Urteil des BGH vom 24.03.2016

Schiedsverfahren, Gesellschafter, Gewinnbeteiligung, Gesellschaftsvermögen

ECLI:DE:BGH:2016:240316BIZB86.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 86/15
vom
24. März 2016
in der Rechtsbeschwerdesache
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. März 2016 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert,
Dr. Kirchhoff, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Feddersen
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Hamm vom 5. August 2015 wird auf Kos-
ten des Antragsgegners als unzulässig verworfen.
Wert des Beschwerdegegenstands: 6.171,75
Gründe:
I. Der Antragsteller zu 1 und der Antragsgegner sind Patentanwälte. Sie
haben sich mit Wirkung zum 1. Januar 2006 zur gemeinsamen Berufsausübung
zu
der
Innensozietät
"P. ,
"
- nachfolgend
P. -
zu-
sammengeschlossen, die nach einem weiteren Zusammenschluss mit einer
Münchner Sozietät von Patentanwälten im Oktober 2007 auch als G. E.
bezeichnet wird. Nach § 19 Abs. 1 des Sozietätsvertrags vom 27. Februar 2006
sollen alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag während und nach Ablauf dessel-
ben durch ein Schiedsverfahren entschieden werden.
Zum 1. Januar 2012 trat der Antragsteller zu 2 durch "Sozietätsvertrag
für eine Juniorpartnerschaft" der Sozietät G. E. als Juniorpartner bei.
Für die Zwecke der Juniorpartnerschaft sollten allein die Bestimmungen des
Juniorpartnerschaftsvertrags und eines - für das Rechtsbeschwerdeverfahren
unerheblichen - Außensozietätsvertrags maßgeblich sein. Für den Antragsteller
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zu 1 und den Antragsgegner sollte der Juniorpartnerschaftsvertrag als Zusatz
zu ihrem Sozietätsvertrag gelten, wobei in Zweifelsfällen oder bei etwaigen Wi-
dersprüchen zwischen diesen beiden Verträgen die Bestimmungen des Sozie-
tätsvertrags anwendbar sein sollten. Der Antragsteller zu 2 brachte seine vor-
handene Kanzlei als Sonderbetriebsvermögen in die Innensozietät P. ein. An
der dadurch entstandenen neuen Sozietät G. E. waren der Antragsteller
zu 2 mit 1% und der Antragsteller zu 1 sowie der Antragsgegner gemeinsam zu
99% beteiligt. Der Juniorpartnerschaftsvertrag enthält keine Schiedsgerichts-
vereinbarung.
Zwischen den Antragstellern und dem Antragsgegner kam es in der Fol-
gezeit zu Streitigkeiten. Unter anderem macht der Antragsteller zu 1 gegen den
Antragsgegner einen Zahlungsanspruch mit der Begründung geltend, in den
Jahresabschlüssen 2006 bis 2010 seien zu Lasten des Sozietätsergebnisses
Betriebsausgaben für die geringfügige Beschäftigung von Familienangehörigen
des Antragsgegners berücksichtigt worden. Er beabsichtigt, diesen Anspruch in
einem Schiedsverfahren zu verfolgen.
Soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse, hat das Ober-
landesgericht den Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit des schiedsrichterli-
chen Verfahrens
für die Geltendmachung eines Anspruchs des Antragstellers zu 1 gegen den
Antragsgegner auf Zahlung von 20.015,26
€ nebst hierauf aufgelaufener Zinsen
wegen einer Berücksichtigung der Kosten für die geringfügige Beschäftigung
von Familienangehörigen in den Jahren 2006 bis 2010 entgegen einer Abspra-
che zwischen dem Antragsteller zu 1 und dem Antragsgegner
für begründet erachtet. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des An-
tragsgegners, deren Zurückweisung der Antragsteller zu 1 beantragt.
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II. Das Oberlandesgericht hat das Schiedsverfahren hinsichtlich des in
Rede stehenden Zahlungsanspruchs für zulässig gehalten. Dazu hat es ausge-
führt:
Zwischen dem Antragsteller zu 1 und dem Antragsgegner sei in § 19 des
Sozietätsvertrags vom 27. Februar 2006 eine wirksame Schiedsvereinbarung
abgeschlossen worden. Daran ändere der später geschlossene Juniorpartner-
schaftsvertrag nichts, da der fragliche Zahlungsanspruch den Antragsteller zu 2
nicht betreffe.
III. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062
Abs. 1 Nr. 2, § 1032 Abs. 2 ZPO). Sie ist aber unzulässig, weil weder die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts
oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Bundesgerichtshofs erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).
1. Der von der Rechtsbeschwerde behauptete Verstoß des Oberlandes-
gerichts gegen das Verfahrensgrundrecht des Antragsgegners aus Art. 103
Abs. 1 GG liegt nicht vor.
a) Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das entscheidende Ge-
richt, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in
Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist aber erst dann verletzt, wenn sich
im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Par-
teien zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Es ist dabei nicht
verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrück-
lich zu befassen. Damit sich ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG feststellen
lässt, müssen demnach besondere Umstände deutlich gemacht werden, die
zweifelsfrei darauf schließen lassen, dass tatsächliches Vorbringen eines Betei-
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ligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entschei-
dung übergangen worden ist (BGH, Beschluss vom 27. März 2003
- V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 300). Solche Umstände hat der Antragsgegner
nicht dargetan.
b) Die Rechtsbeschwerde führt aus, der Antragsgegner habe sich darauf
berufen, dass der vom Antragsteller zu 1 geltend gemachte Zahlungsanspruch
eine gesellschaftsrechtliche Streitigkeit sei, bei der alle Gesellschafter zu betei-
ligen seien, also auch der Antragsteller zu 2. Ein Abfluss von den Gesell-
schaftskonten erfolge erst, nachdem der Antragsteller zu 2 Gesellschafter ge-
worden sei. Eine Änderung der Jahresabschlüsse 2006 bis 2010 werde zu ver-
änderten Eröffnungsbilanzen für die Jahre ab 2011 führen. Der Antragsteller
zu 2 habe auch an der Beschlussfassung über den verfahrensgegenständlichen
Zahlungsanspruch mitgewirkt. Diesen Sachvortrag habe das Oberlandesgericht
unberücksichtigt gelassen.
c) Damit ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Antragsgegners
nicht schlüssig dargelegt.
Das Oberlandesgericht hat angenommen, der vom Antragsteller zu 1 be-
hauptete Zahlungsanspruch gegen den Antragsgegner betreffe den Antragstel-
ler zu 2 nicht. Diese Auseinandersetzung werde deshalb von der Schiedsklau-
sel in § 19 des Sozietätsvertrags erfasst. Der behauptete Erstattungsanspruch
habe keinen Einfluss auf das Gesellschaftsvermögen oder sonstige Belange
der durch den Juniorpartnerschaftsvertrag gegründeten Gesellschaft, so dass
der Antragsteller zu 2 nicht berührt und seine Beteiligung an dem Schiedsver-
fahren nicht erforderlich sei.
Mit diesen Ausführungen lässt das Oberlandesgericht erkennen, dass es
den Vortrag des Antragsgegners zur Kenntnis genommen und geprüft hat, ob
der vom Antragsteller zu 1 begehrte Erstattungsanspruch das Gesellschafts-
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vermögen oder die Belange der Gesellschaft nach dem Juniorpartnerschafts-
vertrag beeinflusst.
2. Die tatrichterliche Beurteilung des Berufungsgerichts, der Antragsteller
zu 2 sei von dem geltend gemachten Erstattungsanspruch nicht betroffen, ist
zudem in der Sache nicht zu beanstanden. Nach Ziffer 9 des vom Oberlandes-
gericht in Bezug genommenen Juniorpartnerschaftsvertrags erhält der Antrag-
steller zu 2 als Gewinnbeteiligung ausschließlich 50% seiner jeweils im Ge-
schäftsjahr abgerechneten anwaltlichen Bearbeitungshonorare, mindestens je-
doch 1% des Jahresgewinns von G. E. . Außerdem wurde ein Akquise-
bonus in Höhe von 20% des jeweiligen Bearbeitungshonorars vereinbart. Die
Verteilung des danach verbleibenden Gewinns zwischen dem Antragsteller zu 1
und dem Antragsgegner richtete sich nach deren Sozietätsvertrag.
Daraus folgt, dass eine nachträgliche Korrektur der Gewinnverteilung für
die Jahre 2006 bis 2010 den erst zum 1. Januar 2012 als Juniorpartner beige-
tretenen Antragsteller zu 2 nicht betreffen kann. Zum 1. Januar 2012 gehörte
der fragliche Betrag in jedem Fall nicht mehr zum Vermögen der Sozietät, weil
er entweder als Betriebsausgabe oder als Entnahme im Rahmen der Gewinn-
verteilung abgeflossen ist. Eine Liquiditätsbelastung der durch den Juniorpart-
nerschaftsvertrag geschaffenen Sozietät G. E. ist ebenfalls nicht zu er-
warten. Falls ein erforderlicher Ausgleich nicht unmittelbar zwischen dem An-
tragsteller zu 1 und dem Antragsgegner erfolgen kann, hätte der Antragsgegner
einen fälschlich als Betriebsausgabe gebuchten Betrag jedenfalls zunächst aus
seinem Privatvermögen an die Sozietät zu erstatten, bevor er als Gewinn für
frühere Jahre von dieser ausgekehrt werden könnte.
Die Rechtsbeschwerde macht nicht geltend, dass die mit 1% des Jah-
resgewinns festgesetzte untere Schwelle für die Gewinnbeteiligung des Antrag-
stellers zu 2 als Juniorpartner praktische Bedeutung hat. Unabhängig davon
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kann der etwaige Zahlungsanspruch des Antragstellers zu 1 gegen den An-
tragsgegner den Beteiligungswert des Antragstellers zu 2 von vornherein nicht
beeinflussen, weil dieser Betrag schon bei Begründung der Juniorpartnerschaft
das in die neu geschaffene Sozietät eingebrachte Vermögen der Innensozietät
P. in entsprechender Höhe als Betriebsausgabe vermindert hatte.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Büscher
Schaffert
Kirchhoff
Schwonke
Feddersen
Vorinstanz:
OLG Hamm, Entscheidung vom 05.08.2015 - I-8 SchH 2/14 -
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