Urteil des BGH vom 10.02.2016

Koch, Hauptsache, Verwaltungsakt, Rechtsmittelinstanz

ECLI:DE:BGH:2016:100216BIZB36.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 36/15
vom
10. Februar 2016
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
- 2 -
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Februar 2016 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Koch,
Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Feddersen
beschlossen:
Die Schuldnerin hat die Kosten des Erinnerungs-, Beschwerde- und
Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Gegenstandswert: 265,95
Gründe:
I. Der Gläubiger, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, ist die unter der Be-
zeichnung "Südwestrundfunk" tätige Landesrundfunkanstalt in den Bundeslän-
dern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Er betreibt gegen die Schuldne-
rin die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Rundfunkbeiträge.
Am 6. Juni 2014 ging beim Amtsgericht Mannheim - Gerichtsvollzieherver-
teilerstelle - ein als "Vollstreckungsersuchen" bezeichnetes Schreiben vom
1. Juni 2014 ein, in dessen Briefkopf sich die nachfolgenden Angaben befan-
den:
Südwestrundfunk
ARD ZDF Deutschlandradio
BEITRAGSSERVICE.
1
2
- 3 -
Die Gestaltung des Briefkopfs entsprach derjenigen der Vollstreckungser-
suchen, die in den Beschlüssen des Bundesgerichtshofs vom 11. Juni 2015
(I ZB 64/14, K&R 2015, 577), 8. Oktober 2015 (VII ZB 11/15, WM 2015, 2374)
und 21. Oktober 2015 (I ZB 6/15, juris) abgebildet waren. Das Vollstreckungs-
ersuchen enthielt ferner die Schlussformel "Mit freundlichen Grüßen Südwest-
rundfunk" und eine "Aufstellung der rückständigen Forderungen" und den vor-
angestellten Hinweis: "Dem Beitragsschuldner sind bereits Gebühren-/Beitrags-
bescheide und Mahnungen mit folgenden Daten zugesandt worden:" Die Seite
endet mit dem Hinweis: "Dieses Vollstreckungsersuchen ist von einer elektroni-
schen Datenverarbeitungsanlage gefertigt und ohne Unterschrift und Dienstsie-
gel wirksam." Der beizutreibende Betrag war mit 265,95
€ beziffert.
Nachdem der Gerichtsvollzieher die Schuldnerin erfolglos zur Zahlung
aufgefordert hatte, bestimmte er einen Termin zur Abgabe der Vermögensaus-
kunft. Gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung legte die Schuldnerin
Erinnerung ein.
Mit Beschluss vom 6. Oktober 2014 hat das Vollstreckungsgericht die
Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen für unzulässig erklärt.
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das Be-
schwerdegericht zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelasse-
nen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Antrag auf Zurückwei-
sung der Erinnerung der Schuldnerin weiter.
Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2015 hat der Gläubiger das Verfahren in
der Hauptsache für erledigt erklärt, weil die Schuldnerin die der Zwangsvollstre-
ckung zugrunde liegende Forderung beglichen hat. Die Schuldnerin hat sich zu
der Erledigungserklärung nicht geäußert.
3
4
5
6
- 4 -
II. Das Beschwerdegericht ist von der Zulässigkeit und Begründetheit der
Beschwerde des Schuldners ausgegangen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Das Vollstreckungsersuchen des Gläubigers habe die Voraussetzungen
der Vollstreckung gemäß § 15a Abs. 4 LVwVG-BW nicht erfüllt. Weder lasse
sich mit hinreichender Deutlichkeit die Bezeichnung der Vollstreckungsbehörde
entnehmen, noch sei der zu vollstreckende Verwaltungsakt ausreichend genau
bezeichnet.
III. Die Schuldnerin hat die Kosten des Erinnerungs-, Beschwerde- und
Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
1. Die Erledigung der Hauptsache kann noch in der Rechtsmittelinstanz
(vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2010 - I ZR 154/08, WRP 2010, 759
Rn. 8 - Bundesdruckerei, mwN), auch noch während des Rechtsbeschwerde-
verfahrens
erklärt
werden
(BGH,
Beschluss
vom
25. Januar
2007
- V ZB 125/05, NJW 2007, 2993 Rn. 6 ff.). Nachdem die auf die Zustimmungs-
fiktion des § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO hingewiesene Schuldnerin der Erledi-
gungserklärung des Gläubigers nicht innerhalb der Notfrist gemäß § 91a Abs. 1
Satz 2 ZPO widersprochen hat, ist über alle bisher entstandenen Kosten des
Vollstreckungsverfahrens einschließlich der Kosten der Vorinstanzen gemäß
der auch im Verfahren der Rechtsbeschwerde geltenden Vorschrift des § 91a
Abs. 1 Satz 1 ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisheri-
gen Sach- und Streitstands durch Beschluss zu entscheiden. Dabei ist der
mutmaßliche Ausgang des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu berücksichtigen.
2. Nach diesen Grundsätzen hat die Schuldnerin die Kosten zu tragen, da
die Rechtsbeschwerde des Gläubigers Erfolg gehabt hätte. Die Beschwerde
des Gläubigers war begründet. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts
7
8
9
10
11
- 5 -
erfüllt das beanstandete Vollstreckungsersuchen die Vollstreckungsvorausset-
zungen gemäß § 15a LVwVG-BW. Der Senat nimmt zur Begründung Bezug auf
seinen Beschluss vom 11. Juni 2015 (I ZB 64/14, K&R 2015, 577 Rn. 16 ff.),
dem sich der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs angeschlossen hat (Be-
schluss vom 8. Oktober 2015 - VII ZB 11/15, juris Rn. 16 ff.). Im Streitfall sind
keine Umstände ersichtlich, die eine davon abweichende Beurteilung rechtferti-
gen.
Büscher
Koch
Löffler
Schwonke
Feddersen
Vorinstanzen:
AG Mannheim, Entscheidung vom 06.10.2014 - 7 M 20/14 -
LG Mannheim, Entscheidung vom 27.03.2015 - 10 T 133/14 -