Urteil des BGH vom 23.06.2009

Abschreibung, Verzinsung, Bindungswirkung, Mittelwert, Handelsbilanz

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
EnVR 76/07 Verkündet
am:
23. Juni 2009
Bott
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in der energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungssache
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Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 7. April 2009 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Tolksdorf und die Richter Dr. Raum, Prof. Dr. Meier-Beck,
Dr. Strohn und Dr. Grüneberg
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss
des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom
24. Oktober 2007 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass
die Bundesnetzagentur die Antragstellerin auch unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Rechtsbeschwerdegerichts neu zu
bescheiden hat.
Die Kostenentscheidung des genannten Beschlusses wird auf-
gehoben. Von den Kosten und Auslagen des Beschwerde- und
des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin
4
/
5
und die Bundesnetzagentur
1
/
5
.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
9.992.750 Euro festgesetzt.
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Gründe:
I.
Die Antragstellerin, die zum E.ON-Konzernverbund gehört, betreibt in
mehreren Bundesländern ein Gasversorgungsnetz. Sie beantragte am
30. Januar 2006 die Genehmigung der Netzentgelte. Die Bundesnetzagentur
genehmigte - unter Ablehnung des weitergehenden Antrags - niedrigere
Netzentgelte, wobei sie die Genehmigung bis 31. März 2008 befristete. Die
Kürzungen begründete sie mit Abzügen bei den Positionen kalkulatorische
Abschreibungen, ansetzbares Umlaufvermögen, Eigenkapitalverzinsung und
kalkulatorische Gewerbesteuer. Weiterhin fügte sie dem Genehmigungsbe-
scheid noch zwei Auflagen bei.
1
Gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur hat die Antragstellerin
Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdegericht hat nur die Kürzungen im
Rahmen der Feststellung des Sachanlagevermögens beanstandet und die
Bundesnetzagentur insofern verpflichtet, die Antragstellerin unter Beachtung
seiner Rechtsauffassung neu zu bescheiden. Die Beschwerde der Antrag-
stellerin hinsichtlich der beiden vorgenannten Auflagen hat es zurückgewie-
sen. Mit ihrer - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde
verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter.
2
II.
Die Rechtsbeschwerde hat hinsichtlich der Beschwerdepunkte Wert-
ansatz des betriebsnotwendigen Eigenkapitals, Höhe des Fremdkapitalzin-
ses und in Bezug auf die nur jährliche Abschreibung Erfolg. Hinsichtlich der
übrigen Beanstandungen der Antragstellerin ist sie unbegründet.
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1. Sachanlagevermögen - WIBERA-Indexreihen
Die Angriffe der Antragstellerin gegen die Entscheidung des Be-
schwerdegerichts hinsichtlich der Rechnungsposition "Sachanlagevermögen"
bleiben ohne Erfolg.
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a) Das Beschwerdegericht hat die Bundesnetzagentur in Bezug auf
diese Position zur Neubescheidung verpflichtet, weil sich deren Beschluss
nicht entnehmen lasse, warum die Kürzungen erfolgt seien und wie sie sich
errechneten. Damit habe die Bundesnetzagentur ihre Begründungspflicht
gemäß § 73 Abs. 1 EnWG verletzt.
5
In weiteren Ausführungen hat das Beschwerdegericht auch darauf hin-
gewiesen, dass die Antragstellerin nicht ausreichend dargetan habe, inwie-
fern die von ihr verwendeten Preisindizes - wie nach § 6 Abs. 3 Satz 2
GasNEV erforderlich - auf den Indexreihen des Statistischen Bundesamtes
beruhten. Die Antragstellerin könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass
sie die Tagesneuwerte im Sinne des § 6 Abs. 3 GasNEV anhand der "WI-
BERA-Indexreihe" bestimmt habe. Denn sie habe nicht nachgewiesen, dass
die "WIBERA-Indexreihen" sich aus den ermittelten Zahlen des Statistischen
Bundesamtes ableiteten.
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b) Mit ihrer Rechtsbeschwerde wendet sich die Antragstellerin nicht
gegen die - ihr günstige - Aufhebung der Kürzungen insgesamt. Sie bean-
standet aber, dass das Beschwerdegericht in seinem Berechnungshinweis
ihren Ansatz zur Ermittlung der Tagesneuwerte nicht gebilligt habe. Mit die-
ser Beanstandung kann sie im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht gehört
werden. Zu einer Überprüfung der beanstandeten Rechtsauffassung ist der
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- 5 -
Senat nicht befugt, weil sie für das nachfolgende Verwaltungsverfahren keine
Bindungswirkung entfaltet und die Antragstellerin mithin nicht beschwert.
aa) Die Bindungswirkung eines Bescheidungsurteils ergibt sich aus
den tragenden Gründen der Entscheidung (BVerwG, Urt. v. 27.1.1995
- 8 C 8/93, NJW 1996, 737, 738). Nur sie binden die Verwaltungsbehörde bei
der von ihr vorzunehmenden Neubescheidung (§ 121 VwGO). Diese im Be-
scheidungsurteil verbindlich zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung be-
stimmt die Bindungswirkung insoweit, als sie die Gründe betrifft, aus denen
das Gericht die Aufhebung des entgegenstehenden Bescheids ausgespro-
chen und die Verpflichtung zur neuen Verbescheidung hergeleitet hat
(BVerwG, Urt. v. 19.6.1968 - V C 85/67, DVBl. 1970, 281). Ob es sich um
tragende (und damit bindende) Gründe handelt, ist aus den Entscheidungs-
gründen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des zur Beurteilung ste-
henden Verwaltungsakts zu bestimmen (vgl. BVerwGE 111, 318, 320 ff.).
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bb) Nach diesen Maßstäben war hier für den Neubescheidungsaus-
spruch des Beschwerdegerichts allein tragend der Begründungsmangel, der
sämtliche Kürzungen des Anlagevermögens umfasste. Die darüber hinaus-
gehende Überlegung des Beschwerdegerichts stellte - wie schon aus seiner
selbst gewählten Formulierung "für das weitere Verfahren weist der Senat
vorsorglich auf Folgendes hin" deutlich wird - einen bloßen zusätzlichen Hin-
weis dar, der ersichtlich nicht in einem untrennbaren Zusammenhang zu dem
eigentlichen Neubescheidungsgrund stand. Solche weiteren, vorsorglich er-
teilten Hinweise nehmen nicht an der Bindungswirkung des Bescheidungsur-
teils teil (vgl. BVerwGE 29, 1, 2; BVerwG, Beschl. v. 6.3.1962 - VII B 73/61,
DVBl. 1963, 64; vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rdn. 215; Ren-
nert in Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 121 Rdn. 22). Die Antragstellerin erlei-
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det hierdurch keinen Rechtsnachteil. Sie kann im wiedereröffneten Verwal-
tungsverfahren zu der Tauglichkeit der von ihr in Ansatz gebrachten "WIBE-
RA-Indizes" (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 7.4.2009 - EnVR 6/08) vortragen
und gegebenenfalls weitere Nachweise beibringen.
2. Mittelwert bei Eigenkapitalverzinsung (§ 7 Abs. 1 Satz 4 GasNEV)
Zu Recht beanstandet die Antragstellerin, dass das Beschwerdege-
richt - in Übereinstimmung mit der Bundesnetzagentur - bei der Bestimmung
des betriebsnotwendigen Eigenkapitals jeweils die bilanziellen Jahresend-
werte angesetzt hat.
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a) Das Beschwerdegericht führt hierzu aus, dass die Ermittlung des
betriebsnotwendigen Eigenkapitals aus den Jahresendwerten der Ab-
schlussbilanz und damit nach Abzug der auf das ganze Jahr bezogenen Ab-
schreibungen zu ermitteln sei. Diese Form der Abrechnung ergebe sich aus
§ 3 Abs. 1 Satz 4 erster Halbsatz GasNEV. Danach müsse die Ermittlung der
Kosten und der Netzentgelte auf der Basis der Daten des abgelaufenen Ge-
schäftsjahres erfolgen. Wenn für das Abzugskapital nach § 7 Abs. 2 Satz 2
GasNEV der Mittelwert von Jahresanfangs- und Jahresendbestand in Ansatz
gebracht werde, könne hieraus nicht geschlossen werden, dass vom Verord-
nungsgeber auch für das Eigenkapital ein solcher Wertansatz gewollt sei.
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b) Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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Schon der Regelungszusammenhang des § 7 GasNEV legt nahe, den
Mittelwert von Jahresanfangs- und Jahresendbestand zugrunde zu legen.
Zwar enthielt § 7 Abs. 1 GasNEV in der hier anzuwendenden alten Fassung
für die zu Nr. 1 bis 4 genannten Bestandteile des Eigenkapitals unmittelbar
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keine Bestimmung des maßgeblichen Bewertungsstichtags; demgegenüber
schrieb die Gasnetzentgeltverordnung in § 7 Abs. 2 Satz 2 schon in ihrer ur-
sprünglichen Fassung für das Abzugskapital den Ansatz des Mittelwertes
vor. Mangels eines Grundes, der eine abweichende Handhabung rechtferti-
gen könnte, muss diese Regelung aber auch für die Wertansätze des Eigen-
kapitals nach Absatz 1 gelten. Denn nur wenn die Wertansätze von Aktiva
und Passiva denselben zeitlichen Vorgaben unterworfen sind, ist die Verzin-
sung angemessen im Sinne des § 21 Abs. 1 EnWG.
Hierfür spricht auch die durch die ÄnderungsVO vom 29. Okto-
ber 2007 (BGBl I S. 2529) erfolgte Ergänzung von § 7 Abs. 1 GasNEV um
einen Satz 4, in dem ausdrücklich angeordnet wird, dass jeweils der Mittel-
wert aus Jahresanfangs- und Jahresendbestand anzusetzen ist. Nach den
Materialien soll durch diese redaktionelle Korrektur klargestellt werden, dass
für Aktiva wie Passiva gleichermaßen die Berechnung des betriebsnotwendi-
gen Eigenkapitals auf der Basis von Mittelwerten aus Jahresanfangs- und
-endbestand zu erfolgen hat (BR-Drucks. 417/1/07, S. 27 f.). Es sollte also
- entgegen der Auffassung der Bundesnetzagentur - keine Rechtsänderung
herbeigeführt werden.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 3 Abs. 1
Satz 4 GasNEV. Nach dieser Vorschrift, auf die das Beschwerdegericht ab-
stellt, erfolgt die Ermittlung der Netzentgelte - soweit keine gesicherten an-
derweitigen Erkenntnisse für das Planjahr vorhanden sind - auf der Basis des
abgelaufenen Geschäftsjahrs. Damit wird aber nur die Datenbasis bestimmt.
Hieraus lässt sich kein Schluss darauf ziehen, wie das einzusetzende Eigen-
kapital zu ermitteln ist. Auch bei der Bildung von Durchschnittswerten erfolgt
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keine Änderung, sondern lediglich eine Teilfortschreibung der im Sinne des
§ 3 Abs. 1 Satz 4 GasNEV relevanten Datenbasis.
c) Der fehlerhafte Ansatz bei der Bestimmung der für die Eigenkapital-
verzinsung relevanten Werte macht eine Neubescheidung erforderlich. Die
Bundesnetzagentur wird unter Zugrundelegung der genannten Mittelwerte
die Höhe des zu verzinsenden Eigenkapitals neu zu bestimmen haben.
16
3. Monatsscharfe Abschreibungen (§ 6 Abs. 5 GasNEV)
Die Einwendungen der Antragstellerin sind auch hinsichtlich des An-
satzes der kalkulatorischen Abschreibungen erfolgreich. Zwischen den Betei-
ligten besteht hinsichtlich dieses Ansatzes nur noch insoweit Streit, als die
Bundesnetzagentur keine monatsscharfe Abschreibung zulässt.
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a) Das Beschwerdegericht ist insoweit der Argumentation der Bun-
desnetzagentur gefolgt. Eine monatsscharfe Abschreibung sei auch im Inter-
esse einer zügigen und effizienten Durchführung des Verfahrens nicht ge-
wollt. Deshalb sehe § 6 Abs. 5 Satz 1 GasNEV für jede Anlage eine jährliche
Abschreibung vor. Die Verwendung des Begriffs "jährlich" verdeutliche, dass
die Abschreibung nur in Jahresraten erfolgen solle.
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b) Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Schon im Ausgangs-
punkt fehlerhaft ist die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass bei der
Ermittlung der kalkulatorischen Restwerte eines unterjährig angeschafften
Anlagegutes bereits im Anschaffungsjahr der volle Jahresbetrag anzusetzen
sei. Vielmehr sind die Restwerte für die Anlagegüter gemäß § 6 Abs. 5
GasNEV monatsscharf zu ermitteln.
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aa) Das Beschwerdegericht kann sich insoweit nicht erfolgreich auf
den Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 1 GasNEV stützen. Danach sind zwar die
kalkulatorischen Abschreibungen für jede Anlage jährlich auf der Grundlage
der jeweiligen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer vorzunehmen. Hieraus
folgt indes lediglich die Notwendigkeit eines Abschreibungsplans, der die An-
schaffungs- oder Herstellungskosten nach der in § 6 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4
GasNEV vorgegebenen linearen Abschreibungsmethode auf die Zeit der
Nutzungsdauer verteilt. Dies bedeutet aber nicht, dass der Abschreibungsbe-
trag bereits im Anschaffungsjahr dem vollen Jahresbetrag entsprechen
muss, auch wenn das Anlagegut unterjährig angeschafft worden ist. Der
Begriff "jährlich" kann nicht mit "in gleichen Jahresbeträgen" gleichgesetzt
werden.
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bb) Umgekehrt folgt - anders als die Rechtsbeschwerde meint - das
Erfordernis einer monatsscharfen Ermittlung der Restwerte nicht bereits aus
§ 4 Abs. 2 Satz 1 GasNEV und den dort in Bezug genommenen Vorschriften
über Gewinn- und Verlustrechnungen nach § 10 Abs. 3 EnWG. Für die Han-
delsbilanz sieht zwar § 253 Abs. 2 HGB eine Berechnung der Abschreibung
eines Anlagegutes für das Anschaffungs- oder Herstellungsjahr grundsätzlich
erst mit Beginn der Möglichkeit zur bestimmungsgemäßen Nutzung vor. Wie
der Senat aber mit Beschluss vom 14. August 2008 (KVR 39/07, RdE 2008,
323 Tz. 36 - Vattenfall) im Einzelnen zu § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 StromNEV
begründet hat, handelt es sich bei der dortigen Bezugnahme auf die Han-
delsbilanz um keinen Verweis auf Rechtsnormen des Handelsrechts; viel-
mehr dient die Handelsbilanz insoweit lediglich als Datenquelle für die Regu-
lierungsentscheidung. Für § 4 Abs. 2 Satz 1 GasNEV gilt nichts Anderes. Die
Ermittlung der kalkulatorischen Abschreibungen wie auch die Festlegung der
Eigenkapitalverzinsung folgt einem eigenständigen System, das in seinen
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Grundsätzen durch § 21 EnWG vorgegeben und in der Gasnetzentgeltver-
ordnung näher bestimmt wird. Bei den Vorschriften der §§ 6, 7 GasNEV han-
delt es sich um ein abgeschlossenes Regelungswerk, das die Eigenkapital-
verzinsung losgelöst vom Handelsrecht selbständig normiert (vgl. Senat aaO
Tz. 37).
cc) Dass die Restwerte der Anlagegüter monatsscharf zu ermitteln
sind, d.h. der Zeitpunkt der Lieferung oder der Fertigstellung maßgeblich ist,
ergibt aber eine Gesamtschau der §§ 6, 7 GasNEV.
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Für die Ermittlung der kalkulatorischen Abschreibungen stellt der Ver-
ordnungsgeber in § 6 GasNEV an verschiedenen Stellen auf den konkreten
Zeitpunkt eines bestimmten Ereignisses und nicht auf den 1. Januar des
betreffenden Jahres ab, so etwa in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 GasNEV für den
Zeitpunkt der Errichtung des Anlagegutes oder in § 6 Abs. 6 Satz 3 GasNEV
für den Zeitpunkt der Abschreibungsdauerumstellung. Dies spricht - mangels
entgegenstehender Willensäußerung des Verordnungsgebers - dafür, dass
auch im Rahmen des Abschreibungsplans nach § 6 Abs. 5 Satz 1 GasNEV
der Zeitpunkt der Lieferung oder Herstellung eines Anlagegutes maßgeblich
ist.
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Darauf deutet auch die bei der erstmaligen Ermittlung der Netzentgelte
anwendbare Übergangsregelung des § 32 Abs. 3 Satz 2 GasNEV hin. Da-
nach sind die seit Inbetriebnahme der Sachanlagegüter der kalkulatorischen
Abschreibung tatsächlich zu Grunde gelegten Nutzungsperioden heranzu-
ziehen. Mit der Inbetriebnahme stellt auch diese Vorschrift auf einen konkre-
ten Zeitpunkt ab.
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Schließlich folgt das Erfordernis einer monatsscharfen Ermittlung der
Restwerte auch aus dem Prinzip der Nettosubstanzerhaltung, von dem sich
der Verordnungsgeber in § 6 GasNEV hinsichtlich der Altanlagen hat leiten
lassen (vgl. BR-Drucks. 247/05, S. 27, BR-Drucks. 247/05 (Beschluss),
S. 32) und das dem Ziel einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten
Kapitals nach § 21 Abs. 2 EnWG dienen soll. Bei einer Abschreibung des
vollen Jahresbetrages bereits im Anschaffungs- oder Herstellungsjahr wird
- was auch die Bundesnetzagentur nicht in Abrede stellt - der Restwert des
Sachanlagevermögens, das vor dem für die Entgeltbestimmung maßgebli-
chen Geschäftsjahr i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 4 GasNEV angeschafft worden
ist, und damit die Basis für die Verzinsung des eingesetzten Kapitals gekürzt.
Entgegen der Auffassung der Bundesnetzagentur wird diese Kürzung nicht
durch eine entsprechende Abschreibung der in dem für den Entgeltgenehmi-
gungsantrag maßgeblichen Geschäftsjahr angeschafften Anlagegüter kom-
pensiert. Deren Abschreibung soll den sie betreffenden Wertverzehr, nicht
aber den teilweise nicht berücksichtigten Wertverzehr eines anderen Anlage-
gutes ausgleichen.
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dd) Die von der Bundesnetzagentur für eine auf das Kalenderjahr be-
zogene Abschreibung angeführten Argumente greifen nicht durch.
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Soweit die Bundesnetzagentur aus Gründen der Gleichbehandlung ei-
ne solche Abschreibung für zwingend erforderlich hält, geht dies fehl; eine
Gleichbehandlung der Netzbetreiber ist auch bei einer monatsscharfen Ab-
schreibung möglich. Soweit sie sich darauf beruft, dass mit der Möglichkeit
nur jährlicher Abschreibungen ihr Prüfungsaufwand reduziert werde und
deshalb eine pauschalierte Betrachtungsweise zwecks effizienter und zügi-
ger Durchführung der Genehmigungsverfahren geboten sei, kann dahinste-
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hen, ob dies bei Verwendung von Rechenprogrammen tatsächlich der Fall
ist. Verfahrensökonomische Gründe können jedenfalls nicht dazu führen, das
in § 21 Abs. 2 EnWG angeordnete Ziel einer angemessenen Verzinsung des
eingesetzten Kapitals einzuschränken.
c) Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Entscheidung des Be-
schwerdegerichts und zur Notwendigkeit einer Neubescheidung in diesem
Punkt. Es lässt sich im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht feststellen, ob die
Antragstellerin hinsichtlich der einzelnen Anlagegegenstände ihrer Darle-
gungspflicht nachgekommen ist und deshalb höhere als die von der Bundes-
netzagentur zugebilligten Abschreibungsbeträge beanspruchen kann. Da die
Antragstellerin auch insoweit eine Mitwirkungslast trifft, setzt die Anerken-
nung monatsscharfer Abschreibungen voraus, dass die Antragstellerin nach
§ 23a Abs. 3 EnWG die erforderlichen Unterlagen vorlegt, die einen solchen
kalkulatorischen Ansatz rechtfertigen. Das Beschwerdegericht wird zu prüfen
haben, ob die Antragstellerin die einzelnen Anlagen hinsichtlich ihres An-
kaufszeitpunkts und der jeweils nach der konkreten Nutzungsdauer verblei-
benden Restwerte konkret aufgelistet sowie die Abschreibungsbeträge bezif-
fert hat.
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4. Umlaufvermögen (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GasNEV)
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die
vom Beschwerdegericht gebilligte Kürzung des Umlaufvermögens wendet.
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a) Das Beschwerdegericht hat die Berechtigung dieser Kürzung damit
begründet, dass nach den von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten
Durchschnittswerten deutscher Unternehmen der Forderungsbestand nur
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knapp 20 % des Jahresumsatzes betrage. Zuzüglich eines Sicherheitszu-
schlages könne deshalb lediglich ein Forderungsbestand der Verzinsung
zugrunde gelegt werden, der 25 % des Jahresumsatzes nicht übersteige.
Dies gelte jedenfalls, soweit die Antragstellerin keine nachvollziehbaren
Gründe für die übersteigende Höhe des Forderungsbestandes darlegen kön-
ne. Einen entsprechenden Bedarf an kurzfristig verfügbaren Mitteln habe die
Antragstellerin jedoch nicht vorgetragen.
b) Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
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aa) Wie der Senat mit Beschluss vom 3. März 2009 (EnVR 79/07) ent-
schieden und im Einzelnen begründet hat, ist eine Korrektur der Bilanzwerte
des Umlaufvermögens nach dem Maßstab der Betriebsnotwendigkeit vorzu-
nehmen. Die Umstände, aus denen sich die Betriebsnotwendigkeit ergibt, hat
der Netzbetreiber im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten nach § 23a EnWG
darzulegen und zu beweisen. Soweit ihm dieser Nachweis nicht gelingt und
die Regulierungsbehörde - wie hier - aufgrund allgemeiner Kennzahlen pau-
schale Ansätze zugrunde legt, wird der Netzbetreiber dadurch nicht be-
schwert.
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bb) Die Antragstellerin hat nicht nachzuweisen vermocht, dass ein
Umlaufvermögen mit der angesetzten Höhe des Forderungsbestandes be-
triebsnotwendig ist. Ihre hierfür gegebene Begründung trägt ein solches Er-
gebnis nicht. Die in der Rechtsbeschwerdebegründung genannten Argumen-
te erläutern allein die Spezifika des Betriebs eines Gasverteilernetzes. Dies
kann aber nicht erklären, warum ein Umlaufvermögen mit einem Forde-
rungsbestand von über 80 Mio. Euro betriebsnotwendig sein soll. Ebenso
wenig ist der übrige Vortrag der Antragstellerin geeignet, die Betriebsnot-
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wendigkeit eines Forderungsbestands in dieser Höhe zu belegen. Wie das
Beschwerdegericht zutreffend in seiner Hilfsbegründung ausgeführt hat, bil-
den die bilanziell angesetzten Pensionsrückstellungen dafür keine tragfähige
Grundlage. Abgesehen davon, dass nähere Darlegungen fehlen, können
Rückstellungen nur dann das Vorhalten von Umlaufvermögen rechtfertigen,
wenn in erheblicher Höhe mit einem zeitnahen Abfluss zu rechnen ist. Dies
kommt hier allenfalls für die Deckung der Verbindlichkeiten und die von der
Antragstellerin als kurzfristige Rückstellungen bezeichneten Zahlungspflich-
ten in Betracht, auch wenn insoweit die Darlegungen der Antragstellerin
ebenfalls nur mangelhaft substantiiert sind.
Zu Recht hat dabei das Beschwerdegericht auch die von der Antrag-
stellerin in den Jahren 2007 bis 2009 geplanten Investitionen nicht als aus-
reichenden Grund angesehen. Die angeblich verbleibende Deckungslücke,
die nicht durch die kalkulatorischen Abschreibungen aufgefangen werden
kann, muss nicht durch den Einsatz von Eigenkapital geschlossen werden.
Abgesehen davon, dass Vortrag dazu fehlt, ob ein weiterer Eigenkapitalein-
satz in Anbetracht der Eigenkapitalquote der Antragstellerin noch im Sinne
eines im Wettbewerb stehenden Unternehmens sinnvoll ist, erscheint auch
das Umlaufvermögen als Anlageform hierfür nicht geeignet. Da die Finanz-
mittel jedenfalls nicht kurzfristig abgerufen werden müssen, hätte es nahe
gelegen, das Geld in verzinsten Finanzanlagen vorzuhalten. Auch dieser Ge-
sichtspunkt einer nicht effizienten Anlageform steht - wie der Senat in der
Entscheidung vom 7. März 2009 (EnVR 79/07) ausgeführt hat - einer Be-
rücksichtigung des Umlaufvermögens bei der Eigenkapitalverzinsung nach
§ 7 Abs. 1 Nr. 4 GasNEV entgegen.
34
- 15 -
cc) Anders, als die Antragstellerin meint, kommt es in diesem Zusam-
menhang nicht auf die nach § 3 Abs. 1 Satz 5 GasNEV ergänzend anzuwen-
denden Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten nach der
Verordnung PR Nr. 30/53 (PreisLS) an. Abgesehen davon, dass ein über-
höhtes Umlaufvermögen nicht im Sinne der Nr. 44 der Anlage zur PreisLS
dem Betriebszweck dient, ist - worauf das Beschwerdegericht zutreffend hin-
gewiesen hat - die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung in § 7 GasNEV
selbständig geregelt. Schon aus diesem Grund scheidet eine ergänzende
Anwendung der Leitsätze für die Preisermittlung hier aus.
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5. Kalkulatorische Fremdkapitalverzinsung (§ 5 Abs. 2 GasNEV)
Erfolg hat die Antragstellerin mit ihrer Beanstandung hinsichtlich der
Höhe des Fremdkapitalzinssatzes (§ 5 Abs. 2 GasNEV). Der Senat hat inso-
weit ebenfalls in seiner Entscheidung vom 7. März 2009 (EnVR 79/07) ent-
schieden, dass - ebenso wie für § 5 Abs. 2 StromNEV (vgl. BGH, Beschl. v.
14.8.2008 - KVR 42/07, WuW/E DE-R 2395 Tz. 50 ff. - Rheinhessische Ener-
gie) - bei der Ermittlung des Zinssatzes nicht allein auf die durchschnittliche
Umlaufrendite für festverzinsliche Wertpapiere aus den letzten zehn Jahren
abgestellt werden darf, vielmehr ein angemessener Risikozuschlag in Ansatz
zu bringen ist.
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6. Auflagen
Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg, soweit sie sich gegen die
Annahme des Berufungsgerichts wendet, die beiden Auflagen seien recht-
mäßig.
37
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a) Die von der Antragstellerin angegriffenen Auflagen haben folgenden
Wortlaut:
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"5. Der Antragstellerin wird aufgegeben, der Bundesnetzagentur unverzüglich
- im Falle vorgelagerter kostenorientiert-regulierter Netzbetreiber unverzüg-
lich nach Vorliegen von deren erstmalig genehmigten Entgelten - die für ihr
Netz geltenden Ausspeiseentgelte inklusive gewälzter Kosten und/oder
gewälzter Entgelte anzuzeigen und die Berechnung der Kosten/Entgeltwäl-
zung darzulegen.
6. Soweit der vorgelagerte Netzbetreiber im Genehmigungszeitraum seine
Netzentgelte senkt, sind die genehmigten Entgelte unverzüglich entspre-
chend anzupassen."
b) Das Beschwerdegericht hat die Rechtmäßigkeit der Auflagen im
Wesentlichen wie folgt begründet: Sie seien nach § 23a Abs. 4 Satz 1 EnWG
grundsätzlich zulässig. Sie dienten der Kontrolle, dass die Höchstpreise, die
durch die Kostenüberwälzung einer vorgelagerten Netzstufe erhöht werden
könnten (§ 23a Abs. 2 Satz 2 EnWG), nicht überschritten würden (Nr. 5). Die
in Nummer 6 des Bescheids angesprochene Anpassungspflicht im Falle sin-
kender Kosten vorgelagerter Netzbetreiber ergebe sich spiegelbildlich aus
dem Anpassungsrecht nach § 23a Abs. 2 Satz 2 EnWG. Die Bundesnetz-
agentur sei befugt, die Antragstellerin im Wege einer Auflage zu einer ent-
sprechenden Anpassung zu verpflichten.
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c) Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
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aa) Die Auflagen sind selbständig anfechtbar, weil es sich hierbei um
Nebenbestimmungen handelt, die von der Entgeltgenehmigung trennbar sind
(vgl. BGH, Beschl. v. 14.8.2008 - KVR 34/07 Tz. 91 - Stadtwerke Speyer).
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bb) Die beiden Auflagen sind formell und materiell rechtmäßig. Die
Bundesnetzagentur durfte die Entgeltgenehmigung mit Auflagen versehen.
42
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Eine entsprechende Ermächtigung enthält die Regelung des § 23a Abs. 4
EnWG, die sich gerade auf die Entgeltgenehmigung bezieht. Beide Auflagen
sollen sicherstellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Entgeltge-
nehmigung nach dem Energiewirtschaftsgesetz erfüllt werden (§ 36 Abs. 1
VwVfG).
Die Auflage nach Nummer 5 wiederholt im Wesentlichen die sich aus
§ 23a Abs. 3 Satz 6 EnWG ergebenden Nachweispflichten. Danach muss
der Netzbetreiber die Entgeltkalkulation offen legen. Dies gilt insbesondere
auch für die Kosten vorgelagerter Netze, soweit diese in den Ausspeiseent-
gelten enthalten sind (vgl. Arndt in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 20
Rdn. 147 f.).
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Die Auflage zu Nummer 6, die eine Wälzung gesenkter Entgelte vor-
gelagerter Netze zu Gunsten des Netznutzers vorsieht, ist aus Rechtsgrün-
den gleichfalls nicht zu beanstanden. Wie der Bundesgerichtshof bereits in
seiner Entscheidung vom 14. August 2008 (KVR 34/07 Tz. 96 - Stadtwerke
Speyer) ausgeführt hat, ist das Ziel, die Weitergabe niedrigerer Netznut-
zungsentgelte vorgelagerter Netzstufen zu erzwingen, nicht zu beanstanden.
Es beruht - wie das Beschwerdegericht zutreffend festgestellt hat - auf der
Regelung des § 23a Abs. 2 Satz 2 EnWG, die im Falle sinkender Kosten an-
derer Netze, den Netzbetreiber zu einer anteiligen Kostensenkung verpflich-
tet. Dass der Netzbetreiber gegen solche Änderungen innerhalb der Kalkula-
tionsperiode nicht den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes einwenden
kann, ergibt sich schon daraus, dass die Entgeltgenehmigung unter dem
Vorbehalt des Widerrufs ergeht (§ 23a Abs. 4 Satz 1 EnWG), mithin also die
Regulierungsbehörde nach Widerruf der Genehmigung eine Anpassung der
44
- 18 -
Netzentgelte an die verringerten Vorkosten auch durch eine geänderte Ent-
geltfestsetzung erzwingen könnte.
Die Auflagen sind im Gegensatz zu der Fallgestaltung, die der vorge-
nannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.
August 2008
zugrunde lag, hier auch sachgerecht. Aus ihrem Regelungsinhalt lässt sich
der Zeitpunkt, ab dem die Information der Bundesnetzagentur wie auch der
Kostenwälzung unverzüglich zu erfolgen hat, eindeutig als derjenige Zeit-
punkt bestimmen, zu dem die gesenkten Netzentgelte gegenüber der An-
tragstellerin als Netzbetreiberin wirksam werden.
45
III.
Der Senat verweist die Sache nicht an das Beschwerdegericht zurück.
Die noch offenen Fragen können durch die Bundesnetzagentur in dem nun
neu eröffneten Verwaltungsverfahren entschieden werden, zumal es sich
lediglich um Neuberechnungen handelt. Dabei wird die Bundesnetzagentur
im Falle geänderter Ansätze bei der Eigenkapitalverzinsung auch die Auswir-
kungen auf die kalkulatorische Gewerbesteuer (§ 8 GasNEV) zu berücksich-
tigen haben. Für die von der Bundesnetzagentur vorzunehmende Neube-
scheidung ist der rechtliche Rahmen durch die Entscheidung des Senats so-
wie - hinsichtlich des nicht angefochtenen Teils - durch die Beschwerdeent-
scheidung vorgegeben. Dies gilt auch für die noch zu klärende Frage des
Fremdkapitalzinssatzes. Die dabei im Streit stehende Höhe des Risikozu-
schlags ist Gegenstand mehrerer gerichtlicher Verfahren in der Beschwerde-
instanz. Hierzu werden dort nach Maßgabe der Entscheidungen des Bun-
desgerichtshofs weitere Feststellungen getroffen, an denen sich die Bundes-
netzagentur orientieren wird.
46
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IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 1 EnWG.
47
Tolksdorf
Raum
Meier-Beck
Strohn
Grüneberg
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 24.10.2007 - VI-3 Kart 471/06 (V) -