Urteil des BGH vom 12.07.2016

Leiter, Einfluss, Geschäftsleitung, Erfüllung

ECLI:DE:BGH:2016:120716BENVR54.14.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
EnVR 54/14
vom
12. Juli 2016
in der energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungssache
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Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juli 2016 durch die Präsidentin
des Bundesgerichtshofs Limperg und die Richter Prof. Dr. Strohn, Dr. Grüneberg,
Dr. Bacher und Dr. Deichfuß
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur wird der Beschluss
des
3. Kartellsenats
des
Oberlandesgerichts
Düsseldorf
vom
25. August 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Be-
schwerdegericht den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 9. Novem-
ber 2012 abgeändert hat.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Bundes-
netzagentur vom 9. November 2012 wird insgesamt zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens
einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur wer-
den der Antragstellerin auferlegt.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 50.000
€ festge-
setzt.
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Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um Rechtmäßigkeit und Auslegung der Karenzzeiten-
regelungen des § 10c EnWG.
Die Antragstellerin betreibt mit rund 1.130 km einen Teil des Mitteleuropäi-
schen-Hochdruck-Gasleitungsnetzes M. . Sie ist ein 100-prozentiges Tochterun-
ternehmen der G. S.A.S., die wiederum ein 100-prozentiges
Tochterunternehmen der G. S.A. ist, die das Gasfernleitungsnetz in Frankreich
betreibt. Die Anteile der G. S.A. werden zu 75% von der GD. S.A. und
zu 25% von einem Finanzkonsortium gehalten.
Mit Beschluss vom 9. November 2012 zertifizierte die Bundesnetzagentur die
Antragstellerin gemäß § 4a EnWG als Unabhängige Transportnetzbetreiberin. Num-
mer 3 des Tenors des Zertifizierungsbescheids enthält die Feststellung, dass die je-
weilige Leitung der Bereiche "Key Account Management", "Operations", "Infrastruc-
ture/Europe", "Technical Management", "Finance" und "Legal and Regulatory Affairs"
den Vorgaben des § 10c Abs. 6 EnWG unterfalle.
Mit ihrer Beschwerde hat sich die Antragstellerin gegen die Feststellung in
Nummer 3 des Bescheids vom 9. November 2012 mit Ausnahme des Bereichs
"Technical Management" gewandt. Das Beschwerdegericht hat den Bescheid in
Nummer 3 abgeändert und festgestellt, dass außer dem Bereich "Technical Ma-
nagement" lediglich die jeweilige Leitung der Center "Key Account Management",
"Operations" und "Infrastructure/Europe" den Vorgaben des § 10c Abs. 6 EnWG un-
terliege. Die weitergehende Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewie-
sen. Dagegen wenden sich die Antragstellerin und die Bundesnetzagentur mit ihren
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- vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerden, mit denen sie ihre
jeweiligen Begehren weiterverfolgen.
II.
Die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur ist begründet; sie führt - so-
weit die Beschwerde Erfolg gehabt hat - zur Aufhebung der Entscheidung des Be-
schwerdegerichts und zur vollumfänglichen Zurückweisung der Beschwerde der An-
tragstellerin. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin ist dagegen unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt
begründet:
Die Beschwerde sei teilweise begründet. Die Karenzzeitenregelungen seien
allerdings verfassungsgemäß, weil sie nicht in unzulässiger Weise in Grundrechte,
sei es aus dem Grundgesetz, sei es aus der Charta der Grundrechte der Europäi-
schen Union abgeleitete Rechte, eingriffen. Dabei könne dahinstehen, ob die Vor-
schrift des § 10c EnWG - wegen der detaillierten europäischen Vorgaben - an der
Charta der Grundrechte der Europäischen Union oder am Grundgesetz zu messen
sei. Die hier betroffenen Grundrechte wiesen nach deutschem und europäischem
Recht weitgehend ähnliche Schutzbereiche auf, die indes nicht in unverhältnismäßi-
ger Weise berührt würden.
Die Vorschrift des § 10c Abs. 6 EnWG erfasse nur die Leiter der zweiten
Führungsebene, die für Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes verantwortlich
seien. Entgegen dem weiten Verständnis der Bundesnetzagentur schließe dies nicht
die gesamte zweite Führungsebene ein. Vielmehr seien nach Wortlaut, Historie, Sys-
tematik und Sinn und Zweck der Regelung nur diejenigen Fachbereichsleiter ge-
meint, die eine persönliche und sachliche Verantwortung für die drei relevanten Be-
reiche trügen. Insbesondere beziehe sich der Begriff "Betrieb" nicht auf den gesam-
ten Netzbetrieb, weil ansonsten die weiteren Merkmale der "Wartung" und "Entwick-
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lung" des Netzes bedeutungslos wären. Darüber hinaus werde der Anwendungsbe-
reich des § 10c Abs. 6 EnWG durch den Begriff "verantwortlich" weiter einge-
schränkt. Nach der Gesetzesbegründung sei dieser auf die Personen zu beschrän-
ken, die erheblichen Einfluss auf die Unternehmensentscheidungen und umfangrei-
che Kenntnisse über die technischen Eigenschaften des Transportnetzes und seinen
Zustand hätten.
Nach diesen Maßgaben unterfielen außer dem Leiter des Bereichs "Techni-
cal Management" auch die jeweilige Leitung der Center "Key Account Management",
"Operations" und "Infrastructure/Europe" dem Anwendungsbereich des § 10c Abs. 6
EnWG. Diese seien nach der Aufgabenbeschreibung der Antragstellerin ebenfalls im
engeren Sinne für "Betrieb, Wartung und Entwicklung des Netzes" verantwortlich und
erfüllten typische Aufgaben in engem Zusammenhang mit dem Netzbetrieb.
Dagegen würden die Leiter der Abteilungen "Finance" und "Legal and Regu-
latory Affairs" von § 10c Abs. 6 EnWG nicht erfasst. Der Einfluss im Unternehmen
auf finanzielle Mittel, Buchhaltung und Jahresabschluss genüge nicht, um eine Steu-
erung des Netzbetriebs oder der Netzentwicklung anzunehmen. Eine Verantwortlich-
keit für die Bearbeitung von Rechtsfragen reiche dazu ebenfalls nicht aus; soweit die
Rechtsabteilung Handlungsempfehlungen entwerfe und auf Haftungsrisiken hinwei-
se, sei damit eine faktische Bindung der Geschäftsleitung nicht verbunden.
2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten
stand.
a) Das Beschwerdegericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass die
Karenzzeitenregelungen des § 10c Abs. 6 i.V.m. Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 EnWG nicht
gegen höherrangiges Recht verstoßen. Die dagegen gerichteten Angriffe der Antrag-
stellerin bleiben - was der Senat mit Beschluss vom 26. Januar 2016 (EnVR 51/14
Rn. 19 ff. - Karenzzeiten) entschieden und im Einzelnen begründet hat - ohne Erfolg.
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b) Das Beschwerdegericht hat auch den sachlichen Anwendungsbereich des
§ 10c Abs. 6 EnWG im Grundsatz zutreffend bestimmt. Danach werden - was der
Senat ebenfalls mit Beschluss vom 26. Januar 2016 (EnVR 51/14 Rn. 42 ff. - Karenz-
zeiten) entschieden und im Einzelnen begründet hat - von dieser Vorschrift nicht nur
die Leiter derjenigen Abteilungen erfasst, die sich lediglich in technischer Hinsicht mit
Betrieb, Wartung und Entwicklung des Netzes befassen, sondern auch die Füh-
rungskräfte der zweiten Führungsebene, die umfangreiche Kenntnisse über die tech-
nischen Eigenschaften des Transportnetzes und seinen Zustand haben müssen und
die unternehmerischen Entscheidungen der obersten Unternehmensleitung maßgeb-
lich beeinflussen können. Aufgrund dessen dürfen - anders als die Antragstellerin
meint - die Tatbestandsvoraussetzungen des § 10c Abs. 6 EnWG nicht dahin verengt
werden, dass nur die Fachbereiche erfasst werden, die rein technische, netzbezoge-
ne Aufgaben zu erfüllen haben. Vielmehr genügt eine für die Aufgabenerfüllung der
entsprechenden Fachabteilung notwendige Kenntnis der technischen Eigenschaften
des Transportnetzes und seines Zustands, verbunden mit einer maßgeblichen Ein-
flussmöglichkeit auf die Entscheidungen der Unternehmensführung, ohne dass damit
zugleich verlangt wird, dass der Fachbereich die technischen Aufgaben selbst aus-
führt (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Januar 2016 - EnVR 51/14 Rn. 46 f. - Karenzzei-
ten).
c) Nach diesen Maßgaben werden neben dem Leiter des Bereichs "Techni-
cal Management" die jeweilige Leitung der Center "Key Account Management",
"Operations" und "Infrastructure/Europe" sowie - entgegen der Auffassung des Be-
schwerdegerichts - auch diejenigen der Fachbereiche "Finance" und "Legal and Re-
gulatory Affairs" von § 10c Abs. 6 EnWG erfasst. Insoweit hat die Rechtsbeschwerde
der Bundesnetzagentur Erfolg, während die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin
unbegründet ist. Im Einzelnen:
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aa) Der Leiter der Abteilung "Key Account Management" ist nach den Fest-
stellungen des Beschwerdegerichts für die Kundenbetreuung und Kapazitätsverwal-
tung, das "Hochladen der Kapazitäten", zuständig. Dabei hat er Vertriebsprojekte zu
realisieren und Kapazitäten zu bündeln oder zu auktionieren.
Die Erfüllung dieses Aufgabenbereichs setzt umfangreiche Kenntnisse der
technischen Eigenschaften des Transportnetzes voraus, weil vor allem die Kapazi-
tätsverwaltung nicht losgelöst von den technischen Eigenschaften und dem Zustand
des bestehenden Transportnetzes erfolgen kann. Entgegen der Auffassung der
Rechtsbeschwerde ist es unerheblich, dass der Leiter des Fachbereichs keine (ver-
antwortlichen) Entscheidungen über den Netzbetrieb trifft, sondern im Rahmen sol-
cher Entscheidungen eine lediglich vorbereitende, unterstützende und beratende
Funktion hat. Insoweit genügt es, dass dabei ein hinreichendes Diskriminierungspo-
tential im Hinblick auf eine Bevorzugung der Interessen des vertikal integrierten
Energieversorgungsunternehmens besteht (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Januar
2016 - EnVR 51/14 Rn. 69 - Karenzzeiten).
bb) Die Abteilung "Operations" ist nach den Feststellungen des Beschwer-
degerichts für die operative Erbringung der Transportleistung verantwortlich. Der Be-
reich wickelt die Transporte der Kunden ab und führt auf einer 24-Stunden-Basis den
Nominierungs- und Allokationsprozess mit Hilfe der Abteilung "Commercial Dispat-
ching" durch. Außerdem werden die netzbezogenen IT-Anwendungen entwickelt.
Die Erfüllung dieses Aufgabenbereichs setzt ebenfalls umfangreiche Kennt-
nisse der technischen Eigenschaften des Transportnetzes voraus, weil die Abwick-
lung der Transportleistungen und die Entwicklung netzbezogener IT-Anwendungen
nicht losgelöst von den technischen Eigenschaften und dem Zustand des bestehen-
den Transportnetzes erfolgen kann. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwer-
de ist es unerheblich, dass der Leiter des Fachbereichs "Operations" keine (verant-
wortlichen) Entscheidungen über den technischen Netzbetrieb trifft. Insoweit genügt
es, dass im Rahmen der Aufgabenabwicklung ein hinreichendes Diskriminierungspo-
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tential im Hinblick auf eine Bevorzugung der Interessen des vertikal integrierten
Energieversorgungsunternehmens besteht. Schließlich bedarf es auch keiner Fest-
stellungen des Beschwerdegerichts zu dem (konkreten) Kenntnisstand des Fachbe-
reichsleiters "Operations", weil insoweit eine generalisierende Betrachtungsweise auf
der Grundlage der konkreten Aufgabenbeschreibung anzustellen ist.
Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Entwicklung netzbezogener IT-
Anwendungen. Dieser Aufgabenbereich erfüllt die Anforderungen des § 10c Abs. 6
EnWG, weil die Bewältigung dieser Aufgaben umfangreiche Kenntnisse der techni-
schen Eigenschaften des Transportnetzes und seines Zustands voraussetzt und der
Leiter der IT-Abteilung maßgeblichen Einfluss auf die insoweit zu treffenden Ent-
scheidungen der Geschäftsleitung besitzt. Wie der Senat mit Beschluss vom 26. Ja-
nuar 2016 (EnVR 51/14 Rn. 72 f. - Karenzzeiten) entschieden hat, bildet die Funkti-
onsfähigkeit und ständige Anpassung der Informationstechnologie eine Kerntätigkeit
des Netzbetriebs. Die Entflechtung der Anwendungssysteme und der IT-Infrastruktur
stellt deshalb nach § 10a Abs. 5 EnWG, Art. 17 Abs. 5 der Richtlinien 2009/72/EG
(im Folgenden: StromRL) und 2009/73/EG (im Folgenden: GasRL) einen Schwer-
punkt des Maßnahmepakets des Gesetz- und Richtliniengebers im Rahmen des Mo-
dells des Unabhängigen Transportnetzbetreibers dar, um dessen Unabhängigkeit zu
gewährleisten und insbesondere die im IT-Bereich besonders gefährdete Geheimhal-
tung der gespeicherten Infrastrukturdaten vor einem unberechtigten Zugriff Dritter,
d.h. (einzelfallabhängig) auch vor einem Zugriff des vertikal integrierten Energiever-
sorgungsunternehmens zu schützen (vgl. Senatsbeschluss aaO Rn. 72 - Karenzzei-
ten).
cc) Der Leiter des Bereichs "Infrastructure/Europe" ist nach den Feststellun-
gen des Beschwerdegerichts für die Netzentwicklung und -planung zuständig.
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Die Erfüllung dieses Aufgabenbereichs ist ohne umfangreiche Kenntnisse
der technischen Eigenschaften des Transportnetzes und seines Zustands nicht
denkbar. Netzentwicklung und Netzplanung gehören zum Kernbereich des Netzbe-
triebs. Dies wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellt. Sie wendet
lediglich ein, dass der Leiter dieses Fachbereichs nur für die technische Planung und
Entwicklung des Netzes zuständig sei, hingegen keinen (verantwortlichen) Einfluss
auf das Ob und Wie solcher Maßnahmen habe. Darauf kommt es indes nicht ent-
scheidend an. Insoweit genügt es, dass der jeweilige Bereichsleiter zumindest inso-
weit maßgeblichen Einfluss auf die entsprechenden unternehmerischen Entschei-
dungen der Geschäftsleitung hat, dass er bestimmte Planungen aus technischer
Sicht vorziehen oder verwerfen kann. Das damit vorhandene Diskriminierungspoten-
tial im Hinblick auf eine Bevorzugung der Interessen des vertikal integrierten Ener-
gieversorgungsunternehmens ist dabei gegeben (vgl. Senatsbeschluss vom
26. Januar 2016 - EnVR 51/14 Rn. 69 - Karenzzeiten).
dd) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts unterfällt auch der
Leiter des Bereichs "Finance" den Vorgaben des § 10c Abs. 6 EnWG.
Der Fachbereich ist nach den Angaben der Antragstellerin für das kaufmän-
nische Rechnungswesen verantwortlich und befasst sich mit allen finanziellen Aspek-
ten des Netzbetriebs bei gleichzeitiger Einhaltung aller kaufmännischen Regulie-
rungsvorgaben. Er erstellt die Unternehmensabschlüsse und ist für die Budget- und
Mittelfristplanung sowie für die Durchführung aller Aufgaben der Buchhaltung, der
Rechnungskontrolle und des Berichtswesens verantwortlich.
Die Erfüllung dieses Aufgabenbereichs ist ohne umfangreiche Kenntnisse
der technischen Eigenschaften des Transportnetzes und seines Zustands nicht
denkbar. Anders als das Beschwerdegericht meint, ist nicht entscheidend, ob der
Einfluss dieser Abteilung auf finanzielle Mittel, auf Buchhaltung und Jahresabschluss
genügt, um eine Steuerung des Netzbetriebs oder der Netzentwicklung i.S.d. § 10c
Abs. 6 EnWG anzunehmen. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Leiter der Abteilung um-
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fangreiche Kenntnisse der technischen Eigenschaften des Transportnetzes und sei-
nes Zustands haben muss und die unternehmerischen Entscheidungen der Ge-
schäftsleitung maßgeblich beeinflussen kann. Dies ist bei der gebotenen generalisie-
renden Betrachtungsweise zu bejahen. Die Entflechtung der Buchhaltung und des
Rechnungswesens stellt nach § 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, § 10a Abs. 7 EnWG, Art. 17
Abs. 2 Buchst. h, Abs. 6 StromRL/GasRL einen Schwerpunkt des Maßnahmepakets
des Gesetz- und Richtliniengebers im Rahmen des Modells des Unabhängigen
Transportnetzbetreibers dar, um dessen Unabhängigkeit und insbesondere die im
Rechnungswesen besonders zu fordernde Vertraulichkeit der wirtschaftlich sensiblen
Informationen zu gewährleisten (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Januar 2016
- EnVR 51/14 Rn. 80 - Karenzzeiten).
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat die Abteilung auch nicht nur
eine rein unterstützende Funktion. Vielmehr werden durch diesen Fachbereich Ent-
scheidungen der Unternehmensleitung der Antragstellerin nicht nur vorbereitet, son-
dern auch inhaltlich beeinflusst. Dabei handelt es sich um Kernaufgaben, die für den
Netzbetrieb zwingend erforderlich sind.
ee) Schließlich ist entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts auch
der Leiter des Bereichs "Legal and Regulatory Affairs", d.h. der Rechtsabteilung, der
Karenzzeitenregelung des § 10c Abs. 6 EnWG unterworfen.
Die Erfüllung dieses Aufgabenbereichs setzt umfangreiche Kenntnisse der
technischen Eigenschaften des Transportnetzes und seines Zustands voraus. Die
Rechtsabteilung hat auch maßgeblichen Einfluss auf die unternehmerischen Ent-
scheidungen der Geschäftsleitung. Sie unterzieht deren Vorstellungen einer rechtli-
chen Prüfung, zeigt Handlungsalternativen auf und bewertet sie nach ihrer rechtli-
chen Realisierbarkeit und ihren - auch wirtschaftlichen - Folgen; regelmäßig bereitet
die Rechtsabteilung auch künftige Entscheidungen vor, sei es, dass sie Verhandlun-
gen für künftige Verträge führt, sei es, dass sie die Entscheidungsfreiheit des Unter-
nehmens gegenüber behördlichen Eingriffen zu wahren sucht (vgl. Senatsbeschluss
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vom 26. Januar 2016 - EnVR 51/14 Rn. 86 mwN - Karenzzeiten). Damit ist ein hin-
reichendes Diskriminierungspotential im Hinblick auf eine Bevorzugung der Interes-
sen des vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens vorhanden. Dass sich
die Geschäftsleitung im Einzelfall über Handlungsempfehlungen der Rechtsabteilung
hinwegsetzen mag, ändert daran bei der gebotenen generalisierenden Betrach-
tungsweise nichts (vgl. Senatsbeschluss aaO - Karenzzeiten).
3. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt - wie der Senat mit
Beschluss vom 26. Januar 2016 (EnVR 51/14 Rn. 19 ff., 91 ff. - Karenzzeiten) ent-
schieden und im Einzelnen begründet hat - ein Vorabentscheidungsersuchen an den
Gerichtshof der Europäischen Union oder eine Vorlage an das Bundesverfassungs-
gericht nicht in Betracht.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG.
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Strohn
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Bacher
Deichfuß
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.08.2014 - VI-3 Kart 300/12 (V) -
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