob sie an Stelle der
ihr gemäß § 428 HGB zuzurechnenden Personen selbst gehandelt hätte (BGH,
Urteil vom 4. März 2004 - I ZR 200/01, TranspR 2004, 460, 462; Koller aaO
§ 428 HGB Rn. 14).
Nach den ebenfalls nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsge-
richts ist die Schadensursache völlig ungeklärt geblieben. Wenn der Spediteur/
Frachtführer in einem solchen Fall - wie hier - im Hinblick auf den in Rede ste-
henden Transport keinen Vortrag zu Sicherungsmaßnahmen in der eigenen
Organisation und in der des von ihm beauftragten Subunternehmers und zum
Schadenshergang hält, rechtfertigt dies den Schluss auf das objektive Tatbe-
standsmerkmal der Leichtfertigkeit wie auch auf das subjektive Erfordernis des
Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (BGH, Urteil
vom 5. Juni 2003 - I ZR 234/00, TranspR 2003, 467, 470 f.; Urteil vom 2. April
2009 - I ZR 60/06, TranspR 2009, 262 Rn. 27).
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6. Die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Höhe des der Versiche-
rungsnehmerin entstandenen Schadens hat die Revision nicht angegriffen. Sie
lassen auch keinen Rechtsfehler erkennen.
7. Das Berufungsgericht hat schließlich auch mit Recht angenommen,
dass der Schadensersatzanspruch der Klägerinnen nicht durch einen Vergleich
oder einen Erlassvertrag zwischen der Beklagten und der Versicherungsneh-
merin ausgeschlossen ist.
a) Das Berufungsgericht hat seine Annahme maßgeblich darauf gestützt,
dass die Beklagte die Scheckeinlösung durch die Versicherungsnehmerin nicht
dahingehend habe verstehen dürfen, dass diese das Abgeltungsangebot der
Beklagten im Sinne von § 151 Satz 1 BGB bewusst angenommen habe. Ein
derartiger Wille lasse sich allein aufgrund des Schreibens der Beklagten und
der Einlösung des Schecks nicht feststellen. Schon das krasse Missverhältnis
zwischen der von der Versicherungsnehmerin erhobenen Forderung und der
von der Beklagten angebotenen Abfindung von etwa 2,2% der Forderung stelle
ein starkes Indiz dafür dar, dass die Versicherungsnehmerin mit der Einlösung
des Schecks nicht zugleich erklärt habe, ein Angebot der Beklagten zum Ab-
schluss eines Erlassvertrags anzunehmen.
b) Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagte die
Scheckeinlösung durch die Versicherungsnehmerin jedenfalls nicht als bewuss-
te Betätigung eines Annahmewillens im Sinne von § 151 Satz 1 BGB ansehen
konnte. An die Feststellung eines Erlasswillens sind grundsätzlich strenge An-
forderungen zu stellen (BGH, TranspR 2009, 262 Rn. 44 mwN). Der Umstand,
dass die Schecksumme der Haftung der Beklagten nach dem im Frachtbrief
angegebenen Versicherungswert von 500 US-Dollar entsprach, änderte nichts
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an dem groben Missverhältnis zwischen der geleisteten Entschädigung und
dem von der Versicherungsnehmerin geforderten Ersatzbetrag (vgl. BGH, Urteil
vom 13. September 2007 - I ZR 155/04, TranspR 2007, 466 Rn. 17; BGH,
TranspR 2009, 262 Rn. 44).
III. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97
Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Bornkamm
Pokrant
Büscher
RiBGH Dr. Koch ist in Urlaub
und kann daher nicht unter-
schreiben.
Bornkamm
Löffler
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 30.12.2009 - 15 O 70/09 KfH IV -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 18.05.2011 - 15 U 23/10 -
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