Urteil des BGH vom 09.02.2017

Leitsatzentscheidung zu Vorläufiger Rechtsschutz, Gütliche Erledigung, Reform, Edition

ECLI:DE:BGH:2017:090217BIZB56.16.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 56/16
vom
9. Februar 2017
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 882e Abs. 3 Nr. 2
Eine nach der Eintragung im Schuldnerverzeichnis abgeschlossene Raten-
zahlungsvereinbarung stellt keinen Grund für die vorzeitige Löschung der
Eintragung dar, wenn der Löschungsantrag erst gestellt wird, nachdem die
Eintragungsanordnung unanfechtbar geworden ist.
BGH, Beschluss vom 9. Februar 2017 - I ZB 56/16 - LG Hagen
AG Hagen
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Februar 2017 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert,
Dr. Kirchhoff, Prof. Dr. Koch und Feddersen
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer
des Landgerichts Hagen vom 24. Mai 2016 wird auf Kosten der
Schuldner zurückgewiesen.
Gründe:
I. Die Gläubigerin vollstreckte gegen die Schuldner aus einem Urteil vom
23. Juni 2014 sowie aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. Juli 2014
des Landgerichts Arnsberg wegen Geldforderungen in einer Gesamthöhe von
61.106,21
€.
In dem vom Gerichtsvollzieher festgesetzten Termin am 16. Oktober
2014 gaben beide Schuldner keine Vermögensauskunft ab. Aufgrund der Ein-
tragungsanordnungen des Gerichtsvollziehers wurden die Schuldner noch am
selben Tag im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Den gegen die Eintragungs-
anordnungen gerichteten Widerspruch der Schuldner wies das Amtsgericht
Arnsberg mit Beschluss vom 15. Dezember 2014 zurück. Gegen diesen Be-
schluss wandten sich die Schuldner mit der sofortigen Beschwerde. Mit Schrei-
ben vom 10. Februar 2015 nahm die Gläubigerin den Vollstreckungsauftrag im
Hinblick auf eine Ende Januar 2015 abgeschlossene Ratenzahlungsvereinba-
rung der Parteien sowie zwischenzeitlich gezahlte Raten zurück. Die Schuldner
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nahmen am selben Tag ihre sofortige Beschwerde vor dem Landgericht Arns-
berg zurück.
Unter Bezug auf die Ratenzahlungsvereinbarung beantragten die
Schuldner mit Schreiben vom 9. September 2015 gemäß § 882e ZPO die vor-
zeitige Löschung der Eintragungen aus dem Schuldnerverzeichnis.
Das Amtsgericht hat die Löschungsanträge der Schuldner zurückgewie-
sen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldner ist ohne Er-
folg geblieben.
II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Schuldner könnten kei-
ne vorzeitige Löschung ihrer Eintragungen im Schuldnerverzeichnis verlangen.
Zur Begründung hat es ausgeführt:
Keiner der in § 882e Abs. 3 ZPO abschließend aufgeführten Tatbestände
vorzeitiger Löschung liege vor. Insbesondere sei der Eintragungsgrund nicht
weggefallen (§ 882e Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Eintragungsgrund sei vorliegend, dass
die Schuldner ihre Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht erfüllt hät-
ten. Daran habe sich bis zur Beschlussfassung des Beschwerdegerichts nichts
geändert. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof durch Beschluss vom
21. Dezember 2015 entschiedenen Fall (I ZB 107/14, NJW 2016, 876) handele
es sich vorliegend nicht um ein Widerspruchsverfahren gegen die Eintragungs-
anordnung, sondern um einen Antrag auf vorzeitige Löschung der erfolgten Ein-
tragung. Den Widerspruch gegen die Eintragungsanordnung des Amtsgerichts
Arnsberg hätten die Schuldner im Beschwerdeverfahren nicht weiterverfolgt.
Die zu Recht erfolgte Eintragung müsse so lange Bestand haben, bis ihre Ursa-
chen vollständig beseitigt seien. Das sei bei einer nachträglich geschlossenen
Ratenzahlungsvereinbarung nicht der Fall.
III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist
statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zuläs-
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sig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Beschwerdege-
richt hat zutreffend angenommen, dass die Voraussetzungen für die Löschung
der Eintragung der Schuldner im Schuldnerverzeichnis nicht vorliegen.
1. Nach § 882e Abs. 3 ZPO wird eine Eintragung auf Anordnung des
zentralen Vollstreckungsgerichts nach § 882h Abs. 1 ZPO gelöscht, wenn die-
sem die vollständige Befriedigung des Gläubigers nachgewiesen worden ist
(Nr. 1), das Fehlen oder der Wegfall des Eintragungsgrundes bekannt gewor-
den ist (Nr. 2) oder die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorge-
legt wird, aus der sich ergibt, dass die Eintragungsanordnung aufgehoben oder
einstweilen ausgesetzt ist (Nr. 3).
Die Voraussetzungen für den Löschungsgrund des § 882e Abs. 3 Nr. 1
ZPO sind nicht erfüllt. Auch wenn die Rechtsbeschwerde geltend macht, die
Schuldner hätten aufgrund der Ratenzahlungsvereinbarung den größten Teil
der Forderung bezahlt, steht außer Streit, dass eine vollständige Befriedigung
der Gläubigerin nicht erfolgt ist. Ebenso wenig kommt vorliegend der Lö-
schungsgrund des § 882e Abs. 3 Nr. 3 ZPO in Betracht. Näherer Prüfung be-
darf im Streitfall allein der Löschungsgrund des § 882e Abs. 3 Nr. 2 ZPO.
2. Zum Zeitpunkt der Eintragung der Schuldner lag ein Eintragungsgrund
gemäß § 882c Abs. 1 Nr. 1 ZPO vor, weil sie ihrer Pflicht zur Abgabe der Ver-
mögensauskunft nicht nachgekommen sind. Der Eintragungsgrund ist auch
nicht deshalb weggefallen, weil die Parteien nach Eintragung der Schuldner in
das Schuldnerverzeichnis eine Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen ha-
ben.
a) Die Rechtsbeschwerde meint, die Eintragung des Schuldners sei auf
seinen Antrag stets zu löschen, wenn nach Eintragung der Eintragungsgrund
wegfalle und der Gläubiger zustimme. Es mache keinen Unterschied, ob die
Parteien nach Erlass des vollstreckbaren Titels eine Ratenzahlungsvereinba-
rung getroffen hätten, die einer Eintragung im Verzeichnis entgegenstünde,
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oder ob eine solche Vereinbarung während eines Widerspruchsverfahrens un-
ter Mitwirkung eines Gerichtsvollziehers zustande gekommen sei oder aber sich
die Parteien nach Eintragung auf eine Ratenzahlungsvereinbarung geeinigt hät-
ten. Der mit dem Schuldnerverzeichnis bezweckte Schutz der Allgemeinheit
spreche jedenfalls dann nicht mehr gegen eine Löschung, wenn sich Gläubiger
und Schuldner einig seien und, wie im vorliegenden Fall, die Schuldner den
größten Teil der Forderung (50.000
€ von 61.000 €) bezahlt hätten. Eine abwei-
chende Entscheidung verstieße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
b) Diesen Erwägungen ist nicht zuzustimmen. In Rechtsprechung und Li-
teratur besteht zu Recht Einigkeit, dass eine nach Eintragung im Schuldnerver-
zeichnis abgeschlossene Ratenzahlungsvereinbarung keinen Löschungsgrund
darstellt, wenn die Eintragungsanordnung unanfechtbar geworden ist (vgl. LG
Karlsruhe, DGVZ 2013, 211, 212 f.; LG Dessau-Roßlau, DGVZ 2015, 21, 22;
Schuschke in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz,
6. Aufl., § 882e Rn. 7; Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 882e Rn. 4; Seiler in
Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl., § 882e Rn. 8; Utermark/Fleck, BeckOK ZPO,
22. Edition, § 882e Rn. 5; anders als die Rechtsbeschwerde meint nicht gegen-
teiliger Ansicht LG Darmstadt, Beschluss vom 30. Oktober 2013 - 5 T 352/13,
juris; Schreiber in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 882e Rn. 9).
aa) Eine Ratenzahlungsvereinbarung der Parteien stellt zwar einen
Grund zur Einstellung der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 775 Nr. 4 ZPO
dar, der der Anordnung einer Eintragung in das Schuldnerverzeichnis gemäß
§ 882c Abs. 1 ZPO entgegensteht (BGH, NJW 2016, 876 Rn. 15). Nach Eintritt
der Unanfechtbarkeit der Eintragungsanordnung sind die allgemeinen Vollstre-
ckungsvoraussetzungen aber nicht mehr zu berücksichtigen, so dass eine
nachträgliche Ratenzahlungsvereinbarung keinen Löschungsgrund für die Ein-
tragung darstellen kann (vgl. BGH, NJW 2016, 876 Rn. 24 f. i.V.m. Rn. 16 f.).
bb) Die Rechtsbeschwerde kann sich nicht mit Erfolg auf die Vorschrift
des § 802b Abs. 1 ZPO stützen.
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(1) Nach dieser Bestimmung soll der Gerichtsvollzieher zwar in jeder La-
ge des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedacht sein. Daraus ergibt sich
indes keine Notwendigkeit, nach Unanfechtbarkeit der Eintragungsanordnung
eine Ratenzahlungsvereinbarung als Löschungsgrund zu berücksichtigen. Un-
ter "in jeder Lage des Verfahrens" zu verstehen ist der Zeitraum von der Ertei-
lung des Vollstreckungsauftrags zur Abnahme der Vermögensauskunft bis zur
Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis (vgl. Entwurf des Bun-
desrates zu einem Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvoll-
streckung, BT-Drucks. 16/10069, S. 24). Dieser Zeitraum umfasst das gesamte
Verfahren zur Eintragungsanordnung des Gerichtsvollziehers, also gegebenen-
falls auch das Widerspruchs- und Beschwerdeverfahren über die Eintragungs-
anordnung (vgl. Wasserl, DGVZ 2013, 85, 89).
(2) Ist die Eintragungsanordnung aber unanfechtbar geworden, so ist die
erfolgte Eintragung der Parteidisposition entzogen (LG Detmold, DGVZ 2015,
22; Fleck in BeckOK ZPO, 22. Edition, § 802b ZPO Rn. 11b). Mit der Neurege-
lung des Schuldnerverzeichnisses wurde bezweckt, den Schutz des Rechtsver-
kehrs vor illiquiden oder zahlungsunwilligen Schuldnern zu verbessern. Die Ein-
tragung in das Schuldnerverzeichnis erfolgt nicht im Interesse des die Zwangs-
vollstreckung betreibenden Gläubigers, vielmehr ist das Schuldnerverzeichnis
ein reines Auskunftsregister über die Kreditunwürdigkeit einer Person (Begrün-
dung des Entwurfs des Bundesrates zu einem Gesetz zur Reform der Sachauf-
klärung in der Zwangsvollstreckung, BT-Drucks. 16/10069, S. 20, 37, 40). Dem
mit dem Schuldnerverzeichnis verfolgten Allgemeininteresse trägt das Gesetz
dadurch Rechnung, dass die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nicht auf-
grund eines Antrags des Gläubigers, sondern von Amts wegen erfolgt. Es han-
delt sich mithin um ein amtliches Folgeverfahren aufgrund einer begonnenen
oder durchgeführten Zwangsvollstreckungsmaßnahme (vgl. Wasserl, DGVZ
2013, 85, 86). Aus dem Charakter des Eintragungsverfahrens als Amtsverfah-
ren folgt, dass sich Gläubiger und Schuldner nicht darüber einigen können, eine
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Eintragung in das Schuldnerverzeichnis zu unterlassen (BGH, NJW 2016, 876
Rn. 22).
Der Zweck des Schuldnerverzeichnisses, den Schutz des Rechtsver-
kehrs vor illiquiden oder zahlungsunwilligen Schuldnern zu verbessern, schließt
es aus, noch nach Unanfechtbarkeit der Eintragung Vollstreckungshindernisse
wie eine Ratenzahlungsvereinbarung zu berücksichtigen.
cc) Danach kann weder der Nachweis einer Stundungsbewilligung noch
das Einverständnis des Gläubigers zu einer Löschung der Eintragung führen,
weil sie das Informationsinteresse des Geschäftsverkehrs nicht beseitigen (Be-
gründung des Entwurfs des Bundesrates zu einem Gesetz zur Reform der
Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung, BT-Drucks. 16/10069, S. 40). Die-
se Ausführungen finden sich zwar im Zusammenhang mit dem Löschungsgrund
des § 882e Abs. 3 Nr. 1 ZPO. Der Umstand, dass in dem darauffolgenden Ab-
satz der Gesetzesbegründung zu Nummer 2 dieser Bestimmung die Stun-
dungsbewilligung nicht mehr behandelt wird, lässt aber erkennen, sie insgesamt
nicht als Löschungsgrund anzusehen.
dd) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist diese Rechtsfol-
ge auch dann verhältnismäßig, wenn ein Schuldner nach der Eintragung auf-
grund der Ratenzahlungsvereinbarung den größeren Teil seiner Schuld begli-
chen hat. Der Schuldner hat sich bereits mit der Weigerung, die Vermö-
gensauskunft abzugeben, als unzuverlässig erwiesen. Das rechtfertigt es, den
Rechtsverkehr im Hinblick auf seine Kreditwürdigkeit zu warnen. Inwieweit der
Gläubiger noch ein eigenes Interesse daran hat, die Eintragung des Schuldners
im Schuldnerverzeichnis aufrechtzuerhalten, ist in diesem Zusammenhang un-
erheblich. Soweit § 882e Abs. 3 Nr. 1 ZPO den Nachweis der vollständigen Be-
friedigung des Gläubigers als Löschungsgrund anerkennt, beruht dies auf der
entsprechenden Regelung in § 915a Abs. 2 Nr. 1 ZPO aF, die bis
31. Dezember 2012 galt. Da mit der Neuregelung bezweckt war, die Warnfunk-
tion des Schuldnerverzeichnisses vor illiquiden Wirtschaftsteilnehmern zu stär-
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ken (vgl. Entwurf des Bundesrates zu einem Gesetz zur Reform der Sachauf-
klärung in der Zwangsvollstreckung, BT-Drucks. 16/10069, S. 1), bestehen kei-
ne Anhaltspunkte für eine ausdehnende Auslegung dieses Löschungsgrunds
dahingehend, dass bereits eine mehr oder weniger weitgehende teilweise Be-
friedigung des Gläubigers für eine Löschung ausreichen könnte.
c) Danach kann im Streitfall die Ratenzahlungsvereinbarung nicht als Lö-
schungsgrund berücksichtigt werden.
Die Eintragungsanordnungen sind unanfechtbar geworden, nachdem die
Schuldner unter dem 10. Februar 2015 ihre sofortige Beschwerde wegen der
Zurückweisung ihres gegen die Eintragungsanordnung gerichteten Wider-
spruchs zurückgenommen haben.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Büscher
Schaffert
Kirchhoff
Koch
Feddersen
Vorinstanzen:
AG Hagen, Entscheidung vom 02.12.2015 - 374 M 12387/15 -
LG Hagen, Entscheidung vom 24.05.2016 - 6 T 303/15 -
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