Urteil des BGH vom 21.07.2016

Beweisverfahren, Einzelrichter, Koch, Überprüfung

ECLI:DE:BGH:2016:210716BIZB121.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 121/15
vom
21. Juli 2016
in dem selbständigen Beweisverfahren
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Juli 2016 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler,
die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Feddersen
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss
der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom
11. November 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-
rückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht
erhoben.
Gründe:
I. Das Amtsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Durchführung
eines selbständigen Beweisverfahrens zurückgewiesen. Die sofortige Be-
schwerde der Antragstellerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Be-
schwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin
ihren Antrag weiter.
II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, ein selbständiges Beweis-
verfahren sei nicht zulässig, weil weder das Risiko des Beweisverlusts bestehe
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noch ein Rechtsstreit in der Hauptsache abgewendet werden solle. Das bean-
tragte Verfahren solle vielmehr der Durchführung der Zwangsvollstreckung
nach einem durch Vergleich beendeten Rechtsstreit dienen. Es sei nicht darge-
legt, dass durch das beantragte selbständige Beweisverfahren die Zwangsvoll-
streckung vermieden werden solle, so dass offenbleiben könne, ob das
Zwangsvollstreckungsverfahren unter den in § 485 Abs. 2 ZPO genannten Be-
griff des Rechtsstreits zu fassen sei.
III. Die aufgrund ihrer Zulassung gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und
Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch ansonsten zulässige Rechtsbeschwerde
(§ 575 ZPO) ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Be-
schlusses und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
1. Die angefochtene Entscheidung ist unter Verletzung des Verfassungs-
gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen. Sie ist
deshalb aufzuheben und zur neuen Entscheidung an das Beschwerdegericht
zurückzuverweisen.
Der Einzelrichter durfte über die Beschwerde nicht selbst entscheiden,
sondern hätte das Verfahren wegen der von ihm bejahten grundsätzlichen Be-
deutung der Rechtssache gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO der mit drei Richtern
besetzten Kammer übertragen müssen. Dem originären Einzelrichter nach
§ 568 ZPO ist die Entscheidung von Rechtssachen grundsätzlicher Bedeutung
schlechthin versagt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. Mai 2012
- I ZB 65/11, NJW 2012, 3518 Rn. 4; Beschluss vom 7. Januar 2016
- I ZB 110/14, NJW 2016, 645 Rn. 10).
2. Der angefochtene Beschluss ist ferner deshalb aufzuheben, weil er
nicht ausreichend mit Gründen versehen ist.
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Nach § 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO hat das Rechtsbeschwerdegericht
grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Beschwerdegericht
festgestellt hat. Fehlen tatsächliche Feststellungen hierzu, ist es zu einer recht-
lichen Überprüfung nicht in der Lage. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs müssen daher Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde un-
terliegen, den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wieder-
geben und den Streitgegenstand und die Anträge in beiden Instanzen erkennen
lassen. Wird diesen Anforderungen nicht genügt, ist der Beschluss nicht mit den
nach dem Gesetz (§ 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6 ZPO) erforderlichen Gründen ver-
sehen und bereits aus diesem Grund aufzuheben (vgl. nur BGH, Beschluss
vom 16. April 2013 - VI ZB 50/12, NJW-RR 2013, 1077 Rn. 4; Beschluss vom
27. August 2014 - XII ZB 266/13, MDR 2014, 1339 Rn. 7 und 9, Beschluss vom
11. Dezember 2014 - I ZB 7/14, ZUM-RD 2015, 214 Rn. 5, jeweils mwN).
So verhält es sich vorliegend. Dem angefochtenen Beschluss ist zwar zu
entnehmen, dass der Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisver-
fahrens zurückgewiesen wird. Der angefochtene Beschluss gibt jedoch weder
den Sachverhalt noch die Anträge der Antragstellerin wieder. Er enthält lediglich
rechtliche Schlussfolgerungen, ohne deren tatsächliche Grundlage mitzuteilen.
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3. Hinsichtlich der im Rechtsbeschwerdeverfahren angefallenen Ge-
richtskosten macht der Senat von der Möglichkeit des § 21 GKG Gebrauch.
Büscher
Koch
Löffler
Schwonke
Feddersen
Vorinstanzen:
AG Ludwigshafen am Rhein, Entscheidung vom 01.09.2015 - 2k H 3/15 -
LG Frankenthal, Entscheidung vom 11.11.2015 - 1 T 299/15 -
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